Frankreich

Frankreich

[80] Frankreich (das Königreich) umfaßt gegenwärtig ungefähr 10,000 ! M., auf welchen über 32 Mill. Menschen wohnen. Der Boden ist von mehren Gebirgen durchzogen, und da, wo diese aufhören, meist Hügelland. Durch seine Lage an vier Meeren: dem atlant., dem Kanal, der Nordsee und dem mittelländ. Meere, ist es ebenso zum Seehandel geeignet, als durch seine Angrenzung an Spanien, Italien, die Schweiz, Deutschland und Belgien zur Theilnahme an dem allgemeinen europ. Völkerverkehr bestimmt. Natürliche Häfen bieten die Küsten F.'s in Menge dar, vorzüglich die Nordwestküste des atlant. Meeres. Bemerkenswerthe Busen sind: der biscayische Busen in Gascogne, die Bai von Morbihan, St.-Brieux, Douarnenez und Cancale in der Bretagne und vor allen der 220 M. große Golf de Lions (Löwenbusen) im Mittelmeere. Die Küsten sind meist flach und sandig und nur da felsig, wo sie tiefer in das Meer hineinragen, also in der Provence, Bretagne und Normandie. Die Hauptgebirge sind im S., daher gehen auch die meisten Flüsse nach N. oder W. Von Spanien wird es durch die hohe Kette der Pyrenäen getrennt, deren höchste Spitze, Maladetta (gegen 11,000 F.), auf span. Gebiete liegt; aber auch die zu F. gehörenden Spitzen: der Montperdu, Vignemale, Pic du Midi, Canigou steigen zum Theil bis zu 10,500 F. hinan und bilden die reizendsten Thäler, unter denen das Campanerthal, in welchem der Badeort Bagnères liegt, das berühmteste ist. Am Fuße der Pyrenäen liegt ein weinreiches Hügelland. Daran schließt sich zunächst in nordöstl. Richtung das Lozère-Gebirge von mäßiger Höhe, von welchem zwei Hauptbergreihen ausgehen: im Nordwesten das Gebirge von Auvergne, meist aus ausgebrannten Vulkanen bestehend, von denen der Cantal, Mont d'or und Puy de Dôme eine Höhe von 4500–5700 F. erreichen; nach Nordosten das Cevennengebirge mit Bergen von 4–6000 F, das nördl. in die Côte d'or ausläuft, wo der feurige Burgunderwein wächst. Dies reizende Hügelland geht, noch weiter nach N., in den Argonner- und Ardennerwald über; zwei niedrige Gebirge, die durch das Flußthal der Maas getrennt werden und bis in Belgien hineinragen. Von diesem Gebirgssysteme ganz getrennt sind die hohen Ketten der Alpen, die wie eine hohe Mauer zwischen Italien und F. sich erheben und die Flußgebiete der Rhone und des Po von einander trennen. Mehre Zweige dieser Alpen lagern sich über das südöstl. F. bis an die Ufer der Rhone und des Genfersees, wo das Juragebirge sich anschließt, das längs der Grenze Helvetiens hinstreicht und dessen höchste Spitze, der Reculet, eine Höhe von 5200 F. hat. Wo der Jura aufhört, beginnt das Gebirge der Vogesen, welches den gartenreichen Elsaß von Lothringen trennt und nördl. in den Donnersberg übergeht. Unbedeutender sind die Bergreihen, welche das nordwestl. F. durchziehen und zum Theil weite Ebenen einschließen. Merkwürdig ist das weite Haideland (les Landes) im Südwesten längs der Küste zwischen den Mündungen der Garonne und des Adour, wo nur wenige [80] Menschen wohnen und diese auf hohen Stelzen den tiefen Sand durchschreiten. Ganz eigenthümlich ist auch die Beschaffenheit der Crau, einer ganz mit glatten Steinen bedeckten Ebene an den Mündungen der Rhone.

Die Fruchtbarkeit F.'s hängt großentheils von seiner vorzüglichen Bewässerung ab. Die Garonne, Loire und Seine gehören mit ihrem ganzen Flußgebiete hierher, die Rhone größtentheils und der Rhein und die Schelde nur dem kleinern Theile nach. Zu dem Flußgebiete der Garonne, die auf den Pyrenäen im Thal Arran auf span. Gebiete entspringt, gehören die Flüsse Arriège, Tarn, Lot und Dordogne, die sie rechts, und der Gers, den sie links aufnimmt. Von der Mündung der Dordogne nimmt sie den Namen Gironde an, und steht durch. den großen Südkanal (Canal de Languedoc), der bei Toulouse anfängt, mit dem See Thau, einem kleinen Meerbusen des mittelländ. Meers, in Verbindung. Noch größer ist das Flußgebiet der Loire, die auf den Cevennen entspringt und rechts die Nièvre und Mayenne (mit dem Loir und der Sarthe), links den Allier, Loiret, Cher, Indre, die Vienne und Sèvre nantoise aufnimmt, und wie die Garonne ins atlant. Meer geht. Die Seine, die das dritte große Flußgebiet ausmacht, entspringt auf der Côte d'or und bringt rechts die Aube, Marne und Oise, links die Yonne und Eure mit und mündet in den Kanal. Die Rhone, welche bald nach ihrem Ausflusse aus dem Genfersee in F. eintritt, empfängt rechts den Ain, die Saone, Ardèche und den Gard, links die Isère, Drôme und Durance, bildet bei ihrer Mündung ein Delta, die Camargue, und fließt ins mittelländ. Meer. Das Flußgebiet des Rheins gehört nur dem kleinern Theile nach zu F. Er selbst berührt es nur längs des Elsaß; aber seine Nebenflüsse Ill und die von den Vogesen kommende Mosel mit der Meurthe gehören ganz oder größtentheils zu F. Die Maas (la Meuse), die an der Côte d'or entspringt, kann auch als Nebenfluß des Rheins betrachtet werden, da ihre Mündungen sich mit denen des Rheins vermischen. Außer diesen Hauptflüssen hat F. viele Küstenflüsse, von denen der Adour, die Charente, die Sèvre niortoise, die Vilaine mit der Ille in das atlant. Meer, die Orne und Somme in den Kanal, die Schelde in die Nordsee, und der Var, der Argens, der Herault und die Aude ins mittelländ. Meer gehen. Der innere Verkehr wird durch die Kanäle, welche die Flußgebiete miteinander in Verbindung setzen, sehr befördert. Die Schelde und Seine werden durch den Kanal von St.-Quentin, der zum Theil unterirdisch ist, verbunden; die Seine und Loire durch den Kanal von Orleans und den von Briare; die Loire und Rhone durch den Kanal du Centre; die Seine und die Rhone durch den Kanal de Bourgogne, der aus der Yonne in die Saone geht; die Saone und der Doubs mit der Ill und dem Rheine durch den Kanal des Doubs; von dem Südkanal ist schon gesprochen worden.

Die Luft des nördl. und mittlern F.'s ist wie im nördl. und südl. Deutschland; doch ist der Winter weniger lang dauernd und streng als bei uns. Das südl. F. hat ein herrliches Klima, wo die feinern Obstsorten: die Granate, die Feige, die Olive und der süße Wein trefflich gedeihen, ohne daß die Hitze drückend würde, weil die nahe See die Luft abkühlt. Nur wehen hier zuweilen der Mistral und die Bise, jener aus Nordwest, dieser aus N., zwei heftige und rauhe Winde. Bei der glücklichen Lage F.'s kann es nicht fehlen, daß es eine Menge Erzeugnisse hervorbringt. Obenan steht der Wein, der im größten Theile des Landes, am meisten aber in den südl. Gegenden wächst, besonders in dem Hügelland im Flußgebiete der Garonne, der Rhone und selbst der obern Seine. Wir nennen unter den trefflichen Weinsorten nur die Bordeauxweine, den feurigen und süßen Lünel und den Frontignan in Languedoc, den gediegenen Burgunder und den brausenden Champagner. Ebenso hat es einen Überfluß an Obst jeder Gattung, das nicht nur frisch verbraucht, sondern auch eingemacht oder getrocknet ins Ausland geführt wird. In den nördl. Gegenden werden viel Flachs und Hopfen, in den mittlern viel Runkelrüben gebaut. An Metallen ist F. im Allgemeinen nicht sehr reich; am meisten noch wird Eisen im Jura, in den Vogesen, in den Cevennen und Ardennen gewonnen; dagegen ist es reich an Flintensteinen, Salpeter und Salz. Die Viehzucht ist nicht ausgezeichnet; die Pferde und Rinder sind meist schlecht, die Ziegen und Schafe aber in manchen Gegenden veredelt. Seide wird in den südl. Gegenden sehr viel erzeugt und die Küsten liefern viele Fische und Austern. Unter den Naturerzeugnissen, die F. ausführt, stehen Wein und Öl obenan. Die Fabriken sind in F. ausgezeichnet. Die wichtigsten sind die, welche Seiden- und Baumwollenwaaren, Tuche, Waffen, Galanteriearbeiten, Modewaaren, Uhren, Papier, Porzellan, Tapeten und Essenzen liefern. Mit allen diesen und andern Waaren wird ein ausgebreiteter Handel bis in die entferntesten Erdtheile getrieben. Unter den Seestädten zeichnen sich besonders aus: 1) an der Nordsee Dünkirchen; 2) am Kanal: Dieppe, Havre und St.-Malo; 3) am atlant. Meere: L'Orient, Nantes, la Rochelle, Bordeaux und Bayonne; 4) am mittelländ. Meere: Cette, Marseille und Toulon. Im Innern dagegen treiben den stärksten Verkehr: Paris, Lyon, Orleans, Strasburg, Toulouse, Beaucaire, wo die berühmten Messen, Montpellier, Abbeville und Amiens. Mit England geht der sehr starke Verkehr meist über Calais, zum Theil auch über Boulogne und die andern Häfen des Kanals. Der Handel wird besonders durch die franz. Colonien begünstigt. Die außereurop. Besitzungen F.'s sind: Cayenne (1300 ! M. und 22,000 Einw.); die Antillen: Martinique, Guadeloupe, Desirade, Marie Galante und Les Saintes (54 ! M. und 222,000 Einw.); die Insel Bourbon (112 ! M. und 75,000 Einw.); in Ostindien das Gebiet von Pondichery, Karikal und Mahé, Comptoire zu Yamaon und Chandernagor, Handelslogen zu Patna, Cassimbazar, Balasore, Dacca, Surate und Siuthyia (29 ! M., 100,000 Einw.). Algier (s.d.) wird auf 5000 ! M. mit 1,800,000 Einw. gerechnet.

Die Franzosen sind ein gemischtes Volk; denn mit den alten Galliern haben sich im Laufe der Zeiten Italiener, mehre deutsche Stämme (Franken, Gothen und Burgunder), Normänner u. A. vermengt. Ihre Sprache, eine der ausgebildetsten, gilt in ganz Europa als Sprache der Höfe, der Diplomatik und als Mittel der Verständigung der Gebildeten aller Nationen. Der gemeine Mann spricht in einigen Provinzen Frankreichs ein verdorbenes Französisch, das Patois. Auch ist der Dialekt in Languedoc und Provence etwas abweichend. Im Elsaß wird noch viel Deutsch geredet. Die Einwohner der Bretagne sind Nachkommen der ums I. 450 [81] aus England eingewanderten Briten und nennen sich Bretons oder Breyzards, und in den Pyrenäen wohnen noch Nachkommen der alten Spanier, die Basken, die wie jene eine eigenthümliche Sprache haben. In den Pyrenäen finden sich noch viele Zigeuner und eine entartete Gattung Menschen, die sogenannten Cagots (s. Kretins.) Juden sind überall im Lande verbreitet. Die Mehrzahl der Franzosen sind Katholiken; die Evangelischen bilden ungefähr den siebenten Theil der Bevölkerung, doch herrscht allgemeine Glaubensfreiheit, und alle Franzosen haben, welchem Glauben sie auch angehören, gleiche bürgerliche Rechte. Wissenschaften und Künste werden nicht nur sehr geschätzt, sondern wurden auch von jeher mit großem Erfolge betrieben, und namentlich in den Naturwissenschaften, der Mathematik, der Medicin und Chirurgie und der Geschichte haben sich die Franzosen ausgezeichnet, während sie in den streng philosophischen Wissenschaften den Deutschen bedeutend nachstehen. In der Poesie und Malerei haben sie mehr als in der Bildhauerkunst und in der ernsten Musik geleistet. Der Unterricht ist im Allgemeinen noch schlecht eingerichtet; besonders fehlt es an Volksschulen, sodaß nur der kleinere Theil der Kinder aus den untern Ständen Unterricht erhält. Doch sind in neuester Zeit Schritte zur Vermehrung und Verbesserung dieser Schulen nach dem Muster der deutschen gethan. Universitäten, wie die deutschen eingerichtet, haben die Franzosen nicht, wol aber eine Behörde, Universität genannt, an deren Spitze ein Großmeister steht, welche die Aufsicht über die höhern wissenschaftlichen Anstalten, sowie über die mittlern und niedern Schulen führt. Nur die Militair-, Ingenieur-, Schiffahrts-, Bergwerks- und Thierarzneischulen stehen nicht unter dieser Behörde. Zur Ausbildung der jungen Leute, die sich den Wissenschaften widmen, gibt es Akademien für bestimmte Zwecke; so sind medicinische Schulen in Paris, Montpellier und Strasburg; Rechtsschulen in Paris, Caen, Rennes, Poitiers, Dijon, Grenoble, Strasburg, Aix und Toulouse. Am ausgezeichnetsten sind die Kunst- und Gewerbeschulen und die Militair-, Artillerie- und Ingenieuranstalten.

F. ist eine eingeschränkte Monarchie. Sie wird von einem Könige, jetzt Ludwig Philipp (s.d.), aus dem Hause Orleans, regiert, der durch die Charte, die Ludwig XVIII. gegeben, und die nachmals, bei der Berufung des jetzigen Königs, einige Abänderungen erfahren hat, eingeschränkt ist. Zu den Prärogativen der Krone gehören: Ernennung der Pairs auf Lebenszeit, Entschließung über Krieg und Frieden, Abschließung von Verträgen mit andern Mächten, Wahl der Minister, Ertheilung von Ämtern und Würden und das Recht der Begnadigung. Die Civilliste des Königs beläuft sich auf 12 Mill. Francs. Er hat die ausübende Gewalt; die gesetzgebende dagegen theilt er mit den beiden Kammern, die er zusammenberufen und entlassen kann. Die erste Kammer, die der Pairs, besteht aus mehr als 200 Mitgliedern; die zweite Kammer, die der Deputirten, die zwischen 250–300 Mitglieder zählt, ist die eigentliche Vertreterin des Volks. Die Deputirten werden auf fünf Jahre von den Wahlcollegien der einzelnen Departements ernannt; doch sind nur die höchst Besteuerten und somit die Wohlhabendern wählbar. Jede der Kammern hat das Recht, Gesetzvorschläge zu machen, die zum Gesetze werden, wenn sie von beiden Kammern und vom Könige genehmigt sind. Ein Hauptvorrecht der Kammern ist die Bewilligung der Steuern. Der König ernennt zwar die Minister, aber die Behauptung ihrer Stellen hängt hauptsächlich von ihrer Einigkeit mit der Majorität (Mehrzahl) der Deputirtenkammer ab. Durch die Juliusrevolution wurde die Souverainetät des Volks deutlich ausgesprochen, durch Gesetze jedoch eingeschränkt; dasselbe ist mit der Presse geschehen, die durch jene Revolution für frei erklärt, durch spätere Gesetze aber wieder einigermaßen beschränkt wurde. Die Staatsschuld betrug 1833: 4,423,378,700 Fr. Die Staatseinkünfte belaufen sich auf ungefähr 1,131,000,000 Fr. Früher führte der Thronerbe den Titel, »Dauphin« und der älteste Bruder des Königs hieß »Monsieur«; beide Titel sind, seit die ältere Linie der Bourbons vom Throne ausgeschlossen worden, aufgehoben. Ebenso hat man das Symbol der Bourbons, die Lilie und die weiße Fahne, überall abgeschafft und die Nationalfarben der Revolutionszeit und des Kaiserthums, Roth, Weiß, Blau, sind wieder eingeführt worden. Das Staatssiegel ist ein Schild, auf welchem ein offenes Buch mit der Inschrift »La charte de 1830« liegt und über dem eine geschlossene Krone mit Scepter und Hand der Gerechtigkeit angebracht ist, während die Unterschrift: »Louis Philipp I., König der Franzosen« lautet. An unbeweglichen Gütern gehören der Krone seit der Juliusrevolution: der Louvre, die Tuilerien, das Elisée-Bourbon, die Schlösser, Häuser u.s.w. von Versailles, St.-Cloud, St.-Germain en Laye, Compiegne, Fontainebleau, Pau und Meudon, die Porzellanmanufactur von Sèvres, die Gobelinsfabrik und die Manufacturen von Beauvais, das Gehölz von Boulogne und Vincennes und der Wald von Senart. Auch die Kostbarkeiten, Kunstschätze, Alterthümer und Bibliotheken der kön. Paläste gehören zum Schatz der Krone.

Vor der Revolution von 1798 war ganz F. anfangs in 17, nachher in 34 Provinzen getheilt und seit 1790 ist es mit Inbegriff der Insel Corsica in 86 Departements geschieden. Die einzelnen Departements werden von Präfecten verwaltet. Jedes derselben enthält drei oder vier Arrondissements mit Unterpräfecten, welche wieder in Cantons und Gemeinden, beide unter Schultheißen oder Maires, zerfallen. Die bedeutendsten der vielen reichbevölkerten Städte F.'s sind nach den 86 Departements folgende. Im Dep. Seine: die Hauptstadt F.'s, Paris (s.d.), eine der wichtigsten Städte der Welt; die Abtei St.-Denis (s.d.). Im Dep. Pas de Calais: das fabrikreiche Arras mit 22,000 Einw., der Geburtsort Robespierre's (s.d.); Boulogne mit 20,000 Einw.; Calais (s.d.) und das durch seinen Schnupftaback bekannte St.-Omer mit 20,000 Einw. Im Nord-Departement: die stark befestigte Handelsstadt Lille mit 80,000 Einw.; die Festung Cambray (s.d.); die Hafenstadt Dünkirchen mit 25,000, die Festung Valenciennes mit 21,000 Einw., Batistfabriken und Steinkohlengruben. Im Dep. Aisne: das fabrikreiche St.-Quentin mit 18,000 Einw. Im Dep. Ardennen: die Festungen Charleville mit 8000, und Sedan mit 12,000 Einw. Im Dep. der Maas: die Festung Verdun mit 12,000 Einw., bekannt durch den Vertrag daselbst 843. Im Dep. der Mosel: das stark befestigte alterthümliche Metz mit 43,000 Einw., an der Mosel, mit den Trümmern einer alten röm. Wasserleitung. Im Meurthe-Departement: Nancy an der Meurthe, eine zum Theil wunderschön gebaute Stadt in einer reizenden Gegend mit 30,000, und Luneville [82] mit 12,000 Einw. und reichen Fabriken (bekannt durch den Frieden von 1801). Im Dep. Niederrhein: das einst deutsche Strasburg (s.d.). Im Dep. Oberrhein: das gewerbthätige Mühlhausen (s.d.). Im Dep. Doubs: Besançon am Doubs, eine Festung mit 32,000 Einw., vielen wissenschaftlichen Anstalten, starkem Handel und blühenden Fabriken, besonders von Uhren. Im Dep. Jura: Dole mit 10,000 Einw. Im Dep. Somme: die alte Hauptstadt der Picardie, Amiens (s.d.); das durch Tuchfabriken bedeutende Abbeville mit 19,000 Einw., die nie eroberte Festung Peronne und das feste Schloß Ham. Im Dep. Oise: Beauvais (s.d.). Im Dep. Seine und Oise: Versailles (s.d.). Im Dep. Seine und Marne: Fontainebleau an der Seine, mit 7000 Einw., in dessen Nähe ein kön. Lustschloß liegt, welches Franz I. zu bauen anfing und Heinrich IV., Ludwig XIV. und XV. vollendeten. In demselben hielt sich Papst Pius VII. von 1809 –14 auf; auch unterzeichnete hier am 11. Apr. 1814 Napoleon die Thronentsagung. Im Dep. Marne: Chalons, eine Festung mit 13,000 Einw., berühmt durch die Schlacht auf den catalaunischen Feldern 451; Epernay mit 5000 Einw., welches den meisten Champagner versendet, und Rheims (s.d.). Im Dep. Ober marne: Chaumont mit 7000 Einw., bekannt durch den 1814 zwischen Östreich, Rußland und Preußen abgeschlossenen Vertrag. Im Dep. Aube: Troyes, sonst Hauptstadt der Champagne, mit 26,000 Einw., starkem Weinhandel und Baumwollenfabriken. Im Dep. der Vogesen: Domremy la Pucelle (s.d.), der Geburtsort der Jungfrau von Orleans, und Epinal mit 8000 Einw. Im Dep. Ober-Saone: Vesoul mit 5500 Einw. Im Dep. Yonne: Auxerre mit 13,000 Einw. Im Dep. Côte d'Or: das gutgebaute Dijon mit 25,000 Einw., welche viele Fabriken betreiben, hat eine Universität, eine Societät der Literatur, der Künste und Wissenschaften. Unter seinen 8 Kirchen zeichnet sich die Notre Dame als eins der schönsten gothischen Bauwerke aus. In der Umgegend von Beaume mit 10,000 Einw., in demselben Dep., wachsen die besten Burgunderweine. Im Dep. Saone und Loire: Chalons am Kanal du Centre und an der Saone, mit 11,000 Einw., lebhaftem Handel und Fabriken. Im Dep. Ain: Bourg en Bresse mit 8500 Einw. Im Dep. Isère: Grenoble an der Isère, einst Hauptstadt der Dauphiné, mit 24,000 Einw., ist eine starke Festung gegen Sardinien, hat Leder- und Tuchfabriken und handelt mit Liqueuren und Handschuhen; es hat ferner eine Akademie, eine medicinische, eine Rechts-, eine Zeichnen-, eine Hebammen-und eine Artillerieschule, ein Seminar und eine öffentliche Bibliothek mit 60,000 Bänden. Bayard (s.d.) wurde hier geboren und liegt hier begraben; auch ist ihm 1820 eine Statue errichtet worden. Vienne, am linken Rhoneufer, mit 14,000 Einw. und zahlreichen Fabriken. Im Dep. Oberalpen: Gap mit 7000 Einw. Im Dep. Niederalpen: Digne mit 4000 Einw. Im Dep. Var: Toulon (s.d.). Im Dep. Rhone: Lyon (s.d.). Im Dep. Drome: Valence mit 12,000 Einw. Im Dep. Ardèche: Privas mit 4000 Einw. Im Dep. Vaucluse: Avignon (s.d.). Im Dep. Rhonemündungen: Marseille (s.d.), eine der blühendsten Städte F.'s; Arles mit 22,000 Einw. und vielen röm. Alterthümern; Tarascon an der Rhone mit 10,000 Einw. Von hier führt eine Kettenbrücke nach Beaucaire (s.d.) im Dep. Gard; Nimes (s.d.) in demselben Dep. Im Dep. Lozère: Mende mit 5500 Einw. Im Dep. Cantal: Aurillac mit 10,000 Einw. Im Dep. Ober-Loire: Le Puy en Velay mit 15,000 Einw., einer Kathedrale mit einem wunderthätigen Marienbilde und wichtigen Spitzenmanufacturen. Im Dep. Loire: St.-Etienne (s.d.), eine der wichtigsten Fabrikstädte. Im Dep. Puy de Dome: Clermont Ferrand mit 30,000 Einw., die alte Hauptstadt der Auvergne. In der Vorstadt befindet sich die versteinernde Quelle Saint-Alyre. Die Stadt hat eine Akademie, reiche Fabriken und lebhaften Handel; im J. 1095 wurde hier eine Kirchenversammlung gehalten, auf welcher der erste Kreuzzug gepredigt und verabredet wurde. Im Dep. Herault: Montpellier (s.d.); Cette mit 10,000 Einw., das starken Handel mit Wein und Südfrüchten treibt, und Beziers mit 16,000 Einw., am Kanal von Languedoc. Im Dep. Aude: Carcassonne an der Aude, mit 18,000 Einw., Leder-, Wollen- und Seifenfabriken, und das alte Narbonne mit 10,000 Einw., röm. Alterthümern und einem herrlichen Dome. Im Dep. Ost-Pyrenäen: die Festung Perpignan mit 16,000 Einw., hat Seidenbau und seit 1814 Kaschmirziegen. Im Dep. Arriège: Foix mit 5000 Einw. Im Dep. Ober-Pyrenäen: Tarbes mit 8000 Einw. Im Dep. Nieder-Pyrenäen: Bayonne (s.d.). Im Dep. Gironde: Bordeaux (s.d.). Im Dep. Haiden: Dax am Adour, mit 4500 Einw., berühmt durch seine warmen Bäder. Im Dep. Aveyron: Villefranche mit 10,000 Einw. Im Dep. Tarn: Alby [von dem die Albigenser (s.d.) den Namen] mit 12,000 Einw. und mehren Fabriken, und Castres mit 16,000 Einw. Im Dep. Tarn und Garonne: Montauban mit 25,000 Einw., hat eine Facultät der reformirten Theologie, Tuch- und Seidenfabriken, starken Weinhandel und einen alten Dom. Im Dep. Ober-Garonne: die alte Hauptstadt Languedocs, Toulouse (s.d.). Im Dep. Gers: Auch (spr. Aüsch) mit 10,000 Einw. Im Dep. Lot: Cahors mit 12,000 Einw. Im Dep. Lot und Garonne: Agen mit 12,000 Einw. und berühmten Segeltuchfabriken. Im Dep. Corrèze: Tulle mit 8000 Einw. Im Dep. Dordogne: Perigueux mit 9000 Einw., bekannt durch Rebhühner- und Trüffelpasteten. Im Dep. Charente: Angoulême mit 15,000 Einw., Pulver-, Papier- und Wollfabriken und Niederlagen von Wein und Branntwein, und das durch seinen Branntwein berühmte Cognac (s.d.). Im Dep. Unter-Charente: die beiden mächtigen Städte La Rochelle mit 12,000 Einw., die starke Festung, welche bis 1628 der Stützpunkt der Hugenotten war, eine starken Handel treibende Hafenstadt, und Rochefort mit 15,000 Einw., gleichfalls befestigt, mit einem trefflichen Kriegshafen, großen Seemagazinen und Werften. Im Dep. Vendée: Bourbon Vendée mit 3000 Einw. Im Dep. Nieder-Loire: Nantes (s.d.). Im Dep. Morbihan: L'Orient mit 14,000 Einw., eine der schönsten Städte F.'s, liegt am Meere und hat einen trefflichen Kriegshafen; es treibt namentlich nach Ostindien Handel. Im Dep. Finisterre: die befestigte Seestadt Brest mit 30,000 Einw., an einer Bai, hat ein großes Seearsenal, prachtvolle Quais, eine Seefahrerschule und treibt starken Fischfang, namentlich von Sardellen. Im Dep. Ille und Vilaine: Rennes, die [83] alte Hauptstadt der Bretagne mit 30,000 Einw., hat bedeutende wissenschaftliche Anstalten, Leinwandfabriken und Wachsbleichen; St.-Malo (s.d.) Im Dep. Nordküsten: St.-Brieux mit 10,000 Einw. Im Dep. Manche: Cherbourg mit 17,000 Einw., eine wichtige Seestadt, weil sie den einzigen befestigten Hafen (mit einem 1/2 M. langen Damme) am Kanale hat. Im Dep. Calvados: Caen an der Orne, mit 40,000 Einw., ist eine reiche Fabrik- und Handelsstadt und hat unter andern wissenschaftlichen Anstalten eine Akademie mit drei Facultäten. Im Dep. Eure: Evreux mit 10,000 Einw. Im Dep. Nieder-Seine: Rouen (s.d.); Havre de Grace, eine befestigte Seestadt an der Mündung der Seine, mit 30,000 Einw., von wo aus Dampf- und Packetboote nach allen Weltgegenden ausgehen, und Dieppe, gleichfalls eine Seestadt mit 20,000 Einw. und zahlreichen Fabriken. Im Dep. Orne: Alençon mit 14,000 Einw. und vielen Fabriken. Im Dep. Mayenne: Laval mit 16,000 Einw. und verschiedenen Fabriken. Im Dep. Mayenne und Loire: Angers mit 30,000 Einw., hat ein Felsenschloß, große Schieferbrüche und Mineralquellen. Im Dep. Sarthe: Le Mans mit 20,000 Einw., hat Flaggentuch-, Papier- und Wachstuchfabriken. Im Dep. Eure und Loir: Chartres mit 15,000 Einw. und einer schönen Kathedrale. Im Dep. Loiret: Orleans mit 40,000 Einw., an der Loire, über welche eine schöne Brücke führt. Die unvollendete herrliche Kathedrale zeichnet sich unter den 52 Kirchen der Stadt aus. Dieselbe hat mehre wissenschaftliche Anstalten, wichtige Seidenfabriken und ist berühmt durch die Belagerung, in der sie durch Jeanne d'Arc (s.d.) 1429 befreit wurde. Ein Denkmal erinnert an die Jungfrau von Orleans. Im Dep. Loir und Cher: Blois mit 15,000 Einw., einer langen Brücke über die Loire, ansehnlichen Fabriken und Handel mit Wolle und Wein, und Vendome am Loir, mit 7500 Einw. und großen Handschuhfabriken. Im Dep. Indre und Loire: Tours mit 23,000 Einw., liegt in einer herrlichen fruchtbaren Gegend, dem Garten von Frankreich. Sie ist der Sitz eines Erzbischofs, ist schön gebaut, hat namentlich eine schöne Kathedrale und eine herrliche Brücke über die Loire; auch ist sie reich an wissenschaftlichen Anstalten. Im Dep. beider Sèvres: Niort mit 15,000 Einw., Fabriken und Bleigruben. Im Dep. Vienne: Poitiers, einst Hauptstadt von Poitou, mit 22,000 Einw., hat eine juristische Akademie und andere wissenschaftliche Anstalten, celtische Alterthümer und gehört zu den ältesten Städten des Reichs. Im Dep. Indre: Chateauroux mit 11,000 Einw. Im Dep. Creuse: Gueret mit 4000 Einw. Im Dep. Allier: Moulins mit 14,000 Einw., Stahl- und Messerfabriken. Im Dep. Ober-Vienne: Limoges mit 26,000 Einw., hat ansehnliche Gebäude, unter denen sich die Kathedrale auszeichnet; auch hat sie eine Akademie, ein Seminar, eine Bibliothek u.s.w., sowie ausgebreiteten Handel und berühmte Pferderennen. Im Dep.Nièvre: Nevers mit 16,000 Einw., hat Fayence- und Emaillefabriken und eine schöne Kathedrale. Auf der Insel Corsica (s.d.), welche ein eignes Departement bildet, die Hauptstadt Ajaccio (s.d.). Die Namen der alten 17 Groß-Provinzen waren: Isle de France; Picardie; Champagne mit Brie; Lyonnais mit Bourbonnais, Auvergne und Marche; Bourgogne; Dauphiné; Provence mit Orange, Avignon und Venaissin; Languedoc mit Foix und Roussillon; Guyenne und Goscogne mit Limosin, Saintonge, Bearn u.s.w.; Orléannais mit Maine, Perche, Touraine, Anjou, Poitou, Berry und Nivernais; Bretagne; Normandie; Flandern, Hennegau u.s.w.; Franche Comte; Lothringen; Elsaß; Corsica.

Das Land, welches wir jetzt F. nennen, hieß im Alterthume Gallien und wurde in vier Theile getheilt: das celtische Gallien nahm den nordwestl. Theil zwischen der Garonne, Seine und dem Meere ein; das belg. Gallien umfaßte den nordöstl. Theil zwischen der Seine und dem Rheine; das narbonensische Gallien war der südöstl. Theil zwischen den Cevennen, den Seealpen und dem mittelländ. Meere, und Aquitanien hieß endl. der südwestl., zwischen der Garonne und den Pyrenäen liegende Theil. Recht bekannt wurde das Land erst seit Cäsar's (s.d.) Zeit, der hier zwischen 59 und 49 v. Chr. röm. Statthalter war. Schon hundert Jahre vor ihm hatten die Römer das narbonensische Gallien erobert; er aber machte ganz Gallien zur röm. Provinz, die es unter den röm. Kaisern blieb. Innerhalb 400 Jahren gewöhnten sich die Gallier nach und nach an röm. Herrschaft, Sprache, Sitte, Religion und Cultur. Als durch den Anstoß der asiat. Horden, der Hunnen, 374 n. Chr. die große Völkerwanderung (s.d.) begann, wurde auch Gallien von der allgemeinen Bewegung cherührt. Die deutschen Völker drängten sich nach W. Die Westgothen nahmen das Land zwischen der Loire und den Pyrenäen ein; die Burgunder besetzten den Raum zwischen der Rhone und dem Jura; die Franken (von denen später das ganze Land den Namen erhielt) bemächtigten sich des nördl. F.'s, und von England aus setzten die Briten über und ließen sich im nordwestlichsten Theile, in der jetzigen Bretagne, nieder, sodaß die Römer nur ein kleines Stück in der Mitte Galliens behielten. Vergebens drangen die wilden Hunnen unter Attila (s.d.) über den Rhein in Gallien ein. Die vereinigten Völker maßen sich mit ihnen in der blutigen Schlacht bei Chalons an der Marne und zwangen sie 451 zum Rückzuge. Eine große Umwandlung erhielt Gallien durch den mächtigen Eroberer, den Frankenkönig Clodwig (s.d.) aus dem Königsgeschlechte der Merovinger, welcher von 482–511 regierte und dadurch, daß er den Römern ihre letzte Besitzung in Gallien nahm, die Alemannen am Rhein besiegte, die Westgothen und Burgunder einschränkte und die andern fränk. Stämme am Niederrhein sich unterwarf, der Stifter des großen Frankenreichs wurde. So roh die Franken auch damals waren, so wurden sie doch nach und nach durch die christliche Religion, welche Clodwig 496 annahm, gesitteter gemacht. Nach Clodwig's Tode verfiel die Macht der fränk. Könige, denn seine Söhne zersplitterten dieselben durch Theilungen, noch mehr aber dadurch, daß sie ihren Kriegern Stücke Landes zur Benutzung übergaben. Dadurch wuchs das Ansehen dieser kön. Leute (Leudes), die bald das Erbrecht auf die ihnen überlassenen Ländereien ansprachen. Besonders mächtig aber wurden die Anführer der Leudes, die Majores Domus, deren Ansehen bald das der Könige überstrahlte. Das Reich zerfiel in drei Reiche: Austrasien an der Maas und dem Rheine, Neustrien im nordwestl. F. an beiden Seiten der Seine, und Burgundien, den südöstl. Theil; bald wurden aber die beiden letztern vereinigt, sodaß nur noch die beiden großen Reiche Neustrien und Austrasien übrigblieben, deren jedes einen besondern Major Domus hatte. Unter den mächtigen Majores Domus zeichnete sich [84] Pipin von Heristal so aus, daß er alleiniger Major Domus wurde und der König neben ihm in den Schatten trat. Noch höher stieg das Ansehen seines Sohnes Karl Martell, der sich zum Herzog von Neustrien machte, die Araber, welche 732 unter ihrem Khalifen Abdorrahman über die Pyrenäen gekommen waren, in einer großen Schlacht bei Tours besiegte, und nach des schwachen Königs Tode demselben vier Jahre lang keinen Nachfolger gab, indem er ohne kön. Titel die Regierung allein führte. Als Karl Martell 741 gestorben war, traten seine Söhne, Karlmann in Austrasien und Pipin der Kurze in Neustrien an seine Stelle. Elf Jahre regierte Pipin als Major Domus, dann beschloß er, nachdem Karlmann Mönch geworden war, auch den kön. Namen zu führen. Mit Vorwissen des Papstes schickte er den letzten merovingischen König Childerich III. ins Kloster und erhob sich und sein Haus 752 auf den fränk. Thron. Von ihm stammt die Dynastie der Karolinger, die in F. bis 987 regiert hat. Nach Pipin's Tode, 768, bestieg Karl der Große den Thron, ein Mann, durch dessen geistige Kraft und weltliche Macht die Zukunft Europas bestimmt wurde. Er machte dem Longobardenreiche ein Ende und vereinigte es mit dem seinigen, bezwang nach 32jährigem Kriege die unbändigen Sachsen, dehnte sein Reich bis an den Ebro, die Eider, die Raab und die Tiber aus, verband die verschiedenartigen Völker zu einem Ganzen, erneuerte die Würde eines röm. Kaisers und machte Künste und Wissenschaften in seinem Reiche heimisch. (S. Karl der Große.) Als er 814 starb, sank die Macht der Karolinger zusehens durch die Schwäche seines Sohnes Ludwig des Frommen und die Uneinigkeiten der Söhne Ludwig's unter sich und mit dem Vater. Auch nach dem Tode Ludwig's, 840, wurde der Bruderkrieg fortgesetzt, bis der Vertrag von Verdun 843 jedem der drei Brüder ein eignes Besitzthum festsetzte. Deutschland, Italien und F. wurden voneinander getrennt, das große fränk. Reich löste sich auf und die Geschichte F.'s als eines abgesonderten Königreichs beginnt mit jenem Vertrage von Verdun.

Durch jenen Vertrag fiel F. Karl dem Kahlen, 843–77, zu, einem ruhmlosen Könige, dessen Macht im Innern desto mehr verfiel, je mehr er nach Erweiterung des Reichs strebte. Er riß die Provence, halb Lothringen, zuletzt sogar Italien und die Kaiserwürde an sich, und doch mußte er seinen großen Vasallen eine Urkunde ausstellen, daß deren Ländereien und Amtsstellen vom Vater auf den Sohn erben sollten, wodurch die Gewalt des Königs vom Willen seiner Großen ganz abhängig gemacht wurde. Zugleich bauten diese feste Burgen, angeblich zum Schutz gegen die Anfälle der Normänner, die um diese Zeit ihre Angriffe gegen die Küste zu machen anfingen, eigentlich aber zum Trotze gegen den König. Unter Karl verbreitete sich auch die franz. Sprache über ganz F., die man bisher nur in Neustrien, im westl. Theile, geredet hatte, weil man sich ihrer bei Hofe und in den öffentlichen Verhandlungen bediente. Vorher hatte man sich meist der deutschen Sprache bedient.

Ohne Kraft und Ansehen regierten nach Karl dem Kahlen dessen Sohn und zwei Enkel. Da riefen die franz. Großen, in der Hoffnung, besser regiert zu werden, den Karolinger Karl den Dicken, der König in Deutschland und ein Urenkel Ludwig's des Frommen war, auf den franz. Thron. So wurde noch einmal die Herrschaft Karl's des Großen in ihrer ganzen Ausdehnung hergestellt. Aber die Zeit der Regierung dieses Königs war eine höchst unglückliche. Er war ohne Regententugenden, ohne Geisteskraft, vielleicht auch ohne den Willen, seine Völker glücklich zu machen; dazu kamen die Verheerungen der franz. Küsten durch die Normänner, die bis Paris vordrangen. In Deutschland setzte man Karl 887 ab; in F. geschah dies zwar nicht, aber man fragte nicht mehr nach ihm. Burgund (s.d.) trennte sich von F. und als Karl der Dicke 888 starb, übertrugen die franz. Großen dem Grafen von Paris Odo oder Eudo die Krone; doch kehrten sie nachher zum Karolingischen Hause zurück und erkannten Karl den Einfältigen als König an, dessen Beiname hinlänglich seine Ohnmacht bezeichnet. Die Normänner setzten ihre Einfälle fort, bis Karl, um Ruhe vor ihnen zu haben, den kriegerischen Häuptling derselben, Rollo, zum Eidam annahm und ihm die Normandie als Lehn übergab. Ebenso elend war die Regierung des Sohnes, des Enkels und des Urenkels Karl's. Das schwache Königshaus der Karolinger wurde nur geduldet, aber die Macht lag allein in den Händen der mächtigen Vasallen. Als aber 987 Karl des Einfältigen Urenkel, Ludwig V. oder der Faule, starb, gelang es Hugo Capet, dem mächtigen Grafen von Paris, sich zum Könige zu erheben.

So ging das Geschlecht Karl's des Großen 987 in F. unter und das Haus der Capetinger, von welchem noch heute die Könige von Frankreich, Spanien und Neapel abstammen, bestieg den franz. Thron. Anfangs besserte sich dadurch die Lage F.'s wenig; die Vasallen waren mächtiger als der König, den sie als ihres Gleichen betrachteten; Jeder suchte nur seinen Einfluß zu vermehren, unbekümmert um das Wohl des Volkes, nach welchem Niemand fragte. Noch verwickelter wurden die Verhältnisse, als der Herzog der Normandie, Wilhelm der Eroberer, Englands sich bemächtigte und dieser franz. Vasall nun mächtiger als sein Lehnsherr wurde. Die Capeting. Könige gingen zunächst darauf aus, die Macht der übermüthigen Großen zu brechen. Einen großen Schritt hierzu that Ludwig VI. der Dicke (st. 1137), dessen weiser Minister, Suger, Abt von St.-Denis, dem Könige rieth, den Leibeigenen auf den kön. Gütern die Freiheit zu geben und den Städten Vorrechte zu ertheilen, wodurch das kön. Ansehen bedeutend gewann und die Vasallen genöthigt wurden, ihren Unterthanen ähnliche Freiheiten zu bewilligen. Desto mehr verlor F. unter dessen Sohne Ludwig VII., der einen nachtheiligen Kreuzzug unternahm und sich unklugerweise von seiner Frau Eleonora, der Besitzerin von Guyenne, schied, die nun den mächtigen franz. Vasallen, Heinrich Plantagenet, Herzog von Anjou, Maine und Normandie, heirathete, welcher König von England wurde. Das Streben der franz. Könige, die Besitzungen der Engländer in F. an sich zu reißen, führte lange Zeit hindurch hartnäckige Kriege herbei; zuerst unter Philipp II. August, 1180–1223, welcher Miethstruppen einführte, die Engländer in einer großen Schlacht bei Bovines 1214 besiegte und mehre engl. Provinzen in F. an sich riß. Dagegen wütheten er und sein Sohn Ludwig VIII. gegen ihre eignen Unterthanen, indem sie aus falschem Religionseifer die von dem kirchlichen Glauben abweichenden Albigenser im südl. F. mit Grausamkeit verfolgten. Einen großen Fortschritt [85] machte die kön. Macht unter Philipp IV. dem Schönen, 1285–1314, der mit kräftiger Hand den Anmaßungen des Adels wie der Geistlichkeit entgegentrat und den Bürgerstand begünstigte, dessen Abgeordnete er als dritten Stand zu den Reichstagen zuließ.

Mit seinen drei Söhnen starb 1328 der Hauptstamm der Capetinger aus und die Nebenlinie, das Haus Valois, 1328–1589, bestieg mit Philipp VI. den Thron. Sogleich erneuerten sich wieder die Kämpfe mit England, denn der König dieses Landes, Eduard III., war ein Sohn der Tochter Philipp's des Schönen und machte als solcher Ansprüche auf den franz. Thron. Diese Kriege waren für F. sehr unheilbringend. In den großen Schlachten bei Crecy 1346, bei Maupertuis 1356, wo König Johann von F., Philipp's Sohn, sogar in engl. Gefangenschaft gerieth, sank die Blüte der franz. Ritterschaft, während kecke Volksaufwiegler sich gegen den Regenten, des Königs Johann ältesten Sohn, erhoben, und unbezahlte Soldatenhaufen (die Malandrinen oder Kameradschaften) das Land plündernd durchzogen. Unter Johann's Sohn, Karl V., dem Weisen, 1364–80, wurde die Lage des Landes in jeder Beziehung verbessert, besonders durch den kriegserfahrnen Connetable Bertrand du Guesclin, der den Engländern ihre Eroberungen wieder abnahm. Desto tiefer sank das Reich unter Karl VI., 1380–1422, der als Kind den Thron bestieg und unter welchem die Parteikämpfe der Häuser Burgund und Orleans entbrannten, die Engländer nach ihrem großen Siege bei Azincourt (1415) den größten Theil F.'s einnahmen und selbst die Königin Isabeau ihren eignen Sohn, den Dauphin (Thronerben) Karl, verließ und sich den Engländern anschloß. Der schmähliche Vertrag von Troyes (1420) sollte F. an das engl. Königshaus bringen. Da rettete die Erscheinung der Jungfrau von Orleans (s. Jeanne d'Arc) 1429 den bedrängten Karl VII.; die Engländer verloren ihre Besitzungen in F. bis auf Calais, und die Ruhe nach außen erlaubte dem schlauen Ludwig XI., 1461–83, auf Erweiterung der kön. Gewalt zu denken. Wie Philipp der Schöne, nur in größerm Maßstabe, weil die Zeiten ihm günstiger und seine Arglist größer war, drückte er die großen Vasallen zu unterthänigen Dienern herab, indem er abwechselnd Gewalt oder List anwendete und das Volk mehr hob, sodaß er als der eigentliche Wiederhersteller der kön. Gewalt zu betrachten ist. Bei Karl des Kühnen, Herzogs von Burgund, Tode riß er einige burgund. Provinzen an sich und hinterließ F. so kräftig, daß seine Nachfolger im Stande waren, an Eroberungen in Italien zu denken. Mit seinem Sohne Karl VIII. starb die Hauptlinie der Valois aus und die Regierung ging mit Ludwig XII. auf das Haus Orleans, einer Seitenlinie der Valois, über.

Franz I. (s.d.), 1515–47, der Zeitgenosse des großen Kaisers Karl V., mußte diesem in der Bewerbung um die deutsche Kaiserkrone nachstehen, daher die Eifersucht zwischen Beiden, durch welche vier Kriege hervorgerufen wurden, die im Ganzen zum Nachtheil F.'s endeten. Dagegen erfreute sich dieses, nachdem die Kriege mit England erloschen und die letzte engl. Besitzung in F., die Festung Calais, erobert war, der Ruhe im Innern und die kön. Gewalt wurde unumschränkt. Aber schon unter den Regierungen des folgenden Königs, Heinrich II., 1547–59, und seiner drei Söhne, Franz II., Karl IX. und Heinrich III., 1559–89, wurde die innere Ruhe durch die Verfolgungen der Anhänger der reformirten Lehre, der Hugenotten, gestört. Während das Haus Guise an der Spitze der katholischen Partei stand, wurden die Hugenotten von dem Hause Condé vertreten. Nachdem der Hof unter Karl IX. drei Religionskriege gegen die Hugenotten geführt hatte, ohne sie vernichten zu können, wurde auf Anstiften der Königin Mutter, der nichtswürdigen Katharina von Medici, die Ermordung sämmtlicher Hugenotten in der blutigen Bartholomäusnacht 1572 (s. Bluthochzeit) beschlossen und zum Theil ausgeführt. Die Strafe für diese Greuelthat waren vieljährige Unruhen, in welche das Land durch die Parteiungen der Großen gestürzt wurde. Die Sitten verfielen zusehens, Ränkesucht verdrängte allen Sinn für moralische Größe; die Familie der Guisen strebte nach der Herrschaft und die beiden Religionsparteien kämpften gegeneinander; als die Verwirrung ihren höchsten Grad erreicht hatte, wurde Heinrich III. von einem fanatischen Mönche durch einen Messerstich ermordet.

Mit Heinrich III. ging die Regierung zum Hause Bourbon über. Der treffliche Heinrich IV. (s.d.), 1589–1610, bestieg den Thron; doch kämpfte gegen ihn, den ehemaligen Hugenotten, die von den Spaniern unterstützte katholische Partei so lange, bis er sich mit dem Papste aussöhnte und halb mit List, halb mit Gewalt Paris einnahm. Er heilte dann, von dem wackern Sully, seinem Minister, unterstützt, die Wunden des Landes durch weise Gesetze, durch treffliche Verwaltung der Finanzen und durch Belebung der Gewerbe und des Handels. Das schönste Denkmal aber setzte er sich 1598 durch das Edict von Nantes, durch welches er den Hugenotten gleiche Rechte mit den Katholiken sicherte. Seine Ermordung durch Ravaillac machte seiner glücklichen Regierung ein Ende, die den Franzosen um so segensreicher erschien, da die folgende seines Sohnes Ludwig XIII., 1610–43, überaus nachtheilig war. Die ganze Verwaltung wurde durch seine Mutter, Maria von Medici, welche vier Jahre lang die Regentschaft führte, zum Nachtheil des Reichs verändert. Als Ludwig die Regierung selbst übernahm, wurde es noch schlimmer; zwar versammelte er, zum letzten Male bis zur Revolution, die Reichsstände 1614, aber ohne daß etwas Gutes bewirkt wurde. Er ließ sich von Günstlingen leiten, deren einer den andern stürzte, bis endlich der schlaue Cardinal, Herzog von Richelieu (s.d.), den Platz behauptete, 1624–42. So groß auch der Verstand dieses Mannes war, so fehlte ihm doch die Erkenntniß, daß nur durch die Wahl offener und rechtlicher Mittel das Glück der Staaten wie einzelner Menschen gefördert werden könne. Es gelang ihm, die kön. Gewalt unabhängig zu machen; die Großen wurden durch Hinrichtungen selbst solcher, die sich gegen Richelieu verschworen, gedemüthigt und eingeschüchtert, die Reichsstände alles Einflusses beraubt und nicht mehr versammelt, und die Parlamente, die unter den letztvorhergehenden Regierungen sich in die Verwaltung gemischt hatten, in ihre Schranken zurückgewiesen. Um das Haus Östreich zu schwächen, ließ sich Richelieu während des dreißigjährigen Kriegs mit Schweden und den andern Gegnern des Kaisers in Verbindung ein, und seitdem erkühnte sich F, in allen Angelegenheiten Deutschlands mitzusprechen. [86] Durch Richelieu's Nachfolger, Mazarin (s.d.) wurde während der Minderjährigkeit Ludwig XIV. (s.d.), 1643–1715, die Verwirrung noch größer. Zwar wollten der Minister und die Königin Mutter, Anna von Östreich, im Geiste Richelieu's fortregieren; da ihnen aber dieses Mannes Geistesüberlegenheit fehlte, so erhoben sich mehre Große, der Prinz von Condé an der Spitze, bildeten eine mächtige Partei, die Fronde (s.d.), und beunruhighten F. zehn Jahre lang. Selbst in den Straßen von Paris wurde Blut vergossen. Dennoch behauptete sich Mazarin bis an seinen Tod 1661, wo er F. innerlich beruhigt und von außen gefürchtet, dem jungen, ehrgeizigen, herrschsüchtigen, glanzliebenden Könige zurückließ, der mit glücklichem Blick tüchtige Männer zu Ausführung seiner Pläne aufzufinden verstand. Der große Minister Colbert ordnete die Finanzen, hob die Gewerbe und den Handel, und wußte dadurch die Summen herbeizuschaffen, die der König zu Ausführung kostbarer Bauten, eines glänzenden Hofstaats und seiner Kriege bedurfte, während der Kriegsminister Louvois die franz. Heere furchtbar machte. Auch Künste und Wissenschaften hoben sich unter mächtiger Begünstigung des Königs. Aber theils hatte das unsittliche Leben des Königs auf den Verfall der Sittlichkeit der Franzosen den nachtheiligsten Einfluß, theils erschöpften die fünf Kriege, welche Ludwig mit Spanien, den Niederlanden, England, Deutschland und Östreich führte, die Kräfte des Landes, und endlich geriethen nach Colbert's Tode (1683) die Finanzen in großen Verfall. Zwar vergrößerte Ludwig sein Land durch jeden seiner Kriege, aber in dem letzten derselben, dem span. Erbfolgekriege, 1701–13, gerieth er in solche Noth, daß er bereit war, alle Eroberungen herauszugeben, wenn man ihm den Frieden hätte bewilligen wollen, und nur durch eine glückliche Veränderung der Umstände gelang es ihm, sich nicht nur aus der Verlegenheit zu befreien, sondern sogar seinen Enkel Philipp von Anjou auf den span. Thron zu bringen und die franz. Grenzen zu erweitern. Dennoch hinterließ er das Reich in einem erschöpften Zustande: der innere Wohlstand war dahin, die Unterthanen seufzten unter der Last der Abgaben und der Willkür der Beamten, jede Spur von Freiheit und Volksvertretung war verschwunden und die Staatsschuld zu einer solchen Höhe gestiegen, daß zu ihrer Erledigung wenig Hoffnung war. Dazu kam, daß Ludwig durch die Aufhebung des Edicts von Nantes (1685), zu welcher ihn sein Beichtvater und die Marquise von Maintenon verleitet hatten, und durch die Verfolgung der Reformirten viele Tausend fleißiger Familien zur Auswanderung gezwungen hatte. Handel und Wandel waren ins Stocken gerathen, und die franz. Seemacht war 1692 durch die Engländer auf lange Zeit zerstört worden.

Ludwig XIV. Urenkel, Ludwig XV., 1715–1774, erfüllte nicht die Hoffnungen, die man sich von seiner Gutartigkeit gemacht hatte. Die ersten acht Jahre führte der Herzog von Orleans die Regentschaft, dessen unverschämte Unsittlichkeit die franz. Sitten noch mehr vergiftete. Es schien besser werden zu wollen, nachdem der König die Regierung selbst übernommen hatte und der Regent in demselben Jahre gestorben war. Auch ließ die Wahl des siebzigjährigen Fleury (s.d.) zum ersten Minister, welche Stelle derselbe 17 Jahre lang behauptete, Gutes hoffen. Ludwig lebte anfangs streng-sittlich und glücklich, bis er verleitet wurde, sich eine Maitresse zu nehmen. Von da an versank er nicht nur in große Unsittlichkeit, sondern verlor auch allen Geschmack an den Regierungsgeschäften, die er seinem Minister allein überließ. Nachdem mehre Maitressen nacheinander den schwachen König geleitet hatten, bemächtigte sich seiner die schlaue Marquise de Pompadour, die ihn von 1744 bis an ihren Tod 19 Jahre lang beherrschte. Nachdem F. sich ohne Noth in den östr. Erbfolgekrieg, 1740–48, gemischt und hier zwar zu Lande viele Vortheile, zur See aber namhafte Verluste erlitten hatte, trat es im Frieden von Aachen ohne Landesgewinn zurück. Die Fortschritte, welche die Franzosen theils in Ostindien, noch mehr aber in Nordamerika am Lorenzo, Ohio und Missisippi machten, verwickelten sie sieben Jahre später, 1755–62, in einen siebenjährigen Seekrieg mit England, der ihnen bedeutende Verluste, namentlich den von Canada in Amerika, im Frieden von Fontainebleau 1763 zuzogen. Zu derselben Zeit ließ sich Ludwig auf Betrieb der Pompadour in den siebenjährigen Krieg, 1756–63, in Deutschland ein. Ludwig verband sich mit Östreich, auf dessen Macht F. unter den frühern Regierungen eifersüchtig gewesen war, gegen Friedrich den Großen, der den Franzosen mehre empfindliche Niederlagen beibrachte. Zugleich wurde die Schuldenlast ins Ungeheure vermehrt. F. ging mit Riesenschritten seinem Verfalle entgegen. Das Beispiel des Hofes wirkte nachtheilig auf die Sitten, und die Religion, welche allein deren Verfall hätte aufhalten können, wurde durch die Schriften Voltaire's, Diderot's, d'Alembert's, Rousseau's u. A. herabgezogen. Endlich starb der allgemein verachtete Ludwig XV. 1774 und hinterließ seinem Enkel, Ludwig XVI., eine Schuldenlast von 4000 Mill. Livres.

So redlich auch der Wille des jungen Königs war, so war doch dem gesunkenen Staate nicht durch gelinde Mittel, sondern nur durch eine gänzliche Umänderung der bestehenden Verfassung zu helfen; denn die drückenden Abgaben lasteten nur auf dem Volke, während der hohe Adel und die Geistlichkeit frei davon waren. Alle einträglichen Stellen wurden nur den bevorrechteten Familien übertragen oder an den Meistbietenden verkauft; die Abgaben waren zu solcher Höhe gestiegen, daß sie nicht mehr gesteigert werden konnten. Das gemeine Volk war leichtsinnig und sittenlos und konnte von unruhigen Köpfen leicht zu Unordnungen gemisbraucht werden, während sich im Mittelstande, wo die größte Bildung zu finden war, durch das Beispiel der Nordamerikaner, an deren Losreißung von England F. lebhaften Antheil genommen hatte, Ideen von bürgerlicher Freiheit und Gleichheit verbreitet hatten. Politische Schriftsteller trugen nicht wenig dazu bei, diese Ideen zu verbreiten und die Gährung in den Gemüthern zu vermehren. Die Großen waren lasterhaft, und man hatte sich unter Ludwig XV. gewöhnt, die kön. Würde zu verachten. So einfach auch Ludwig XVI. selbst war, so dauerte doch die Verschwendung bei Hofe fort, wodurch die Schuldenlast noch vermehrt wurde. Das Volk fing an zu murren, allgemein sehnte man sich nach einer Veränderung der Dinge und der Finanzminister war nicht mehr im Stande, Rath zu schaffen. In dieser Noth wurden, seit 163 Jahren zum ersten Mal, die Notabeln 1787 versammelt. Da sie aber eine allgemeine Grundsteuer verwarfen, die allein hätte retten können, so dienten sie nur dazu, die Gebrechen des Staats noch mehr aufzudecken. [87] Das Verlangen nach Berufung der Reichsstände, die seit 1614 nicht versammelt gewesen waren, wurde nun immer größer. Noch widerstand der König; da aber das Parlament sich weigerte, die verlangten neuen Steuern zu genehmigen und keiner der schnell aufeinander folgenden Minister helfen konnte, so fügte sich endlich der König auf den Rath des Ministers Necker in deren Versammlung.

Am 5. Mai 1789 versammelten sich die Reichsstände in Versailles. Durch den Beschluß, den der dritte Stand durchsetzte, daß nach Köpfen gestimmt werden sollte, wurde das Übergewicht desselben über die Geistlichkeit und den Adel entschieden, besonders da der größere Theil der erstern zu dem Bürgerstande übertrat. Vergebens befahl der König, daß nach Ständen gestimmt werden und daß jeder Stand sich besonders versammeln sollte. Auf Graf Mirabeau's Vorschlag erklärte der dritte Stand, er werde nicht gehorchen, und da nun auch mehre vom Adel, der Herzog von Orleans an der Spitze, übertraten, erklärte sich der dritte Stand zur Nationalversammlung am 17. Jun. 1789, und der erschrockene König gab nach. Mit rascher, kecker Hand riß diese Nationalversammlung das alte, morsche Gebäude der bisherigen Verfassung ein; waren es auch Misbräuche, die man angriff und verwarf, so war doch die stürmische Eile, mit der man verfuhr, nicht weise. Die Nation zerfiel nun in zwei Parteien; die eine suchte möglichst viel vom Alten zu erhalten (die Aristokraten), die andere, die Freunde der Revolution, alles Alte über den Haufen zu werfen. Der König zog 20,000 M. in der Nähe von Paris zusammen, vielleicht nur, um den Ausbruch von Unruhen zu verhindern, beschleunigte aber denselben eben dadurch. Ein fürchterlicher Aufstand brach in Paris los, die zum Staatsgefängniß benutzte Bastille wurde erobert und geschleift und der König genöthigt, die Truppen zu entfernen. Es wurde eine Nationalgarde unter Lafayette errichtet. Die Entfernung der Soldaten beruhigte endlich das Volk, und der Besuch, den der König am 17. Jul. auf dem Rathhause in Paris abstattete, schien Volk und Hof ausgesöhnt zu haben. Doch der Geist der Widersetzlichkeit, des gegenseitigen Mistrauens, des Hasses der untern Stände gegen die höhern war einmal aufgeregt und ließ sich nicht bannen, und die Unordnung breitete sich über ganz F. aus. Die Bekanntmachung der Menschen- und Bürgerrechte durch die Nationalversammlung ließ viel Gutes hoffen; aber die übelverstandenen Worte: Gleichheit und Freiheit und die Bemühungen des übelgesinnten Herzogs von Orleans vermehrten die Verwirrung. Dieser und andere Böswillige erregten einen neuen, noch gefährlichern Tumult am 5. und 6. Oct. 1789. Zwei bewaffnete Haufen zogen nach Versailles, begingen Mordthaten und zwangen die kön. Familie, ihren Wohnsitz in Paris zu nehmen, wohin die Nationalversammlung bald folgte. Der hier anfangs herrschende gute Geist verschlimmerte sich bald wieder. Die exaltirten Neuerer erhielten nach und nach das Übergewicht; sie bildeten den berüchtigten Jakobinerclub. Alle mit der Geburt zusammenhängenden Vorrechte, auch der Adel, wurden aufgehoben, dem König bei der Gesetzgebung nur eine beschränkt verneinende Stimme (das Veto) vergönnt, die Kirchengüter und ein großer Theil der Krondomainen wurden eingezogen und, da es an Geld fehlte, eine ungeheure Menge von Papiergeld, die Assignaten, die späterhin allen Werth verloren, geschaffen. Diesen Verfügungen folgte die Aufhebung aller geistlichen Stiftungen und Klöster, der Parlamente, die Einführung der Geschwornengerichte, die Emancipation der Juden, die Abschaffung aller Titel und Wappen, die Eintheilung des Reichs in 83 Departements, der Beschluß, daß 747 zu wählende Deputirte die Nationalrepräsentation bilden sollten u.s.w. Wenn auch diese Beschlüsse zum Theil Bedenken erregten, so schien doch das Bundesfest, das man am Jahrestag der Zerstörung der Bastille, am 14. Jul. 1790, auf dem Marsfelde in Paris mit allgemeiner Begeisterung feierte, eine Versöhnung der verschiedenen Parteien herbeigeführt zu haben. Aber schnell zerging der schöne Traum; die Aristokraten konnten die »gute alte Zeit« nicht verschmerzen und dachten auf Wiederherstellung derselben, viele Geistliche weigerten sich, die neue Verfassung zu beschwören, und auf der andern Seite ruhten die Freunde der Revolution nicht, die Bande des Gehorsams immer mehr zu lösen und den Pöbel gegen die Gesetze aufzuwiegeln. Schon waren der Graf von Artois, nachmaliger König Karl X., und andere Glieder des kön. Hauses aus F. geflohen; ihnen folgten bald viele Edelleute und Geistliche (Emigranten), und der König erkannte, als der Pöbel ihm die Spazierfahrt nach St.-Cloud am 18. Apr. 1791 wehrte, daß er nur noch ein Gefangener sei. Dieser peinlichen Lage wollte er sich durch die Flucht entziehen. In der Nacht vom 20. Jul. reiste er mit seiner Familie heimlich nach Montmedy ab, wurde aber unterwegs in Varennes erkannt und nach Paris zurückgeführt. Nur sein Bruder, Graf von Provence, war entkommen. Die Revolution nahm indessen einen immer gefährlichern Charakter an. Zwar stiftete Lafayette aus der Partei der Gemäßigten den Club der Feuillants, aber dagegen erhob sich aus der Mitte der Jakobiner der Club der Cordeliers, theils aus Bösewichtern, wie Marat und Robespierre, theils aus exaltirten Republikanern bestehend. Der Pöbel, durch diese Partei aufgeregt, fing an zu herrschen und der Name Sansculotte (Ohnehosen) wurde ein Ehrenname.

Am 30. Sept. 1791 ging nach Vollendung der neuen Verfassung die erste (constituirende) Nationalversammlung auseinander und am folgenden Tage trat die gesetzgebende Versammlung zusammen. Durch die Ränke der Jakobiner waren größtentheils republikanisch gesinnte, überspannte Köpfe, zum Theil Bösewichter, die nur zur Vergrößerung der Verwirrung beitragen wollten, gewählt worden, und sogleich erhob sich der Parteienkampf. Die Versammlung der Emigrirten unter dem Grafen von Artois in Koblenz und die Bemühungen derselben, die europ. Mächte zu einem Kriege gegen F. zu vermögen, gaben den Feinden des Königs einen Vorwand, die Absichten desselben zu verdächtigen und das Königthum verhaßt zu machen. Die einflußreichsten Stellen in Paris wurden mit Jakobinern besetzt, die Majestät des Königs herabgewürdigt, und da er sich weigerte, die Gesetze gegen die Ausgewanderten und gegen die den Eid verweigernden Priester zu bestätigen, brach am 20. Jun. 1792 ein Aufstand aus. Das Volk drang in das Schloß der Tuilerien, beleidigte den König und die Königin, und wenig fehlte, daß sie von dem rasenden Haufen ermordet wurden. Von nun an war jede Scheu vor der Majestät des Königthums verschwunden, und da um diese Zeit der Krieg des deutschen Kaisers und des Königs von Preußen gegen F. ausgesprochen und ein preuß. Heer unter dem Herzoge von Braunschweig in Lothringen eingefallen war, so vermehrte sich der Haß [88] gegen den König, den man mit diesen Feinden einverstanden glaubte, immer mehr. Laut erhoben sich Stimmen, die seine Absetzung verlangten. Am 10. Mai 1792 fiel endlich der Schlag. Von den wüthendsten Jakobinern geleitet, stürmte der Pöbel den Tuilerien zu. Die kön. Familie, vom Morde bedroht, begab sich in die Nationalversammlung und wurde gefangen in den Tempelthurm abgeführt. Die Versammlung sprach die Absetzung des Königs aus, verordnete die Zusammenberufung eines Nationalconvents, der im Namen des »souverainen Volks« regieren sollte, und alle Ministerstellen wurden mit Jakobinern besetzt. Die Pöbelherrschaft mit allen ihren Schrecknissen brach herein; auf Danton's Betrieb wurden vom 2. bis 5. Sept. Haussuchungen nach den Aristokraten gehalten. Es wüthete in Paris eine Rotte, ärger als die wildesten Bestien; nicht einzeln, sondern massenweise wurde gemordet. An 5000 Menschen kamen um.

Am 21. Sept. 1792 versammelte sich der Nationalconvent, der großentheils aus bösen oder überspannten Menschen bestand. F. wurde zur Republik erklärt und Alles, was an das Königthum erinnerte, zerstört. Von jenem Tage an rechnete man während der Republik die Jahre, bis Napoleon 1806 diese Zeitrechnung aufhob. Vergebens hatten erst Lafayette, späterhin Dumouriez an der Spitze ihrer Heere die Pöbelherrschaft bekämpfen wollen; die Soldaten empörten sich gegen sie und zwangen sie zur Flucht. Ebenso vergeblich waren die Anstrengungen der preuß. und östr. Heere; jene hatten in der Champagne dem Einflusse der Witterung unterlegen, diese waren bei Jemappes am 6. Nov. 1792 geschlagen worden. Im Convent erhob sich zwischen der wüthenden Partei des Berges und der gemäßigtern Gironde ein heftiger Kampf, der mit der Niederlage der letztern endete. Der gefangene König wurde von dem Convente zum Tode verurtheilt und am 21. Jan. 1793 durch die Guillotine enthauptet. Von nun an wüthete der Convent nicht allein gegen alle Freunde des Königs und der Ordnung, sondern auch gegen die Bessern seiner eignen Mitglieder. Robespierre trat an die Spitze des Wohlfahrtsausschusses, der die Opfer bezeichnete, welche das Revolutionstribunal unter der Guillotine fallen ließ. Der Schrecken regierte das unglückliche F.; statt eines gutgesinnten, wenn auch schwachen Königs hatte es einen Haufen blutgieriger Bösewichter zu Herrschern erhalten, vor denen Alle zitterten. Selbst der Convent sah sich gezwungen, dem Willen des Pöbels und seiner Häupter zu gehorchen. Wer diesen zuwider war oder ihnen gefährlich dünkte, wurde zum Tode verurtheilt. Dies Schicksal traf namentlich die Mitglieder der Gironde (s.d.); nur Wenige retteten sich durch die schleunigste Flucht. Die Wuth des Pöbels gegen die vermeintlichen Königsfreunde wurde durch den Krieg der verbündeten Mächte noch erhöht, und dieser gab den Häuptern der Revolution einen Vorwand, das Volk gegen die sogenannten Feinde der Freiheit bis zur Raserei zu entflammen. Diese entwickelte im Volke eine ungeheure Kraft, welche den Heeren der Franzosen, so schlecht sie auch aussahen, den Sieg verschaffte; sowol der Haß gegen die Fremden als die Furcht vor der Guillotine trieb die franz. Jugend zu ungewöhnlicher Anstrengung und Tapferkeit.

Die ersten Erfolge der franz. Waffen waren glänzend. Die allgemeine Begeisterung, die neue Art, Krieg zu führen, ohne Gepäck, ohne Magazine, unter Anführung begeisterter Generale, hatte ihnen überall den Sieg errungen. Savoyen und Nizza, Speier, Worms, Mainz und Frankfurt, ganz Belgien wurden besetzt und die Östreicher zurückgeworfen. Zwar wandte sich zu Ende des Jahres 1792 das Kriegsglück. Dumouriez war zu den Östreichern übergegangen, der Oberanführer derselben, Prinz von Koburg, siegte bei Aldenhoven, Neerwinden und Löwen, und Belgien schien für F. verloren. Auch die Preußen rückten wieder über den Rhein vor, nahmen Mainz ein und siegten bei Pirmasens, während die Engländer sich mit Holland, Rußland, Spanien, Sardinien, Neapel, Portugal, Ostreich und Preußen gegen F. verbanden und dieser großen Coalition mit Geld behülflich waren, sodaß es schien, als müsse F. durch die Anzahl seiner Feinde erdrückt werden. Aber schon gegen Ende des Jahres. 1793 zeigte sich F. aufs Neue siegreich. Das Volk wurde in Masse aufgeboten, den Generalen, wenn sie sich besiegen ließen, der Tod gedroht, ganz F. schien nur Ein Lager zu sein, alle Landstraßen waren mit herbeieilenden Soldaten bedeckt, und plötzlich sah man die franz. Heere überall wieder siegreich auftreten. Sie drängten die Verbündeten bis an den Rhein zurück, besetzten Belgien wieder und eroberten unter Pichegru sogar Holland. Diese Rettung war um so unerwarteter und wunderbarer, da sich zugleich ein Bürgerkrieg erhob. Die Einwohner der Vendée erhoben sich, von den Edelleuten und der Geistlichkeit aufgeregt, für das Königthum und führten mehre Jahre einen hartnäckigen Kampf gegen die Gewalthaber in Paris. Zugleich standen die Städte im Süden: Marseille, Toulon, Lyon und Bordeaux, auf und verweigerten den Jakobinern den Gehorsam. Dennoch überwanden die Schreckensmänner in Paris alle diese Schwierigkeiten und Gefahren, die Gegner der Revolution wurden, da sogar die Guillotine zu langsam mordete, scharenweise zusammengeschossen oder ertränkt. Mit eiserner Strenge regierte Robespierre an der Spitze des Wohlfahrtsausschusses; selbst Männer seiner eignen Partei wagten kaum einen leisen Widerspruch; Alles zitterte vor dem Gewaltigen.

Robespierre theilte anfangs seine Gewalt mit Danton (s.d.) und wurde von Marat, Collot d'Herbois, St.-Just, Couthon und Billaud de Varennes unterstützt. Nicht zufrieden, in Paris jeden durch Reichthum, Edelsinn, Geburt oder Gelehrsamkeit ausgezeichneten Mann als einen Verdächtigen zu verfolgen und durch die Guillotine aus dem Wege zu schaffen, sandte er auch Commissarien in die Provinzen und errichtete dort den parisern ähnliche Ausschüsse. Mit Recht wurde daher seine Regierung mit dem Namen des Terrorismus (Schreckensregierung) bezeichnet. Unter den in Paris Hingeopferten befanden sich die Königin Marie Antoinette (16. Oct. 1793) und die sanfte Elisabeth, Schwester Ludwig XVI. (10. Mai 1794). Endlich singen die Gewalthaber an, gegen sich selbst zu wüthen. Zuerst wurde der schändliche Orleans, der sich den Namen Egalité (d.h. Gleichheit) gegeben hatte und den selbst seine ehemaligen Freunde verachteten, hingerichtet (9. Nov. 1793). Dann kam die Reihe an mehre Cordeliers, die den Wüthendsten wegen gemäßigter [89] Gesinnungen verdächtig geworden waren; unter ihnen war Danton, nachdem Marat bereits unter dem Messer der Charlotte Corday (s.d.) gefallen war. Künste und Wissenschaften wurden in jener Zeit nicht nur verachtet, sondern selbst verfolgt, die christliche Religion wurde abgeschafft und dagegen der Vernunft ein Tempel geweiht, ein neuer Kalender eingeführt, und ganz offen erklärt, daß alle Könige fallen sollten. Allein je mehr ganz F. vor Robespierre zitterte, desto gefährlicher wurde seine Lage; denn selbst seine Freunde waren vor dem Tyrannen nicht mehr sicher. Am 27. Jul. 1794 wurde er durch Tallien und Billaud de Varennes gestürzt und mit mehren seiner Gehülfen zur Guillotine geführt..

Von nun an hörte die Schreckensregierung auf. Die Guillotine wurde auf die Seite gebracht, nachdem nur noch wenige Bösewichter unter ihr geblutet hatten; die Girondisten wurden zurückgerufen, der Gottesdienst wieder erlaubt, einige Versuche der Jakobiner, die Herrschaft wieder zu erlangen, mit Gewalt zurückgewiesen und die Vendée endlich beruhigt. An die Stelle des Convents traten nun am 26. Oct. 1795 ein Rath von 500, ein Rath der Alten von 250 und fünf Directoren.

Nach dem Sturze der Jakobinerherrschaft hatte man sich auch mit dem Schicksale der kön. Kinder, die, getrennt voneinander, noch im Gefängnisse saßen, beschäftigt. Der kleine Dauphin war aber durch die schlechte Behandlung, die er erfahren, bereits so zu Grunde gerichtet, daß er nicht mehr gerettet werden konnte. Er starb am 8. Jun. 1795. Seine Schwester dagegen wurde gegen einige Gefangene an die östr. Regierung ausgeliefert. In neuester Zeit ist ein gewisser Nauendorf, der lange im Preußischen als Uhrmacher lebte, mit der Behauptung aufgetreten, daß er der Sohn Ludwig XVI. sei, aber mit seinen Ansprüchen überall als schwachköpfiger Mensch abgewiesen worden.

Indessen hatte theils das Kriegsglück der Franzosen, theils die Uneinigkeit unter den commandirenden Generalen der Verbündeten, theils endlich die gänzliche Veränderung der Lage F.'s bei den kriegführenden Mächten den Wunsch nach Frieden erzeugt. Zuerst trat der Großherzog von Toscana zurück; dann schlossen Preußen (5. Apr. 1795), Hessen und Spanien mit F. den Frieden von Basel. Nur die Östreicher und die süddeutschen Fürsten setzten den Krieg mit abwechselndem Glücke fort. Siegte auch der östr. General Clairfait 1795 in Belgien, und trieb auch der junge Erzherzog Karl 1797 die Generale Jourdan und Moreau, die in Deutschland eingefallen waren, wieder über den Rhein zurück, so waren doch in Italien die Franzosen unter dem jungen General Napoleon Bonaparte entschieden siegreich. Dieser eroberte durch eine Reihe von Gefechten Oberitalien und zwang Östreich zu dem nachtheiligen Frieden von Campo Formio am 17. Oct. 1797, durch welchen Östreich sein Anrecht auf Belgien und seine ital. Besitzungen aufgab und dafür die ehemalige Republik Venedig und Dalmatien erhielt. Nur das deutsche Reich blieb noch unausgesöhnt mit F. Um auch hier die Ruhe herzustellen, trat ein Congreß in Rastadt zusammen, dessen Unterhandlungen sich aber durch Schuld der franz. Regierung in die Länge zogen. Auch der Seekrieg mit England währte fort, zum großen Nachtheil F.'s, das den größten Theil seiner Colonien verlor und mehre Niederlagen zur See erlitt.

Im Innern F.'s hatten zwar die scheußlichen Hinrichtungen aufgehört, dennoch fehlte viel an der Beruhigung des Landes. Noch einmal loderte der Bürgerkrieg in der Vendée und in Bretagne (s. Chouanerie) auf und wurde nur mit Mühe unterdrückt; die Jakobiner sowol als die Royalisten machten neue Verschwörungen; das in der Revolution angefertigte Papiergeld, die Assignaten, hatte allen Werth verloren und viele Tausende von Familien waren dadurch um ihr Vermögen gekommen. Der Nationalbankrott war entschieden; aber der Staat wurde durch denselben gerettet. Das Papiergeld verschwand und die Brandschatzungen, welche Bonaparte in Italien erpreßt hatte, brachten wieder klingende Münze nach F. Einige Ruhe kehrte zurück durch die Deportation mehrer unruhiger Köpfe; aber dagegen verloren die Directoren durch eine schlaffe, durch Willkür und Ungerechtigkeiten bezeichnete Regierung die Achtung des Volkes. Man erkannte, es könne so nicht bleiben. Die neue Verfassung hatte zu viele Mängel, die immer stärker hervortraten und das Streben F.'s, sich mit neuen Republiken zu umgeben – (Holland war in eine batavische, der größte Theil Oberitaliens in eine cisalpinische und Genua in eine ligurische Republik verwandelt worden) – mußte früher oder später mit den benachbarten Mächten neue Streitigkeiten erzeugen. Dazu kamen die Gewaltthätigkeiten, welche die Directoren rücksichtslos gegen kleinere Staaten sich erlaubten. Unter nichtigen Vorwänden bemächtigten sich die Franzosen Roms und des Kirchenstaats, entführten den Papst Pius VI. nach Valence in F. und errichteten eine römische Republik. Die Schweiz wurde besetzt und in eine ungetheilte helvetische Republik verwandelt. Endlich wurde sogar Neapel besetzt und hier eine parthenopeische Republik eingeführt, und da die Länder des Königs von Sardinien und des Großherzogs von Toscana die Reihe der eroberten Länder unterbrachen, bemächtigten sich die Franzosen ohne weitern Grund auch dieser Besitzungen. Man erkannte, daß F. den Frieden von Campo Formio nur geschlossen hatte, um unter dem Schutze des Friedens noch mehr an sich zu reißen.

Während sich ein franz. Heer an den Küsten des Kanals sammelte und eine Flotte bereit war, es nach England überzusetzen, verließ Bonaparte unerwartet (20. Mai 1798) mit einer zahlreichen Flotte und einem ausgesuchten Heere den Hafen von Toulon, bemächtigte sich der Insel Malta und landete in Ägypten, unter dem Vorwande, die Mamluken zu bekriegen. Vielleicht lag der Plan, von da aus die Herrschaft der Engländer in Ostindien zu zerstören, der gewagten Unternehmung zum Grunde. Zwar zerstörte der engl. Admiral Nelson nach der gelungenen Landung der Franzosen die franz. Flotte am 1. Aug. 1798 in der großen Seeschlacht bei Abukir; doch machte Napoleon große Fortschritte in Ägypten und bemächtigte sich nach dem Siege bei den Pyramiden über die Mamluken der Hauptstadt Kairo. Dagegen scheiterte 1799 sein Versuch, die Festung St.-Jean d'Acre in Syrien einzunehmen; sehr geschwächt kehrte er nach Ägypten zurück.

Indessen hatte England eine zweite Coalition gegen F. zu Stande gebracht. Rußland, Östreich und ein großer Theil von Deutschland vereinigten sich zu Anfange des Jahres 1799 zu einem neuen Kriege, aufgebracht über die rücksichtslosen Gewaltstreiche F.'s. Während dessen hatte der Congreß [90] in Rastadt fortgedauert, aber ohne einen Frieden herbeizuführen, der auch unter den jetzigen Umständen nicht zu erwarten war. Am 8. Apr. 1799 wurde er von Seiten Deutschlands für aufgelöst erklärt.

Der Anfang des Kriegs war für die Verbündeten günstig. Erzherzog Karl trieb Jourdan über den Rhein zurück und General Kray trieb die Franzosen in Oberitalien vor sich her. Zugleich wurde Neapel von der franz. Herrschaft theils durch das Vorrücken der Östreicher, theils durch einen Aufstand der Calabresen befreit. Ebenso schnell sank die röm. Republik zusammen, und nachdem die vereinigten Russen unter Suworoff und die Östreicher unter Kray die Schlacht bei Novi am 15. Aug. 1799 gewonnen hatten, besaßen die Franzosen in Italien nur noch die Festung Genua. Aber ein Sieg, den Masséna am 25. Sept. bei Zürich über die Russen gewann und das Misglücken einer Seeexpedition der Russen und Engländer gegen Holland machten dem russ. Kaiser, Paul, üble Laune; er rief sein Heer zurück und trennte sich von der Coalition. Zugleich erschien Bonaparte, aus Ägypten zurückgeeilt, in F. am 9. Oct. Er wußte, daß man mit der Regierung der Directoren unzufrieden war, verließ sein Heer in Ägypten (das späterhin, am 30. Aug. 1801, nach einer großen Niederlage durch die Engländer zu capituliren genöthigt wurde), landete in Frejus, eilte nach Paris, jagte, nicht ohne persönliche Gefahr, am 9. und 10. Nov. die Versammlungen der beiden Räthe auseinander und hob die Directorialregierung auf. Er führte eine neue Verfassung ein: einen Erhaltungssenat, ein Tribunal (das aber späterhin aufgehoben wurde), ein gesetzgebendes Corps und drei Consuln. Indem er sich zum ersten Consul erklärte, bemächtigte er sich der Regierung und die Republik hörte dadurch factisch auf. Von nun an bekam der Krieg eine andere Wendung. Während er den General Moreau nach Deutschland schickte, zog er selbst 1800 schnell über den großen Bernhard nach Italien, gewann am 14. Jun. die große Schlacht bei Marengo und gewann durch diesen Schlag Oberitalien wieder. Dieser und der Sieg Moreau's bei Hohenlinden in Baiern über Erzherzog Johann am 3. Dec. entschied über das Schicksal des Kriegs. Das rasche Vordringen Bonaparte's und Moreau's gegen Wien bewogen den Kaiser Franz für Östreich und das deutsche Reich den Frieden von Luneville am 9. Febr. 1801 zu unterzeichnen, durch welchen F. außer dem Gebiete zwischen dem Po und der Etsch das Herzogthum Modena und das Großherzogthum Toscana gewann und die helvet., cisalpinische, ligurische und batav. Republik bestätigt wurde. Das linke Rheinufer blieb bei F., der Herzog von Modena wurde durch den Breisgau, der Großherzog von Toscana durch Salzburg entschädigt. So hatte F. abermals an Umfang und Ansehen gewonnen und überließ dem zerrissenen Deutschland die Entschädigung der beraubten Fürsten. England sah die Coalition zerstört; zwar hatte es Malta und Ägypten erobert; dennoch hielt es für gerathen, mit F. den Frieden von Amiens am 27. März 1802 zu schließen, nach welchem es die meisten der eroberten franz. und holländ. Colonien und Malta, letzteres an den Malteserorden, zurückzugeben versprach.

Bonaparte ging nun darauf aus, F. zum mächtigsten Staate in Europa und sich zum Herrn desselben zu machen. Vor Allem wurde die Ordnung im Reiche wiederhergestellt, die Parteien wurden beschwichtigt, ein Versuch, den eine ihm feindliche Partei machte, Bonaparte in Paris durch eine Höllenmaschine zu ermorden, wurde benutzt, sich vieler ihm gefährlicher Menschen zu entledigen. Er führte den katholischen Gottesdienst wieder ein, ordnete die katholische Kirche, stellte den alten Kalender wieder her, sorgte für Errichtung von Schulen, ließ Straßen, Brücken, Kanäle anlegen, beförderte Wissenschaften und Künste, Ackerbau, Gewerbe und Handel, unterdrückte aber auch die Freiheit der Presse, schärfte die Policei und führte ein alles Vertrauen zerstörendes Spionsystem ein. Um einen neuen Adel zu schaffen, errichtete er die Ehrenlegion. Ein neues Gesetzbuch, der Code Napoléon, ordnete die Rechtspflege. Ebenso willkürlich, wie er in F. schaltete, verfuhr er auch mit den benachbarten, ihm durch den luneviller Frieden preisgegebenen Ländern. Toscana machte er zu einem Königreiche Hetrurien und übergab es dem Herzoge von Parma, dessen Land er unter franz. Verwaltung nahm. Die Besitzungen des Königs von Sardinien auf dem Festlande wurden zu F. geschlagen, die cisalpinische Republik erhielt den Namen der ital., er selbst aber machte sich zum Präsidenten derselben, und Helvetien wie Holland erhielten neue Verfassungen. Alle diese Länder blieben entweder von franz. Truppen besetzt, die sie ernähren mußten, oder standen doch unter franz. Einflusse. Darauf ließ Bonaparte sich am 3. Aug. 1802 zum Consul auf Lebenszeit ernennen und ordnete die Verfassung so, daß alle Gewalt in seine Hände gelegt wurde. (Vergl. Bonaparte.)

Es war vorauszusehen, daß der Friede nicht lange bestehen würde. Unmöglich konnten die europ. Mächte Bonaparte's willkürliches Betragen ruhig ansehen; sie erkannten, daß er immer weiter greifen würde. Im Mai 1803 brach der Krieg mit England aus; Veranlassung gab die Weigerung Englands, die Insel Malta herauszugeben, und der herrische Ton, den Bonaparte sich gegen England anmaßte. Der Verdruß über die Wegnahme der franz., auf der See befindlichen Handelsschiffe durch die Engländer bestimmte ihn, eine Flotte und ein Heer an der Küste des Kanals zu sammeln und durch General Mortier Hanover besetzen zu lassen. Neue Verschwörungen gegen Bonaparte hatten zur Folge, daß derselbe sich 1804 als Napoleon I. zum Kaiser von F. erklären ließ und sich im folgenden Jahre zum König von Italien (Königreich wurde jetzt die bisherige ital. Republik genannt) aufwarf. Sein Stiefsohn, Eugen Beauharnais (s.d.) wurde zum Vicekönig von Italien ernannt. Schnell folgten noch andere Vergebungen an Verwandte Napoleon's und Umgestaltungen der von F. abhängigen Länder. Das Herzogthum Lucca wurde seinem Schwager Bacciocchi verliehen, der auch das Herzogthum Piombino dazu erhielt; die ligurische Republik wurde aufgelöst und zu F. geschlagen und die batav. behielt zwar ihren Namen, bekam aber, indem sie einen Rathspensionair als Oberhaupt erhielt, eine monarchische Verfassung.

Alle diese Schritte führten die dritte Coalition herbei. England, Schweden, Rußland und Östreich vereinigten sich gegen Napoleon 1805. Aber rasch warf sich dieser auf das bis Ulm vorgerückte östr. Heer, zwang hier am 17. Oct. einen großen Theil desselben unter General Mack zur Capitulation, [91] besetzte Wien und erfocht über das russ. und östr. Heer den großen Sieg bei Austerlitz (s.d.) am 2. Dec., der den Kaiser Franz zum Frieden von Presburg am 26. Dec. nöthigte, durch welchen er auf Venedig, das mit dem Königreich Italien vereinigt wurde, auf Tirol, das an Baiern fiel und auf seine Besitzungen in Schwaben, die an Baiern, Würtemberg und Baden abgetreten wurden, verzichten mußte. So belohnte Napoleon seine Freunde mit fremdem Gute; denn Baiern, Würtemberg und Baden waren mit ihm im Bunde; jenes wurde zum Kurfürstenthum, diese beiden zu Königreichen umgeschaffen. Östreich erhielt für alle Verluste nur Salzburg, wogegen dem ehemaligen Großherzog von Toscana Würzburg gegeben wurde. Dem. ehemaligen Herzog von Modena, der den Breisgau an Baden verlor, wurde eine Entschädigung verheißen. Seitdem gingen die von F. abhängigen Länder in schnellem Wechsel von Hand zu Hand, wie das Belieben des franz. Herrschers gebot. Das Glück Napoleon's wurde nur durch einen Schlag getrübt; der engl. Admiral Nelson vernichtete die vereinigte span. und franz. Flotte in der Seeschlacht bei Trafalgar am 21. Oct. 1805. Auf den Frieden von Presburg folgten schnell neue Veränderungen. Zunächst wurde dem Könige von Neapel der Krieg erklärt, weil er im Nov. 1805 die Landung eines engl.-russ. Heers erlaubt habe. Joseph Bonaparte, Napoleon's Bruder, wurde nach Neapel geschickt, eroberte es, ohne großen Widerstand zu finden, die Hauptstadt wurde besetzt und Napoleon ernannte seinen Bruder am 30. Mai 1806 zum König beider Sicilien. Zur Belohnung der franz. Generale wurden, meist in Oberitalien, eine Menge Herzogthümer creirt, Napoleon's Schwager, der Prinz von Borghese, wurde zum Fürsten von Guastalla, sein Bruder, Louis Bonaparte, zum König von Holland, sein Schwager, Joachim Murat, zum Herzog von Berg ernannt. Am 12. Jul. 1806 stiftete Napoleon den Rheinbund (s.d.), indem er sich mit 16 meist süddeutschen Fürsten zu gegenseitiger Kriegshülfe verband. Er selbst nannte sich Protector des Bundes; die Kräfte dieses Theiles von Deutschland standen ihm nun zu Gebote.

Östreich war für den Augenblick gelähmt, aber Preußen, durch vielfältige Treulosigkeiten Napoleon's aufgebracht, vereinigte sich mit Rußland, England, Schweden und Sachsen und kündigte im Herbst 1806 den Krieg an. Noch waren die Russen nicht angelangt. Napoleon warf sich mit Übermacht auf die Preußen und Sachsen, zersprengte ihr Heer am 14. Oct. in den Schlachten von Jena und Auerstädt, gewann schnell die meisten preuß. Festungen, ächtete den Herzog von Braunschweig und den Landgrafen von Hessen, deren Länder er für gute Beute erklärte, besetzte Berlin und führte sein Heer schnell nach Polen, das auf seinen Ruf gegen die preuß. Herrschaft aufstand. Erschreckt schlossen sich die kleinern deutschen Fürsten an den Rheinbund an und Sachsen war glücklich, in Posen mit F. einen Frieden schließen zu dürfen. Die blutige Schlacht bei Eylau am 7. und 8. Febr. 1807 gegen die Russen blieb zwar unentschieden, dagegen erlitt nach dem Falle von Danzig das russ. Heer am 14. Jun. bei Friedland eine so entschiedene Niederlage, daß Kaiser Alexander den Frieden anbot, der am 7. Jul. mit Rußland und am 9. Jul. mit Preußen in Tilsit zu Stande kam und diesem Reiche die Hälfte seiner Länder kostete. Polen wurde unter dem Namen eines Herzogthums Warschau dem zum König erhobenen Kurfürsten von Sachsen gegeben; die dem Könige von Preußen geraubten Länder nebst Braunschweig und Hessen wurden zu einem Königreiche Westfalen vereinigt, das Napoleon's Bruder Jerome erhielt und der Überrest von Preußen mit so schweren Kriegssteuern belegt und durch die unter nichtigen Vorwänden zurückgelassenen franz. Besatzungen so ausgesogen, daß der niedergedrückte Staat sich kaum erhalten zu können schien. Zugleich benutzte der Sieger seine Übermacht, um eine Achtserklärung gegen das noch unbezwungene England zu schleudern. Durch seine Decrete von Berlin am 21. Nov. 1806 und von Mailand am 17. Dec. 1807 wurden die brit. Inseln in Blockadezustand, alle engl. Waaren auf dem Festlande für verfallen erklärt und jeder Verkehr mit England dem ganzen übrigen Europa streng verboten.

Der nächste Angriff Napoleon's galt der pyrenäischen Halbinsel. Unter dem Vorwande, daß Portugal seine Häfen den engl. Schiffen nicht verschlossen habe, ließ er das Land durch ein franz. Heer unter Junot besetzen. Nachdem die kön. Familie nach Brasilien unter Segel gegangen war, hielt Junot am 1. Dec. 1807 seinen Einzug in Lissabon, und Napoleon erklärte: das Haus Braganza habe aufgehört über Portugal zu regieren. Zu gleicher Zeit wurde ohne allen Grund das Königreich Hetrurien weggenommen. Dann folgte der Angriff auf Spanien. Napoleon benutzte den Zwiespalt, der hier zwischen dem schwachen Könige, Karl IV., und dessen Sohne Ferdinand ausgebrochen war, um sich mehrer span. Festungen zu bemächtigen. Ein Aufstand, der sich im März 1808 in Aranjuez erhoben hatte, und die darauf erfolgte Abdankung des Königs zu Gunsten Ferdinand VII. diente ihm ferner zum Vorwande, ein franz. Heer in Madrid einrücken zu lassen. Dann lockte er beide Könige, Vater und Sohn, nach Bayonne, bewog hier jenen, ihm seine Rechte auf den span. Thron zu übertragen, den jungen König aber, die angemaßte Krone niederzulegen, wies Beiden einen Aufenthalt in Frankreich an und bestimmte seinen Bruder Joseph zum König von Spanien; Neapel gab er seinem Schwager Joachim Murat und das Großherzogthum Berg dem ältesten Sohne des Königs von Holland. Die span. Nation, tief empört über diese Schändlichkeit, erhob sich gegen den Eindringling, kämpfte muthig gegen die nach Spanien geschickten franz. Heere und erhielt später von England Unterstützung. Fünf Jahre lang währte ein blutiger Krieg und Spanien wurde das Grab der Franzosen und ihrer Verbündeten; zugleich wurde Portugal durch ein engl. Heer unter Wellington von den Franzosen noch im J. 1808 befreit. In der pyrenäischen Halbinsel erblich Napoleon's Glücksstern zuerst.

Bald nach dem Anfange des Kriegs in Spanien fing Östreich an sich zu rüsten. Es war von F. zu tief gekränkt worden und hatte zu schwere Verluste erlitten, um nicht jeden geeigneten Zeitpunkt zur Wiederaufnahme des Kriegs zu benutzen. Am 15. Apr. 1809 wurde der Krieg erklärt und zugleich erhoben sich die treuen Tiroler gegen die bair. und franz. Zwingherrschaft. Aber auch diesmal war Napoleon wieder der Sieger (s. Östreich) und zwang den Kaiser zum Frieden von Wien (14. Oct. 1809), in welchem Östreich wieder schwere Opfer bringen mußte. Es trat mehr als den fünften Theil seiner Besitzungen ab: Salzburg, den Innkreis, das jetzige Königreich Illyrien, einen Theil von [92] Kroatien, Dalmatien und Westgalizien. Einen Theil erhielt Baiern, ein Stück Rußland, das halb gezwungen, also nur lau, gegen Östreich mitgefochten hatte, Westgalizien wurde zu Warschau geschlagen, das Königreich Illyrien aber wurde indessen für franz. Rechnung verwaltet und Tirol der bair. Herrschaft wieder unterworfen. – Während dieses Kriegs war eine neue Gewaltthat geschehen. Napoleon's Verhältniß zum Papst Pius VII. war seit einiger Zeit immer gespannter geworden, weil dieser sich weigerte, in die Anfoderungen Jenes, die theils den Kirchenstaat, theils das Kirchenregiment betrafen, einzugehen. Überdies mochte der Kirchenstaat dem franz. Kaiser, der außerdem über ganz Italien gebot, im Wege sein. Am 2. Febr. 1808 ließ er Rom plötzlich besetzen, ebenso andere Städte des Kirchenstaats, und vereinigte willkürlich einen Theil desselben mit dem Königreiche Italien. Am 17. Mai 1809 wurde der übrige Theil des Kirchenstaats dem franz. Reiche einverleibt und Rom zur zweiten Hauptstadt desselben ernannt. Feierlich protestirte der Papst dagegen und sprach über Napoleon den Bannfluch aus; dafür ließ ihn dieser des Nachts überfallen (6. Jul.) und nach Frankreich schleppen, wo er unter Aufsicht gestellt wurde. Dieser Willkür folgten in raschem Gange andere Gewaltschritte. Ludwig, König von Holland, war, weil er den Verkehr seines Volkes mit England nicht ganz hatte hindern können und wollen, mit Napoleon zerfallen. Im Jan. 1810 schickte dieser deshalb ein franz. Heer nach Holland, das mit franz. Zollbedienten die Küste besetzte, und zwang seinen Bruder zur Abtretung der holländ. Flotte und der südl. Provinzen. Da bald darauf neue Truppen einrückten und Ludwig sich der Willkür seines Bruders preisgegeben sah, entsagte er am 1. Jul. 1810 der Regierung und Holland wurde dem franz. Kaiserreiche einverleibt. Dasselbe geschah am 11. Nov. mit dem Walliserlande, desgleichen am 13. Dec. mit dem nordwestl. Deutschland, wodurch Hamburg, Bremen, Lübeck, Oldenburg, Lauenburg und andere Districte Deutschland entzogen wurden.

Seit dem Frieden von Tilsit war anfangs das Vernehmen zwischen Rußland und Frankreich gut gewesen; Alexander hatte nicht nur auf einem Congresse in Erfurt 1808 Napoleon versprochen, den Verkehr mit England abzubrechen, sondern auch F. in seinem Kriege gegen Östreich 1809 ein Hülfsheer gestellt. Aber theils mochte das eigenmächtige Verfahren Napoleon's den russ. Kaiser empören, theils war er nicht gesonnen, länger zum Schaden seines Reichs den Handel mit England zu verbieten. Darüber entstand eine gegenseitige Bitterkeit, die endlich 1812 einen Krieg herbeiführte, der Napoleon's Macht zuerst erschütterte und endlich seinen Sturz herbeiführte. Während Rußland nur Schweden und England zu Bundesgenossen hatte, setzte Napoleon das ganze übrige Europa, Dänemark und die Türkei allein ausgenommen, gegen Rußland in Bewegung; selbst das gemishandelte Preußen und Östreich mußten Hülfstruppen geben. Das ungeheure, aus fast 600,000 Kriegern bestehende Heer, mit jedem Kriegsbedürfniß reichlich versehen, brach im Jun. 1812 in Rußland ein, anfangs mit glänzendem Erfolge. Die Schlacht bei Smolensk (am 17. und 18. Aug.) wurde gewonnen; die noch blutigere an der Moskwa (am 7. Sept.) konnte die Franzosen nicht aufhalten, bis Moskau vorzudringen. Aber hier war die Grenze gesteckt; der furchtbare Brand von Moskau (s.d.) und die Weigerung Alexander's, Frieden zu schließen, nöthigten Napoleon im Oct. zur Rückkehr. Aber schon war es zu spät. Das geschwächte Heer wurde von einem selbst für Rußland strengen Winter überfallen; der Hunger nahm überhand, die Russen drängten und bei dem Übergange über die Bereszina (s.d.) wurde die Niederlage vollendet. Nur wenige Trümmer des großen Heers erreichten im traurigsten Zustande die deutsche Grenze.

Diese Niederlage wurde von dem unterdrückten Europa mit Freude vernommen. Preußen erkannte zuerst, daß die Zeit gekommen sei, sich gegen F.'s Despotismus zu erheben. Das preuß. Volk stand zornig auf, den Kampf für die Befreiung von den franz. Ketten zu unternehmen und schloß sich an Rußland an; Mecklenburg und Hamburg folgten zunächst. Zwar hatte Napoleon 1813 ein neues Heer gesammelt und schlug das russ. und preuß. bei Großgörschen und Lützen am 2. Mai und bei Bautzen am 20. und 21. Mai, aber der Waffenstillstand vom 4. Jun. bis 17. Aug. gewährte Zeit zu umfassendern Rüstungen. Hamburg fiel zwar wieder in die rächenden Hände der Franzosen, aber der Bund gegen F. erhielt durch den Beitritt Östreichs und Schwedens bedeutende Verstärkung. Die Siege der Verbündeten bei Groß-Beeren am 23. Aug., an der Katzbach am 26. Aug., bei Culm am 30. Aug. und bei Dennewitz am 6. Sept. ließen den Verlust der Schlacht bei Dresden am 26. und 27. Aug. und den Fall des edlen Moreau (s.d.) verschmerzen und die Völkerschlacht bei Leipzigam 16., 18. und 19. Oct. machte endlich der Franzosenherrschaft ein Ende. Auch Baiern trat nun zum Bunde und zeigte in dem Treffen bei Hanau am 29. bis 81. Oct., daß es ihm Ernst damit sei. Schnell folgten auch die übrigen Fürsten des nun aufgelösten Rheinbundes und die noch von Franzosen besetzten Festungen ergaben sich nach und nach. Ein preuß. Heer unter Bülow befreite das schwer gedrückte Holland, das nun mit Begeisterung das Haus Oranien zurückrief. Spanien gab Napoleon jetzt selbst auf und rief sein Heer zurück.

Indessen hatte Napoleon ein neues Heer geworben und wollte sich wenigstens in Frankreich behaupten Hier rückten die Verbündeten im Jan. 1814 an mehren Punkten ein. Die Siege bei la Rothière am 1. Febr., bei Laon am 9. März und bei Arcis sur Aube am 20. und 21. März führten sie bis vor Paris. Vergebens kämpfte Napoleon mit gewohnter Umsicht gegen die übermächtigen Scharen Schwarzenberg's und Blücher's. Das Treffen bei Paris am 30. März zwang die Hauptstadt zur Capitulation und die Sieger hielten daselbst am 31. März ihren Einzug. Napoleon unterzeichnete in Fontainebleau seine Entsetzung, wurde nach Elba verwiesen, Ludwig XVIII. (s.d.) bestieg den Thron seiner Väter und schloß am 30. Mai mit den Verbündeten den ersten pariser Frieden, der F. seine Grenzen von 1792 mit einigen Gebietserweiterungen ließ. Ludwig gab F. eine neue Verfassung, die Charte, die eine durch eine Pairs- und eine Deputirtenkammer beschränkte Monarchie festsetzte, und nach und nach schien die Ordnung zurückkehren zu wollen, als die Wiedererscheinung Napoleon's plötzlich die Verwirrung erneuerte.

Während die Monarchen auf dem Congresse in Wien versammelt waren, um die europ. Angelegenheiten zu ordnen, verließ Napoleon am 26. Febr. 1815 die Insel Elba, landete am 1. März bei Cannes in Frankreich und rückte, [93] da der Zulauf der alten Anhänger sich von Tage zu Tage mehrte, schnell auf Paris vor, von wo der König, von dem Heere verlassen, sich nach Gent geflüchtet hatte. Ob nun gleich Napoleon den Mächten Europas seine Neigung zum Frieden versichern ließ, so beschlossen doch Großbritannien, Rußland, Preußen, Östreich und die übrigen deutschen Fürsten den Krieg, der im Jun. in Belgien sich erneuerte. Beim ersten Zusammentreffen war Napoleon siegreich; er gewann am 16. Jun. die Schlacht bei Ligny und das Treffen bei Quatrebras, wurde aber am 18. Jun. bei Belle Alliance (Mont St.-Jean) durch Wellington und Blücher so entschieden geschlagen, daß er bei dem Vorrücken der Verbündeten bis Paris, wo sie am 7. Jul. ihren Einzug hielten, sich zum zweiten Male zur Niederlegung der Krone entschloß. Er floh nach Rochefort und gab sich am 14. Jul. in die Hände der Engländer, die ihn nach der Insel St.-Helena führten, wo er bis an seinen im Mai 1821 erfolgten Tod in Gefangenschaft blieb. Ludwig XVIII. kehrte am 8. Jul. nach Paris zurück und schloß am 20. Nov. 1815 den zweiten pariser Frieden, der zwar F. seine letzte Begrenzung, mit geringen Ausnahmen, ließ, ihm aber eine schwere Contribution auflegte, die Besetzung eines Theils des Landes durch fremde Truppen auf drei bis fünf Jahre festsetzte und die Familie Napoleon's aus F. verbannte.

So sehr sich auch Ludwig XVIII. bemühte, die tiefen Wunden F.'s zu heilen, so war es ihm doch nicht möglich, die gegeneinander streitenden Interessen der Parteien zu vereinigen. Während die alte bourbonische Hofpartei den vor 1789 stattgefundenen Zustand wiederherzustellen sich bemühte, dachten Andere auf die Wiederherstellung der Republik, und noch Andere sehnten sich nach der Bonapartischen Herrschaft zurück und warfen ihren Blick auf den jungen Napoleon, der am kais. Hofe in Wien erzogen wurde. Mit dem Auslande wurde der Friede aufrecht erhalten; nur mit Spanien begann 1823 ein Krieg, der binnen sechs Monaten König Ferdinand VII. aus den Händen der demokratisch gesinnten Cortes befreite. Ludwig starb am 16. Sept. 1824.

Sein Bruder Karl X. (s.d.), einst Graf von Artois, zeigte bald eine so entschiedene Vorliebe für die Jesuiten und den Klerus überhaupt, sowie eine stete Neigung, die kön. Gewalt zu erweitern und freisinnige Äußerungen zu unterdrücken, mithin die Presse zu beschränken, daß er die Liebe seiner Unterthanen verlor. Als er endlich 1830 das dem Volke verhaßte Ministerium Polignac (s.d.) einsetzte und dieses am 25. Jul. sechs der Charte entgegenlaufende kön. Ordonnanzen erließ, brach der Unwille aus. Diese zweite franz. Revolution vom 27. –30. Jul. kostete Karl X. den Thron; er wurde mit seiner Familie von der Regierung ausgeschlossen, mußte F. verlassen und an seiner Stelle wurde der Herzog von Orleans, Philipp Ludwig, zum König gewählt. Karl X. und sein Sohn, der Herzog von Angoulème, hatten zu Gunsten des jungen Heinrich, Herzogs von Bordeaux, der Krone entsagt; daher bildete sich eine Partei in F., welche diesen Prinzen als Heinrich V. zum König wünschte, während eine andere Partei den Sohn Napoleon's als Herrscher anzuerkennen bereit war [welche Partei jedoch durch den Tod des Herzogs von Reichstadt (s.d.) aufhörte zu existiren], und endlich eine dritte die Republik wünschte. Die vertriebene Königsfamilie ging zunächst nach England und von da nach Prag, welches sie jedoch in neuester Zeit auch wieder verlassen hat.

Trotz der Parteiungen in F. ist es Ludwig Philipp gelungen, die Ruhe zu erhalten, weil er den großen Mittelstand auf seiner Seite hat, der am sehnlichsten Ruhe wünscht. Zwar erschien die Herzogin von Berri (s.d.), die Mutter des Prinzen Heinrich, in den westl. Provinzen, um diese gegen die bestehende Regierung aufzuwiegeln; sie wurde aber am 7. Nov. 1832 zu Nantes verhaftet und einige Zeit gefangen gehalten. Den Ministern Karl X. wurde der Proceß gemacht und am 21. Dec. 1831 wurden vier derselben, darunter Polignac, zum bürgerlichen Tode und zu lebenslänglicher Einkerkerung verurtheilt und auf die Festung Ham gebracht. Ludwig Philipp lehnte die belg. Königskrone, die man ihm für seinen Sohn antrug, ab, unterstützte aber die Belgier gegen Holland (s. Belgien), wodurch er an Belgien eine gegen F. freundlichgesinnte Macht gewann. Bei den Unruhen im Kirchenstaate besetzten die Franzosen Ancona, und Algier (s.d.), welches schon unter Karl X. erobert worden war, wurde behauptet und die Macht F.'s in Afrika befestigt. Die republikanische Partei bewirkte 1834 Unruhen in Paris, Lyon, St.-Etienne, Marseille und an andern Orten, die jedoch unterdrückt wurden, und die mörderischen Angriffe, die zu verschiedenen Malen gegen das Leben des Königs unternommen wurden, dienten nur dazu, ihn in der Liebe und Achtung der Bessergesinnten zu befestigen. In die span. Angelegenheiten (s. Spanien) hat sich F. nur auf indirecte Weise gemischt. Ludwig Philipp hat sich durch sein staatskluges Benehmen die Achtung und Anerkennung auch derjenigen Mächte erworben, die seine Berufung zum König anfangs nicht billigten. (S. Ludwig Philipp.)

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 80-94.
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