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Balkanhalbinsel. I. (Karten) [Detailkarten: ] Belgrad, Sofia, Bukarest, Russland, Ungarn, Rumänien, Serbien, Bulgarien, Türkisches Reich, Kleinasien, Griechenland, Isthmus von Korinth, Athen und Umgebung, Konstantinopel
Balkanhalbinsel. I. (Karten) [Detailkarten: ] Belgrad, Sofia, Bukarest, Russland, Ungarn, Rumänien, Serbien, Bulgarien, Türkisches Reich, Kleinasien, ...
Flaggen.
Flaggen.

[1020⇒] Kreta, neugrch. Kriti, türk. Kirid, ital. Candia, größte aller griech. Inseln [Karte: Balkanhalbinsel I] und türk. Wilajet unter fremder Verwaltung, 8618 qkm, (1900) 303.543 E. (Kandioten; 269.319 Griechisch-Katholische, meist griech. Abkunft, Sphakioten); durch einen von SW. nach NO. ziehenden Gebirgszug (Madáras oder Weiße Berge 2470 m, Idagebirge oder Psiloritis 2457 m, Lasithigebirge 2160 m) geteilt; mildes Klima. Hauptprodukte Olivenöl, Seide, Orangen, Wein, Sphakiakäse. Handel s. Beilage: Europa; Budget (1905/6) in den Ausgaben ca. 4,6 Mill. Drachmen; Einteilung in 5 Nomen; Hauptstadt Kanea. Verfassung vom 28. April 1899: Oberkommissar (s.u.), Abgeordnetenhaus. Landesfarben: Blau und Weiß; Flagge s. Tafel: Flaggen. – K., in der Sage bekannt als Herrschersitz des Minos, wurde später von den Griechen besiedelt, kam 67 v. Chr. an die Römer, 395 an Ostrom, wurde nach verschiedenem Besitzwechsel 1204 von den Venetianern käuflich erworben, bis es nach einem 24jährigen Kriege 1669 in die Gewalt der Türken fiel. Im 19. Jahrh. suchte sich K. durch zahlreiche Aufstände (1821, 1858, 1866-68) zu befreien und nach dem Aufstand von 1896-98 wurde der Insel unter Vermittlung der Großmächte Autonomie unter einem christl. Herrscher gewährt und Prinz Georg von Griechenland vom Sultan zum Oberkommissar ernannt. – Vgl. Strobl (1875), Bothmer (1898). [⇐1020]

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 1020.
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Kriti, neugriech. Name von Kreta.

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[638⇒] Kreta (neugriech. Kriti, türk. Kirid, ital. Candia), Insel im Mittelmeer (s. Karte »Griechenland«), nach Größe, Lage, Hafenreichtum, Fruchtbarkeit und Bevölkerung die wichtigste Insel des Griechischen Archipels, zwischen 23°31'–26°20' östl. L. und 34°55' bis 35°41' nördl. Br., südlich dem Ägäischen Meer vorgelagert, hat eine von W. nach O. langgestreckte Gestalt; größte Länge 260, Breite 12–56 km, Flächeninhalt 8618 qkm (156,5 QM.). Die Küsten sind fast überall steil, doch enthält die nördliche einige Strandebenen und zahlreiche Buchten mit den meist versandeten Haupthäfen der Insel (Mirabella-, Armyro-, Suda-, Chania-, Kisamobai) und Vorgebirge, während der stellenweise ganz unzugänglichen Südküste solche mangeln. Diese Erscheinung erklärt sich daraus, daß die Gebirge nach S. steil und unvermittelt abstürzen, während sie sich nordwärts in längern Abhängen zu einem ausgedehnten, fruchtbaren Tertiär-Hügelland abdachen, an das sich eine leicht zugängliche Küste schließt, an der alle bedeutendern Siedelungen liegen. Von den Vorgebirgen sind die bekanntesten: Kap Buza und Kap Spatha (Psacum promontorium) im W., die Vorgebirge Sidero (Samonium promontorium) und Salmone im O., Kap Lithinos (Lissēs prom.) als südlichster Vorsprung. Das Innere Kretas wird von einer in vier Gruppen gesonderten Hochgebirgskette durchzogen, die nahe der Mitte der Insel in dem aus drei Spitzen bestehenden alten Götterberg Ida oder Psiloriti 2456 m Höhe erreicht und durch tiefere Einsenkungen in drei Abschnitte zerlegt wird. Der westliche Teil sind die Weißen Berge (Aspra Vuna) oder das Madaräsgebirge, die vielgenannte Landschaft Sphakia bildend, eine natürliche Festung, von der alle Erhebungen gegen die Türken ausgingen, im Theodoro 2469 m hoch, daher nur in den Sommermonaten frei von Schnee; den östlichen Teil bilden das Lasithigebirge (im Altertum Dicte, 2160 m) und weiterhin der Stock des Aphentis (1478 m) mit der bergerfüllten Halbinsel Sithia. Die Gebirge bestehen vorwiegend aus Kalkstein, in [⇐638][639⇒] dem die Karsterscheinungen eine bedeutende Rolle spielen. Bemerkenswerte Ebenen sind die von Candia, Chania, die fruchtbarste der Insel, die Mesará, Pediada etc. Die Insel ist, da die Gebirge erst im Spätsommer schneefrei werden, reich an gutem Trinkwasser, aber die Flüsse sind eigentlich nur Gießbäche; die beträchtlichern sind der Mylopotamo auf der Nord- und der Mitropolipotamo auf der Südküste. Das Klima ist überaus mild und gesund. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt an der Küste 19°. Nur wenn aus Afrika der Schirokko herüberweht, steigt die Hitze auf 36–40°. Im Winter kennt man in den Ebenen nur Regen, und erst wenn das Thermometer auf 4–7° fällt, hüllen sich die Berggipfel in Schnee. Im Sommer regnet es nie, aber bei der Nähe des Meeres ist der Tau sehr stark. Der Boden lohnt die Kultur in hohem Grade, wie schon im Altertum Wein, Öl und Honig von K. berühmt waren, ist aber unter türkischer Herrschaft wegen der beständigen Unruhen stark vernachlässigt worden. Man gewinnt an Getreide nur ein Viertel des Bedarfs. Ausgedehnt sind die Olivenwälder (jährlicher Ertrag 50–200,000 Quintal Öl, meist geringer Qualität); auch Flachs, Taval, Süßholz, Johannisbrotbaum, Wein, Mandeln und Südfrüchte wachsen reichlich. Der Weinbau wird neuerdings sehr eingeschränkt, weil der Absatz nach Frankreich zurückgegangen ist. Die Gebirge sind meist entwaldet und nur als Weide nutzbar. Die dürftigen Wälder bestehen besonders aus Eichen und Fichten. Die Küsten gehören der Mittelmeerflora an. Auf der Südabdachung gedeihen schon Palmen. Die Industrie ist unbedeutend; von größern Etablissements bestehen nur mehrere Ölfabriken und zwei Kognakfabriken. Der Handel wertete 1901 in Ausfuhr 7,286,000 Drachmen, in Einfuhr 14,448,000 Drachmen. Die wichtigsten Ausfuhrartikel sind Öl, Wein, Honig, Wachs, Johannisbrot, Seife und der berühmte Sphakiakäse. K. besitzt ca. 7000 Pferde, 12,000 Maulesel, 40,000 Esel, 400,000 Schafe, 170,000 Ziegen, 45,000 Schweine. Das Mineralreich liefert nur Kalksteine, Gips, Wetzsteine (besonders auf der Insel Spinalunga in der Bai von Mirabella), Schiefer und etwas Kohle (bei Rethymnon). Die Bevölkerungsverteilung zeigt folgende Tabelle (1900):

Tabelle

Im J. 1881 betrug die Gesamtbevölkerung 279,165 Köpfe, davon 205,010 Orthodoxe und 73,234 Mohammedaner. Somit haben sich letztere seitdem um 55 Proz. vermindert, erstere um 30 Proz. vermehrt. Diese Einteilung nach dem Bekenntnis deckt sich aber keineswegs mit derjenigen nach der Nationalität und Sprache, da die überwiegende Mehrzahl der Bewohner, auch der Bekenner des Islams, der Sprache, Abstammung und Sitte nach Griechen sind. Haupthafen und Hauptstadt ist Chania (s. d.), wichtig sind ferner Candia (s. d. 2) und Rethymnon (Retimo). K. wird seit 1898 selbständig von einem Oberkommissar (Prinz Georg von Griechenland) der vier Großmächte England, Rußland, Frankreich und Italien verwaltet und steht unter der Oberhoheit der Pforte. Das Abgeordnetenhaus besteht aus 74 mindestens 30 Jahre alten Abgeordneten, die alle zwei Jahre auf zwei Monate einberufen werden. Die Mitglieder des Verwaltungsrates werden vom Oberkommissar ernannt und nehmen an den Verhandlungen teil, ohne Stimmrecht zu haben. Die Vertreter der vier Großmächte entscheiden über alle auf K. und das Ausland bezüglichen Fragen. Volks- und Amtssprache ist das Griechische. Landesfarben sind Lichtblau und Weiß, die Landesflagge führt in lichtblauem Feld ein weißes Kreuz, die obere, vordere Vierung rot mit fünfstrahligem, weißem Stern (s. Tafel »Flaggen I«). Die neuerrichtete Gendarmerie besteht aus 1158 Unteroffizieren und Mannschaften unter 25 ausländischen Offizieren. 1902 gab es 25 kretische und 7 fremde Postanstalten. Deutschland, Frankreich, Griechenland, England, Italien, Österreich-Ungarn, Rußland und Spanien sind in K. durch Konsulate vertreten.

Geschichte. In der ältesten griechischen Zeit bestand auf dem von Doriern besetzten, angeblich 100städtigen K. das Königreich des weisen Minos (s. d.). Zwei bedeutende Städte lagen an der Nordküste: im W. Kydonia (woher die Quitten den Namen haben), im O., landeinwärts vom heutigen Candia, Knosos (s. d.), des Minos Residenz; am Südabhang lag Gortyna. Nach der Unterdrückung der kretischen Seeräuber durch Metellus Creticus (67 v. Chr.) waren die Römer Herren der Insel. Später den griechischen Kaisern gehörend, wurde sie Michael II. 823 n. Chr. von den Arabern entrissen. Nikephoros (II.) Phokas eroberte sie 961 wieder, und sie blieb nun den Griechen, bis Konstantinopel 1204 von den Kreuzfahrern erobert wurde; darauf geriet sie in die Hände der Genuesen und dann der Venezianer, die sie bis 1645 behaupteten. Die Hauptstadt Candia ging aber erst nach einer dreijährigen, höchst blutigen Belagerung, wobei fast 150,000 Menschen geopfert wurden, 27. Sept. 1669 an die Türken über, unter deren Herrschaft die Insel verwilderte. Im griechischen Aufstand wurde K. von Ibrahim Pascha 1824 wieder unterworfen, und Mehemed Ali von Ägypten erhielt es als Ersatz für die Kriegskosten abgetreten, mußte es jedoch 1841 wieder herausgeben. Als durch die Entthronung König Ottos in Griechenland die nationalhellenische Bewegung sich von neuem belebt hatte und die Mißernten der Jahre 1863–65 den türkischen Steuerdruck wieder recht empfindlich machten, kam es 1866 zu einem allgemeinen Aufstand, dessen Bekämpfung wegen der gebirgigen Beschaffenheit der Insel den durch 6000 Ägypter verstärkten Türken große Schwierigkeiten verursachte. Überdies wurde der Aufstand von Griechenland aus durch Freiwillige und Geldsendungen unterstützt; selbst die Großmächte, außer England, rieten der Pforte zur Abtretung der Insel an Griechenland. Diese wurde abgelehnt, und die Neutralen beschränkten sich darauf, die Einwohner vor der Rache der Türken nach Griechenland in Sicherheit zu bringen. 1867 gelang es endlich Omer Pascha, den Aufstand einzuengen und durch rücksichtslose Strenge die Ruhe in dem okkupierten Gebiet zu erhalten. Zugleich gewährte die Pforte eine allgemeine Amnestie und zeigte sich zu Reformen bereit. Der Großwesir A(a)li Pascha selbst begab sich im Oktober 1867 nach K. und berief eine Delegiertenversammlung nach Chania, deren Vorschläge, namentlich ein mehrjähriger Steuererlaß, bewilligt wurden. Nun erlahmte der Aufstand; die Mächte zwangen auch Griechenland Anfang 1869, alle Verbindung mit K. abzubrechen. Mukhtar Pascha, der 1878 zur Dämpfung neuer Unruhen nach K. geschickt wurde, gewährte 15. Okt. zu Halepa den Einwohnern erhebliche [⇐639][640⇒] Zugeständnisse, wie die Berufung einer aus christlichen und mohammedanischen Deputierten gebildeten Provinzialversammlung, finanzielle Selbständigkeit u. dgl. Auch wurde ein Grieche, Photiades, zum Generalgouverneur ernannt.

Trotzdem führten die unversöhnliche Feindschaft zwischen den Christen und den Mohammedanern auf K. (obwohl beide eines Stammes sind) und die Mißgriffe der türkischen Verwaltung 1896 wiederum zu einem Aufstand der christlichen Bevölkerung. Die Nichterfüllung des Vertrags von Halepa durch die Pforte, die 1889 diesen sogar durch eine die Rechte der kretischen Nationalversammlung beschränkende Verfassung ersetzte, hatte die Unzufriedenheit der Christen vermehrt. Von Griechenland flossen den Aufständischen Geldmittel, Waffen und Munition zu; Freischärler verstärkten ihre Reihen. Schon im Februar kam es zu blutigen Zusammenstößen zwischen den Christen und den türkischen Truppen. Vergeblich versprach der Generalgouverneur Karatheodori 16. Juni Reformen und Zugeständnisse, forderte zur Beschickung der Nationalversammlung auf und sicherte Amnestie zu. Der Aufstand veranlaßte bald die Mächte zum Einschreiten; vergeblich. Endlich erließ der Sultan 29. Aug. folgendes Irade: der Sultan ernennt mit Zustimmung der Mächte einen christlichen Generalgouverneur auf fünf Jahre, der ein Vetorecht gegen Beschlüsse des kretischen Landtags hat; die Offiziere sind zu 2/3 Christen, zu 1/3 Mohammedaner; der Landtag tritt mindestens alle zwei Jahre für 40–80 Tage zusammen; die Hälfte der Zolleinnahmen wird für die Insel verwendet; Justiz und Gendarmerie werden unter Mitwirkung europäischer Kommissare reorganisiert. Dies Irade wurde 3. Sept. von der Nationalversammlung akzeptiert. Doch seine Durchführung und die Herstellung des Besitzstandes quo ante bildeten bald die Quelle zu neuen Reibereien. Schon im Januar 1897 kam es wieder zu offenen Feindseligkeiten. Bald flammte der Aufstand auf der ganzen Insel von neuem auf, und nun wurden als Ziel offen die Vertreibung der Türken und die Vereinigung Kretas mit Griechenland verkündet. Am 15. Febr. landete der griechische Oberst Vassos mit 2000 Mann bei Platania im Nordwesten der Insel und erließ eine Proklamation, daß König Georgios von der Insel Besitz ergreife. Der Generalgouverneur, Georg Berowitsch Pascha, verließ K. (im Juli 1901 wurde ihm von der kretischen Kammer eine lebenslängliche Pension von 6000 Drachmen gewährt). Die Mächte protestierten gegen das völkerrechtswidrige Verfahren Griechenlands und beschlossen 21. März, über K. die Blockade zu verhängen, während der Sultan die Autonomie zu gewähren versprach. Infolge des ungünstigen Verlaufs seines Krieges gegen die Türkei zog Griechenland Mitte Mai seine Truppen aus K. zurück und stimmte der Autonomie der Insel bei. Doch die anarchischen Zustände auf der Insel dauerten fort.

Unter der Führung Rußlands verlangten England, Frankreich und Italien 1898 von der Pforte die Ernennung des griechischen Prinzen Georg zum Generalgouverneur, während der Sultan seinen ehemaligen Großwesir Dschewad Pascha als Generalgouverneur in K. beließ. Als die Engländer im September die Erhebung des Zehnten ins Werk setzen wollten, kam es zum offenen Aufstand in Candia, was von den Mächten benutzt ward, um einen energischen Druck auf die Pforte auszuüben. Die Pforte gab nach; die Räumung Kretas war Anfang November beendet. Die vier Großmächte übertrugen darauf 14. Nov. dem Prinzen Georg von Griechenland als ihrem Kommissar (Harmostes) die Verwaltung der Insel unter ihrem militärischen Schutz. Der Prinz, der das Amt 21. Dez. 1898 übernahm, erhielt eine dreijährige (im November 1901 erneuerte) Vollmacht, die Befriedung der Insel durchzuführen und die autonome Verwaltung unter Anerkennung der Souveränitätsrechte des Sultans einzurichten; für die Kosten wurde ihm von jeder Macht 1 Million Frank vorgeschossen. Der Prinz landete 22. Dez. (seitdem Nationalfesttag) auf K., stieß aber bei dem Versuch, seine Aufgabe zu erfüllen, auf große Schwierigkeiten. Der Zusammentritt der Nationalversammlung, der am 20. Jan 1899 erfolgen sollte, verzögerte sich bis zum Februar. Anfang April wurde die neue Verfassung angenommen. Die Zahl der Deputierten wurde auf 70 festgesetzt; die Kammer soll alle zwei Jahre zwei Monate tagen; der Fürst ernennt die fünf Minister (Räte des kretischen Staates). Schwierigkeiten bereitete die finanzielle Frage, weil selbst die von der Nationalversammlung bewilligte Anleihe von 9 Mill. nicht hinreichte, um die geschädigten Landbewohner zur Wiederaufnahme des Ackerbaues instand zu setzen. Ebensowenig genügte der vom kretischen Gesandtschaftsrat der Mächte in Rom festgestellte 3proz. Zollzuschlag zur staatlichen Ersetzung aller Schäden. Obwohl die Mohammedaner einen Vertreter im Rat von K. erhielten und Prinz Georg sich für sie bemühte, wanderten sie doch massenhaft nach Kleinasien aus. Daran änderte auch im Oktober 1899 die erfolgte Gründung einer Kretischen Bank, die den Grundbesitzern und Landleuten Hypotheken und Darlehen zu billigen Zinsen leihen sollte, nicht viel. Anfang 1900 wurde eine neue Gemeindeverfassung eingeführt. Eine von italienischen Offizieren organisierte Gendarmerie sorgte für die öffentliche Sicherheit so gut, daß sie Ende Februar 1902 fast ganz zurückgezogen werden konnte. Das Heeresgesetz von 1900, das grundsätzlich die allgemeine Wehrpflicht einführte, bestimmte, daß jährlich nur 600 Rekruten auf ein Jahr ausgehoben werden sollten; der Oberbefehl und die Ausbildung dieser Miliz wurde fremdländischen Offizieren übertragen. Anfang Januar 1901 wurde die schon 1899 von der kretischen Nationalversammlung angenommene Verfassung verkündet: der Fürst teilt die gesetzgebende Gewalt mit der vom Volke zu wählenden Kammer und erhält eine Zivilliste von 200,000 Fr.; die Staatssprache ist das Griechische. Anstatt der vom Prinzen durch wiederholte Rundreisen (Anfang 1901 und Herbst 1904) an die Höfe der Schutzmächte vergeblich betriebenen sofortigen Angliederung an Griechenland war der Direktor der Justiz, Venizelos (Wenisellos), für eine ruhige Übergangszeit, wurde aber im Frühjahr 1901 deshalb seines Amtes enthoben und trat nun an die Spitze der oppositionellen, ein selbständiges Fürstentum unter türkischer Oberhoheit (á la Bulgarien) erstrebenden Nationalpartei (Wochenblatt »Kiryx«). Dies und die drückende Steuerlast steigerten die Unzufriedenheit auf K.; in der Hauptsache richtete sie sich gegen den allmächtigen, auch in Athen einflußreichen Geheimsekretär des Prinzen, Pappadiamantopulos. So brach denn trotz der offenkundigen Abneigung der Mächte, zu irgendwie einschneidenden Änderungen des Abkommens von Ende 1898 die Hand zu bieten, 23. März 1905 von neuem ein Aufstand aus, diesmal geschürt durch die mißvergnügten Anhänger des Exministers Venizelos [⇐640][641⇒] (Manos, Fumis u. a.). Die ausgerufene Vereinigung mit Griechenland scheiterte jedoch, wie vorauszusehen war, Mitte Mai an dem Widerstande der Garantiemächte, der vernünftigen Politik Griechenlands und der leidenschaftslosen Haltung des Oberkommissars, dem wenig daran liegt, vom Parteigetriebe seines Vaterlandes abhängig zu werden.

Vgl. Höck, Kreta. Ein Versuch zur Aufhellung der Mythologie und Geschichte, der Religion und Verfassung dieser Insel (Götting. 1823–29, 3 Bde.); Spratt, Travels and researches in Crete (Lond. 1865, 2 Bde.); Raulin, Description de l'île de Crète (Par. 1859–69, 3 Bde.); Elpis Melena, Kretische Volkslieder, Sagen etc. (Münch. 1874); »Kretas Volkslieder«, in der Ursprache mit Glossar herausgegeben von Jeannaraki (Leipz. 1876); Simonelli, Candia (Parma 1896); Fabricius, Die Insel K. (in Hettners »Geographischer Zeitschrift«, 1897); Castonnet des Fosses, La Créte et l'hellénisme (Par. 1897); Bickford-Smith, Cretan sketches (Lond. 1898); Laroche, La Crète ancienne et moderne (Par. 1898); Bothmer, K. in Vergangenheit und Gegenwart (Leipz. 1899); Chalikiopoulos, Sitia, die Osthalbinsel Kretas (Berl. 1903); Stillmann, The Cretan insurrection 1866–1868 (New York 1874); Bérard, Les affaires de Crète (Par. 1898); Turot, L'insurrection crétoise et la guerre gréco-turque (das. 1898); P. Kriaris, Geschichte Kretas von der ältesten Zeit bis Ende des Aufstands von 1866 (Bd. 1, Athen 1902; neugriechisch). Gute Karten der Insel lieferten Spratt und H. Kiepert (letzterer in der Berliner »Zeitschrift für Erdkunde«, 1866). [⇐641]

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 638-641.
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Kandĭa, In sel, s. Kreta.

Kriti, neugriech. Name der Insel Kreta.

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[628⇒] Candia, 1) (türkisch Kirid, früher Kreta), Insel im O. des Mittelmeeres zwischen Morea, den griechischen Inseln u. der Nordküste Afrikas, die größte der den Türken gehörigen Inseln; wird ihrer ganzen Länge nach von einem Kalkgebirge durchzogen, welches der SKüste näher steht, als der NKüste, im Westen mit den Weißen Bergen (Sfakiottici, Asprovouna), die sich bis zu 4300 Fuß erheben u. 8–9 Monate mit Schnee bedeckt sind, beginnt, dann fast in der Mitte der Insel in dem Psiloriti, dem berühmten Ida des Alterthums, die größte Höhe von 7200 Fuß erreicht u. ostwärts in den Lassitidergen, den niedrigsten der Insel, endigt. Die Küsten sind zerrissen, mit tiefen Buchten u. weit vorspringenden Caps; an der hohen, steilen u. fast unzugänglichen Südküste ist das Cap Matala (Theodia), das gegen [⇐628][629⇒] W. die Bai von Messara bildet u. zugleich die südlichste Spitze der Insel ist, am SWEnde ist das Cap Crio, gegen W. die Caps St. Nicolas u. St. Mare, an der NWSpitze das Cap Buso u. Spada, zwischen beiden die Bucht Kisamos, dann weiter die Bai von Kanea, das Cap Meleck (Melaka), Drepano, Retimo u.a.; an der Ostküste die Caps Salomone u. Saero u. die Bucht von Paläo-Castro u. die Sudabucht. Die Flüsse sind nur Gießbäche kurzen Laufs, u. die bedeutendsten im S. der Messara, der in die gleichnamige Bai, u. im N. der Mylopotamos, der in die Retimobai mündet. Das Klima ist äußerst mild u. gesund, bedingt durch die Lage im Meer, Bodengestaltung u. Ausdehnung; die durchschnittliche Temperatur beträgt 13,4° R.; der herrschende Wind ist der Nordwind (Embat), doch bisweilen streift auch der Sirocco verderblich über die Insel hin. Sie ist vulkanisch, nicht selten Erdbeben ausgesetzt, aber äußerst fruchtbar u. ergiebig in allen angebauten Gewächsen, bes. in den Thälern von Gortyna, Candia, Canea, Girapetro, u. hat vorzügliches Weideland. Producte: Feigen, Orangen, Granaten, Cypressen u. Myrthen wachsen wild u. bilden zum Theil Wald, ferner Eichen, Kastanien, Platanen, Nüsse u.a.; die Bodencultur war früher gut u. ausgedehnt u. lieferte viel Getreide zur Ausfuhr, liegt aber jetzt so darnieder, daß eingeführt werden muß; doch kommen zur Ausfuhr auch jetzt noch Olivenöl, vorzügliche Rosinen u. Wein (Malvasier), Baumwolle, Flachs, Honig, Wachs, Seide, Käse, Seife, Häute, Wolle, jährlich über 1 Mill. Thlr. an Werth. An Thieren gibt es noch Eber, Wölfe u. Schlangen, Gemsen, Muflons, Kaninchen; gezüchtet werden Pferde, Schafe, Rindweh, Schweine u. Bienen. Aus dem Mineralreich nur Gyps, Kalk, Schiefer u. Wetzsteine. Der Handel damit, bes. zu Canea, ist beträchtlich, aber Kunstfleiß u. Bergbau fehlen. C. hat mit einigen umliegenden Eilanden u. kleinen Inselgruppen einen Flächengehalt von 197 QM. u. zählt 150,000 Einw., zum größten Theil Griechen, dann Türken, Araber, Albaner, auch Negersklaven, Sfakioten, Abadioten; ihre Zahl belief sich vor dem Griechischen Freiheitskampfe auf 270,000 u. soll noch früher 1 Mill. betragen haben. In der Verwaltung bildet die Insel ein Paschalik mit dem Hauptorte Candia u. zerfällt in 3 Sandschakate; die Griechen, jetzt wenig bedrückt, stehen unter 15 Bischöfen. 2) Sandschakat darin, der größte, östliche Theil der Insel; 3) Bezirk in der Mitte der Insel; 4) Hauptstadt, fast in der Mitte der Nordküste, befestigt, Citadelle, Mauern, die schon von den Venetianern erbaut sind; Sitz des Pascha u. eines griechischen Erzbischofs; hat ein ärmliches Aussehen, ist aber durch freie Plätze u. Gärten sehr erweitert; 14 Moscheen, Kathedrale, griechische u. armenische Kirche, Synagoge, Kapuzinerkloster; große Seifenfabriken, ziemlicher Handel; der Hafen ist versandet u. nur kleinen Schiffen zugänglich, weshalb die größeren an der vor dem Hafen liegenden Insel Dia (Standia) anlegen u. löschen müssen; 12,000 Ew., wovon 3/4 Türken, die übrigen Griechen; 5) Meer von C., der Theil des Mittelmeeres nördlich von C. bis zu den griechischen Inseln, u. östlich von der Insel Karpatho bis westlich zu Cerigo; 6) Marktflecken in der Provinz Ivrea des sardinischen Fürstenthums Piemont; 2700 Ew. Dabei fischreischer See. Geburtsort des Papstes Alexander V. [⇐629]

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 628-629.
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[794⇒] Kreta (a. Geogr.), größte griechische Insel, j. Candia (s.d.) od. Kirid, von Osten nach Westen etwa 36 geographische Meilen sich aussteckend (daher Makronesos [d. i. lange Insel] genannt) u. [⇐794][795⇒] von ungleicher Breite, 190 QM. groß u. sehr fruchtbar an Orangen, Oliven, Getreide, Baumwolle, Platanen, Ahorn, Eichen, Cypresse, Medicinalpflanzen, Honig, Eisen, Sandstein; in dem nach ihr genannten Kretischen Meere, einem Theile des Mittelmeeres; durchzogen von einer Gebirgskette, deren höchster, in der Mitte der Insel liegende Berg der Ida (s.d.) war; außerdem im Westen des Ida der Kadrisos, die Albi montes, hoch, fast das ganze Jahr mit Schnee bedeckt, mit den Zweigen Tityros, Kadistos, Diktynnäos, Korykos; im Osten des Ida der Argäos, Mons sacer u. Dikte (Diktäos); die vornehmsten Vorgebirge waren an der Nordküste von Westen nach Osten: Korykos, Psakon, Drepanon, Dion, Zephyrion, Ketia; an der Ostküste: Sammonion, Itanon, Ampelos; an der Südküste von Osten nach Westen: Erythräon, Matala, Hermäa, Kriumetopon; an der Westküste: Treton; die Flüsse waren nur klein, dazu gehörten der Jardanos, Pyknos, Oaxes, Amnisos, Käratos, Lethäos, Elektra, Massalia. An Städten u. Flecken war K. sehr reich, die bedeutendsten waren: Itanos, Leben, Phalasarna, Polyrrhenia, Lappa (Lampa), Kydonia, Gortyn, Phästos, Gnossos, Thenä, Pytna, Lyktos etc Die Hauptpunkte der Verfassung, welche dorisch u. deren Schöpfer der jüngere Minos (1280 v. Chr.) war, waren folgende: die Einwohner der einzelnen Gemeinden waren die unterworfenen Urbewohner; Hypekoen die tributbaren, freien Grundbesitzer, Mnoïtä Staatssklaven u. Aphamiotä od. Klarotä Privatsklaven; die herrschende Klasse bildeten die eingewanderten Dorier. Die Knaben wurden bis zum 17. Jahr zu Haus erzogen, dann traten sie in eine Agele, eine Genossenschaft, wobei sie gemeinschaftlich unter dem Agelates, dem Vater desjenigen Jünglings, welcher die einzelne Agele gestiftet hatte, lebten, in Jagd u. Spielen im Gymnasium (Dromos) sich übten; in der Agele blieb der junge Kreter bis zu seiner Verheirathung. Freie hatten allein Ansprüche auf Ämter u. Würden; Landeigenthum u. Steuern gehörten dem Staate, wovon für einen gemeinschaftlichen Unterhalt der Bürger (Andreia) gesorgt wurde. Anfangs standen Könige an der Spitze, nachher 10, jährlich aus den edelsten Geschlechtern gewählte Kosmoi, welche bes. auf die Erhaltung der Verfassung sahen u. sich mit 28 lebenslänglichen Gerontes (d.i. Mitglieder des Rathes [Gerusia, Bule]), in die Staatsverwaltung theilten; ihre gewöhnlichen Vorschläge erhielten durch die Bestätigung der Volksversammlung (Agora, Ekklesia), zu der alle eigentlichen Bürger gehörten, gesetzliche Kraft. Da die Bevölkerung eine gemischte war (s. Candia, Gesch.), so war auch der Cultus auf K. ein gemischter; in den dorischen Niederlassungen herrschte der Apollodienst, u. da Zeus auf K. erzogen worden sein sollte, so herrschte hier auch dessen Dienst. Die Sprache war früher eine gemischte, später sprach man den Dorischen Dialekt. Sonstige Sitten waren, daß man beim Essen saß; beim Tanz drehten sich Jünglinge u. Jungfrauen gemischt im Reihen; gerungen wurde nackt u. dabei auch Jungfrauen (aber keine Weiber) als Zuschauer zugelassen. Auf K. herrschte auch die Knabenliebe, aber edle u. unschuldige; der Liebhaber (Philetor) raubte seinen Geliebten, dessen Eltern er drei Tage vorher den bevorstehenden Raub meldete, dann führte er den Knaben mit sich ins Gebirg u. jagte mit ihm; nach höchstens zwei Monaten entließ ihn der Philetor wieder, beschenkt mit einem Rind (welches der Knabe dem Zeus opferte), einem Kriegskleid u. Becher. Fortan war Freundschaft auf immer zwischen ihnen, welche bes. im Kriege durch gegenseitigen Schutz u. Aufopferung bewiesen wurde. Einen solchen Philetor zu haben galt für ehrenvoll, u. ein so Geliebter hieß Kleinos. Zur Zeit der Ausartung galten übrigens die Kreter als Lügner u. faule Bäuche. Vgl. Meursius, Creta, Amst. 1675; K. Höck, Versuch zur Aufhellung der Mythologie u. Geschichte der Religion u. Verfassung Kretas, Gött. 1823–29, 3 Bde. [⇐795]

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 794-795.
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Creta (Geogr. u. Gesch.), s. Kreta.

Kreta (Gesch.), s. Candia (Gesch.).

Kandĭa, s. Candia.

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[778⇒] Candia, das alte Kreta, Insel im mittelländischen Meere, der Schlüssel des Archipelagus, zwischen den 3 alten Erdtheilen liegend, daher für die Herrschaft des östl. Mittelmeeres unentbehrlich, 189 QM. groß, der Länge nach von einer Gebirgskette durchzogen, welche im Ida (Psiloriti) die Schneegränze erreicht. C. hat nur Gebirgsbäche, ist in einigen Strichen, besonders an der Küste, öde und kahl, im Ganzen jedoch fruchtbar und gesund; liefert Getreide, Wein, Südfrüchte, Seide. Wachs, Honig, besonders Oliven, daher ist Oel der vorzüglichste Gegenstand der Ausfuhr. Die Einwohnerzahl wird auf 180000 angegeben, meistens Griechen; die im westl. Gebirge hausenden Sphakioten sind kräftig u. bei jeder Gelegenheit zum Aufstande gegen die türk. Herrschaft bereit. C. ist ein eigenes Paschalik mit der Hauptstadt C. oder Canea, 12000 E., schlechter Hafen, Sitz des Paschas, eines griech. Erzbischofs, 14 Moscheen, mehrere griech. Kirchen. alte von den Venetianern gebaute Festungswerke. Andere Plätze sind: Suda, mit sicherem Hafen, Rettimo, Kissamo. – Geschichte. Kreta war in der Urzeit Sitz der Cultur, seeherrschendes Königreich, von dessen vorgriechischer Geschichte nur die Mythen von Minos etc. erhalten sind. Sie wurde nach 2000 vor Chr. von Griechen besetzt, besonders Doriern, hatte 100 Städte, gelangte aber zu keiner großen politischen Bedeutung, weil sich die Städte zu keinem Bunde vereinigen konnten. Die Kreter dienten als Söldner und galten als die besten Schützen, waren jedoch berüchtigt durch ihre Neigung zum Ueberlaufen; im Allgemeinen hatten sie schlechtes Lob, man hieß sie Lügner, Diebe, faule Bäuche etc. 67 v. Chr. wurde C. röm., im 5. Jahrh. byzantinisch, später von den Kreuzfahrern erobert, kam 1204 an Venedig, das die Insel an die Türken verlor, als diese den 27. Septbr. 1669 die Hauptstadt eroberten. In neuester Zeit erhielt C. Mehemet Ali von Aegypten von dem Sultan, verlor es aber 1840; seitdem werfen die Engländer ihre Netze nach der wichtigen Insel aus. [⇐778]

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 778.
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Verweise:

Kreta, s. Candia.

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[542⇒] Kandĭa, die im Alterthume unter dem Namen Kreta berühmte, von den Türken Ejalet Kirid genannte Insel, liegt 171/2 Meilen von der Südspitze der Halbinsel Morea und 50 Meilen von der afrik. Küste entfernt und hat einen Flächenraum von ungefähr 188 ! Meilen. Sie trägt mächtige Berge, welche sich in zwei Armen durch ihre ungefähr 33 Meilen betragende Längenrichtung hinziehen und sich im Psiloriti (dem alten Ida) bis zu 7200 F. erheben. Auf den Bergen entspringen zahlreiche Quellen, welche im Winter durch reichlich strömende Bäche ihr Wasser dem Meere zuschicken, während diese Bäche im Sommer zum Theil vertrocknen. Das Gebirge tragt mächtige Waldungen und die Thäler zeigen größtentheils eine üppige Fruchtbarkeit. Das Klima ist mild und während der Winter nur durch Regen sich äußert, steigt im Sommer die Hitze selten zu einem unleidlichen Grade, weil während dieser Zeit kühlenden Nordwinde herrschen. Einst war die Insel der Wohnplatz von 1,200,000 gewerbthätigen und einen blühenden Handel betreibenden Menschen, nämlich zur Zeit des alten Griechenlands; schon zur Zeit der Venetianer sank aber der Wohlstand und die Zahl der Einwohner und jetzt findet man auf Kandia kaum noch 270,000 halb aus Osmanen halb aus Griechen bestehende Bewohner, die ohne alle Gewerbthätigkeit nur von Dem leben, was ihnen die verschwenderische Natur unaufgefodert darbietet. Die Häfen sind bis auf den von Kanea versandet und die einst blühenden Städte bieten ein trauriges Bild der Verwüstung dar. Das Sklavenjoch, welches die türkische Herrschaft den Bewohnern aufgelegt, hat dieselben so heruntergebracht. Die Hauptstadt der Insel heißt gleichfalls Kandia. Sie zählt etwa 17,000 Einw. und liegt in der Nähe des Berges Ida, ungefähr in der Mitte der nördl. Küste, an einem versandeten Hafen. Die Umgegend dieser Stadt ist reich an Erinnerungen und Überbleibseln der Vorzeit. Man sieht noch die Mauern des alten Knossus mit dem berühmten Labyrinthe. Bei dem kleinen Dorfe Hagios Deke lag in den Römerzeiten das blühende Gortyna, und man findet noch Säulenüberreste in Menge, welche zeugen, wie prachtvoll dasselbe gebaut gewesen sein muß. Nicht weit davon findet sich eine Höhle mit einem 1200 F. langen Hauptwege, von dem unendliche Irrgänge abführen. Man hat diese Höhle mit Unrecht für das Labyrinth von Kreta gehalten. Kandia ist auch die Hauptstadt des Sandschaks (Provinz) Kandia und Residenz des Erzbischofs von Gortyna. Im Sandschak Rhetymna oder Retimo liegt die gleichnamige Stadt, in welcher ebenfalls ein Bischof residirt und die 6000 Einw. hat. Kanea, die Hauptstadt des gleichnamigen Sandschaks, ist das alte Kydonia und gegenwärtig die durch ihren Handel bedeutendste Stadt auf der ganzen Insel. Sie liegt gleichfalls an der Nordküste, aber östlicher als Kandia, an einem nach ihr benannten Meerbusen, zählt 9000 Einw., ist auch Sitz eines Bischofs und hat einen wohlerhaltenen Hafen.

An Kreta knüpften sich viele Sagen der alten Griechen. Auf dem Ida soll Jupiter (s.d.) erzogen worden sein, dort soll Saturn (s.d.) geherrscht haben und syäter Minos (s.d.), der weise Gesetzgeber. Der Minotaurus (s.d.), welchen Theseus tödtete, war hier in dem von Dädalus erbauten Labyrinthe eingesperrt. Dorische Stamme bevölkerten in der geschichtlichen Zeit Kreta und bildeten eine Republik, bis sich cilicische Seeräuber auf der Insel niederließen, welche lange ein Schrecken aller Schiffe des Mittelmeeres waren, aber endlich von den Römern gebändigt wurden. Kreta kam an die oström. Kaiser, welchen es 823 n. Chr. die Sarazenen abnahmen, die Kandia auf den Trümmern des alten Heraklea bauten, aber 962 von den Griechen wieder vertrieben wurden. Im J. 1204 kam die Insel durch Kauf an Venedig, welches die Städte befestigen ließ, eine milde Regierung führte, Handel und Gewerbthätigkeit hob und die Anfälle der Türken zurückwies. Lange kämpften diese mit großen Anstrengungen um den Besitz der Insel. [⇐542][543⇒] Seit 1656 belagerten sie unausgesetzt die Hauptstadt Kandia und 1667 brachten sie 80,000 Mann vor dieselbe, welche wohlbefestigt und gut vertheidigt war. Die ausgezeichnetsten Ingenieure jener Zeit, Freiwillige aus allen Gegenden, waren nach Kandia gegangen, die Malteserritter, der Papst, Frankreich, Deutschland schickten Mannschaft, aber die Türken waren nicht minder tapfer in ihren Angriffen. Endlich mußte, nachdem ein unglücklicher Ausfall die Entscheidung gegeben hatte, 1669 die Stadt durch eine ehrenvolle Capitulation den Türken übergeben werden, nachdem der Krieg 25 Jahre, die Einschließung der Stadt 13 Jahre gewährt hatten und die Tranchéen 21/3 Jahr offen gewesen waren. Die Besatzung, welche von 8–10,000 Mann auf 2500 heruntergekommen war, erhielt freien Abzug und durfte ihr Eigenthum und die Geschütze mitnehmen, und den Venetianern wurde der Besitz der Plätze Suda, Garabusa und Spina longa zugesichert. Während der Belagerung hatten die Christen 96 Ausfälle gemacht, die Türken 56 Mal gestürmt, jene 1173 Minen, diese 472 springen lassen, die Christen 509,692 Stückschüsse aus der Festung gethan, 180,449 Centner Blei zu Musketenkugeln verbraucht. Es waren 30,985 Christen und 118,754 Türken in dieser Zeit getödtet oder verwundet worden. Als die Türken die Stadt in Besitz nahmen, fanden sie dieselbe im Zustande völliger Verwüstung. Die abziehende Besatzung hatte noch Alles, was von einigem Werthe war, mit sich genommen und Niemand war in der Stadt geblieben, als 33 Menschen, größtentheils Greise. Während des 17. Jahrh. verloren die Venetianer theils durch Verrath, theils durch Übergabe auch noch die erwähnten drei festen Plätze, die sie sich ausbedungen hatten, und so kam die ganze Insel in die Hände der Türken. Die drei Paschas von Kandia, Rhetymna und Kanea, welche die Türken einsetzten, waren häufig unter einander uneinig und dieses benutzten die Bewohner des westl. Gebirges, die Sphachioten, sich eine gewisse Selbständigkeit zu geben, obschon sie immer unter türk. Hoheit blieben. Mehrmals versuchten die Paschas vergeblich, sie zu völliger Unterwerfung zu bringen. Als die griech. Unruhen ausgebrochen waren, verlangten die türk. Paschas von jenen Gebirgsbewohnern Geiseln, welches jene empörte und bestimmte, mit den übrigen Griechen gemeinschaftliche Sache zu machen. Nachdem 1830 der Vicekönig von Ägypten mit der Verwaltung Kandias beauftragt worden war, stellte dieser mit grausamer Strenge die Ruhe wieder her und nach dem Vertrage von Kiutahia 1833 blieb die Insel unter ägypt. Hoheit. [⇐543]

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 542-543.
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[59⇒] Kandia (Kreta), sonst Kreta, von welchem Homer singt: »ein Land in der Mitte des dunkeln Meeres, anmuthig, fruchtbar und ringsumwoget, von unzähligen Menschen in 90 Städten bewohnt,« ist die südlichste Insel Europa's im mittelländischen Meere, in der Nahe von Morea, trägt auf ihren Schultern den Ida (s. d.) und hat 190 Quadrat M. ebnes Land. So wenig man den Boden üppig und wuchernd nennen kann, so ist er doch fruchtbar und erzeugt Wein, Oel, Honig, Mandeln, Seide, Nüsse, Kastanien und Johannisbrod. Das Klima ist dem von Neapel und Spanien gleich, nur die Gipfel der Berge, wiewohl selten mit Schnee bedeckt, sind während des Winters rauh. Die 300,000 Ew., größtentheils Griechen, sind ein kräftiger Menschenschlag, leben vom Anbau des Landes, Handel, Schifffahrt und Fischerei. Die Hauptstadt, Kandia, hat 15,000 Ew., ist der Sitz der Regierung und des griechischen Erzbischofs, und trägt nur wenig Spuren noch von der glänzenden Herrschaft der Venetianer, welche sie 1201 den griechischen Kaisern abkauften und später nach einer 13jährigen Belagerung nebst der ganzen Insel den Türken überlassen mußten. Von den alten berühmten Städten Knossus und Gortyne sind nur noch Ruinen übrig, und in der Nahe von beiden das berühmte Labyrinth.

* [⇐59]

Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 6. [o.O.] 1836, S. 59.
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Kreta, siehe Kandia.

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[249⇒] Creta – jetzt Candia – eine der größten griechischen Inseln, im mittelländischen Meere gelegen, die bei den Alten in sehr hohem Rufe stand. Cretaʼs Ebenen hatten eine ungemeine Fruchtbarkeit, die schönsten Weiden, die herrlichste Viehzucht, Ueberfluß an Wein, Getreide, Oel etc. Auch die schöne reine Luft, die hier herrschte, machte die Insel noch anmuthiger, und die Griechen nannten sie daher nur die glückselige Insel. Der höchste Berg Ida daselbst, ferner das Labyrinth, Gnossus etc. machten es von Seiten der Natur ebenfalls merkwürdig. Auch die erste griechische Mythologie schreibt sich von Creta her. Hier soll Saturn (s. dies. Art.) geherrscht und das goldene Zeitalter geblüht haben. Auch Minos regierte hier, und sein Enkel, Minos II., war der Vater der Ariadne. Uebrigens zeichnete sich Creta auch in Rücksicht wissenschaftlicher Cultur aus, und Myson, einer von den 7 Weisen, wurde hier gebören; – nur den Lehrern der Redekunst war aller Eintritt auf die Insel versagt, weil man die Gefahren der Beredsamkeit fürchtete – eine Strenge, in welcher man freilich in der Folge sehr nachließ. [⇐249]

Quelle: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 249.
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[214⇒] Candia, eine große Insel des Mittelländischen Meers, zur Europäischen Türkei gehörig. [⇐214]

Quelle: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 214.
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