Artikel in der Wikipedia: Aristoteles

[21⇒] Aristoteles, geb. 384 v. Chr. zu Stagira (Stageiros, Stavro) in Thrakien (Chalkidike), als Sohn des (einer alten Ärztefamilie entstammenden) Arztes Nikomachos. Er kam etwa in seinem 18. Jahre nach Athen, wo er zwanzig Jahre Schüler Platons war. Nach dessen Tode (347) ging er mit Xenokrates zu dem Freunde Hermias von Atarneus, dessen Nichte (und Adoptivtochter) [⇐21][22⇒] er nach dem Regierungsantritt Alexanders des Gr. heiratete. Von Atarneus wandte er sich nach Mitylene, von wo ihn Philipp d. Gr. von Makedonien als Lehrer seines Sohnes Alexanders berief (343), der ihn später in seinen Studien (Sammlungen) unterstützte. Im Jahre 334 ging er nach Athen, wo er eine neue philosophische Schule gründete, und zwar im Lykeion, nach dessen Alleen (peripatoi), auf welchen man hin und her ging, die Schüler »Peripatetiker« genannt wurden. Er hielt (nach Gellius) »akroamatische« (später »esoterisch« genannte) Vorträge über schwierigere und entlegenere Themen, sowie »exoterische« (rhetorische u. dgl. für weitere Kreise). Als einer der ersten besaß A. eine große Bibliothek und umfassende Sammlungen. Nachdem er zwölf Jahre in Athen gelehrt hatte, wurde er – wegen seiner Beziehungen zu den Makedoniern mißliebig – der Gottlosigkeit (Asebie) beschuldigt und floh nach Chalkis, wo er 322 v. Chr. an einem Magenleiden starb.

Vgl. über sein Leben: AD. STAHR, Aristotelia I, 1830. – LEWES, Aristotle. 1864. – SIEBECK, Aristoteles, Frommanns Klassiker d. Philos., 2. A. 1902.


Die Schriften des A. waren teils in dialogischer, teils in zusammenhängender (akroamatischer) Form verfaßt; erhalten sind nur die letzteren. Es sind dies: 1. Logische Schriften (als Ganzes »Organen« genannt): Katêgoriai (Kategorien); Peri ermêneias (De interpretatione); 'Analytika protera (Analytica priora, über Schluß) und 'Anal. hystera (Analytica posteriora, Beweis, Definition, Einteilung); Topika (Topica, über Wahrscheinlichkeitsschlüsse); De sophisticis elenchis (über Trugschlüsse und deren Auflösung). 2. Metaphysik. (ta meta ta physika, weil in der Sammlung des Andronikos von Rhodos nach den physikalischen Schriften gestellt), bei Aristoteles selbst »erste Philosophie«(prôtê philosophia, 14 Bücher). 3. Naturwissenschaftliche (bezw. naturphilosophische) Schriften: Physik (8 Bücher). De coelo. peri geneseôs kai phthoras (De generatione et corruptione). Meteorologie, Peri ta zôa historiai, peri zôôn geneseôs u. a. 4. Psychologische Schriften: peri psychês (De anima, 3 Bücher). Kleinere psychologische Schriften (»Parva naturalia«): peri aisthêseôs kai aisthêtôn, peri mnêmês kai anamnêseôs, peri hypnou, peri epypniôn u. a. 5. Ethische Schriften: Ethica Nicomacheia (10 Bücher, ethische Hauptschrift). Die Schrift: »Ethica Eudemeia« (7 Bücher) rührt von Eudemos, dem Schüler des A. her. Magna moralia (Auszug aus beiden). Politik politika (, Staatslehre, 8 Bücher). 6. Ästhetische Schriften: Poetik (peri poiêtikês, unvollständig). Rhetorik (3 Bücher). – Der erste Sammler und Ordner der A.schen Schriften war Andronikus von Rhodus. Durch Syrer, Araber und Juden besonders wurde man im Mittelalter mit den Schriften des A. bekannt. Sie erschienen gedruckt zuerst lateinisch 1489 (mit den Kommentaren des Averroës), griechisch 1495-1498. Gesamtausgabe von der Berliner Akademie der Wissenschaften (Bekker u. a.), 5 Bände, 1831-1870 (Bd. IV: Scholien; Bd. V: Index Aristotelicus von Bonitz). Nach dieser Ausgabe wird meistens zitiert. Einzelwerke bei Tauchnitz, Teubner. Deutsch z. T. in der Philos. Bibl. Kommentare zu A. 1882 ff. (von der Berliner Akademie).

Vgl. F. BIESE, D. Philos. d. A., 1835-42. – TEICHMÜLLER, Stud. z. Gesch. d. Begriffe, II. – SIEBECK, Aristoteles, 2. A. 1902. – BONITZ, Aristotel. Studien, [⇐22][23⇒] 1862-67. – TRENDELENBUBG, Elementa logices Arist., 1836. – F. BRENTANO, D. Psychol. d. Aristoteles, 1867. – LUTHARDT, D. Ethik d. Aristot., 1869. – A. DÖRING, D. Kunstlehre d. Aristot., 1876.


A. ist der größte Schüler Platons, dessen Ideenlehre er aber bekämpft, vor allem das Geschiedensein der Ideen von den Dingen. Platon gegenüber ist er trotz seines Rationalismus mehr der Erfahrung und Wirklichkeit zugewandt; ergeht stets von dieser, vom Besonderen aus, wenn auch das Allgemeine, zu dem er fortschreitet, schließlich in unmittelbar gewissen (amesa) Einsichten der Vernunft seine Grundlage hat. A. ist entschieden nüchterner als Platon, mehr auf Zusammenfassung des Erfahrungsmaterials – er ist oft ein guter Beobachter – gerichtet, mehr ein systematischer Kopf. Er ist einer der größten Gelehrten aller Zeiten, ein Polyhistor ersten Ranges. Was die Systematisierung der Erkenntnisse anbelangt, steht er im Altertum unerreicht da. Er hat eine Weltanschauung' entworfen, die viele Jahrhunderte hindurch Wissenschaft und Philosophie mächtig beeinflußt hat. Eine Reihe von Disziplinen (Psychologie, Logik, Ethik) hat er eigentlich erst begründet.

Die Philosophie ist bei A. noch die Gesamtwissenschaft. Sie gliedert sich in die theoretische, praktische und poietische (auf das Schaffen sich beziehende) Philosophie. Zur theoretischen Philosophie gehört die Metaphysik, die »erste Philosophie« (prôtê philosophia, auch theologikê genannt), die auch Erkenntnistheoretisches enthält.

Die Logik ist systematisch erst von A. begründet worden. Sie tritt wesentlich als »Analytik« auf, als zergliedernde, die Denkelelemente und Schlußformen heraussondernde Wissenschaft, die sich stark an der Sprache und deren Formen orientiert (wie dies Trendelenburg zuerst bezüglich der Kategorien gezeigt hat). Die Logik des A. ist formal, aber nicht formalistisch, da sie die Beziehungen der Denkformen zum Seienden berücksichtigt. Ihr Inhalt ist das, was den Kern der meisten Logiken bis zur Gegenwart gebildet hat. Sie handelt vom Begriff, vom Urteil, vom Schluß, vom Beweis usw. Der Begriff (logos) geht auf das Wesen (ousia), das im Einzelnen enthaltene Allgemeine der Dinge, die zeitlose Wesenheit (to ti ên einai). Es gibt Allgemein- und Einzelbegriffe. »Materieller Begriff« (logos hylinos) ist der objektive Begriffsinhalt, den das Denken aus dem Gegenstände heraushebt. Was nicht im Begriffe erfaßt wird, ist zum Teil akzidentiell (symbebêkos). Auch die Definition(horismos) geht auf das Wesen. Sie besteht in der Angabe der Gattung und der Artmerkmale (ek genous kai diaphorôn; genus – differentiae specificae). Real- und Nominaldefinitionen sind zu unterscheiden. Das Urteil (apophansis) besteht in der Verknüpfung (symplokê) der Vorstellungen, in der Synthese von Begriffen; es ist bejahend oder verneinend. Wahrheit gibt es nicht in den Vorstellungen, sondern nur im Urteil; sie ist die Übereinstimmung des Denkens mit dem Sein, der Vorstellungsverknüpfung mit der Seinsverknüpfung. Wahr ist ein Urteil, welches von dem Seienden aussagt, daß es ist, von dem Nichtseienden, daß es nicht ist. Die Wahrheit liegt nicht in den Dingen, sondern im Urteil über die Dinge (ou gar esti to pseudos kai to alêthes en tois pragmasin... all' en dianoia). Wir denken aber etwas als wahr, weil es wahr ist [⇐23][24⇒] (also kein Subjektivismus). Der Schluß ist die Ableitung eines Urteils aus anderen; er besteht aus drei Gliedern (akra und horos mesos, terminus medius) und tritt in drei Schlußfiguren (schêmata tou syllogismou) auf. Es gibt drei Arten des Syllogismus, der (deduktiv) vom Allgemeinen zum Besonderen geht: apodiktische, dialektische (Wahrscheinlichkeits-), eristische Schlüsse. Die Induktion (epagôgê) geht von einer Reihe von Einzelfällen zum Allgemeinen; nur die »vollständige« Induktion ist exakt. Das Allgemeine ist von Natur aus (physei) das Erste, wenn es auch für uns (hêmin) und der Zeit nach das Spätere ist. Das Allgemeinste ist selbstgewiß, Grundlage alles Schließens und Beweisens, Gegenstand des reinen Denkens (nous). Das oberste Denkgesetz ist der Satz des Widerspruchs, an den sich der Satz des ausgeschlossenen Dritten reiht. – Die Kategorien (katêgoriai, praedicamenta. Aussagen) sind die obersten, allgemeinsten Denk- und Seinsformen. Es sind ihrer zehn: Substanz (ousia), Quantität (poson), Qualität (poion), Beziehung (pros ti), Ort (pou), Zeit (pote), Lage (keisthai), Haben (echein), Tun (poiein), Leiden (paschein). Anderwärts läßt A. die beiden letzten Kategorien aus oder stellt der Substanz die übrigen Kategorien als Bestimmungen dieser entgegen. Auch von drei Kategorien ist die Rede: Substanz, Eigenschaft, Beziehung. Die Kategorien sind. nicht etwa subjektive Begriffe, sondern Aussagen über ein objektiv Seiendes, damit ist die Lehre Kants u. a. zu vergleichen.

Metaphysik. Unter der prôtê philosophia versteht A. die allgemeine Wissenschaft vom Seienden als solchen (to on hê on), von den Urgründen oder Prinzipien (tôn prôtôn archôn kai aitiôn) der Dinge. Während nach Plato das Wesen des Dinges, die »Idee«, getrennt von ihm existiert, hält A. solche gesonderte, nichts bewirkende Ideen nur für unnütze Verdoppelungen der Dinge. Das Wesen der Dinge, das Allgemeine, die Gattungseinheit besteht wohl an sich, objektiv, aber nur in den Dingen selbst. Das Allgemeine ist das, was einer Vielheit von Dingen naturgemäß zukommt (ho epi pleionôn pephyke katêgoreisthai). Selbständige Existenz hat freilich nur die Substanz (ousia) als Einzelding, während die Gattungen nur sekundäre »Substanzen« sind. (deuterai ousiai). Aber die Substanz ist zugleich das Allgemeine, Gattungsmäßige an den Einzeldingen, das dem Begriff Entsprechende, das eigentliche Erkenntnisobjekt (wie bei Plato), wenn es auch nur am Einzelnen und durch Aufsteigen vom Einzelnen zum Allgemeinen erkannt wird, für uns also nicht das Frühere ist.

Die Prinzipien (archai) der Dinge sind: Form oder Wesen (eidos, morphê, ousia, to ti ên einai), Stoff (hylê, hypokeimenon, to ex hou), bewirkende Ursache (to hothen hê archê tês kinêseôs), Zweck (to hou heneka, agathon). Das einzelne Ding (tode ti) ist ein Ganzes (synolon) aus Stoff und Form. Die Form ist das, was dem Dinge sein Wesen verleiht, was den Stoff zu einem bestimmten Etwas (tode ti) macht. Sie ist das begriffliche Sein des Dinges (hê kata ton logon ousia). Form ist nicht nur die äußere Gestalt, sondern Jegliche Art der Gestaltung eines Dinges, die von innen aus erfolgt und durch ihre eigene Tätigkeit wirksam ist; sie ist zugleich ein aktives Prinzip, während der Stoff rein leidend ist. Die Formen sind ewig, unvergänglich, keinem [⇐24][25⇒] Werden unterworfen, sondern selbst Prinzipien des Werdens. Der Stoff ist das Substrat der Dinge, das freilich nur begrifflich ohne Form existiert, während in Wirklichkeit jeder Stoff schon geformt ist und nur im Hinblick auf eine weitere Gestaltungsfähigkeit Stoff ist (z.B. Marmor-Statue). Der Stoff ist nicht (wie bei Platon) ein Nichtseiendes, aber auch kein volles Wirkliches, sondern das Unbestimmte (aoriston), eine Möglichkeit zu etwas, eine Potenz (dynamis), ein der Möglichkeit nach Seiendes (dynamei on), wie z.B. der Keim zu einer bestimmten Pflanze. Der Stoff ist die Grundlage aller Gestaltung, das »weibliche« Prinzip, träge, unbegrenzt, für sich allein nicht erkennbar. Es gibt sinnlich wahrnehmbaren und denkbaren Stoff. Allen Dingen wohnt ein und dieselbe Materie inne. Die Urmaterie (hylê prôtê) existiert nur in der Abstraktion. Ohne Materie ist nur Gott. Die Materie ist der Grund des Zufälligen, Akzidentiellen, Mechanischen. – Das Werden besteht in dem Übergänge des Stoffes zur Form, also in einer Entwicklung, Formung, in der Verwirklichung (energeia) und Vollendung (entelecheia) des Dinges. Das »Wirkliche« im engeren Sinne als Verwirklichtes und Wirksames ist also die Form (bezw. das geformte Ding). Form, Ursache und Zweck werden von A. als in Wirklichkeit zusammenfallend dem Stoffe gegenübergestellt. Das Geschehen ist (abgesehen von den Hemmungen, welche der Stoff bietet) ein zweckbestimmtes. Die Formen des Dinges sind zugleich deren immanente Zwecke (Ziele), die sie bewegen, indem die Dinge ihnen (als ihren Formen und Vollendungszuständen) zustreben (»Zielstrebigkeit«, wie dies später K. E. v. Baer genannt hat). Wohl ist auch das Mechanische und Zufällige (automaton, tychê) im Geschehen zu berücksichtigen, wesentlich herrscht aber in dem System des A. die Teleologie. deren eigentlicher Begründer er ist. Die Natur wirkt nie ohne Ziele (ouden matên). Oberstes Ziel alles Geschehens ist Gott. Er ist die erste und letzte Ursache aller Zweckmäßigkeit, der, nach dem alles strebt, so daß er die Dinge zu sich hinzieht wie das Geliebte (kinei hôs erômenon). Die Existenz eines Gottes wird durch den (später so genannten) kosmologischen Beweis dargetan. Alles Werden besteht in der Aktualisierung einer Potenz durch ein Wirkliches. Dies führt schließlich zu einem Wirklichen, das nicht Wirkung, nur Ursache, nicht Stoff, sondern reine Form, also immateriell ist, zu einem ersten Beweger (prôton kinoun). So ist Gott reine Energie (später »actus purus« genannt), leidlos, einfach, ewig, unbewegt, alles bewegend. Er ist Geist (nous), reines Denken, Denken seiner selbst (noêsis noêseôs), das seligste und beste Leben, weil er, als Denken des Besten, veränderungslose Tätigkeit ist (energeia akinêsias; Vgl. darüber F. C. S. Schiller, Humanism). Gottes Leben ist das Beste, weil er reiner Geist ist, denn das Schauen (die theôria) ist das Schönste und Beste (intellektualistisch gefärbter Monotheismus). Naturphilosophie. Die »Physik« (Naturwissenschaft) ist die Lehre vom Physischen, d.h. von dem., was das Prinzip der Bewegung (Veränderung) in sich hat, denn alles dieses, alles veränderliche Stoffliche ist und gehört zur »Natur« (physis), welche auch das Prinzip der Veränderung bedeutet, soweit sie nicht eins ist mit dem Inbegriff der materiellen Dinge. A. bekämpft die streng mechanistische und atomistische Naturauffassung eines Demokrit und [⇐25][26⇒] ersetzt sie durch eine qualitative und teleologische, in welcher der Begriff der »Form« als Kraftprinzip herrscht und die Dinge als Qualitätenkomplexe bestimmt sind. Die Bewegung ist von Natur aus zweckmäßig trotzdem unzweckmäßige Nebenwirkungen bestehen; der Zweck ist Ziel (telos) des Geschehens, das Endstadium einer Entwicklung, die Wirklichkeit und Wirksamkeit, zu der das Potenziellen sich aktualisiert. Die Veränderung metabolê ist entweder Entstehen und Vergehen oder Bewegung (Veränderung im weiteren Sinne, kinêsis). Diese ist. quantitativ (Zu- und Abnahme), qualitativ (Zustandswechsel) oder räumlich (Ortsveränderung, phora). Der Raum (Ort; topos) ist die innere Grenze des umschließenden Körpers (to tou periechontos peras). Es gibt keinen leeren Raum, sondern die Bewegung vollzieht sich durch Ortswechsel im Vollen (durch antiperistasis). Wie die Welt ist der Raum begrenzt, denn das Unbegrenzte ist unvollkommen. Die Zeit ist die Zahl der Bewegung betreffs des Früheren und Späteren (arithmos.. kinêsêôs kata to proteron kai hysteron); da das Zählen ein Akt der Seele ist, so würde es ohne Seele (außer uns) keine Zeit als solche geben (Lehre von der subjektiven Bedingtheit der Zeit). Die Zeit ist stetig und unendlich, ohne Anfang und Ende, so daß die Welt ewig existiert. Durch die Vollkommenheit ihrer (Kreis-) Bewegung unterscheidet sich die Fixsternsphäre des Himmels von den Planetensphären. Gott setzt unmittelbar den Fixsternhimmel in Bewegung (durch haphê, »Berührung«) und diese Bewegung teilt sich den übrigen Sphären, an denen die Sterne befestigt sind, mit; die Erde ist unbewegt. Die Materie des Himmels ist der Äther, das erste Element, welches als das den vier Empedokleischen Elementen hinzugefügte später das fünfte heißt (pempton stoicheion, quinta essentia, davon »Quintessenz«). Die vier übrigen Elemente (Erde, Feuer, Luft, Wasser) sind Kombinationen des Warmen, Trocknen, Kalten. Feuchten. – Die Organismen sind zweckvoll eingerichtete Wesen. Die höheren entstehen durch Zeugung von gleichartigen Eltern, die niedrigsten durch Urzeugung aus Schlamm oder tierischen Aussonderungen. Bei der Zeugung ist das Männliche das Aktive, Formende, das Weibliche das die Form Empfangende. Auf dem Gebiete der Zoologie, deren Begründer A. ist, besaß dieser teilweise gute Kenntnisse, in klassifikatorischer wie auch in anatomischphysiologischer Hinsicht.

Psychologie. A. ist der Begründer der empirischen Psychologie und zugleich eines gemäßigten Dualismus. Das Leben ist nach A. (wie nach den meisten älteren Denkern) schon eine Funktion der Seele, die also zugleich (als »anima vegetetiva«, wie im Mittelalter gelehrt wird) die Lebenskraft ist. Diese Seele ist weder ein Körper noch eine immaterielle Substanz als besonderes Einzelwesen (wie bei Descartes u. a.), sondern die »Form« des organischen Leibes, die Verwirklichung (energeia) und Vollendung und zugleich das Ziel desselben, eine »Entelechie« (entelecheia, ein das Ziel in sich Habendes), genauer die erste Entelechie des Organismus (entelecheia hê prôtê sômatos physikou dynamei zôên echontos, de anima II, l), die Kraft der psychischen Betätigung (des Empfindens, Fühlens, Wollens, Denkens) und die psychische Auswirkung des Organismus (der an sich eine Lebenspotenz ist) selbst (dynamisch-aktualer [⇐26][27⇒] Seelenbegriff). Sie ist die »Funktionsverwirklichung« des Organismus, die lebendige Tätigkeit desselben. Der Körper ist nicht selbst die Seele, sondern ein Stoff. Die Seele ist die »Form« eines Körpers, der das Vermögen zum Leben hat, sie ist die vollendete Wirklichkeit (Entelechie) eines solchen Körpers, den sie zusammenhält und dessen Wesen sie bildet. Trennt man das Seelische vom Organismus, so ist dieser kein Organismus mehr, dessen Ziel, Vollendung jenes ist. Wäre das Auge ein lebendiges Wesen, so würde das Sehen seine Seele sein, da dieses das begriffliche Sein des Auges ist, und das Auge wäre dann nur der Stoff des Sehens, ohne das Sehen aber kein wirkliches Auge. So ist auch ohne die Seele der Organismus nur dem Namen nach ein solcher. Hieraus folgt, daß die Seele vom Körper nicht trennbar ist. Die Seele ist kein Körper, aber etwas am Körper und im Körper, dessen Verwirklichung sie ist. Die Seele ist Ursache und Prinzip des lebenden Körpers, auch Ziel und Zweck desselben, denn alle natürlichen Körper sind Werkzeuge der Seele; die Körper der Pflanzen und Tiere sind nur wegen der Seele da.

Wie die Organismen treten auch die Seelen auf verschiedenen Entwicklungsstufen auf. In den Pflanzen ist die Seele nur Bildungskraft (threptikon), sie leitet die Ernährung und Zeugung; in den Tieren wirkt sie auch als Empfindendes (aisthêtikon), Begehrendes (orektikon) und Bewegendes (kinêtikon). Sitz der Empfindung ist das Herz. In der menschlichen Seele kommt zur den übrigen Kräften noch der Geist (dianoêtikon), die vom Leibe trennbare Denkkraft (nous) hinzu. Die Empfindung (oder Sinneswahrnehmung, aisthêsis) ist die Verwirklichung von Qualitäten, die vorher nur potentiell (in uns und in den Dingen) vorhanden waren, durch die Sinne, ein Geformtwerden dieser, aber kein Aufnehmen fertiger Formen, sondern ein »Verähnlichen« durch Annahme der »Form« des Dinges ohne dessen Stoff (to dektikon tôn aisthêtôn eidôn aneu tês hylês), wie das Wachs das Zeichen des Siegelringes ohne das Eisen aufnimmt. Durch einen und denselben Akt wird das Ding tönend, das Ohr hörend. Der Sinn leidet, so lange er nicht übereinstimmt mit dem Wahrnehmbaren, welches er zu seiner Funktion bedarf; durch das Erleiden seitens desselben wird er diesem gleich gemacht. Jeder Sinn hat sein spezifisches Wahrnehmbares (Farbe usw.). Das Licht ist die Wirklichkeit (Energie) des »Durchsichtigen«; die Farbe ist eine Bewegung des Durchsichtigen (Goethe, Hegel, Schopenhauer haben diese Lehre weitergebildet). Durch die Sinne gemeinsam werden Bewegung, Buhe, Gestalt, Zahl, Größe wahrgenommen. Mit der Sinneswahrnehmung beginnt alle Erkenntnis, wenn auch das Wesen der Dinge nur dem Denken sich enthüllt. Die Erinnerungs- und Einbildungsvorstellung (phantasia) ist eine psychische, beharrende Nachwirkung der Sinneswahrnehmung. Ohne vorangegangene Wahrnehmungen kommen keine Vorstellungen zustande. Die Erinnerung beruht auf dem Beharren (monê) des Eindrucks in der Seele. Die Assoziationsgesetze (nach Berührung in Raum und Zeit, Ähnlichkeit und Kontrast) kennt A. schon. Die Besinnung ist vom Willen geleitet und unter- scheidet sich dadurch von der passiven Erinnerung. Das Begehren knüpft sich vermittelst der Gefühle an das Empfinden, Vorstellen und Denken. Der Mensch besitzt außer den sinnlichen Seelenkräften einen Geist (Intellekt), der [⇐27][28⇒] »göttlich« ist und »von außen« (thyrathen) in ihn gelangt. Ohne Vorstellungsbilder kann das Denken sich nicht betätigen (oudepote noei aneu phantasmatos hê psychê), wenn es auch nicht aus ihnen entspringt, kein Leiden, sondern eine besondere Tätigkeit der Seele ist. Indem der Intellekt die »Formen« der Dinge begrifflich erfaßt, ist er selbst dem Vermögen nach ein Inbegriff solcher Formen (hoti dynamei tôs esti ta noêta ho nous). Die denkende Seele ist der »Ort der Formen«. Das wirkliche Wissen ist mit seinem Gegenstande identisch; die Seele ist gewissermaßen das »All der Dinge«, die Vernunft ist die »Form der Formen«. A. unterscheidet einen »passiven« und einen »aktiven« Geist (pathêtikos – poioun, später erst nous poiêtikos genannt). Der passive Intellekt ist wie eine »tabula rasa« (grammateion), insofern er nur die Potenzen zu den Begriffen enthält, die in ihm durch den aktiven Geist (der zugleich das Gedachte, noêton ist.) aktualisiert werden. (Kein Sensualismus, wie etwa bei Condillac.) Die Vernunft ist teils 60, daß sie alles wird, teils so, daß sie alles bewirkt, gleich dem Lichte, welches die potentiellen zu wirklichen Farben macht. Die Vernunft ist auch das Einheitsprinzip im Denken. Nur der aktive Geist ist unsterblich; wie er schon vor dem Leben existierte, dauert er nach dem Tode fort, da er vom Leibe trennbar (chôristos), einfach, leidlos (apathês), rein (amigês) ist, wobei man nicht an eine individuelle Unsterblichkeit zu denken braucht, denn nach A. hört mit dem Tode die Erinnerung auf. Das Gefühl (Lust und Unlust) besteht in der Wirksamkeit des wahrnehmenden Mittelpunktes nach dem Guten oder Schlechten hin, es weist auf die Förderung oder Hemmung der naturgemäßen Beschaffenheit des Organs hin. Aus dem Gefühle entspringt das Begehren (orexis, epithymia) als Streben nach Lust, nicht verschieden von dem Wahrnehmungsvermögen. Begehren und Verabscheuen bedeuten ein Bejahen und Verneinen eines Guten oder Schlechten. Das Begehren bewegt teils mittels der, teils gegen die Vernunft. Der Wille ist vom Intellekt geleitet, im Unterschiede vom sinnlichen Begehren. Eine Willensfreiheit besteht im psychologischen und ethischen Sinn. Freiwilligkeit und Wahlfreiheit, spontanes, unbehindertes und überlegtes, vernunftgemäßes Handeln stehen dein erzwungenen und unvernünftigen gegenüber. Von dem bloß Freiwilligen (hekousion) ist die besonnene Wahlfreiheit (die prohairesis) zu unterscheiden, welche zwischen Gutem und Bösem wählt, so daß die Tugend bei uns steht (eph' hêmin dê kai aretê).

Ethik. Die Ethik des A. ist eudämonistisch (aber nicht hedonistische) und zugleich »Energismus« (Betonung der richtigen Betätigung). Sie ist »teleologisch«, weil sie in einem Ziele den obersten Maßstab des Ethischen findet. Ferner ist sie wesentlich Güter- und Tugendlehre: der Begriff der Pflicht spielt erst bei den Stoikern eine Rolle. Die Aristotelische Ethik ist psychologisch begründet und zeugt auch in ihrer Anwendung von großer Menschenkenntnis. Sie will praktisch sein und tritt als ein Teil der Staatslehre auf. – Das von jedem Erstrebte ist ein Gut. Stets besteht es in der Verwirklichung des Naturzweckes. Es gibt ein Gut an sich (agathon haplôs) und in Beziehung zu etwas (di' allo), jenes ist ein Ziel des Handelns, das um seiner selbst willen begehrt wird. Das beste Ziel ist das höchste Gut. Ein solchen Ziel ist am [⇐28][29⇒] meisten die Glückseligkeit (eudaimania), da wir diese immer um ihrer selbst willen erstreben. Überall besteht sie in der einem Wesen gemäßen Tätigkeit. Die menschliche Glückseligkeit also beruht auf der dem Wesen des Menschen gemäßen (oikeion) Betätigung (en tô ergô), d.h. im vernunftgemäßen = tugendhaften Leben (kat' aretên teleian); die Lust ist nicht das Ziel, sondern nur der Eudämonie beigemischt, deren Vollendung. Äußere Güter sind ebenfalls nicht das oberste Ziel des Handelns, sondern nur Mittel zur Eudämonie. Die höchsten Güter sind die geistigen; sie sind die beständigsten und können zugleich vielen zuteil werden. Die Tugend ist die (aus einer Anlage durch Übung und Einsicht entwickelte) Fertigkeit (hexis) zum vernunftgemäßen Handeln (psychês energeia kata logon). Die Tugend besteht im besten Handeln und in der festen Gemütsrichtung dazu, vermöge welcher der Mensch gut wird und sein Werk gut verrichtet. Es kommt hier nicht (wie nach Sokrates) auf das bloße Wissen an, sondern Gewöhnung, Übung ist vonnöten. Wir haben die Tugenden nicht von Natur, sondern müssen sie erst erwerben, auf Grund einer Anlage zum Guten. Erst durch Übung im gerechten Handeln wird man gerecht: aus gleichmäßigen Handlungen gehen dauernde Gemüts- und Willensrichtungen hervor. Die »praktische Vernunft« entscheidet über das Richtige, sie bewährt sich im Maßhalten und zwar in den »ethischen« (êthikai) Tugenden, den Tugenden des Charakters, welche von den »dianoëtischen« (dianoêtikai) Tugenden, den Tugenden des Verstandes, unterschieden werden. Unter »ethischer« Tugend versteht A. die dauernde Willensrichtung (hexis prohairetikê), welche auf die rechte Mitte (mesotês) zwischen dem Zuviel und Zuwenig geht, d.h. sich von der Vernunft leiten läßt und die Extreme vermeidet (z.B. ist die Tapferkeit die rechte Mitte zwischen Feigheit und Tollkühnheit). Zu den ethischen Tugenden gehören Tapferkeit jeder Art, Mäßigkeit (sôphrosynê), Freigebigkeit, Wahrhaftigkeit u. a., besonders die Gerechtigkeit (dikaiosynê). Sie ist die vollkommenste Tugend (aretê men teleia), die ganze Tugend (holê aretê). Im engeren Sinne ist sie entweder austeilende (en tais dianomais) oder ausgleichende (en tois synallagmasin) Gerechtigkeit; erstere waltet nach geometrischem, letztere nach arithmetischem Verhältnis (z.B. bei der Strafe), ohne Berücksichtigung des persönlichen Wertes (juridische gegenüber der sozialen Gerechtigkeit). Dazu kommt noch das Billige (epieikes). Die dianoëtischen Tugenden sind die intellektuellen Tüchtigkeiten in Theorie und Praxis, im Denken, Handeln und Gestalten. Dazu gehören Vernunft, Wissenschaft, Weisheit, Kunst (technê) und Einsicht (phronêsis), welche die rechte Vernunft (orthos logos) ist. Die Tätigkeit der theoretischen Vernunft, die Spekulation (theôria). ist das Höchste, das Stetigste und Beglückendste, sie ist an sich wertvoll, göttlicher Art (Intellektualismus).

Staatsphilosophie. Gegenüber dem Platonischen Staatsideal weist das Aristotelische Staatsbild realistischere, die historisch gewordene Wirklichkeit mehr berücksichtigende Züge auf. Wie Plato ist aber A. der Ansicht, daß das wahrhaft menschliche, sittliche Leben nur im Staate zur vollen Ausbildung gelangen kann. Der Mensch ist von Natur aus ein soziales, ein »politisches Wesen«, er ist auf das Gemeinschaftsleben angelegt (phaneron hoti tôn physei hê [⇐29]

[30⇒] polis esti kai hoti ho anthrôpos physei politikon zôon esti, Polit. I 2, 1253 a 1). Der Staat ist ein Naturprodukt (physei) und früher als der Einzelne (proteron ê hekastos). Wenn der Staat auch historisch aus Familien und Gemeinden hervorgegangen ist (hê d' ek pleionôn kômôn koinônia teleios polis), so hat er doch das teleologische Prius; dein Ziele nach ist er das Erste, wie das Ganze den Teilen vorangeht. Um des Lebens willen triebmäßig (durch hormê) entstanden, wird er eine Organisation zum guten und sittlichen Leben (eu zên), ein Mittel zum vollkommenen Leben. Ein Motiv der sozialen Verbindung ist auch der gemeinsame Nutzen (to koinê sympheron). Die Gesinnung soll die Bürger zur Einheit verbinden; einer Gütergemeinschaft (deren Schäden A. im Einzelnen erörtert) bedarf es nicht. Die Verfassung (politeia) des Staates soll den Verhältnissen entsprechen, muß aber immer vernünftig sein, dem Gemeinwohl und der Sittlichkeit dienen. Gute Verfassungen sind (je nach den Umständen) Monarchie. Aristokratie und »Politie« (politeia), gemischte (»republikanische«) Verfassung; letztere ist die beste von allen. Schlechte Verfassungen sind Tyrannis, Oligarchie und »Demokratie« (Ochlokratie). Das Ideal ist die Herrschaft der Vernünftigsten und Sittlichsten. Bürger können nur Freie sein; Sklaverei ist etwas Naturgemäßes, solange wenigstens keine Maschinen erfunden sein werden, welche die Sklavenarbeit ersparen. Manche Völker und Individuen sind zu »Sklaven« geboren, und es gibt Herrscher von Natur aus. Aufgabe des Politikers ist es, eine solche Staatsordnung vorzuschlagen, deren bereitwillige Annahme und mögliche Aufrechterhaltung zufolge der bestehenden Zustände am ersten zu erwarten ist. Der Staat ist der beste, in welchem der Mittelstand herrscht. Der glücklichste Staat ist der, welcher auch der beste, sittlichste ist. Der gute Gesetzgeber hat zu sehen, wie der Staat zum tugendhaften Leben und zur Glückseligkeit gelangen kann.

Die Erziehung der Kinder ist eine soziale Angelegenheit, denn die Kinder müssen zu tüchtigen Staatsbürgern herangebildet werden. Von der Geburt an sind die Kinder körperlich zu kräftigen, in jeder Hinsicht geschickt zu machen. Dann sind sie auch intellektuell und sittlich zu bilden, kurz sie sind an Leib und Seele, Geist und Charakter tüchtig zu machen.

Ästhetik. Die Kunst (technê) im weiteren Sinne ist Fähigkeit des Gestaltens (poiein), die das von der Natur nicht Vollendbare ausführt oder aber die Natur nachahmt. Hierbei aber geht sie auf das Allgemeine an den Dingen, auf das Typische und ist insofern »philosophischer« als die Geschichte. Es besteht ein angeborener Nachahmungstrieb und eine Lust an den Gebilden der Nachahmung; diese darf keinesfalls eine sklavische sein, sondern muß typisieren und idealisieren. Die schöne Kunst dient der Ergötzung und Erholung, indem sie reine Gefühle auslöst, Bedürfnisse nach gefühlsmäßigem Ausleben befriedigt und so die Seele von ihren Affekten (und deren Übermaß) reinigt, sie (und die Affekte selbst) auf ein ruhiges Maß herabstimmt, eben durch den Ablauf der Affekte. Diese Reinigung und Läuterung, Katharsis (katharsis), wird besonders durch die Tragödie bewirkt; diese ist die nachahmende Darstellung einer bedeutungsvollen, in sich abgeschlossenen und maßvollen Handlung in schöner, den Teilen der Dichtung entsprechender Sprache, durch [⇐30][31⇒] handelnde Personen und nicht mittels Erzählung, zum Zwecke, durch Mitleid und Furcht die Reinigung solcher Affekte [bezw. von solchen] zu bewirken (di' eleou kai phobou perainousa tên tôn toioutôn pathêmatôn katharsin, Poët. C. 6). Über die Auffassung der Katharsis – ob Reinigung von den Affekten oder der Affekte selbst oder beides –:

Vgl. LESSING (Hamburg. Dramat, 74 ff.), GOETHE (WW. XXIX, 490), UEBERWEG (Wegschaffung von Affekten), J. BERNAYS (Zwei Abhandl. üb. d. Aristot. Theor. d. Drama, 1880; K. = »erleichternde Entladung«), A. DÖRING (Kunstlehre d. Aristot., 1876), H. LEHR (D. Wirkung d. Tragödie nach Aristot.) u. a. (vgl. UEBERWEG-HEINZE. Grundr. I10, S. 238 f.). [⇐31]

Quelle: Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 21-31.
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[97⇒] Aristotĕles, griech. Philosoph, geb. 384 v. Chr., zu Stagira (daher der Stagirit) in Mazedonien, Schüler Platos, seit 343 Erzieher und Lehrer Alexanders d. Gr., stiftete 331 im Lyzeum bei Athen eine eigene philos. Schule. Des Atheismus beschuldigt, flüchtete er nach Chalcis auf Euböa, wo er 322 starb. Die Aristotelische Philosophie, auch Peripatetische genannt, aus der Platonischen Ideenlehre hervorgegangen, führte die übersinnlichen, von aller Erfahrung abgesonderten Ideen in das Reich des Werdens und der Erfahrung wieder ein, es fehlt ihr aber eine haltbar kritische Grundlegung und damit eine streng folgerichtige Stellung in den Grundfragen der Philosophie. A. ist Begründer der Logik, Poetik, Naturgeschichte und Metaphysik; neuerdings erregte die 1891 aufgefundene Schrift über die Staatsverfassung der Athener Aufsehen. Seine Werke, in vielen Ausgaben (Ausg. der Berliner Akademie, 1831-71; von Didot, 1848-74) und Übersetzungen, umfassen das ganze Gebiet der griech. Wissenschaften und galten im spätern Mittelalter zur Zeit der Scholastik, nachdem sie durch Vermittlung der Araber bekannt geworden waren, als höchste Autorität neben der Kirche. – Über A.s Leben und Philosophie Werke von Bonitz (1862-67), Grant (deutsch 1878), von Wilamowitz-Möllendorf (1893), Siebeck (1899). [⇐97]

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 97.
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[764⇒] Aristoteles, der einflußreichste Philosoph und Naturkundige Griechenlands, geb. 384 v. Chr. zu Stagira in Chalkidike, weshalb er auch häufig der Stagirit genannt wird, gest. 322 in Chalkis auf Euböa, war der Sohn von Nikomachos, dem Leibarzt und Freund des makedonischen Königs Amyntas II., ging schon im Alter von 17 Jahren nach Athen, um Platon zu hören, und blieb daselbst 20 Jahre lang dessen Schüler. Daß er feindselig gegen seinen Lehrer aufgetreten sei, ist eine üble Nachrede. Nach dem Tode Platons (347) verließ A. Athen und begab sich zu Hermias, dem Beherrscher von Atarneus in Mysien, konnte sich aber nach dessen Hinrichtung auf Befehl des Perserkönigs nur durch die schleunigste Flucht gleicher Gefahr entziehen und vermählte sich 345 mit Pythias, der Schwester oder Nichte des Hermias. Zwei Jahre später wurde er vom König Philipp von Makedonien zur Erziehung des damals 13jährigen Alexander berufen, auf den er nachhaltigen und wohltätigen Einfluß ausübte. Nach dessen Thronbesteigung siedelte er bald nach Athen über, wo er sich in dem nach dem benachbarten Tempel des Apollon Lykeios benannten Lyzeum, das mit schattigen Baumgängen zum Lustwandeln umgeben war, einrichtete. Weil A. mit seinen Schülern hier auf und ab wandelnd zu philosophieren pflegte, wurde ihnen der Name Peripatetiker beigelegt. Es wird erzählt, daß er seine Vorlesungen in Morgen- und Abendvorträge geschieden habe, zu deren erstern nur die vertrautern Freunde Zutritt hatten, die in die tiefer gehenden philosophischen Untersuchungen eingeführt werden sollten. Diese Vorträge hießen »akroamatische« und waren streng wissenschaftlich. In den Abendstunden wurden exoterische Untersuchungen vorgenommen, die sich auf Rhetorik und Politik vornehmlich bezogen und verständlicher gehalten waren. In dieser Zeit seines zweiten, 13jährigen Aufenthaltes in Athen verfaßte er seine wichtigsten Schriften. Obgleich die Zuneigung, die Alexander seinem Lehrer bisher bewiesen, in der Folgezeit, angeblich infolge der Tötung des Kallisthenes (323), eines Neffen und Zöglings des A., erkaltete, galt A. den Feinden des Königs als Makedonierfreund, und als die Athener zu Beginn des Lamischen Krieges alle Anhänger der makedonischen Herrschaft innerhalb der Stadt verfolgten, hatte A. besonders darunter zu leiden. Der Gottlosigkeit angeklagt, die man in einem Päan auf Hermias finden wollte, floh A., ohne die gerichtliche Entscheidung abzuwarten (322), nach Chalkis auf Euböa, wo er bald darauf starb. Er hinterließ eine unmündige Tochter, Pythias, und seine zweite Frau, Herpyllis, von der ihm der bei des Vaters Tode noch sehr junge Nikomachos geboren worden war. Eine sitzende Porträtstatue im Palazzo Spada zu Rom wurde früher fälschlich für die des A. gehalten.

Schriften des Aristoteles.

Von den sehr zahlreichen Schriften des A. (nach einigen in 400, nach andern in 1000 Büchern) sind aus dem Altertum drei Verzeichnisse auf uns gekommen, [⇐764][765⇒] von denen zwei einander sehr ähnlich sind, während das dritte nicht unbedeutend von diesen abweicht. Die dialogischen Schriften, die Spätere exoterische nannten, weil sie verständlicher waren, ebenso manche andre in früherer Zeit abgefaßte, sind uns nur noch in Bruchstücken erhalten, während wir die hauptsächlichsten der sogen. esoterischen oder akroamatischen, d.h. der strenger wissenschaft ichen, Lehrschriften noch besitzen, wenn auch z. T. in sehr mangelhafter Verfassung. Von den noch vorhandenen sechs logischen Schriften des A. (hrsg. von Th. Waitz, Leipz. 1844–46, 2 Bde.) sind die wichtigsten die sogen. »erste Analytik«, die über den Schluß, und die »zweite Analytik«, die über den Beweis, die Definition und Einteilung und über die Erkenntnis der Prinzipien handelt. Die Schrift »Über die Kategorien« (deren Echtheit bestritten wird) betrifft die höchsten Allgemeinbegriffe, die (gleichfalls unsichere) Abhandlung »Über die Auslegung« den Satz und das Urteil, die sogen. »Topik« die dialektischen oder Wahrscheinlichkeitsschlüsse und endlich die Untersuchung »Über die sophistischen Schlüsse« die Trugschlüsse der Sophisten. Unter dem Namen Organon (Werkzeug) sind diese Schriften erst später zusammengefaßt worden, weil A. die Logik oder, wie er sie nennt, »Analytik« als Hilfsmittel zur Erlangung wissenschaftlicher Erkenn inis betrachtet.

Zu den naturwissenschaftlichen Schriften gehören vor allen die acht Bücher der PhysikAuscultatio physica«, hrsg. von Prantl, Leipz. 1879; griech. u. deutsch von demselben, das. 1854), worin die allgemeinsten Gründe und Verhältnisse der gesamten Natur dargestellt werden, und an die sich die zwei Bücher vom Entstehen und VergehenDe generatione et corruptione«) anschließen, sowie die vier Bücher »De coelo« (griech. u. deutsch von Prantl, Leipz. 1857), von den Gestirnen und ihren Bewegungen, und die vier Bücher »Meteorologica« (hrsg. von Ideler, Leipz. 183436), von den Lufterscheinungen handelnd. Die Gesetze der innern Erscheinungen, die Lehre über das Wesen, die Vermögen und die Eigenschaften der Seele legt A. dar in den drei Büchern über die Seele (»De anima«, hrsg. von Trendelenburg, 2. Aufl., Berl. 1877; von Torstrik, das. 1862; von Biehl, Leipz. 1884; deutsch von Rolfes, Bonn 1901). Den Übergang zu der empirischen Lehre von der Seele bilden einige Schriften naturwissenschaftlich-philosophischen Inhalts, die unser dem gemeinsamen Namen »Parva naturalia« zusammengefaßt werden. Auf dem Gebiete der Naturgeschichte schlug A. den Weg der Empirie ein, indem er die Erscheinungen der Natur im Einzelnen betrachtete. Von den Werken über die unorganische Natur ist nicht ein einziges erhalten. Die »11 istoria animalium«, deren 10. Buch unecht, ist das Hauptwerk des Altertums über die Geschichte der Tiere (hrsg. von Schneider, Leipz. 1812, 4 Bde., und griech. u. deutsch von Aubert und Wimmer, das. 1868, 2 Bde.); hiermit hängen zusammen: »Über die Zeugung der Tiere« (hrsg. griech. u. deutsch von Aubert und Wimmer, das. 1860), und die vier Bücher »Über die Teile der Tiere« (griech. u. deutsch von Frantzius, das. 1853). Den Organismus der Pflanzen hatte A. in einem verlornen Werk: »De plantis«, dargestellt. Unecht sind die »Physiognomica«, die »Quaestiones mechanicae«, die vielgelesene und schon an die Stoa erinnernde kleine Schrift »De mundo«. Die 37 Bücher »Problemata« enthalten wenigstens einiges Aristotelische. Die »Metaphysik« (hrsg. von Bonitz, Bonn 1848; griech. u. deutsch von Schwegler, Tübing. 1846–48; in deutscher Übersetzung von Bonitz, Berl. 1890) verdankt ihren Namen, der nicht von A. selbst herrührt, dem Umstande, daß die 14 Bücher, aus denen sie besteht, ohne Titel in der Reihe der Aristotelischen Handschriften zunächst hinter den physikalischen standen. In ihrer jetzigen Gestalt, in der sie sich nicht von A. herschreiben können, sind mehrere Bücher logischen Inhalts, andernteils wieder Überarbeitungen einzelner Teile, die nebeneinander gestellt worden sind, oder Kompilation selbständiger Abhandlungen, die Spätere ohne innern Zusammenhang in die Sammlung gereiht haben. A. nannte die Wissenschaft, die wir als Metaphysik bezeichnen, »Erste Philosophie«. Die moralisch-politische Klasse der Schriften des A. umfaßt einige seiner wichtigsten. Über die Sittenlehre existieren u. d. T. »Ethik« drei Werke, von denen die sogen. Nikomachische Ethik (hrsg. von Zell, Heidelb. 1820, 2 Bde.; von Grant, mit engl. Kommentar, 4. Aufl., Lond. 1885, 2 Bde.; von Ramsauer, Leipz. 1878; deutsch von Garve, Berl. 1798–1806, 2 Tle.) am ersten noch dem A. selbst zugeschrieben werden kann, während die sogen. Eudemische ein Werk seines Schülers Eudemos und die »Magna moralia« (hrsg. von Susemihl, Leipz. 1883) betitelte kürzeste Schrift ein Auszug aus beiden vorgenannten sein soll. Die »Politik« (hrsg. von Stahr, Leipz. 1836–39; Susemihl, das. 1872 und, mit Übersetzung von demselben, das. 1878; die drei ersten Bücher deutsch von Bernays, Berl. 1872) enthält in acht Büchern die Lehre von dem Zweck und den Elementen des Staates, eine Darstellung der verschiedenen Regierungsformen, zuletzt das Ideal eines Staates und die Lehre von der Erziehung als dessen wichtigster Bedingung. Über das Hauswesen (Ökonomik) existiert ein besonderes Werk in zwei Büchern, von denen das erste Buch wahrscheinlich nur in einem Auszug des Theophrast auf uns gekommen, das zweite als unecht nachgewiesen ist. Das für die Altertumskunde unersetzliche Werk »Politien«, eine Sammlung aller bis zu des A. Zeit bekannt gewordenen 158 oder gar 250 Staats- und Gesetzverfassungen des Altertums, ist bis auf wenige Bruchstücke und die neuerdings erst aufgefundene »Staatsverfassung der Athener« (hrsg. von Kaibel u. v. Wilamowitz-Möllendorff, Berl. 1891 u. ö.; übersetzt von Kaibel und Kießling, Straßb. 1891 u. ö.) verloren. Die Rhetorik und Poetik schließen sich z. T. an die logischen, in der Hauptsache an die ethischen Schriften an. Von den drei Büchern »Rhetorica« (hrsg. von Spengel, Leipz. 1867; deutsch von Stahr, Stuttg. 1864) sind die ersten beiden sehr gleichmäßig durchgeführt. Ein andres rhetorisches Werk »Rhetorica ad Alexandrum«, ist unecht. Die »Poetik« (häufig herausgegeben, z. B. von Vahlen, 3. Aufl. Berl. 1885, von Überweg, das. 1870; griech. u. deutsch von Susemihl, Leipz. 1874, von Schmidt, Jena 1875; deutsch von Gomperz. Leipz. 1897, mit einer Abhandlung über die Katharsis-Theorie von A. v. Berger), die über das Prinzip der Kunst, über die Tragödie und epische Poesie die wichtigsten Aufschlüsse gibt, hat trotz ihrer sehr unvollständigen Beschaffenheit auf alle Kunstbetrachtung (in Deutschland seit Lessing) den wirksamsten Einfluß ausgeübt. Die vorhandenen angeblichen Briefe des A. sind teils offenbar untergeschoben, teils von zweifelhafter Echtheit.

Gesamtausgaben. Sämtliche Werke des A. wurden griechisch herausgegeben zuerst von Aldus Manutius (Vened. 1494–98, 5 Bde.), dann unter anderm unter der Aussicht des Erasmus und Grynaeus zu Basel (1531, 1538), von Buhle (Zweibr. 1791–1800, 5 Bde.; mit lat. Übersetzung). Eine neue Ausgabe besorgte [⇐765] [766⇒] Bekker im Auftrag der Akademie der Wissenschaften zu Berlin (Bd. 1–2 griech. Text, Bd. 3 lat. Übersetzung, Bd. 4 Auszüge aus den Scholien, Berl. 1831; Bd. 5, die Fragmente, hrsg. von Rose, und den Index, bearbeitet von Bonitz, enthaltend, 1871), auf die sich auch die Didotsche Ausgabe (Par. 1848–1874, 5 Bde.) stützt. Übersetzungen von gesammelten Werken des A. erschienen in den bekannten Stuttgarter Klassikersammlungen und, mit Einleitungen, in Kirchmanns »Philosophischer Bibliothek«.

Die Aristotelische Philosophie.

A. ist Schüler Platons und als solcher erst zu verstehen; mehr als man meist glaubt, hat er von seinem Lehrer genommen, namentlich die ganze teleologische Weltanschauung; freilich wendet er sich den Tatsachen mehr zu, läßt sich aber von hohen spekulativen Gedanken leiten und steigt zu den letzten Gründen auf, so daß er kein Realist im niedern Sinn ist. Eine feste Einteilung der Philosophie vermissen wir bei ihm; meist führt man auf ihn die in theoretische, in praktische und in poetische, aber nicht mit vollem Recht, zurück. Die erste würde auf die nur wissenschaftliche Erkenntnis des Seienden, die zweite auf das Handeln, die dritte auf das Gestalten eines Stoffes, das Bilden, gehen. Die Logik hat er zuerst wissenschaftlich begründet. Die Hauptsache in der Logik ist ihm der wissenschaftliche Schluß, der Syllogismus, der vom Allgemeinen zum Besondern herabsteigt, im Gegensatze zu der weniger sichern, aber für uns deutlichern Induktion, und aus gewissen Prinzipien ableitet, im Gegensatze zum dialektischen Schluß, der das Wahrscheinliche als Prämissen gebraucht, und zum sophistischen, der aus Falschem schließt oder durch die Form täuscht. Die letzten Prinzipien erfaßt die Vernunft unmittelbar. In der Metaphysik ist A. mit Platon darin einverstanden, daß, wenn es kein Allgemeines (Begriff, Gattung) an den Dingen gäbe, auch kein Wissen von diesen möglich wäre; darin weicht er von Platon ab, daß er nicht das Allgemeine, die Idee, sondern das Einzelne, die Individuen, als das erste Seiende anerkennt und dem Begriff nicht eine Wirklichkeit für sich, wie Platon der Idee, zuschreibt, sondern nur in den einzelnen Dingen, z. B. dem Begriff Pferd nur in den einzelnen Pferden (universalia in re, nicht ante rem). Der Begriff ist wirklich, indem er zum gestaltenden Prinzip eines bildsamen Stoffes wird. An jedem wirklichen Dinge, mit Ausnahme eines einzigen, der Gottheit, ist beides, Form und Materie, zu unterscheiden, obgleich niemals zu trennen, indem, mit Ausnahme wieder jenes einzigen, Form nie ohne Materie, diese nie ohne jene gegeben ist. Dies sind die beiden Grundprinzipien, neben die A. bisweilen noch zwei weitere, den Zweck und die bewegende Ursache, stellt, die er aber doch wieder in die Form oder das Wesen (Begriff) ausgehen läßt. Die Ausgestaltung des Stoffes durch die Form geht niemals plötzlich, sondern stets allmählich vor sich, so daß das schließlich Wirkliche (Ausgebildete) anfänglich nur als Mögliches (Anlage zur Ausbildung, Angelegtes), wie das Hühnchen im Ei, die Pflanze im Samenkorn, existierte. Der Übergang aus der bloßen Anlage (Potenzialität, Stoff) in Wirklichkeit (Aktualität, Entelechie, weil sie den Zweck, griech. telos, in sich hat) erfolgt durch Bewegung. Damit diese eintrete, bedarf es einer Ursache, und da sich bei dieser dasselbe, Übergang aus Nichtwirksamkeit in Wirksamkeit, also Bewegung, wiederholt, einer weitern Ursache u. s. s. Da nun die Reihe dieser Ursachen nicht ins Endlose gehen kann, so muß eine letzte Ursache vorhanden sein; diese aber als letzte darf in keiner Weise Anlage (Vermögen) zum Tätigsein, sondern muß Tätigkeit schlechthin sein, da sie sonst selbst einer weitern Ursache bedürftig wäre, um aus der Möglichkeit zur Wirklichkeit überzugehen. So muß es eine selbst unbewegte Ursache aller Bewegung geben, dies ist der erste Beweger, Gott, der Ausgangspunkt aller Bewegung und alles Lebens. Dieser selbst ist seinem Wesen nach reine Wirklichkeit oder Tat (Energie), hat nich's von Möglichkeit oder Materie, die etwas werden könnte, an sich. Gott ist notwendig ewig, da die durch ihn bewirkte Bewegung ohne Anfang und Ende ist, ferner immateriell, unveränderlich, leidenlos. Er ist unbeweglich, obgleich er andres bewegt; denn er bewegt nur, wie es das Schöne tut, das den nach ihm Begehrenden in Bewegung versetzt, ohne selbst in solcher zu sein, d.h. Gott bewegt das Ideal, dem das der Gestaltung bedürftige, die Materie, zustrebt. Er ist Einer, denn das der Zahl nach Viele hat Materie; rein Form (ohne Stoff), von allem Seienden das einzige, dessen Tun nicht Gestalten materiellen Stoffes, nicht praktisches Handeln, sondern (theoretisches) Denken ist, keinen Zweck außer sich hat, dem alle Materie durch Unterwerfung unter die Form sich zu nahen bestimmt ist. Gott ist Denken des Denkens; sein Tun, da er sich selbst genügend, keines von ihm verschiedenen Dinges bedürftig ist, die seligste Beschäftigung. Gott als die stofflose Form, die nichts mehr werden kann, und die Materie als der formlose Stoff, der alles werden kann, sind Gegensätze, zwischen denen alle andern wirklichen Dinge gelegen sind. A. hat mit dieser ausgeführten Theorie von der Gottheit den wissenschaflichen Theismus begründet.

In der Physik spielt die Bewegung, die durchaus zweckvoll ist, eine große Rolle, indem sie den Übergang von der Möglichkeit zur Wirklichkeit bildet; sie hat ihren Grund in Gott als erstem Beweger. Die Naturgegenstände, in denen der Stoff die Form überwiegt, machen die leblose, die, in denen das Umgekehrte der Fall ist, die lebendige Natur aus, und zwar in der Art, daß das formloseste Produkt der Natur die unterste, der Mensch dagegen die oberste Stufe der Reihenfolge bildet. Jede der höhern Stufen setzt die frühern, die lebendige Natur selbst die leblose und diese wieder die allgemeinen Bedingungen alles natürlichen Daseins, Raum, Zeit und Bewegung, voraus. Die Zeit ist unbegrenzt, der Raum dagegen begrenzt, da er nichts andres ist als die Grenze eines einschließenden Körpers gegen den umschlossenen. Hiernach kann es keinen leeren Raum geben. Stoff und Bewegung sind so ewig wie der erste Beweger, die Welt so ungeschaffen und so unvergänglich wie Gott selbst. Da der Beweger der vollkommenste ist, so ist auch das Bewegte ein wohlgeordnetes System von Bewegungen und seiner Gestalt nach vollendet und abgeschlossen. Zwischen dem Firsternhimmel und der Erde, die den Mittelpunkt des Universums bildet, bewegen sich die Planetensphären. Jener macht den vollkommensten, weil dem ersten Beweger nächsten, die Erde den unvollkommensten, weil demselben fernsten Teil des Weltalls aus, daher auf der letztern anstatt der Wandellosigkeit der Gestirn welt unaufhörlicher Wechsel herrscht. Dafür zeigt sich hier eine unendlich größere Mannigfaltigkeit von Formen und Gestalten der irdischen Phänomene, insbes. der organischen. In dieser diesseitigen Welt unter dem Monde tritt, da sie dem ersten Beweger so fern steht, um so mehr das Bedürfnis eines eignen innern Bewegungsprinzips, der Seele, hervor, wodurch die organische [⇐766] [767⇒] Welt als Sitz einer von ihr selbst (wenigstens relativ) ausgehenden Bewegung dem ersten Beweger wieder ähnlich wird. Mit der Physik hängt die Psychologie unmittelbar zusammen. Die Seele, welche die Entelechie, die Form des Leibes, ist, im weitesten Sinne gleich Lebenskraft, tritt auf der untersten Stufe des organischen Lebens, in der Pflanze, ohne sichtbaren Lebensmittelpunkt, nur als ernährende, auf der mittlern Stufe, im Tier, zugleich als empfindende mit einem Mittelpunkte des leiblichen (Herz) und zugleich einer Einheit des wahrnehmenden, Lust und Unlust fühlenden, begehrenden und verabscheuenden psychischen Lebens auf. Im Menschen, dem vollkommensten Tier, kommt zu beiden genannten als höchste Stufe die denkende, von den beiden frühern unterschiedene Seele, die Vernunft, der Geist (griech. nūs), hinzu; sie stammt nicht aus der Natur, sondern ist etwas »Göttliches«. Bei dem »Geist« im Menschen unterscheidet A. in nicht ganz klarer Weise ein Doppeltes, nämlich einen tätigen und einen leidenden Geist (nus poietikos und pathetikos), von denen der letz'ere mit dem Körper sich en' wickelt und vergeht, der erstere von »außen«, von der Gottheit kommt und in sie zurückkehrt. Eine individuelle Unsterblichkeit kann A. folgerichtigerweise nicht annehmen, aber unter seinen Anhängern entspann sich ein heftiger Streit um die Unsterblichkeit. Neben der theoretischen Denkkraft gibt es bei A. noch eine praktische, die in der Ethik erörtert wird. Die Ethik fragt nach dem Zweck des Menschen, d.h. nach dem höchsten Gut, als das A., wie alle griechischen Philosophen die Eudämonie (Glückseligkeit) ansieht, und zwar bestimmt er diese psychologisch nach dem, was dem Menschen eigentümlich im Gegensatze zu andern Lebewesen zukommt, das ist aber die Vernunft. Demnach ist die Eudämonie die vernunftgemäße oder, was dasselbe ist, die tugendhafte Tätigkeit. Die Tugend kann aber nicht nach allen Seiten ausgeübt werden ohne gewisse äußere Vorbedingungen, Reichtum u. dgl., während die notwendige Folge der tugendhaften Tätigkeit die Lust ist, so daß auch diese in die Glückseligkeit aufgenommen wird, ohne doch das höchste Ziel des Menschen zu sein. Die ethische oder Charaktertugend ist eine dauernde Willensrichtung, welche die uns angemessene Mitte zwischen zwei Extremen einhält, und beruht auf natürlicher Anlage und Übung, wozu noch die Einsicht kommen muß. So ist die Tapferkeit die Mitte zwischen dem Zuviel der Verwegenheit und dem Zuwenig der Feigheit. Am eingehendsten behandelt A. die Gerechtigkeit. Neben den ethischen stehen die dianoëtischen Tugenden, die des Denkens selbst, drei auf das Notwendige sich beziehend: Vernunft, d.h. das Erfassen der Prinzipien, Wissenschaft, die sich richtet auf das aus den Prinzipien Erweisbare, und Weisheit, die als Philosophie dies beides zusammenfaßt, und zwei sich auf das, was sich anders verhalten kann, beziehend: die praktische und die künstlerische Einsicht. Der Philosoph, in dem das Denken herrscht. kommt der Gottheit am nächsten. Den Übergang zur Politik bilden die wertvollen Erörterungen über die Freundschaft. Der Mensch ist von Natur ein politisches Wesen, da er nur im Staat seine sittliche Aufgabe lösen kann. Der Zweck des Staates ist die Glückseligkeit oder das sittlich gute Leben der einzelnen Menschen, zu dem der Staat die Jugend heranbilden muß. Der Unterschied zwischen den trefflichen und den entarteten Verfassungen besteht darin, daß in den erstern die Herrschenden das Gemeinwohl, in den letztern ihr besonderes Wohl im Auge haben. Königtum, Aristokratie und Timokratie (Politeia) sind gute, Demokratie, Oligarchie und Tyrannis verwerfliche Verfassungsarten. Die ideale Staatsform ist die aus demokratischer, aristokratischer und monarchischer gemischte; im einzelnen Fall ist die den vorliegenden Verhältnissen angemessene die beste. Bei der Kunst unterscheidet A. eine nützliche und eine nachahmende, welch letztere den Zweck der Erholung, der Befreiung (Katharsis) von gewissen Affekten durch deren Anregung verfolgt. Berühmt ist die Definition der Tragödie, die durch Mitleid und Furcht eine Reinigung solcher Affekte zu stande bringen soll.

[Geschichte der Aristotelischen Philosophie.] Die Philosophie des A. wurde zunächst durch dessen Schule, die peripatetische, die ihren Sitz im Lykeion hatte, fortgepflanzt; ihr Einfluß aber erstreckt sich durch das Altertum, das Mittelalter bis auf die neueste Zeit herab, wo sie namentlich von Trendelenburg (s. d.) in erneuerter Gestalt wieder aufgenommen worden ist. In den nächsten Jahrh under'en nach dem Tode des A. trieben die Peripatetiker vielfach mehr gelehrte, d.h. naturwissenschaftliche und geschichtliche Studien als eigentliche metaphysische. Unmittelbare Schüler des A. waren Theophrastos, der Nachfolger des A., Eudemos von Rhodos, Aristoxenos und Dikäarchos von Messana. Der Schüler und Nachfolger des Theophrastos, Straton von Lampsakos, suchte die Erscheinungen mehr physikalisch als teleologisch zu erklären. Neben ihm ist Demetrios aus Phaleron bei Athen zu nennen. Die Nachfolger des Straton im Lykeion waren der Reihe nach: Lykon aus Troas, Ariston von Keos, Kritolaos aus Phaselis und Diodoros von Tyros, in der zweiten Hälfte des 2. Jahrh. v. Chr. Unter ihnen hat die peripatetische Schule die Rich´ ung auf die Ethik genommen. Trotz dem konnte die peripatetische Schule neben der epikureischen und stoischen Lehre und der der neuen Akademie in Rom nicht recht aufkommen. Die gelehrte Beschäftigung mit den Aristotelischen Schriften und die zahlreichen Kommentatoren, unter denen Alexander von Aphrodisias (im 2. Jahrh. n. Chr.) hervorzuheben ist, unterdrückten das originelle Denken in der peripatetischen Schule, zumal die Aristotelische Lehre sich vielfach mit der Platonischen und stoischen verschmolz. Sie erhielt sich aber bis zu den Byzantinern, von welchen sie nach dem Fall Konstantinopels ins Abendland zurückkam, während sie schon vorher in ihrem logischen Teile durch Boethius auf die Schulen des christlichen Mittelalters und durch die arabischen Übersetzungen, die seit dem 9. Jahrh. die Kalifen an fertigen ließen, auf das islamische Morgenland übergegangen war. Von hier wurde sie nach Spanien verpflanzt und, nachdem sie daselbst neue Blüte (durch Averrhoës) erlangt hatte, z. T. unter jüdischer Vermittelung zu den abenländischen Christen gebracht. Um 1220 waren fast sämtliche Werke des A. aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt, bald wurden auch, namentlich auf Anlaß des Thomas von Aquino, Übersetzungen des griechischen Text es direkt veranstaltet. Die scholastische Philosophie des 13. und 14. Jahrh., deren Häupter Albertus Magnus und Thomas von Aquino waren, stand ganz unter dem Einfluß des A., der als Norm der Wahrheit in weltlichen Dingen galt. Mit der Wiedererweckung der klassischen Literatur im 15. Jahrh. begann ein allgemeiner Kampf wider die Scholastik, der sich anfänglich nur gegen den entstellten Text des A., dann aber gegen dessen Philosophie selbst kehrte. Bemerkenswert sind hier die beiden Parteien der Alexandristen und Averrhoisten, die sich in der Lehre von der Unsterblichkeit [⇐767][768⇒] der Seele heftig befehdeten, sodann die Mystiker und (meist pantheistischen) Naturphilosophen, die der Metaphysik und Physik. ferner die sogen. Ramisten und die Verteidiger der empirischen Methode (Bacon), die der Logik des A. entgegentraten. Mit dem Aufkommen der Cartesianischen Philosophie erlosch der Peripatetismus mehr und mehr. Doch taucht er in der modifizierten Form des Thomismus (s. d.) bei den katholischen Theologen und Philosophen auf päpstlichen Befehl seit den letzten Jahrzehnten zu neuem Leben wieder auf.

[Literatur.] Wertvolle Beiträge zum Verständnis des A. bieten die alten Erklärer, besonders Alexander von Aphrodisias (s. Alexander 3, S. 301), Themistios, Syrianos, Simplikios, Philoponos u.a., deren Kommentare neuerdings auf Veranlassung der Berliner Akademie herausgegeben werden. Von neuern Werken sind zu nennen, außer Zeller, Philosophie der Griechen (2. Teil, 2. Abt.; für die nacharistotelische Philosophie der 3. Teil): Biese, Die Philosophie des A. (Berl. 1835–42, 2 Bde.); Brandis, A. und seine akademischen Zeitgenossen (»Geschichte der griechisch-römischen Philosophie«, 2. Teil, 2. Abt., das. 1853–57) und Übersicht über das Aristotelische Lehrgebäude (ebenda, 3. Teil, 1. Abt., das. 1860); Grote, Aristotle (2. Aufl., Lond. 1879); A. Grant, Aristotle (2. Aufl., das. 1898; deutsch, Berl. 1878); Siebeck, Aristoteles (Stuttg. 1899). Aus der Literatur über einzelne Kreise der Aristotelischen Schriften sind hervorzuheben: Kampe, Die Erkenntnistheorie des A. (Leipz. 1870); Lewes, Aristotle, a chapter from the history of science (Lond. 1864; deutsch von Carus, Leipz. 1865); J. B. Meyer, A.' Tierkunde (Berl. 1855); F. Brentano, Die Psychologie des A. (Mainz 1867); Teichmüller, Aristotelische Forschungen (Bd. 1 u. 2, Halle 1867–69, die Poetik und Kunstlehre betreffend); Reinkens, A. über Kunst, besonders über Tragödie (Wien 1870). Speziellere Literatur bei Überweg-Heinze, Grundriß der Geschichte der Philosophie, Bd. 1 (9. Aufl., Berl. 1902). [⇐768]

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 764-768.
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[712⇒] Aristotĕles, 1) (bei den Arabern u. Syrern Ari sto), aus Stagira in Macedonien (daher der Stagirit genannt), geb. 384 v. Chr.; von seinem Vater Nikomachos, Leibarzt des Königs Amyntas III. von Macedonien, erhielt er die erste Bildung, dann von Proxenos in Atarneus; er begab sich im J. 367, 17 Jahr alt, nach Athen u. genoß dort 20 Jahre Platons Umgang u. Unterricht, bei Platons Tode, 347, war er in Pella, bei Philippos dem Gr. als athenischer Gesandte u. verließ nach seiner Rückkehr Athen, lebte einige Jahre bei seinem Freunde Hermias, dem Beherrscher von Atarneus, dessen Schwester Pythias er heirathete u. mit ihr nach dem Sturz des Hermias nach Mitylene zog; 343 ward er von Philippos von Macedonien zum Erzieher seines Sohnes Alexander berufen; kehrte 335 nach Athen zurück u. lehrte hier Philosophie im Lyceum, des Morgens für vertrautere Schüler (Akroatä, Esoteriker) in streng wissenschaftlichen, Nachmittags für gemischte Zuhörer (Peripatos [der Umgang, s. u. Aristoteliker], Exoteriker) in populären Vorträgen. 13 Jahre hatte er hier gelehrt, als er, der Irreligiosität [⇐712][713⇒] angeklagt, Athen verlassen mußte. Er ging nach Chalkis u. starb bald darauf, 322 v. Chr. In Stagira wurde ihm jährlich ein Fest (Aristotelēa) gefeiert. Nach einer jüdischen Sage soll er nach einer, zu Athen mit einem Juden gehabten Unterredung Jude geworden sein. Von ten 800 Schriften des A. gibt es Verzeichnisse von Diogenes Laërtios u. A. Sein schriftlicher Nachlaß u. seine Bibliothek kamen an seinen Schüler Theophrastos, von diesem an andre Erben u. wurden, nachdem sich König Ptolemäos Philadelphos von Ägypten u. der König von Pergamum vergebens um sie beworben hatten, in einem Keller verborgen u. hier, halb verdorben, von Apellikon von Teos entdeckt u. gekauft. Die darnach gefertigten Abschriften, worin Manches willkührlich ergänzt war, kamen nach der Eroberung Athens durch Sulla mit nach Rom. Durch den Grammatiker Tyrannion, welcher die aristotelischen Schriften zu benutzen Erlaubniß erhielt, gelangten Abschriften einzelner in die Hände von Cicero u. A. Am meisten trug Andronikos von Rhodos zu ihrer Verbreitung bei. Die, in den meisten Ausgaben der Sammlungen noch jetzt vorhandener Schriften befolgte Zusammenstellung rührt von Franciscus Caballus her. Sie zerfallen in: a) Logische Schriften (Organon): Κατ ηγορίαι (die Grundbegriffe der Erkenntniß), Περὶ ἑρμηνείας (von der Auslegung), Άναλυτικὰ πρότερα u. Αναλυτικὰ ὕστερα (von den Schlüssen u. Beweisen), Τοπικά (von der Auffindung der Beweisgründe), Περὶ σοφ ιστικῶν ἐλέγχων (von der Auffindung der Trugschlüsse), Ausg. von Jul. Pacius, Frkf. 1597, u. ö., von Waitz, Gotha 1843, deutsch von Zell, Stuttg. 1836 ff. b) Rhetorische Schriften: echt nur Τέχνη ῥητορική (von der Beredsamkeit), herausgegeben von P. Victorius, Vened. 1548, Fol. u. ö., von Garve u. Reiz, Lpz. 1772; Oxf. 1820, 2 Bde.; von Spengel, Lpz. 1844; deutsch von Knebel, Stuttg. 1840; die Ῥητορικὴ πρὸς Ἀλέξανδρον ist von Anaximenes von Lampsakos. c) Ästhetische Schriften: hierunter das Fragment Περὶ ποιητικῆς (Poëtik, von den Arten der Dichtkunst), herausgegeben von Hermann, Lpz. 1802; von Gräfenhan, 1821; Ritter, Köln 1839; deutsch von Buhle, Berl. 1798, u. Valett, Lpz. 1803. d) Physikalische Schriften: Φυσικὴ ἀκρίασις (Allgemeine Gesetze der Naturlehre, deutsch von Weiße, 1829); Περὶ οὐρανοῠ (vom Himmel), Περὶ γενέσεως καì φϑορᾶς (vom Entstehen u. Vergehen), Μετεωρολογικὰ (herausgegeben von Bekker, Berl. 1829, von Ideler 1834); die Schrift Περὶ κόσμου (von der Welt, herausgegeben von Kapp, Altenb. 1792) ist unecht; die physik. Schriften gab Julius Pacius heraus, Frkft. 1596. e) Naturhistorische Schriften: Περὶ ζώων ἱστορίας (Geschichte der Thiere), Ausg. von Scaliger, 1619, neu von I. G. Schneider, Lpz. 1811, 4 Bde., von Bekker, Berl. 1829; Περὶ ζώων μορίων (von den Theilen der Thiere, herausgegeben von Bekker, Berl. 1829); Περὶ ζώων πορείας (von der Fortbewegung der Thiere), Περὶ ψυχῆς (von der Seele), eigentlich ein Versuch zur wissenschaftlichen Begründung der Psychologie (herausgegeben von Trendelenburg 1835, deutsch von Vogt, Prag 1794); Περὶ φυτων (von den Pflanzen), unecht; die Parva naturalia, kleinere Schriften physiologischen Inhalts: Περὶ αἰσϑήσεως καὶ αἰσϑητικῶν, Περὶ μνήμης καὶ ἀναμνήσεως, Περὶ ὕπνου καὶ ἐγρηγορήσεως, Περὶ ἐνυπνίων, Περὶ τῆς καϑ ὕπνον μαντικῆς, Περὶ τῆς κοίνης τῶν ζώων κινήσεως, Περὶ ζώων γενέσεως, Περί μακροβιότητος καὶ βραχυβιότητος, Περὶ νεότητος καὶ γήρως, Περὶ ἀναπνοῆς, Περὶ πνεύματος, Φυσιογνωμονικά; einige davon einzeln herausgegeben von G. A. Bekker. f) Mathematische Schriften: Περὶ ἀτόμων γραμμῶν (von den untheilbaren Linien), Μηχανικὰ προβλήματα (Quaestiones mechan.) g) Metaphysische Schriften: Τὰ μετὰ ὰ φυσικά (Metaphysica), von, A. selbst Πρώτη φιλοσοφία genannt, soll dies Buch, welches Untersuchungen über die höchsten theoretischen Begriffe enthält, später zufällig diesen Namen erhalten haben, weil es nach den Physischen Schriften folgte, herausgeg. von Schwegler, Tüb. 1847, von Bonitz, Bonn 1848, deutsch von Hengstenberg, Bonn 1824; vgl. Michelet Examen crit. de l'ouvrage d'Arist. intit. Metaphysique, Par. 1836, u. Ravaisson, Essai sur la Metaph. d'Arist., ebd. 1837. h) Moralisch-politische Schriften: Ἠϑικὰ Νικομάχεια (Ethica ad Nicomachum), Ausg. von P. Victorius, Flor. 1547, u. Zell, Heidelb. 1820, 2 Bde.; Korais, Par. 1822; Michelet, Berlin 1829; I. Bekker, ebd. 1831; deutsch von Garve, Bresl. 1798, 2 Bde.; Ἠϑικὰ Ηὐδήμεια (Ethica ad Eudemium); Ἠϑικὰ μεγὰλα (Magna moralia); Περὶ ἀρετῶν (unecht u. blos excerpirt); Oxf. 1752; Πολιτικά (vom Zweck des Staates), herausgegeben von Victorius, Flor. 1552); von Heinsius, Leyden 1621; von Conring, Helmst. 1656; von Schneider, Frankf. a. d. O. 1809, 2 Bde.; von Göttling, Jena 1824; Cardwell, Oxf. 1829; deutsch von Schlosser, Lübeck 1798, 3 Bde., von Garve, Bresl. 1799, 2 Bde.; von Lindau, Öls 1843; Οἰκονομικά, Par. 1560; von Schneider, Lpz. 1815; von Göttling, Jena 1830. i) Historische Schriften: hiervon nur 1 Fragment de Melisso, Xenophane et Gorgia, herausgegeben von Füllhorn, Halle 1789. k) Paränetiche Schriften (d.i. populäre Schriften moralischen Inhalts) bes. Dialogen, Gleichnisse, Sprichwörter; von allen sind blos Fragmente da. l) Hypomnematische Schriften (d.i. die nicht zum öffentlichen Gebrauch bestimmt schienen): Περὶ ϑαυμασίων ἀκουσμάτων (Notizensammlung von wunderbaren Geschichten), herausgegeben von Beckmann, Gött. 1786; Προβλ ήματα (in 38 Sectionen). A. war auch Dichter, doch haben sich nur wenige Gedichte von ihm erhalten, z.B. ein Hymnus auf die Tugend von Hermias, Πέπλος etc. Ausgabe sämmtlicher Werke: älteste, Vened., bei Ald. Man. 1495–98, 5 Bde. Fol., später von Erasmus, Basel 1531 u. 1550, 2 Bde.; von Camotius, Venedig 1551–53, 6 Bde.; von Sylburg, Frkf. 1587, 5 Bde.; von Causaubon, Leyd. 1590, 2 Bde., Fol., u. 1597, 2 Bde., u. von du Val, Par. 1639 u. ö., 2 Bde., Fol.; Buhle, Zweibr. 1791–1800, 5 Bde.; von I. Bekker, Berlin 1831 ff., 4 Bde. Mehrere Schriften des A. u. Theophrastos erschienen in latein. Übersetzung mit Commentar von Averroes, Vened. 1483, 3 Bde., Fol., Augsb. 1479, 4 Bde. Vgl. Stahr, Aristotelia, Halle 1830, 2 Bde. In der Aristotelischen Philosophie muß man wohl unterscheiden: die Grundsätze, welche A. selbst in seinen Schriften aufstellt, u. die, welche jenen in der Aristotelischen Schule der spätern Zeit beigefügt wurden (s. Aristoteliker). A. verband ausgezeichneten [⇐713] [714⇒] Scharfsinn mit sorgfältiger u. unermüdeter Naturforschung. Um deswillen waren ihm in seinen philosophischen Ansichten nicht die Ideale der Hauptgesichtspunkt, sondern das durch die Erfahrung Dargebotene. So ward er vorzugsweise Philosoph des Verstandes, nicht vom Allgemeinen ausgehend, sondern von dem Besondern zu jenem sich erhebend. Philosophie ist nach ihm die Versicherung des Wissens, die Erkenntniß aus Gründen; letztere aber bietet nur die Erfahrung dar, zunächst in Beobachtung des Einzelnen u. dann in Verbindung desselben zu einem Ganzen. Hierzu dient insbes. die Logik, als Organon aller Wissenschaft, wiewohl nur der Form nach. Der erste Grundsatz in ihr ist der Satz des Widerspruchs, nach dem alle Wahrheit in Schlüssen erkannt wird. A. befaßt unter Philosophie zugleich auch alle Erfahrungswissenschaften, mit Ausnahme der Geschichte, also auch die Naturwissenschaft u. selbst Naturgeschichte. In strengerer Unterscheidung zerfällt die Philosophie nach A. in theoretische u. praktische. Die theoretische Philosophie hat das dem Sein nach Nothwendige zum Gegenstande; zu ihr gehört Physik, Mathematik u. Metaphysik. Die Physik hat die Natur zum Gegenstande, als den Inbegriff aller aus der Erfahrung erkennbaren wirklichen Dinge. Als Naturprincipe werden aufgestellt: Materie, Form, Beraubung; letztre ist der Grund der Veränderung u. also der Bewegung; die Materie enthält blos das Vermögen, verändert zu werden; die Form gibt erst die Wirklichkeit, sie ist der Zweck der Natur. Physische Ursachen sind: materielle, formelle, wirkende Endursachen; die Bewegung hat weder Anfang noch Ende; das erste ewig Bewegte ist der Himmel, das erste Bewegende Gott. Die Welt ist der Inbegriff aller veränderlichen Wesen; außer ihr keine Veränderung, weder Zeit noch Raum; sie ist ein Ganzes, Erde ihr Mittelpunkt, Feuer ihre Grenze; die Bewegung geht entweder nach dem Mittelpunkt, als Schwere, zur Erde, od. von ihm aus, als Leichtes od. Feuer, od. sie ist kreisförmig, als die vollkommenste, des Himmels. Das Element der Gestirne ist der Grund alles Lebens. Die Seele ist das Princip des Lebens, die erste Form (Entelechie) des Körpers; die Denkkraft ist von außen gekommen, dem Elemente der Sterne analog; Anschauen ist Aufnehmen der Formen der Gegenstände, Denken ein Aufnehmen der Formen von den Formen, welches Empfindung u. Einbildungskraft voraussetzt; daher ein leidender u. thätiger Verstand, letzter unzerstörbar. Das Begehrungsvermögen ist Thätigkeit u. Bewegung durch Empfindungen bestimmt. Das Vergnügen ist die Folge vollkommener Kraftäußerung; das edelste Vergnügen entspringt aus Vernunft, wodurch der Wille als höheres Begehrungsvermögen geleitet wird. Metaphysik ist nach A. die Betrachtung eines Wesens an sich, als Unbeweglichen, Unsichtbaren; sie ist ein bloßer u. unausreichender Versuch, die Verstandeslogik auf übersinnliche u. also unerkennbare Gegenstände anzuwenden. Die praktische Philosophie ist nicht auf das Sein, sondern auf das, was durch den Willen bewirkt werden soll, gerichtet. Sie geht von dem Begriffe eines höchsten Guts u. Endzwecks aus; Endzweck ist Glückseligkeit, hervorgehend aus vollkommenen Handlungen, die dies aber nur durch vernünftige Willensfreiheit werden. Tugend ist die Fertigkeit vollkommener Handlungen; sie ist immer auf ein Mittelmaß zwischen Zuviel u. Zuwenig gerichtet. Mit der Tugendlehre (Ethik) steht die Politik u. Ökonomie in nächster Verbindung; erstere lehrt, wie Glückseligkeit, als der Zweck der Menschen, in der bürgerlichen, letztere, wie sie in der häuslichen durch vollkommene Einrichtung derselben zu erlangen sei. Vgl. Biese, Die Philosophie des A., Berl. 1835, 2 Bde.; 2) Einer der 30 Tyrannen von Athen; 3) A. von Bologna; nebst mehreren andern Künstlern von dem russischen Großfürsten Iwan Wassiliewitsch nach Moskau berufen, trug viel zur Bildung der Russen, auch bes. zur Verschönerung der Hauptstadt bei, legte die erste Stückgießerei dort an, verbesserte das Münzwesen u. erbaute mehrere Kirchen. [⇐714]

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 712-714.
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[251⇒] Aristoteles wurde zu Stagira in Chalcidice 384 v. Chr. geb. In einem Alter von 17 Jahren begab er sich nach Athen, wo er sich 20 Jahre hindurch bis 347 aufhielt und die Aufmerksamkeit seines Lehrers Plato so auf sich zog, daß er ihn den Geist seiner Schule genannt haben soll. Nach Platos Tode zog A. zu dem ihm befreundeten, ohne Zweifel nach Geist und Charakter ausgezeichneten Hermias, Tyrann von Atarneus in Mysien. Als der letztere ein gewaltsames Ende fand, siedelte A. 345 nach Mytylene auf Lesbos über, von wo er 2 Jahre später von dem macedon. König Philipp zur Erziehung seines Sohnes Alexander berufen wurde. Nachdem A. sich in einem Zeitraume von 8 Jahren dieses ebenso ehrenvollen als schwierigen Auftrags mit Glück und Geschick entledigt hatte, kehrte er 335 nach Athen zurück, wo er in einem ununterbrochenen Aufenthalt von 13 Jahren als Lehrer der Philosophie auftrat. Sein Lehrort war das Lyceum, eines der Gymnasien der Stadt; seine Lehrweise bekam den Namen der peripatetischen entweder von dem mit dem Lyceum verbundenen Spaziergang (περίπατος) oder von seiner Gewohnheit, während des Lehrens in jener Halle auf- und niederzugehen. Fortwährend war A. mit Alexander von Macedonien, der unterdessen seinen siegreichen Zug nach Asien gemacht hatte, auf dem Fuße freundlichen Vernehmens geblieben. Wie ungegründet also die Nachrichten sind, daß A. an einem Plane zur Vergiftung Alexanders Theil genommen habe, geht von allem andern abgesehen schon aus der Thatsache hervor, daß A. nach Alexanders natürlichem Tode als ein durch den Schutz des Königs nicht länger sicher gestellter Mann zu Athen der Irreligiosität angeklagt und gezwungen wurde, die Stadt zu verlassen. Er flüchtete nach Chalcis auf Euböa, wo er seine philosophischen Vorträge fortsetzte, aber noch im gleichen Jahre, 63 Jahre alt, vom Tode ereilt wurde. Wollen wir die wissenschaftliche Bedeutung des A. bezeichnen, so muß gesagt werden, daß er einer der größten Geister aller Zeiten war, welcher mit Scharfsinn und Tiefe des Gedankens einen durchaus edeln moralischen Charakter verband. Was den A. besonders charakterisirt, ist einmal die geistige Universalität des Mannes. Dieser eminente Geist ließ es sich nicht genügen, das eine oder andere [⇐251][252⇒] Feld des Wissens anzubauen, sondern er bewegte sich in wahrhaft universaler Weise mit gleicher Leichtigkeit und Gewandtheit auf all en Gebieten geistiger Thätigkeit im Kleinen wie im Großen. Und auf manchen dieser Gebiete konnte A. nicht auf bereits gelegten Grundlagen fortbauen, sondern diese Grundlagen waren vielmehr erst zu schaffen. Denn mußte in Aʼ. Zeit, in welcher die Productivität des griech. Geistes bereits abgeschlossen war, die Hauptaufgabe darin bestehen, die gewonnenen Resultate zu sichten und in systematische Formen zu bringen, so ist es gerade der unsterbliche Ruhm unseres Philosophen, hierin das Großartigste geleistet zu haben. Es ist daher nicht zu viel behauptet, wenn man gesagt hat, »daß der Genius des Jahrhunderts in A. sein erstes und bewunderungswürdiges Organ gefunden habe.« A. ist nicht bloß der Vater der Logik, er hat nicht nur das ganze Gebiet der Philosophie im engern Sinn des Wortes zuerst systematisch durchgearbeitet, sondern auch den Naturwissenschaften, insbesondere der Zoologie und Botanik ihre erste wissenschaftliche Grundlage gegeben. Nicht minder bekannt sind seine Verdienste um Politik oder Staatswissenschaft, um Rhetorik und Poetik, welche zwei letztgenannten Disciplinen als Schöpfungen des A. betrachtet werden müssen. Original war unser Philosoph endlich auch in der Methode. Während bei Plato das Hauptinteresse der Philosophie in der Unterscheidung der Idee von der Erscheinung lag, hat A. gerade umgekehrt mit richtigem Takte dem einseitigen Idealismus seines Lehrers entsagt und die Einführung der Idee in die Erscheinungswelt für die Hauptsache angesehen, so daß beiden Gebieten ihr gebührendes Recht zu Theil wurde. [⇐252]

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 251-252.
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[117⇒] Aristotĕles, der scharfsinnigste Denker, thätigste Forscher und größte Gelehrte des alten Griechenlands, war zu Stagira in Macedonien im I. 384 v. Chr. geboren. Nachdem er längere Zeit zu Athen mit Plato in Verbindung gelebt hatte, ward ihm vom Könige Philipp von Macedonien die Erziehung Alexander's übertragen. A. unterzog sich diesem Berufe mit großem Eifer und ihm gebührt der Ruhm, die Keime des Edeln und Schönen, die er in der Brust des Jünglings fand, mit besonderer Sorgfalt gepflegt zu haben. Als Alexander 337 v. Chr. die Regierung angetreten, ging A. wieder nach Athen; doch der Schüler vergaß des Lehrers nicht; er machte ihm unter Andern ein Geschenk von 800 Talenten (ungefähr eine Million Thaler) und ließ seltene Thiere und kostbare Naturalien in allen Ländern und Welttheilen für ihn sammeln. Doch der Verdacht des Hochverraths, welcher einen seiner Verwandten traf, erregte auch gegen ihn den Unwillen Alexander's. Von seinen Neidern verfolgt, ging er nach Chalkis in Euböa und starb daselbst 322 v. Chr. Seine Schriften sind sehr zahlreich und verbreiten sich über fast alle Theile der Philosophie, über die Ästhetik, Politik und über die verschiedensten Zweige der Naturwissenschaften und sind für uns von der größten Wichtigkeit. Weil A. seine Vorlesungen in Athen in einem von Spaziergängen umgebenen Tempel des Apollo zu halten pflegte, so erhielten seine Schüler den Namen Peripatetiker, d.h. die Auf- und Abgehenden. [⇐117]

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 117.
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[289⇒] Aristoteles. der scharfsinnigste Denker, thätigste Forscher, und der scharfsinnigste Gelehrte des alten Griechenlands, wurde 384 vor [⇐289][290⇒] Chr. zu Stagira in Macedonien geboren. Etwa 17 Jahre alt, begab er sich nach Athen, wo er 20 Jahre lang den Umgang und Unterricht Platon's benutzte. Auch war er der erste Privatmann, der eine größere Bibliothek anlegte. Wenn in der Philosophie seines Lehrers Platon mehr die Phantasie und das Gefühl hervortraten, so war dagegen bei Aristoteles die Schärfe der Urtheilskraft vorherrschend, und so verfolgten beide Geister bald eine verschiedene Bahn. Im 41. Jahre seines, den tiefsten und umfassendsten Forschungen gewidmeten, Lebens ward Aristoteles von dem Könige Philipp von Macedonien zum Lehrer und Erzieher des damals 15 jährigen Alexander's berufen, und was in den Plänen des nachherigen Welteroberers sich Weises, Edles und Großes ausspricht, ist unstreitig auch eine Frucht der Erziehung durch den Aristoteles. Etwa 50 Jahre alt, trat Aristoteles als Lehrer der Philosophie in Athen auf, und lehrte dort, als Stifter der peripatetischen Schule, unter den Schattengängen des Lykeion (Lyceums) dreizehn Jahre lang, als er, der Irreligiosität angeklagt und genöthigt ward, Athen zu verlassen. Er begab sich nach Chalkisin Euböa, und starb daselbst 63 Jahre alt, wahrscheinlich an genommenem Gifte. Nach den vorhandenen ältern Verzeichnissen muß Aristoteles über 500 Schriften abgefaßt haben. [⇐290]

Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 1. Leipzig 1834, S. 289-290.
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[83⇒] Aristoteles, von Stagira, auch der Stagirit. Dieser große Philosoph, dessen Geist man mit Grund allumfassend nennen kann, wurde 384 J. v. Chr G. geboren. In seiner Jugend war er Soldat und sehr liederlich; allein schon im siebzehnten oder achtzehnten Jahre ging er nach Athen, um, nach dem Ausspruche des Delphischen Orakels, die Philosophie zu lernen. Er besuchte sehr lange die Schule des Plato, welcher ihn die Seele seiner Schule nannte. Nach Plateʼs Tode begab sich [⇐83][84⇒] Aristoteles nach Akarne in Mysien, zu seinem Freunde Hermias, welcher dieses Land usurpirte, und dessen Schwester er, als Hermias auf Befehl des Königs von Persien hingerichtet wurde, heirathete. Er hatte viel Leidenschaft für diese Frau. Er wurde Hofmeister Alexanders des Großen, welcher öfters sagte; daß er mehr Liebe für ihn als für seinen Vater hege, wiewohl diese Liebe nachher erkaltete. Aristoteles ging nach Athen zurück, und eröffnete seine Schule mit dem größten Beifall im Lyceum. Da er oft im Auf- und Niedergehen vortrug, so hießen seine Schüler Peripatetiker. Nach Alexanders Tode hetzten seine Feinde die Priester wider ihn auf; er retirirte sich daher von Athen, »damit (sagte er) die Athenienser gehindert würden, eine zweite Ungerechtigkeit an der Philosophie zu begehen.« Die Anzahl seiner Schriften ist erstaunend, jedoch sind nicht alle auf uns gekommen. Er hat alle Theile der Philosophie, auch die Naturlehre und Naturgeschichte, erläutert. In der Aesthetik spielt seine Poetik eine große Rolle. [⇐84]

Quelle: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 83-84.
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