Auswanderung

[76] Auswanderung, das Verlassen des Staates in welchem Einer geboren ist od. seinen festen Wohnsitz aufgeschlagen hat, um sich in einem anderen niederzulassen. Von A., die in eigenem Interesse, freiwillig, nicht aus Veranlassung u. unter Mitwirkung des Staates, in dem man bisher wohnte, u. nicht temporär, sondern für immer geschieht, ist die vom Mutterstaat veranlaßte Colonisirung verschieden, indem ein Staat einen Theil seiner Bürger in ein von ihm abhängiges, im Ausland gelegenes Land, zu dessen Bevölkerung u. Cultivirung übersiedelt; auch von Emigration ist A. unterschieden, wo Staatsbürger aus politischen od. religiösen Veranlassungen aus ihrem Vaterlande gehen, jedoch mit der Absicht, um unter veränderten Verhältnissen wieder dahin zurückzukehren. Der Colonist u. Emigrant bleibt daher rechtlich Unterthan seines Vaterlandes, der Ausgewanderte aber gibt sein Vaterland auf. I. Das Recht zur A. (Auswanderungsrecht) steht nach dem Naturrecht jedem Staatsbürger zu u. folgt aus dem Begriff u. Zweck des Staates von selbst. Denn wenn der Staatsbürger seinen Willen u. seine Überzeugung den Staatszwecken in so weit unterordnen muß, als dies zum Bestehen des Ganzen u. eines gemeinsamen Bestrebens erforderlich ist, so muß er auch, wenn er die ihm vom Staate auferlegten Pflichten für unvereinbar mit seinem Gewissen u. dessen politische u. religiöse Einrichtungen für seiner Überzeugung widersprechend hält, ein Recht haben, diesen Staat zu verlassen. Das Recht der A. wird daher auch in neuerer Zeit durch die positiven Gesetze (Auswanderungsgesetze) in civilisirten Staaten, entweder unbedingt od. unter Beschränkungen, fast allgemein anerkannt. Letztere sind zwar ziemlich weit ausgedehnt, wie z.B. in England die A. der Arbeiter in Wolle, Seide, Eisen etc. gesetzlich verboten ist, u. der König alle dergleichen außer Landes lebende Arbeiter zurückrufen kann, u. das Vermögen Derer, welche nicht Folge leisten, dem Staate verfällt. Indessen hat sich für die Anwendung dieser Gesetze eine weit mildere Praxis gebildet. Durch die Deutsche Bundesacte (Art. 18) ist die Befugniß des freien Wegziehens aus einem Bundesstaat in den anderen ausdrücklich ausgesprochen worden. In der Regel wird zwar bei der A. die Einwilligung des Staates erfordert; diese aber, wenn der Auswandernde seine sonstigen Bürgerpflichten erfüllt, z.B. die öffentlichen Abgaben entrichtet, den Militärdienst geleistet hat, nicht leicht verweigert. Die früher von den Staaten zur Verhütung der A. angewendeten Maßregeln u. Auswanderungsverbote sind jetzt als unzweckmäßig anerkannt u. aufgehoben, weil die Erfahrung gezeigt hat, daß namentlich letztere unausführbar sind. Vergebens setzte man früher die stärksten Criminalstrafen auf A-en, vergebens ließ Ludwig XIV. die Grenzen aufs schärfste bewachen, um den Refugiés aufzulauern, es wanderten doch viele Tausende aus. Die Staaten suchten bis in unser Jahrhundert hinein die A-en dadurch zu hemmen, daß sie einen Theil des Vermögens des Auswandernden in Anspruch nahmen (Abzugsgeld, Auswanderungsgabelle, Gabella emigrationis), doch die neueren Verträge seit dem zweiten Pariser Frieden ließen auch diese Beschränkung fallen, die Deutsche Bundesacte hob sie schon vorläufig in den Deutschen Bundesstaaten gegenseitig auf, welcher Grundsatz auch durch Verordnung vom 23. Juni 1817 bestätigt wurde, u. einzelne Verträge, welche Preußen u. die anderen deutschen Staaten mit Rußland, Polen, Toscana, Krakau, Spanien, Sardinien, Neapel, Mexico, NAmerika etc. schlossen, bestätigten die gegenseitige Freizügigkeit. Durch die A. werden die persönlichen Verhältnisse des Auswandernden zu dem Staat, welchen er verläßt, wesentlich geändert. Der Auswandernde verliert nämlich dadurch sein Heimathsrecht, auf welches er, wenn er die Erlaubniß zur A. mittelst Auswanderungsscheins erhält, in mehreren Staaten ausdrücklich verzichten muß. Dagegen darf er nirgends die Waffen gegen sein ehemaliges Vaterland führen u. wird im Übertretungsfalle als Landesverräther bestraft. Auch als Gesandter des neuen Vaterlandes wird ein Ausgewanderter in seinem alten Vaterlande gewöhnlich nicht angenommen (so verwarf Großbritannien den baierischen Gesandten Graf Rumford, weil er ein geborener Brite war). Die Ursachen der A. sind verschieden: Übervölkerung u. dadurch erzeugte unverschuldete Armuth, indem es dem Auswanderer (wie bes. in Irland) nicht möglich ist, sein tägliches Brod zu verdienen; Unbehaglichfühlen in der Heimath, indem der Verdienst stockt u. der Auswanderer glaubt, er könne anderwärts mit seiner Arbeitslust u. seinem Unternehmungsgeist sich u. den Seinigen ein weit besseres Loos bereiten; od. [76] Unzufriedenheit mit politischen u. religiösen Verhältnissen, nicht selten auch Leichtsinn, Trägheit, luxuriöses Leben u. die Erwartung, in fernen Gegenden ein Utopien zu finden, nicht selten angeregt durch einzelne Beispiele, wo Auswanderer Glück, Reichthum u. Zufriedenheit in einer fernen Gegend fanden, während die traurigen Erfahrungen der ungleich größeren Zahl unbeachtet bleiben. Die Frage, ob A-en einem Staate Nutzen od. Schaden bringen, kann nur richtig beantwortet werden je nach dem Gesichtspunkt, von dem aus man die Sache nimmt. Vom kosmopolitischen Standpunkte betrachtet nützen die A-en, da sie die fernsten Länder in Berührung bringen u. Culturträger u. Culturvermittler sind. Bei dem einzelnen Menschen wird es darauf ankommen, was er aus dem alten Vaterlande mitnimmt u. was er in dem neuen erwartet. Einzelne junge, arbeitslustige, arbeitsfähige u. kräftige Leute od. Vermögende, welche Grundbesitz ankaufen können, werden sich bald in einem Lande, wo Grundbesitz wohlfeil u. Arbeit theuer ist, wohlbefinden, wogegen z.B. arme Familien u. faule Leute nirgends ein glückliches Loos finden werden. Dem Staate sind A-en nachtheilig, wenn fleißige u. geschickte Arbeiter auswandern, bes. wenn sie Fabrikgeheimnisse, technische Geschicklichkeit u. Handelsklugheit mit in einen anderen hinübernehmen, der sie vielleicht eben deshalb zur Übersiedelung zu bewegen sucht, od. wenn große Capitale aus dem Lande gehen. Dagegen ist, wenn der Staat seiner Bevölkerung nicht den gehörigen Unterhalt zu schaffen vermag, od. wenn sich unter seinen Bürgern Unzufriedenheit mit den politischen u. socialen Institutionen eingeschlichen hat, A. ein Ableitungsmittel. Kein Staat wird sich aber ohne Noth entschließen, A-en zu begünstigen, vielmehr meist seine Unterthanen davon abzuhalten suchen; die Mittel, A-en zu hindern, sind aber, daß der Staat vor A-en warnt, u. dabei eine wahre Schilderung des Zustandes, welcher den Auswanderer erwartet, gibt, bes. Bücher verbreitet, die den zu erwartenden Zustand in ihrem wahren Lichte, ohne Täuschung, zeigen, Werbungen zur A. streng untersagt u. bes. die Ursachen der A. ermittelt u. womöglich zu entfernen sucht. Versuche, der A-slust dadurch eine entsprechende Richtung zu geben, daß Staaten, welche keine Colonien haben, so z.B. die kleineren Staaten zusammen, ein Gebiet in einem fremden Welttheil erwerben u. ihre Auswanderer bewegen sollten, dahin ihre Richtung zu nehmen, haben in der Idee viel für sich, aber sind nicht so leicht ausführbar.

II. Länder, woher die A-en geschehen. Obgleich im Alterthum, theils bei der großen Liebe zum Vaterlande, theils bei der Furcht einer ungastlichen Aufnahme bei anderen Völkern, der willkührliche Wechsel des Vaterlandes seltener war, so kommt er doch bei allen bekannten Völkern des Alterthums, sei es aus Mißvergnügen od. Lebensnoth od. Sucht nach Abenteuern, vor; so wanderte Abraham aus Mesopotamien nach Kanaan, Jakob mit seiner Familie aus Kanaan nach Gosen, Kadmos aus Phönicien u. Kekrops u. Danaos aus Ägypten nach Griechenland, die Sebritä aus Ägypten nach Äthiopien (s. Ägypten, Gesch.), die Herakliden aus Griechenland nach Klein-Asien, die Tyrrhener nach Italien, die Germanen nach Gallien etc. Griechische Städte u. Rom sandten in ihrer Blüthezeit u. bes. um dem überhandnehmenden Proletariat eine Abzugsquelle zu verschaffen, viele Colonisten aus. Die Wanderzüge der südgermanischen Völkerschaften im Mittelalter waren meist veranlaßt durch das Vordrängen anderer Völker u. hatten kein bestimmtes Ziel; von Nordgermanen suchten einzelne Häuptlinge mit ihren Comitaten Abenteuer u. fanden neue Sitze in NAmerika, Rußland, Sicilien u. Griechenland, andere wurden zu Hülfe für einzelne Kriegsfälle in andere Lande gerufen u. blieben allda, wie die Angeln u. Sachsen in Britannien; während die Slaven Länder suchten, welche ihrer Beschäftigung mit dem Ackerbau angemessen waren. Die Kreuzzüge nach Vorderasien u. dem NWesten Deutschlands waren keine A-en, sondern Kriegszüge, die aber durch ihren Erfolg Ansiedelungen in den eroberten Ländern zur Folge hatten. Selbst die Entdeckung von SAmerika gab ihrer Zeit keine Veranlassung zu A-en, denn wenn auch Manche aus Spanien in die Neue Welt zogen, so gingen sie nicht des Landes, sondern seiner Schätze wegen dahin u. kehrten, nachdem sie ihr Glück gefunden od. sich getäuscht gesehen hatten, wieder in ihr Vaterland zurück. In Folge von Religionsverfolgung flohen die französischen Refugiés im 17. Jahrh. aus ihrem Vaterlande in die Nachbarländer u. wurden die Salzburger Protestanten im 18. u. die Zillerthaler im 19. Jahrhundert durch Intoleranz aus ihrem Vaterlande getrieben. Die eigentlichen aus freiem Entschluß hervorgegangenen A-en begannen im 18. Jahrh. Schon längere Zeit waren Irländer (diese auch wegen Religionsdruck) u. Schotten durch wahren Mangel getrieben, bes. nach Amerika ausgewandert, u. ihre Zahl mehrte sich von Jahr zu Jahr; Deutsche begannen meist Mitte des 18. Jahrh. nach den britischen u. holländischen Colonien in NAmerika auszuwandern, doch ward selbst, als der Nordamerikanische Krieg 1775–82, in welchem deutsche Truppen für England fochten u. obgleich einige derselben als Ansiedler zurückgeblieben waren, die Luft der A. dahin wenig genährt. Später trat durch die Continentalsperre 1806–13 für die A-slust eine natürliche Hemmung ein; aber nach Beendigung des Kriegs von 1815 zeigte sich eine wahre A-swuth, welche sich meist nach hervorragenden politischen Ereignissen, wie nach den Revolutionen von 1830 u. 1848, od. nach den Theuerungsjahren 1846–1847 u. 1853–1854 ins Ungeheuere steigerte. Die Länder Europas, welche die stärksten Zahlen an Auswanderern, bes. über das Meer entsenden, sind Deutschland u. Großbritannien. Seit 1817 zogen Schaaren aus der Schweiz u. Süddeutschland, bes. aus Württemberg, Baden, Rheinland, Hessen, aus der Pfalz dahin, so daß die Zahl der Auswanderer bis 1826 jährlich mindestens 6000 betrug, sie sanken von 1827–30 um etwas, stiegen aber von 1831 wieder sehr, indem sich die Wanderlust auch über einige Gegenden Sachsens, Baierns u. Schlesiens, ja über ganz Deutschland verbreitete, so daß ihre Zahl 1833 auf 20,000, 1834 auf 31,000, 1835 auf 34,000, 1844: 43,000; 1845: 67,000; 1846: 107,000; 1847: 107,000; 1848: 84,000; 1849: 85,000; 1850: 90,000; 1851: 113,000; 1852: 162,000; 1853: 156,000; 1854: 252,000. Damit erreichte aber bis jetzt die A. ihren Höhepunkt; denn nicht[77] allein, daß 1855 die Zahl der Auswanderer beträchtlich abnahm (z.B. in Bremen schifften sich im ersten Drittheil dieses Jahres blos 7345 ein, während in derselben Zeit des vorigen Jahres die Zahl 17,543 betragen hatte; ja in Hamburg bis Ende Mai blos 7902 Personen; von Anfang Januar bis Ende April 1854 betrug die Zahl der in New-York Landenden 55,911, worunter 27,233 Deutsche, in demselben Zeitraum 1855 blos 29,476, worunter 9394 Deutsche), sondern es trat auch ein Rückschlag ein, indem eine große Zahl Ausgewanderter wieder in ihre alte Heimath zurückkehrte (an 12,000 Deutsche aus NAmerika). Der Grund zu der letzteren Erscheinung lag bes. in der Geld- u. Handelskrisis in NAmerika, herbeigeführt durch die Überschwemmung der dortigen Märkte mit europäischen Fabrikaten u. durch die Neigung der NAmerikaner zur Überspannung des Credits, nicht weniger in der großen Theuerung der Lebensmittel, in. den immer ausgedehnteren Bedingungen für Einwanderer, bes. aber in dem immer kecker auftretenden u. dem Einwanderer lästig, ja gefährlich werdenden Nativismus (s. Nordamerikanische Freistaaten). Bis 1848 zogen bes. Leute aus den unteren Schichten von dannen; in diesem Jahre aber auch Wohlhabende, welche den Bestrebungen u. Siegen der Demokraten aus dem Wege gehen wollten. Nachdem aber seit 1849 ein Stillstand in dem Vorwärtsschreiten dieser Partei eingetreten war, ergossen sich wieder Ströme solcher, die mit den politischen u. socialen Verhältnissen des Vaterlandes unzufrieden (Europamüde) od. bei dem Aufstande compromittirt waren, aus Deutschland; Andere trieb Mangel an Auskommen, Streben nach Selbständigkeit, Unternehmungslust, Anhänglichkeit an bereits Ausgewanderte von dannen; auch Aufforderungen ergingen hin u. wieder zur A., wie 1849 in Baden, von Staats wegen an die minder gravirten politischen Verbrecher, denen noch Unterstützung zu der A. versprochen wurde, wiewohl nur Wenige von diesem Anerbieten Gebrauch machten. Lange hatte man die Auswanderer als Unzufriedene u. Undankbare ihres Weges ziehen lassen; allein in neuester Zeit, wo man theils das Wohlthätige der A-en durch das Vermindern der Übervölkerung u. damit verbundener Nahrungslosigkeit anerkannt hat, theils die Nachtheile, welche Länder durch A-en haben, wie Entziehung von Arbeitskräften u. Capitalien (man rechnet, daß in neuester Zeit jährlich an 15–20 Mill. Thaler durch A-en aus Deutschland gingen) durch, aus der A. zu ziehende Vortheile wieder auszugleichen gedachte; theils aber auch mehr Theilnahme zeigte für die wegziehenden Vaterlandsgenossen, welche man in fremden Ländern nicht zu Opfern der Habsucht u. des Betrugs werden lassen u. in größeres Elend gestürzt sehen wollte: hat sich die Überzeugung mehr Bahn gebrochen, daß die A-sangelegenheiten organisirt werden müßten, daß durch eine Regelung der A. diesseits u. eine vernünftige Colonisation jenseits eine gedeihliche Lösung darein gebracht werden könne. Dies aber könnte nur dadurch geschehen, daß sich A-sgesellschaften u. die Regierungen der Sache annähmen, daß die natürlichen, politischen u. socialen Verhältnisse der Länder, wohin sich die A. wendet, gehörig untersucht, mit den jenseitigen Regierungen Unterhandlungen gepflogen, über Recht u. Concessionen Verträge geschlossen u. vor Allem die Auswanderer durch Rath u. Belehrung, die Armen auch durch Mittel unterstützt würden. Die Preußische Regierung nahm sich auch wirklich dieser Angelegenheit an u. wollte sie zur Sache des Deutschen Bundes machen, u. um Anträge darüber bei dem Bundestag zu stellen, forderte sie 1847 von ihren Gesandten u. Consuln in NAmerika Berichte über die dortigen Boden-, Cultur- u. klimatischen Verhältnisse, über die Communicationsmittel u. über alles auf eine Einwanderung im Großen Bezügliche. Der Plan Preußens wurde gestört durch die Unruhen 1848, doch griff die Deutsche Nationalversammlung die Sache sogleich mit auf u. stellte nicht nur in den Grundrechten des deutschen Volkes die A-sangelegenheit unter den Schutz u. die Fürsorge des Reiches, sondern ertheilte auch dem volkswirthschaftlichen Ausschuß den Auftrag, ein Gesetz zum Schutze der A. zu entwerfen. Dieses Gesetz war im März 1849 beendigt, aber wegen der bald darauf folgenden Auflösung der Nationalversammlung kam es nicht zur Berathung. Dafür erkannten es die Glieder der Deutschen Union als eine ihrer Pflichten an, für die A. ihrer Unterthanen Fürsorge zu treffen, u. schon Ende Juli 1850 wurde dem Fürstencollegium von der Preußischen Regierung ein Gesetz zum Schutz deutscher A. u. Colonisation vorgelegt, nach welchem ein den Ministerien des Innern u. Äußeren untergeordnetes Auswanderungs- u. Colonisationsamt eingesetzt werden sollte, welches die Beförderungsart deutscher Auswanderer u. Colonisten berücksichtigen u. das Gedeihen deutscher Ansiedelungen thunlichst fördern sollte. Indeß unterblieb in Folge der Auflösung der Union diese gemeinsame Fürsorge für die A. Inzwischen hatten sich auch, nach dem Vorgange Englands, in Deutschland Auswanderungsvereine u. Gesellschaften von Privaten gebildet, welche gleichen Zweck hatten, so der Düsseldorfer (1843), der Dresdner, der Leipziger (Centralbureau zur Fürsorge für Auswanderer seit 1846) u.a.; ferner mehrere, welche für einen bestimmten Einwanderungspunkt wirkten, wie der Deutsche Adelsverein für Texas (s. unten IV.), der Preußische Verein für die Moskitoküste (s. unten IV.), ein anderer für West-Australien (s.d.), die Deutsche Colonisationsgesellschaft für Mittel-Amerika (s. unten IV.), der Stuttgarter für Süd-Chile (s. unten IV.), der Colonisationsverein für Südbrasilien in Hamburg seit 1849 u. dergleichen Vereine seit 1852 für Mexico, für Mittelamerika u. für die Plata-Staaten u. m. a. Vor allen aber 2 Hauptvereine: der Nationalverein für deutsche A. in Frankfurt a. M., gestiftet (in Folge des am 16. October 1848 in Frankfurt abgehaltenen A-scongresses) im December 1848, dem sich als Zweigvereine der Großherzoglich Hessische in Darmstadt, der Württembergische in Reutlingen, der Badische in Karlsruhe, der Kurhessische in Hanau, die beiden Nassauischen in Limburg u. Wiesbaden u. endlich 1850 der zu Frankfurt a. M. selbst anschlossen; der andere Verein ist der Verein zur Centralisation deutscher A. u. Colonisation zu Berlin, gestiftet im Mai 1849, der mehr belehrend u. rathend wirkt, in einem offenen Burreau[78] gebührenfrei Auskunft ertheilt, das Zustandekommen förmlicher Colonisationsgesellschaften fördert, dem Agenten- u. Transportwesen für die Auswanderer seine Aufmerksamkeit zuwendet etc., sich aber materiell bei keiner Unternehmung betheiligt. Nächst Deutschland entsendet Großbritannien (wo früher durch Gesetze, wie von 1719, 1750 u. 1782 die A. verboten wurde), bes. Irland, die meisten Auswanderer über das Meer. Während in den früheren Jahren die Zahl der Auswanderer 15,000 betrug u. 1837–47 durchschnittlich 84,000 jährlich nicht überschritt, stieg sie 1847 auf 258,270, u. wenn sie auch 1848 wieder fiel, so betrug sie doch immer noch über 248,000 u. stieg 1851 über 300,000. Früher waren die meisten Auswanderer Irländer, fast nur Proletarier, aber seit 1848 singen auch Bemittelte, bes. Protestanten, an, von dort auszuwandern. Aus Schottland wandern bes. Feldarbeiter nach Canada, deren Abgang von Gutspächtern schmerzlich empfunden wird. Als die A. so bedeutend zunahm u. man erwog, daß die Mehrzahl jener Auswanderer sich in nichtbritisches Gebiet wendete (1847 von den 258,270 allein 180,000 nach den Nordamerikanischen Freistaaten, ja von den 30,000 im Jahr 1850 übergesiedelten Engländern gingen alsdann 14,000 nach den Vereinigten Staaten) u. daß dadurch britisches Capital u. britische Arbeitskraft fremdem Lande zugeführt würde; ferner, daß in England Millionen aufgewendet werden müßten, um den Brodlosen Nahrung zu geben, wogegen in manchen Colonien, z.B. Australiens, Massen von Getreide wegen Mangels an Absatz unbenutzt bleiben: so bildete sich Anfangs 1848 zu London eine Gesellschaft zur Beförderung der Colonisation, welche theils Arme zur A. zu veranlassen, theils der britischen Industrie neue Märkte zu eröffnen beabsichtigt. Sie unterstützt die Auswanderer mit Rath, theilweis mit Mitteln zur Überfahrt. Seit der Gründung dieser Gesellschaft besteht auch eine Parlamentsacte, welche die Kirchspiele ermächtigt, eine verhältnißmäßige Steuerrate zur Bestreitung der Überfahrt von Auswanderern zu erheben. Andere derartige Vereine haben besondere Zwecke, so die ebenfalls 1848 gegründete Gesellschaft zur Beförderung der systematischen A. nach Canada, eine andere zur Beförderung nach Port Natal, 1850 die Universal Emigration and Colonisation Compagny, Ende 1849 die Gesellschaft für weibliche A. etc. Die bedeutungsvollste A. aus England geschah im September 1850, durch das Canterbury-Settlement, nach Neuseeland. Frankreich entsendet unter den großen Staaten Europas verhältnißmäßig wenig Auswanderer; nach der Neuen Welt gehen höchstens Kaufleute u. Abenteurer, um sich zu bereichern u. dann in das Vaterland zurückzukehren. Ihre Hauptcolonie Algier (s. unten IV.) hatte bis in die neueste Zeit ein Haupthinderniß in den gesetzlichen Bestimmungen für dieselbe u. in den dorthin gesendeten Individuen. Die Ansiedelung von etwa 30,000 Franzosen mit einer Schaar Basken u. Italienern am Platastrome ist eine vereinzelte Erscheinung. Aus Holland, Schweden, Norwegen ziehen Leute bes. nach NAmerika, doch ist ihre Zahl gering, u. höchstens die Mormonen haben in neuester Zeit in diesen Staaten größere Mengen zur A. nach NAmerika veranlaßt. In neuester Zeit haben auch die. A-en aus China begonnen, namentlich wanderten hier Begüterte aus, von der Unzufriedenheit mit der Regierung fortgetrieben, welche ihnen zur Deckung des Aufwandes für Unterdrückung der Revolution große Summen abpressen ließ. 1852 mögen wohl an 100,000 Chinesen ihr Vaterland verlassen haben u. nach Californien gegangen sein.

III. Die Hauptorte der Nordsee, wo sich die europäischen Auswanderer einschiffen, sind Havre, Antwerpen, Bremen u. Hamburg, für Engländer London, für Iren Liverpool od. Birkenhead; die Hauptorte, wo die nach NAmerika Einwanderndenlanden, sind New-York, Boston u. New-Orleans, dann Baltimore, Galveston (nach Texas), Quebec (nach Canada) etc. Da die Auswanderer schon in den Einschiffungsorten häufig unzulängliche Aufnahme u. Verpflegung, auf der Überfahrt selbst unzureichenden Raum u. schlechte Kost fanden, rohe Behandlung, ja sogar Mißhandlungen erfuhren, endlich an den Landungs- u. Bestimmungsorten einen großen Theil ihrer Habe u. Kraft, welche auf die neue Ansiedelung verwendet werden sollte, theils in Folge der Unkenntniß des Landes, der Sprache u. der Verhältnisse, theils durch unfreiwilligen längeren Aufenthalt in den theueren Seestädten, theils durch Betrügereien der wirklichen u. angeblichen Agenten verloren: so wurden sowohl von Seiten der Regierungen, als auch von wohlwollenden Privaten zum Schutz u. zur Unterstützung der Aus- u. Einwanderer Gesetze erlassen, Aufsichtsbehörden eingesetzt u. allerhand Anstalten getroffen. In Bremen (wo sich die meisten Deutschen jetzt einschiffen, 1843: 9844, 1844: 19,863, 1845: 31,358, 1846: 32,372, 1847: 33,682, 1848: 29,947, 1849: 28,629, 1850: 25,838, 1851: 37,493, 1852: 58,551, 1853: 58,111, 1854: 76,875 Köpfe), sind schon früher Verordnungen zum Schutz der A. erlassen worden u. wurde 1849 in Bremerhaven von der Bremer Kaufmannschaft ein Auswandererhaus erbaut, worin die Auswanderer Unterkommen für ihre Person, Effecten u. Güter bis zur Abfahrt finden, wie seit 1851 ein Nachweisungsbureau für Auswanderer errichtet. In Hamburg, wo sich bes. in neuester Zeit die Anzahl der Einschiffenden mehrt (1846: 4926, 1848: 7391, 1849: 5489, 1850: 7062, 1851: 10,208, 1852: 21,301, 1853: 29,480, 1854: 50,819 Köpfe), besteht seit 1. Mai 1855 eine gesetzlich angeordnete Deputation für das Auswandererwesen, ein Nachweisungsbureau für Auswanderer, welches an die Stelle des seit 1850 bestandenen Vereins zum Schutz von Auswanderern trat, u. eine Auswandererpolizei. Von außerdeutschen Häfen, wo sich Deutsche einschiffen, ist in Havre (wo 1854 sich 95,984 Deutsche einschifften) für die Auswanderer nichts gethan, aber in Antwerpen, nach Bremen der bedeutendste Einschiffungsort (wo sich 1845: 5223, 1846: 13,178, 1847: 14,613, 1853: 15,262, 1854: 25,843 einschifften), wurde 1850 eine Auswanderer-Aufsichtscommission eingesetzt, welche bes. die Überfahrtsschiffe nach Räumlichkeit u. allerhand Bedürfnissen streng controlirt. In den Großbritannischen Häfen sind besondere Colonial Land and Emigration Commissioners angestellt, welche die Schiffe u. Verpflegung für Auswanderer beaufsichtigen; in Birkenhead u. Liverpool bestehen seit 1848 Häuser,[79] auch für Deutsche, wo die Auswanderer bis zur Abfahrt Unterkommen finden. Wie diesseits für den Schutz der Auswanderer, sollte auch jenseits für die Einwanderer von Staatswegen gesorgt sein, u. in der That ist auch von den Vereinigten Staaten NAmerikas 1848 ein Gesetz erlassen worden, welches die A-sschiffe gewissen Bestimmungen hinsichtlich der Zahl der Passagiere etc. unterwirft, u. Agenturen für Einwanderer anordnet; aber über die Ausführung wird nicht streng gehalten, u. jetzt noch fallen die dort Einwandernden zu einem nicht geringen Theil Gaunern (Runners) in die Hände, welche sie um ihr Eigenthum bringen. Am besten ist noch in New-York (wo 1848 allein 52,620 u. 1849 sogar 55,740 Deutsche landeten) für die Einwanderer gesorgt, indem nicht allein von dem Staate ein Einwanderungscommissariat errichtet ist, sondern auch eine deutsche u. eine irländische Gesellschaft, welche die Sorge für u. die Aufsicht über das Einwanderungswesen übernommen haben, die Ankommenden mit Rath u. That unterstützen, Bemittelten zu kaufende Grundstücke nach- u. Unbemittelten Arbeit zuweisen, die Kinder der auf der Überfahrt Gestorbenen unterbringen u. dergl. Eine ähnliche deutsche Gesellschaft besteht seit 1847 in New-Orleans (wo 1847–48 17,548, 1853–54 35,965 Deutsche landeten). Auch einzelne Privatleute nahmen sich der Einwanderer thätigst u. uneigennützig an, bes. Wilhelm v. Eichthal, der leider Ende 1847 starb.

IV. Unter den Ländern, wohin die meisten A-en stattfinden, steht oben an A) Amerika, u. zwar a) NAmerika, u. vorzugsweise aa) die Vereinigten Staaten. Während die Zahl der Einwanderer dort von 1790–1848 kaum 4 Millionen betrug, stieg sie von da an; über New-York u. New-Orleans wanderten ein 1848: über 208,000, 1849: 233,310, 1850: 225,000; 1851 allein über New-York 289,000. So stieg die Zahl der Einwanderer hierher bis 1854, von wo an diese nicht nur bedeutend abnahm, sondern sogar eine große Menge von Einwanderern wieder in ihre alte Heimath zurückwanderten, s. oben I. Doch hat in den letzten Jahren die Einwanderung hierher wieder zugenommen, u. vom 1. Jan. bis Ende April 1857 landeten allein in New-York 13,222 Deutsche, viel mehr als im Jahre 1856. Vgl. B. Franklin, Bericht für Diejenigen, so sich nach NAmerika begeben wollen, aus dem Engl., Hamb. 1786; v. Fürstenwärther, Der Deutsche in NAmerika, Stuttg. 1818; Lips, Über die Richtung der Zeit nach Amerika, Marb. 1829; Gerke, Der Nordamerikanische Rathgeber, Hamb. 1833; Duden, Bericht über eine Reise nach den westlichen Staaten NAmerikas in Bezug auf A., Bonn 1834; Über A. überhaupt u.a. nach Amerika insbesondere etc., Rudolst. 1835; Briefe von Deutschen aus NAmerika, Altenb. 1836; Rathgeber u. Wegweiser für Auswanderer nach den Vereinigten Staaten von NAmerika, Darmst. 1839; Bromme, Handb. für Auswanderer nach den Vereinigten Staaten, 6. A. Bair. 1849; Beyer, Das A-sbuch, 3. A. Lpz. 1850; Pauer, Die Vereinigten Staaten von NAmerika mit besonderer Beziehung auf deutsche Auswanderer, Brem. 1847; Schmölder, Wegweiser für Auswanderer nach NAmerika, Mainz 1848; M. Beyer, Das A-sbuch, bes. nach NAmerika u. Australien, 3. A. Lpz. 1850. Von den einzelnen Staaten bilden bald der, bald jener einen Anziehungspunkt für Einzelne u. ganze Gesellschaften, nur die Sklavenstaaten werden meist von Deutschen ganz gemieden; Ungarn gingen in neuester Zeit viele nach Arkansas, wo der Staat schon seit 1840 an wirkliche Ansiedler Land verschenkte; Andere nach Michigan, wo sich das Land zu Ansiedelungen sehr geeignet erwiesen hat; ebenso nach Illinois, Ohio (Büttner, Der Staat Ohio für Einwanderer), Missouri, Wisconsin (bes. Bemittelte), nach Tennessee (bes. O-Tennessee, dessen Vorzüge von dem sächsischen Prediger Behr geschildert worden sind). Eine Zeit lang zogen viele Deutsche nach Texas, wohin die A. der 1844 gebildete Verein deutscher Fürsten u. Edelleute, dessen Mittelpunkt diesseits Mainz war, leitete; aber die Einwanderer sahen sich in ihren Erwartungen getäuscht, u. 1848 verkaufte der Verein sein dortiges Eigenthum an den Advocaten Martin von Freiburg. In neuester Zeit sind wieder mehr Deutsche dahin gegangen, wie denn auch dieser Staat als für deutsche Einwanderer sehr geeignet gerühmt wird. Prinz Karl von Solms, Texas, Frankf. 1846; Römer, Texas, Bonn 1849; Sörgel, Briefe über Texas. Das jetzige Eldorado, doch fast ausschließlich für Abenteurer, ist Californien (s.d.), wohin der Goldreichthum lockt. Auch die auswandernden Chinesen zogen sich hierher. bb) Nach den englischen Besitzungen in NAmerika, bes. nach Canada, gingen unter Leitung der englischen Regierung vorzugsweise Schotten u. Irländer, u. zwar arme Leute, weniger Deutsche. Da indeß auch großbritannische Staatsangehörige nach anderen Theilen NAmerikas wanderten, so bildete sich 1848 zu London eine Gesellschaft zur Systematisirung der Einwanderung nach Canada, wie denn auch die Regierung von Canada große Anstrengungen macht, Einwanderer an sich zu ziehen u. ihnen namhafte Vortheile bietet. b) Centralamerika, von früheren Colonisationsversuchen eben nicht im besten Rufe, wurde gleichwohl wegen seiner Wichtigkeit für den europäischen Handel durch die dort beabsichtigte Kanalverbindung des Atlantischen u. Stillen Meeres in neuester Zeit wieder sehr empfohlen, u. in Preußen wurde von Alexander v. Bülow, seit lange auf der Moskitoküste ansässig, 1848 eine Deutsche Colonisationsgesellschaft für Centralamerika zu Berlin gestiftet, die bes. seit 1850 sehr thätig wirkte, aber 1852 ihr Project aufgab. Vgl. Weinmann, Mittelamerika als gemeinsames Auswanderungsziel, Berl. 1850. Die erste Gesellschaft, von Belgien gegründet, führte Colonisten aa) nach Guatemala, welches Unternehmen aber gescheitert ist; 1845 bildete sich in Berlin ein Verein zur Colonisirung bb) der Moskitoküste, an dessen Spitze der Prinz Karl stand; es gingen bes. Colonisten aus Ostpreußen dahin, welche die Colonie Bluefields gründeten, u. 1848 zogen ihnen andere nach. Vgl. Bericht über die Untersuchung einiger Theile des Mosquitolandes, Berl. 1845. Andere Colonisationsprojecte wurden für die Staaten cc) Costarica, wo die Berliner Colonisationsgesellschaft u. die französische Compagnie du Golfo Dolce 1850 bedeutende Ankäufe von Land machten. Vgl. Die Republik Costa Rica mit Berücksichtigung der dortigen Colonisation, nach dem Französischen (Par. 1849), Hamb. 1850, u. dd) für Nicaragua gemacht,[80] wohin ebenfalls die Berliner Gesellschaft schon Colonisten schickte u. die französische Compagnie Franco-Allemande Länderstrecken erwarb; vgl. Alex. v. Bülow, Der Freistaat von Nicaragua u. seine Wichtigkeit für den Welthandel etc., Berl. 1850. Auch ee) Mexico sucht deutsche Colonisten an sich zu ziehen, wiewohl die jetzigen politischen Verhältnisse dort nicht geeignet sind, Einwanderer dahin zu locken; vgl. Sartorius, Mexico als Ziel für deutsche Auswanderer, Darmst. 1850. c) In SAmerika (Simon, A. u. deutschnationale Colonisation von SAmerika, Bair. 1850, 2. A.): aa) Venezuela sucht Einwanderer an sich zu ziehen u. geht dabei mit Umsicht zu Werke. Gleiches gilt von bb) Bolivia, wo die Regierung den Einwanderern alle Unterstützung u. Vortheile verspricht, u.a. 50jährige Steuerfreiheit; cc) nach Brasilien gab bes. der brasilianische Major Schäfer, der sein Werbebureau zu Hamburg aufschlug, den Anstoß u. er bewog durch falsche Vorspiegelungen in den Jahren 1823–28 viele Deutsche, dahin zu gehen. Fast alle aber wurden unter die brasilianischen Truppen gesteckt u. gingen dann in den Kämpfen gegen die Insurrectionsversuche u. bei einer Empörung der Truppen selbst schmählich unter. In neuerer Zeit haben sich einige Niederlassungen bemerklich gemacht, bes. die blühende Colonie St. Leopoldo (Provinz Rio grande do Sul) mit 11,000 Deutschen u. die Colonien Donna Franzisca u. Blumenau (Provinz Sta. Catharina) werden für Deutsche empfohlen. Auch die Plantagenbesitzer, denen durch die scharfen Maßregeln gegen den Sklavenhandel viele Arbeitskräfte entgehen, suchen freie Arbeiter, bes. Deutsche, an sich zu ziehen, welche sie auf ihre Kosten befördern lassen, wogegen sich diese im voraus zu bestimmten Leistungen verpflichten müssen. Vgl. Rapport aux membres de la Compagnie brasilienne, Brüss. 1846, u. Memoria sobre meios de promover a colonição, Berl. 1846. Auch dd) die Argentinische Republik wird als vortheilhaft für deutsche Einwanderer geschildert, welche (nach Gerstäckers Berichten von dort) die dortige Regierung gern sehen u. begünstigen, aber weiter nicht unterstützen würde. Zu Niederlassungen ee) in Chile, namentlich in der Provinz Valdivia, bildete sich 1840 ein Verein in Württemberg u. sendete eine Commission dahin; der ersten Colonie Württemberger folgte 1850 eine aus dem Königreich Sachsen. In Chile stehen die Deutschen, namentlich wegen ihrer wissenschaftlichen Tüchtigkeit u. Gründlichkeit, in hohem Ansehen. Vgl. Cast, Valdivia u. Chiloe, Stuttg. 1849; Philippi, Nachrichten über Valdivia, Kassel 1851; ff) auch nach Peru wurden in neuester Zeit viele deutsche Handwerker dirigirt, denen aber dort ein trauriges Loos wurde; gg) von der holländischen Regierung wurden 1852 für Guiana viel Anstrengungen gemacht, um deutsche Einwanderer dorthin zu ziehen, allein deshalb angestellte Untersuchungen ergaben, daß wegen des ungesunden Klimas die günstigen Offerten für Deutsche nicht annehmbar wären. d) Nach West-Indien hatte die Einwanderung lange wegen der dortigen klimatischen u. socialen Verhältnisse gestockt, u. doch wurden, seitdem die Aufhebung des Sklavenhandels immer dringender gefordert wurde, für West-Indien Einwanderungen freier Arbeiter gewünscht u. unterstützt. Deutsche u. Franzosen, die 1839 u. 1840 in Havre dahin gelockt wurden, unterlagen meist dem Klima. Um dennoch zum Ziel zu kommen, wurden für Englische Besitzungen dort 1844 Anleihen gestattet, doch mußte 1848 das Mutterland nachhelfen. Einzelne Einwanderungen erfolgten 1848 nach Jamaica, Demerara u. Trinidad. Auch die Franzosen suchen jetzt ihre Besitzungen auf den Antillen mehr zu bevölkern. B) Australien. Aus Großbritannien wurden schon längst die dortigen Colonien im Osten des Landes mit Verbrechern (bes. Neu-Süd-Wales), dann mit Irländern bevölkert; in Tasmania wanderten viele Briten ein; deutsche Einwanderer ließen sich bes. in SAustralien um Adelaide seit 1836 nieder; 1838 ging eine Anzahl schlesischer Altlutheraner, mit der evangelischen Union unzufrieden, unter Pastor Kavel dahin; zur Unterstützung der A. nach WAustralien wurde 1848 ein A-scomite in Berlin gebildet, u. 1849 ging bereits eine Colonie, geführt von O. Schomburgk, aus Preußen dahin ab. Die neuesten Goldentdeckungen haben zahlreiche Einwanderungen dorthin veranlaßt, aber die dortigen Verhältnisse sehr verwirrt (s. Australien, Gesch.). Die Einwanderung von Deutschland dahin wird jetzt von Hamburg aus geleitet u. die Kosten der Beförderung von der australischen Regierung getragen, wogegen sich die Einwanderer verpflichten, einen Theil baar rückzuerstatten u. vier Jahre im Lande zu bleiben, übrigens können sie sich dort nach eigener Wahl beschäftigen; s.u. Australien I. E). Kirchner, Australien u. seine Vortheile für Auswanderer, Frkf. 1848; Australia felix, 1849; Döger, Die A. nach SAustralien, Tangerm. 1849, 4. A.; Wilkinson, Handbuch für A. mach SAustralien, Lpz. 1850, 2. A.; R. Reiner, SAustralien, ein Beitrag zur deutschen Auswanderungsfrage, Berl. 1851; Heising, Die Deutschen in Australien, Berl. 1853. Auch nach Neu-Seeland finden jetzt Einwanderungen statt, in den Jahren 1847 bis 1849 siedelten sich über 1000 Personen dort an; die großartigste war die Canterbury-Settlement, aus England hierher abgeschickt; eine große Menge von Leuten aus allen Ständen u. aus den angesehensten Familien wanderten aus, um gegen die freiere Bewegung auf religiösem. Gebiete in dem neuen Vaterlande die orthodoxen Satzungen der Hochkirche unberührt zu erhalten. In der Alten Welt haben noch am meisten Einwanderungen C) in Afrika von Europa aus statt gefunden, u. zwar in NAfrika bes. in Algier seit der Occupation durch die Franzosen. Indessen waren die Gesetzgebung u. die Verhältnisse der Colonie zum Mutterlande, so wie die Unsicherheit des Besitzes wegen der steten Kriege mit den Beduinen dem Gedeihen der Colonie nicht förderlich. Seit 20 Jahren sind auch kaum 140,000 aus Frankreich eingewandert, u. unter diesen sind bei weitem die meisten aus den deutschen Provinzen Elsaß u. Lothringen. Die Aufforderung der Regierung 1848 an die pariser Arbeiter fand verhältnißmäßig wenig Gehör, u. die Ausgewanderten sehnten sich bald wieder in die Heimath. zurück. Man hat daher seit 1852 Algier mit Deportirten zu colonisiren angefangen u. denkt in Zukunft auch Findelkinder dorthin zu entsenden. Eine Darstellung der Lage der dortigen Colonie während 1850–52 veröffentlichte das Kriegsministerium, Par. 1853. Von A-en dahin ist bes. die aus Schweizern[81] bestehende unter Stockmar zu bemerken, weil dieser von der französischen Regierung günstige Bedingungen für seine Colonisten erhielt. Deutsche sind lange nicht nach Algerien ausgewandert, erst in neueren Zeit ist wieder dieses Land als ein wegen Gesundheit des Klimas, Wohlfeilheit des Grund u. Bodens, Höhe des Arbeitslohnes, Mäßigkeit der Lebensmittelpreise u. anderer günstigen Umstände zur Einwanderung geeigneter Punkt empfohlen worden; vgl. Max Maria v. Weber, Algerien u. die Auswanderung dahin, Lpz.1854. In SAfrika, wohin früher holländische Bauern einwanderten, sind in neuester Zeit Colonien am Cap Natal angelegt, z.B. eine englische, zu deren Förderung 1848 in London eine besondere Gesellschaft gegründet worden ist (s. oben). Auf Schimpers Veranlassung versuchte Österreich in neuester Zeit deutsche Auswanderer nach Habesch zu lenken; doch hat das Project bis jetzt noch keinen Anklang gefunden. D) Nach Asien finden gar keine A-en Statt, obgleich der westliche Theil dieses Erdtheiles, Klein-Asien, alle Bedingungen einer vortheilhaften Colonisation darböte Reichthum an unbebauten Land, Fruchtbarkeit des Bodens, Herrlichkeit des Klimas, günstige Lage für den Handel; aber freilich würden sich dort der Colonisation auch die meisten Hindernisse entgegenstellen, im Lande selbst die Räubereien u. Gewaltthaten, vor Allem der Fanatismus der Moslems, wenn nicht die Veränderungen in dem Staatswesen der Pforte, welche durch die europäischen Mächte in neuester Zeit angebahnt worden sind, zur Ausführung kommen. Ob sich dieser Landstrich für Einwanderungen eignen wird, muß daher erst die Zukunft lehren. E) In Europa war a) Rußland, u. zwar früher der südliche Theil, ein Anziehungspunkt für Auswanderer; schon Peter der Gr. zog Ansiedler aller Nationen nach seinen Staaten u. munterte dortige Ansiedelungen durch Prämien auf. Diese A-en dauerten unter allen folgenden Regierungen fort. So wanderte 1784 eine große Anzahl protestantischer Pfälzer wegen verminderter Religionsduldung dahin aus. Nach 1814 zogen Schaaren von Auswanderern dahin, die, bes. wenn es Fabrikarbeiter, namentlich Tuchmacher waren, Reisegeld, Platz zur Ansiedelung, Häuser, für sich u. die Ihren 30 Jahre lang Befreiung vom Militärdienst u.a. Vortheile erhielten. Emissäre durchzogen sogar damals Deutschland n. forderten zu diesen A-en auf. So entstanden die Ackerbaucolonien Vielowisch im Gouvernement Tschernigow u. Riebendorf im Gouvernement Woronesch bei Pultawa erwuchs schon vor längerer Zeit eine Colonie von sächsischen Webern u. Tuchmachern aus Crimmitschau, die Herrnhutercolonien zu Sarepta u. an anderen Punkten der Wolga. 1816–26 sollen 250,000 Deutsche nach Rußland u. Polen ausgewandert sein. Seit 1830 hat die A. dahin ganz aufgehört. b) In Polen forderten zum Theil auch reiche Gutsbesitzer zur Einwanderung auf; andere Colonien förderte die Regierung. Die meisten Einwander aber fanden siich in ihren Erwartungen getäuscht u. die A. dahin hörte auf. W. Löbe, Die A. nach Polen, Grimma 1840. c) Nach Serbien begann die A. 1838 Zug zu gewinnen, u. es zogen in Sachsen rührige Emissäre für diesen Plan umher. Die Auswanderer fanden aber, an der serbischen Grenze angelangt, Schwierigkeiten ohne vorgezeigte Geldmittel weiter zu kommen, höchstens wurden Baugewerke aufgenommen u. fanden guten Verdienst, die übrigen sahen aber, daß die von den sogenannten Bevollmächtigten des Fürsten hintergangen waren. Vor 1848 wurde auch d) Sieben bürgen u. die Walachei genannt, wo deutsche Einwanderer ankommen könnten u. gern gesehen würden wo ihnen auch bei der Wohlfeilheit der Ländereien u. bei der Fruchtbarkeit des Bodens u. günstiger politischer Stellung ein gutes Loos werden könnte, u. noch in der neuesten Zeit sind wieder die Verhältnisse der Donaufürstenthümer als günstig für Einwanderer geschildert worden. Auch e) Ungarn galt als ein für Einwanderungen sich eignendes Land. Schon 1849 machte Österreich das Reichsministerium darauf aufmerksam, wie es dem deutschen Interesse wünschenswerth sein müßte, unter den sich in Ungarn gestaltenden Umständen den Strom der A. dahin zu lenken. Nach der Unterdrückung der Revolution von 1849 nahm die österreichische Regierung, um das verödete Land wieder zu bevölkern u. zu bebauen, sich der Sache an, u. eine deshalb 1850 niedergesetzte Commission schlug vor, daß die Regierung von ihren Kameralgütern die geeignetsten auswählen u. an deutsche A-svereine zur Errichtung deutscher Colonien unter annehmbaren Bedingungen abtreten sollte. Ende 1850 wurde zu Wien der erste Österreichische Ansiedelungsverein behufs der Beförderung der Colonisation Ungarns von Jos. Ritter v. Hohenblum gegründet, welcher die Ländereien dort ankaufen u. dieselben an Ansiedler Parzellenweis ablassen wollte. Obgleich aber, da die Hindernisse der Colonisation dort noch nicht entfernt u. die dorthin ausgewanderten Deutschen in ihren Erwartungen nicht befriedigt worden sind vor der Hand die A. nach Ungarn ins Stocken gekommen ist, so hat doch die A. dahin ihre Zukunft. Vgl. G. Höfler, Deutsche Auswanderung u. Kolonisation mit Hinblick auf Ungarn, Wien 1850. f) Griechenland könnte viele Einwanderer aufnehmen, aber die dortigen Verhältnisse sind eben so wenig günstig, als die Stimmung der Griechen gegen Fremde, bes. gegen Deutsche. 1849 wanderten nur einzelne politische Unzufriedene od. durch die Revolution compromittirte Italiener dahin, denen die Fürstin Belgiojoso bei der griechischen Regierung Aufnahme bewirkt hatte; sie wurden in das Innere des Peloponnes gewiesen. – Vgl. Hirsch, De jure emigrationem civium prohibendi etc., Gött. 1787; Seidensticker, De jure emigr. e moribus German., jure comm. ac legibus imperii constituo, Gött. 1788; Groß, Welches ist da zweckmäßigste Mittel, unnöthige A-en zu verhüten? Stuttg. 1804; Schleiermacher, Über Auswanderungsverbote, in der Denkschrift der Berliner Akademie der Wissenschaften 1816, S. 25 ff.; H. Ch. von Gagern, Über die A-en der Deutschen, Frkf. a.M. 1817; Bromme, Die freie A., Dresd. 1831; Ders. Über A. u. Armencolonien, Lpz. 1833; Ders. Rathgeber für A-slustige, Stuttg. 1846; Wappäus. Die deutsche A. u. Colonisation, Lpz. 1846; von Bülow, A. u. Colonisation, Berl. 1849; Gäbler, Deutsche A. u. Colonisation, Berl. 1850; A. Schultze, Neuestes über A. u. von Ausgewanderten für das Jahr 1852; W. Roscher, Colonien, Colonialpolitik u.a., 2. Aufl., Lpz. u. Heidelb 1856. Zeitschriften für das A-swesen: Der deutsche Auswanderer Darmst. 1847 ff.; Der[82] sächsische Auswanderer, Schneeberg 1848 ff.; Roß, Allgemeine A-s-Zeitung, Rudolst. 1846 ff.; Bönecke, Deutsche A-s-Zeitung, Lpz. 1848.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 76-83.
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