[179] Portūgal, europäisches Königreich (s. Karte »Spanien und Portugal«), der südwestlichste Teil der Pyrenäischen Halbinsel und des europäischen Festlandes, erstreckt sich zwischen 36°59'42°8' nördl. Br. und 6°10'9°31' westl. L. und bildet ein längliches, Viereck mit einer größten Länge von 558 km und einer größten Breite von 220 km. Das Königreich wird im N. und O. von Spanien, im W. und S. vom Atlantischen Ozean begrenzt. Zu P. gehören die Azoren und Madeira (s. die besondern Artikel) im Atlantischen Ozean und die überseeischen Besitzungen (s. den Artikel »Portugiesische Kolonien«, S. 187).
[Physische Verhältnisse.] P. ist vorwiegend ein Hochland, das von stufenförmigen Abdachungen des mittlern Tafellandes der Pyrenäischen Halbinsel erfüllt wird und durch die tief eingeschnittenen Täler des Douro und Tejo in drei Abteilungen zerfällt. Das nordportugiesische Bergland zwischen Minho und Douro, eine Fortsetzung des kantabrisch-galicischen Bergsystems, stuft sich west- und südwärts zur Küstenebene und zum Dourotal ab und umfaßt zwischen Minho und Lima die Serra da Peneda (1441 m), zwischen Lima und Tamega die Serra do Gerez oder de Laronca (1580 m), zwischen Tamega und Tua die Serra de Marão (1422 m), zwischen Tua und Sabor die Serra de Montezinhas (1321 m) und zwischen Sabor und Douro die Serra de Mogadouro (1008 m). Das Bergland von Beira umfaßt die Gebirgszüge zwischen Douro und Tejo, die an der spanischen Grenze mit der Serra das Mezas (1200 m) beginnen. Von hier zieht sich südwestlich die Serra Gardunha (1224 m) hin, deren Fortsetzung, die Serra Muradal (1081 m), zwischen Zezere und Tejo ausläuft. Nordwestlich von der Serra das Mezas beginnt der Hauptgebirgszug Portugals, die Serra da Estrella (s. d.), 1993 m, ein breiter, südwestlich streichender Kamm, dessen Fortsetzung die Serras Açor (1330 m) und Louza (1202 m) bilden, und der schließlich in der Hochebene von Aire (677 m) und in einem 500600 m hohen, mit dem Tejo gleichlaufenden Bergrücken im Cabo da Roca endigt. Das Bergland von Oberbeira, zwischen Mondego und Douro, endigt westwärts mit mehreren Gebirgszügen, wie Serra Montemuro (1380 m), Serra Gralheira (1122 m), Serra do Caramullo (1070 m), Bussaco (630 m) u. a. Das Bergland südlich vom Tejo besteht aus vereinzelten, untereinander nur durch ebene oder hügelige Hochflächen zusammenhängenden Bergzügen, die an der spanischen Grenze in der Serra de Sao Mamede noch zu einer Höhe von 1025 m anschwellen, sich aber gegen die Küste zu rasch absenken (Serra d'Ossa 649 m). Im S. von P. erhebt sich als Grenzmauer zwischen Algarve und Alemtejo das Algarbische Gebirge, eine Fortsetzung des marianischen Gebirgssystems, das in der Serra de Monchique 903 m Höhe erreicht.
Etwa zwei Drittel von P. werden von kristallinischen Gesteinen und von paläozoischen Ablagerungen eingenommen. Neben dem eigentlichen Urgebirge treten Granite (bei Cintra von angeblich cenomanem Alter), Diorite, Fojaite, Ophite, Basalte etc. auf. Kambrium und Silur sind besonders im Douro-, Mondego- und Tejobecken entwickelt. Devon findet sich an der Guadiana, unteres Karbon kommt in größerer Ausdehnung im Süden von Alemtejo vor. Die jurassische Reihe ist ziemlich vollständig zum Absatz gekommen, so der Lias und Dogger nördlich vom Tejo, der Malm in der Serra da Arrabida bei Setúbal, ebenso die Kreide (Serra da Cintra, Umgegend von Lissabon); bei letzterm Orte sowie längs des Tejo und des Sado tritt auch Miocän (langhische und helvetische Stufe) mit Resten von Hipparion, Unio und Helix, vielfach überlagert von Pliocän und Quartär, auf. Von nutzbaren Mineralien finden sich Kupfererze in Alemtejo und in der Provinz Douro, Blei- und Silbererze bei Bracal, ferner Mangan- und Eisenerze, auch Braunkohlen (vgl. unten: Bergbau).
Hydrographisch ist P. insofern begünstigt, als es den schiffbaren Unterlauf der vier vom spanischen Tafelland nach dem Atlantischen Ozean fließenden Ströme Minho, Douro, Tejo und Guadiana enthält. Diese bilden streckenweise die politische Grenze zwischen Spanien und P. An bedeutendern Nebenflüssen nehmen sie in P. auf, der Douro links: Côa und Paiva, rechts: Sabor, Tua, Tamega; der Tejo links: Zalas (Sorraia), rechts: Ponsul und Zezere; der Guadiana links: Ardila und Chanza. Unter den zahlreichen Küstenflüssen sind hervorzuheben: Lima, Cavado, Ave, Vouga, Mondego, Sado und Mira. P. ist reich an Mineralquellen. Diese enthalten vorwiegend Schwefel; doch gibt es auch kohlensäure-, salz-, kupfer-, arsenikhaltige. Man kennt deren 108 von 2069° Wärme. Zu Heilzwecken sind jedoch nur wenige Quellen mit den erforderlichen Einrichtungen versehen. Zurzeit werden betrieben: Alcacarias, Bussaco, Cabeco de Vide, Caldas da Rainha, Gerez, Luso, Monchique, Vidago, Vizella.
Das Klima ist nur im NO. kontinental, sonst überall ozeanisch mit geringen Temperaturschwankungen, milden Wintern, großer Feuchtigkeit und reichlichen Niederschlägen. Der Juli ist meist nur um[179] 12° wärmer als der Januar; das Jahresmittel der Temperatur beträgt in Porto 15,2°, Coimbra 15,1°, Lissabon 15,8°, Lagos 17,4°, Evora 16,1 und Serra Estrella (1450 m) 7,1°. Die absoluten Extreme schwanken zwischen 45° und -12° (in Lissabon 38,6° und -1,5°), die mittlern zwischen 35,7° und 1,5°. Regenmengen: Porto 117, Coimbra 91, Lissabon 75, Lagos 52, Evora 64, Serra da Estrella 297 cm. Am regenreichsten ist die kältere Jahreszeit; im Juli und August fallen kaum 5 Proz. der Jahressumme, im Süden kaum 1,5 Proz. Schneefreie Winter kommen im Tiefland oft vor. Gewitter sind selten, am häufigsten noch im Mai, wo auch die Bewölkung ein Maximum hat. Die Pflanzenwelt unterscheidet sich entsprechend dem mehr atlantischen Klima des Landes von der Spaniens vorzugsweise durch Zurücktreten der Steppen und stärkere Entwickelung der Wälder, die vorwiegend aus Pinus Pinaster und Pinea, Quercus Suber, Q. Ilex und Q. lusitanica, Castanea vesca u. a. gebildet werden. Charakteristisch sind ferner eine Reihe atlantischer Florenelemente, wie Hedera canariensis, Prunus lusitanica, Davallia canariensis, mehrere Erikazeen, zahlreiche Arten von Ulex und Armeria. Die Gliederung der Vegetation nach Höhenstufen ist dieselbe wie in Spanien, nur erscheinen an der portugiesischen Küste wegen der Nähe des Ozeans und der dadurch herbeigeführten Temperaturerniedrigung die Höhengrenzen im Vergleich zu Orten an der spanischen Mittelmeerküste stark herabgedrückt. Für die alpine Region der Serra de Monchique ist das Vorkommen von Rhododendron ponticum (oder einer ihm nächstverwandten Form) hervorzuheben, das östlich erst wieder im Rionbecken des Kaukasus und in Kleinasien wiederkehrt. Die Tierwelt Portugals trägt, wie die Spaniens, den Charakter eines Gemisches südeuropäischer mit nordafrikanischen Formen. Wilde Ziegen (Capra aegagrus) leben in Nordportugal. In den Reptilien steht P. gegen Spanien um einige Arten zurück, besitzt dagegen unter den Amphibien in dem Molch Chioglossa lusitanica eine auf P. beschränkte Art. Die Flüsse sind sehr reich an Fischen und Mollusken; von Flußmuscheln werden einige 30 Arten gezählt; unter den Landmollusken überwiegen die Helix-Arten.
Die Bevölkerung, die nach einer amtlichen Zählung 1801: 3,115,330 Einw. ergab, betrug im J. 1900: 5,016,267, mit den Inseln 5,423,132 Seelen (s. die folgende Tabelle). P. hat also in 100 Jahren 74 Proz. Bevölkerungszuwachs erhalten. 1861 hatte es etwas über 4 Mill. Seelen, erst 1890 überstieg die Volkszahl 5 Mill. Die Zunahme ist sonach langsam erfolgt. Daß in P. das weibliche Geschlecht seit Jahrzehnten zahlreicher vertreten ist als das männliche, liegt wesentlich in der stärkern Auswanderung der Männer. 1890 wanderten z. B. 8299 männliche und 2854 weibliche Personen (vorzugsweise nach Brasilien) aus. 1902 betrug die Auswanderung 24,170 Personen. Teilweise hängt mit der Auswanderung auch die stetige Verminderung der Landbevölkerung und die Zunahme der städtischen zusammen. 1864 betrug letztere 28,5 Proz., die ländliche noch 71,5 Proz. 1900 gab es 32,9 Proz. städtische und 67,1 Proz. Landbewohner in P. Die Bevölkerung ist aus der Verschmelzung der germanischen Sueven mit den romanischen Einwanderern aus Frankreich entstanden und hat sich mit Arabern und Israeliten, später auch mit Negern und Indern gemischt. Der Portugiese ist höflich (besonders gegen Fremde, von denen er gleiche Behandlung erwartet), gelehrig, mäßig, vaterlandsliebend und kirchlich gesinnt. Neben der römisch-katholischen Staatsreligion werden andre Bekenntnisse geduldet, jedoch sollen die Versammlungsorte äußerlich nicht als gottesdienstliche Gebäude erkennbar sein. An der Spitze der katholischen Geistlichkeit stehen der Patriarch von Lissabon, die Erzbischöfe von Braga und Evora und elf Bischöfe, denen 3912 Kirchspiele unterstehen. Die theologische Fakultät der Universität Coimbra und 13 Priesterseminare sorgen für die Ausbildung der Geistlichen. Die Klöster sind aufgehoben, ihre Güter vom Staat eingezogen.
[Unterricht.] Nach dem Gesetz vom 18. März 1897 müssen Kinder vom 6. bis zum 12. Jahr Unterricht genießen. Der Volksschulunterricht ist pflichtmäßig und unentgeltlich. 1900 gab es in P. 3422 Knaben- und 2649 Mädchenschulen, in denen Elementarunterricht erteilt wurde, d. h. auf je 1000 Einw. kommt mehr als eine Schule.
Dennoch können mehr als drei Viertel der Einwohner weder lesen noch schreiben. Normalschulen in Lissabon und Porto sorgen für die Heranbildung von Lehrern und Lehrerinnen. Der mittlere Unterricht erfolgt nach dem Gesetz vom 28. Mai 1896 in den Nationallyzeen (5 Unterrichtsjahre) oder den Zentrallyzeen (7 Unterrichtsjahre) und entspricht etwa der Ausbildung auf einem deutschen Realgymnasium. Griechisch wird nur an der Universität Coimbra und an einer Sonderschule in Lissabon (Curso superior de letras) gelehrt. Mittlern Unterricht genießen etwa 6000 Schüler durch 1100 Lehrer. Für den höhern und den Fachunterricht ist in P. verhältnismäßig reichlich gesorgt. Außer der Universität Coimbra (53 Lehrstühle und durchschnittlich 1180 Studierende) gibt es die polytechnische Schule in Lissabon, die polytechnische Akademie in Porto, den[180] bereits genannten Curso superior de letras. die medizinischen Schulen in Lissabon und Porto sowie ebenda die Akademien der schönen Künste, das königliche Konservatorium für Musik in Lissabon, das Gewerbe- und Handelsinstitut in Lissabon, eine ähnliche Anstalt in Porto, 26 Gewerbeschulen mit durchschnittlich 5000 Schülern sowie zahlreiche Fachschulen für Handwerker. Offiziere des Landheers werden auf der königlichen Militärschule und der Heeresschule (Escola do Exercito), Marineoffiziere auf der Seeschule ausgebildet. Für den Unterricht in der Landwirtschaft sorgt das landwirtschaftliche Institut in Lissabon, ferner gibt es eine Ackerbauschule in Coimbra und sechs andre Landwirtschaftsschulen. An sonstigen wissenschaftlichen Instituten sind zu erwähnen: die königliche Akademie der Wissenschaften in Lissabon, die Wetterwarten und die naturwissenschaftlichen Museen in Lissabon und Coimbra, das archäologische Museum und das Museum der Akademie der Wissenschaften mit einer reichen Münzsammlung, die Landesbibliothek und mehrere andre Büchereien in Lissabon, die Universitätsbibliothek und die vom Kloster Santa Cruz in Coimbra.
[Erwerbszweige.] Von den 8,600,000 Hektar anbaufähiger Bodenfläche liegen 3,800,000 Hektar brach, dh. 46 Proz. des ausbeutefähigen Bodens sind noch unbenutzt, weil es in P. sowohl an einer zweckmäßigen Ackerbaugesetzgebung als auch an Geldmitteln fehlt. Im S. des Landes herrschen große Besitzungen vor, wo Arbeitskräfte mangeln, im N. ganz keine Grundstücke ohne Kapitalkraft. Die angebaute Fläche besteht aus 40 Proz. Weideland, 23 Proz. Ackerland, 16 Proz. Fruchtbaum bestand, 8 Proz. Wald, 7 Proz. Weinland und 6 Proz. Gartenfläche. Das Land deckt seinen Getreidebedarf nicht und muß daher Brotkorn einführen; 50 Proz. der Bevölkerung nähren sich von Maisbrot, 34 Proz. von Roggenbrot und 16 Proz. von Weizenbrot. Bodenerzeugnisse sind: Mais (1903: 250,000 Ton.), Weizen (240,000 T.), Roggen (70,000 T.), Gerste (160,000 T.), Hafer (98,000 Ton.), Reis, Kartoffeln, Gemüse (Zwiebeln), Südfrüchte (Orangen, Zitronen, Feigen, Mandeln, Kastanien, Oliven) und besonders Wein. Bekannt ist die Dourogegend als Heimat des Portweines (s. Portugiesische Weine). Der Baumbestand in P. ist gering, vorherrschend sind Fichten im N., Korkeichen im S. (200,000 Hektar Fläche ergeben 50 Mill. kg Kork, wovon durchschnittlich 40 Mill. kg ausgeführt werden). Zu erwähnen ist der Staatsforst von Leiria (11,000 Hektar, Strandkiefern) und der schöne Wald von Bussaco.
Eine amtliche Viehzählung hat seit 1870 in P. nicht stattgefunden. Indes schätzt man, daß 90,000 Pferde, 146,500 Esel, 59,100 Maultiere, 817,000 Stück Rindvieh, 3,064,100 Schafe, 998,680 Ziegen und 1,200,000 Schweine vorhanden sind. An Wolle werden jährlich im Durchschnitt 4,500,000 kg gewonnen. Die Seidenraupenzucht, der von jeher große Beachtung geschenkt worden ist, steht nicht mehr auf der frühern Höhe. Dagegen übt die Fischerei auf die portugiesische Küsten- und Flußuferbevölkerung noch immer ihre alle Anziehungskraft aus: 6825 Fahrzeuge (mit 25,186 Ton. Raumgehalt) dienen der Seefischerei, die sich vorzugsweise mit dem Fang von Sardinen und Thunfisch beschäftigt, 1915 kleinere Fahrzeuge gehören Flußfischern, die, ebenso wie die Seefischer, einen jährlichen Bruttoertrag von mehr als 16 Mill. Mk. erzielen.
Der Bergbau ist im Verhältnis zu dem Erzreichtum des Landes nicht genügend entwickelt. Von 1038 Gerechtsamen, die seit 1852 bewilligt worden sind, waren 1899 nur 415 noch gültig. Die von den Betrieben ausgeführten Erze ergaben in dem genannten Jahr etwa 8 Mill. Mk. Ausgeführt wurden besonders Kupfererze (288,744 Ton.), Eisen-, Mangan- und Bleierze in Mengen von etwas mehr als 2000 Ton. Aus dem Meerwasser wird (namentlich bei Setubal) Seesalz gewonnen und zum Einsalzen von Fischen viel nach dem Norden Europas (Skandinavien) ausgeführt. Zu erwähnen ist auch der in den Steinbrüchen häufig vorkommende Marmor sowie die (in der Fabrik von Vista Alegre verwendete) Porzellanerde. Die Gewerbtätigkeit hat sich unter dem Schutze hoher Einfuhrzölle sehr entwickelt, namentlich in Lissabon und Porto. Zu nennen sind Weberei (für Wolle 234, für Baumwolle 125 Fabriken), Konservenfabriken (76), Metallgießereien (74), Gerbereien (70), Korkfabriken (70), Mahlmühlen (54), Zuckersiedereien (41), Papierfabriken (27), Seifensiedereien (24). Auch die Herstellung von Glaswaren (in Marinha Grande), Porzellan (Vista Alegre), Steingut (64 Fabriken) ist bemerkenswert. Bekannt sind die Spitzen aus Peniche und die portugiesischen Filigranarbeiten. Auch der Handel hat in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen. Er betrug (in Tausenden Milreis):
Eingeführt werden namentlich: Getreide (Weizen), Rohstoffe und Halbfabrikate in Wolle, Baumwolle, Eisen, ferner Stockfisch, Zucker, Kohle, Felle, Häute, Kaffee, Reis, Petroleum, Gold und Silber. Die wichtigsten Ausfuhrwaren sind: Portwein, gewöhnlicher Wein, Kork und Korkpfropfen, Kupfererz, Konserven, Vieh, Baumwollengewebe (nach den portugiesischen Kolonien).
Im Schiffsverkehr zeigt sich die Zunahme nicht in der Zahl, sondern im Raumgehalt der Fahrzeuge. Portugiesische Häfen besuchten:
Darunter befanden sich 1903: 6485 Dampfer mit 13,546,187 Ton. und 4447 Segler mit 497,135 Ton. Gehalt. Unter den fremden Flaggen ist in den portugiesischen Häfen noch immer die englische die weitaus zahlreichste. Den größten Aufschwung zeigt jedoch seit 30 Jahren der deutsche Schiffsverkehr. Außerdem laufen portugiesische Häfen an: französische, brasilische, nordamerikanische, spanische und belgische Schiffe. Der Küstenverkehr (cabotage) ist portugiesischen Fahrzeugen vorbehalten, meistens kleinen Seglern, aus denen die Handelsflotte vorzugsweise besteht. Die Empreza nacional ist zurzeit die einzige bedeutendere Linie, die mit einigen größern Dampfern regelmäßige überseeische Verbindungen (namentlich nach Afrika) unterhält und Staatsunterstützung bezieht. An Landstraßen besaß P. 1852 nur 218 km, 1896 dagegen 10,259 km. Die erste Eisenbahn wurde 1856 mit 36 km Länge eröffnet, 1877 waren 952 km im Betrieb, 1904 gab es 2394 km Schienenweg. 1860 gab es auf dem portugiesischen Festlande 56 Telegraphenstationen, 1894 waren 376 vorhanden. Postanstalten zählte man 1881: 903, 1902: 3049. An Kreditanstalten waren im festländischen Gebiet 1858: 5 vorhanden, ihre Zahl war 1876 bis auf 52 gestiegen,[181] 1895 gab es 35, mit einem Aktienkapital von 70,606 Contos de Reis. Zur Notenausgabe ist zurzeit nur die Bank von P. ermächtigt. Sie besitzt 13,5 Mill. Milreis Aktienkapital. Notenumlauf und Metallbestand sind seit dem letzten bedeutenden Geldnotstand des Landes (1891) steten Schwankungen unterworfen (vgl. Banken, S. 349).
Maße, Münzen, Gewichte. Seit 1868 ist in P. die metrische Maß- und Gewichtseinteilung gültig; in den Kolonien gelten zum Teil noch ältere Maße, namentlich in Portugiesisch-Indien. Auch auf dem Land in P. selbst wird vereinzelt nach alten Maßen und Gewichten gerechnet, besonders für Wein nach der Pipa. Im Geldwesen wechselten wiederholt Gold- und Silberwährung. Seit der Krisis von 1891 besteht tatsächlich Papierwährung, da bei Zahlungen in Gold stets Aufgeld berechnet wird. Münzeinheit ist der Real (Mehrzahl Reis); tausend Reis heißen Milreis, Million Reis ein Conto de Reis. Geprägt wurden in Gold: die Corõa (10 Milreis, s. Tafel »Münzen V«, Fig. 10) = 45,357 Mk. und Teilstücke, in Silber: 500,200,100 und 50 Reis, letztere beide seit 1899 durch Nickel ersetzt; in Bronze und Kupfer: 20,10,5 Reis. Stücke zu 100 Reis heißen Testão (Tostão, Tafel VI, Fig. 4), Stücke zu 20 Reis Vintem. Die aus dem Verkehr verschwundenen Landesgoldmünzen werden durch englische Sovereigns, seit 1854 = 4500 Milreis umlaufsberechtigt, vertreten.
An Wohltätigkeitsanstalten (aus eignen Einkünften oder vom Staat erhalten) ist P. sehr reich. Ihre Gesamtzahl beträgt mehr als 9000. Die wichtigsten sind: die Santa Casa da Misericordia in Lissabon, verbunden mit einem großen Findel- und Waisenhaus; das Hospital São José daselbst; die Casa pia im ehemaligen Hieronymitenkloster in Belem; das Waisen- und Erziehungshaus in Porto und die Irrenanstalt im ehemaligen Kloster Rilhafolles in Lissabon.
[Staatsverfassung u. Verwaltung.] Die Staatsverfassung Portugals ist repräsentativ-monarchisch und beruht auf der Carta constitucional Pedros IV. von P. vom 29. April 1826, dem Acto addicional der Königin Maria II. vom 5. Juli 1852 und den Gesetzen vom 21. Mai und 24. Juli 1885. Hiernach ist die königliche Würde nach dem Rechte der Erstgeburt in der männlichen und weiblichen Linie des Hauses Sachsen-Koburg-Gotha-Bragança erblich; der König wird mit zurückgelegtem 18. Lebensjahr volljährig; während seiner Minderjährigkeit regiert eine von den Cortes eingesetzte Regentschaft. Die gesetzgebende Gewalt üben die Cortes, die Sanktion der Gesetze ist der Krone vorbehalten. Die Cortes sind zusammengesetzt aus der Pairskammer und aus der Deputiertenkammer. Die Pairskammer besteht aus dem Kronprinzen und seinen Brüdern, 13 Prälaten, 100 vom König auf Lebenszeit ernannten und 50 durch Delegierte der Distrikte, der Universität und andrer wissenschaftlicher Institute gewählten Mitgliedern. Die gewählten Pairs müssen mindestens 40 Jahre alt sein und bestimmte andre Bedingungen erfüllen, teilweise auch den Höchstbesteuerten angehören. Die Deputierten werden unmittelbar auf vier Jahre gewählt. Ihre Zahl ist seit 1895: 120. Die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts ist von dem Besitz der Staatsangehörigkeit, der bürgerlichen und politischen Rechte, der Großjährigkeit und eines Jahreseinkommens abhängig, das für die Wähler mindestens 100, für die Abgeordneten mindestens 400 Milreis beträgt. Offiziere, Priester, Doktoren und Personen mit höherer Schulbildung sind von dieser Bedingung befreit. Die Cortes werden jährlich einberufen. Die Deputiertenkammer ist berechtigt, die Minister und Staatsräte in Anklagestand zu versetzen; für diese sowie für die Mitglieder des königlichen Hauses, die Pairs und Abgeordneten besteht die Pairskammer als Staatsgerichtshof. Für die Selbstverwaltung sind errichtet: die Generaljunta im Distrikt, die Munizipalkammer in der Gemeinde und die Parochialjunta in jedem Kirchspiel. Die Mitglieder der erstgenannten werden von den Munizipalkammern gewählt.
Die Staatsverwaltung wird von sieben Ministerien geleitet und zwar: für die innern Angelegenheiten (einschließlich Unterricht), für die Justiz (nebst Kultus), für die Finanzen, für den Krieg, für die Marine und die Kolonien, für die auswärtigen Angelegenheiten, für öffentliche Arbeiten, Handel und Industrie. Der Staatsrat hat bloß beratende Befugnisse. P. mit den Azoren und Madeira zerfällt in 21 Distrikte (s. Tabelle, S. 180, wo auch die ehemaligen 6 Provinzen angegeben sind); diese sind in 292 Concelhos (Gemeindebezirke) und diese wieder in 3912 Kirchspiele eingeteilt. In jedem Distrikt ist mit der Leitung der Verwaltung der Zivilgouverneur betraut, der gleichzeitig dem Verwaltungsgerichtshof in dem Distrikt vorsteht. In den Gemeindebezirken sind die Verwalter mit Regierungsgeschäften betraut, neben denen die Regedores in den Kirchspielen als Polizeibeamte erscheinen. Die Rechtspflege wird ausgeübt von dem obersten Gerichtshof in Lissabon, von 5 Berufungsgerichten, den Geschwornengerichten, den Gerichtshöfen erster Instanz in den Comarcas, den ordentlichen Einzelrichtern und den Friedensrichtern. Außerdem gibt es Handelsgerichte und für das staatliche Geldwesen den Rechnungshof (tribunal de contas).
Der Staatshaushalt von P. ergibt fast jährlich einen Fehlbetrag. Die Staatsschuld war von 1853 bis 1892 um 8 Mill. Milreis im Jahresdurchschnitt angeschwollen, so daß 1892 die Zinsen der innern Anleihen auf 70 Proz., die der äußern auf 331/3 Proz., letztere in Gold zahlbar, herabgesetzt werden mußten. Später sind entsprechende Abkommen mit den Staatsgläubigern abgeschlossen worden. Seit der Zinsverkürzung war der jährliche Fehlbetrag im Durchschnitt 3,300,000 Milreis. Für 1903/04 betrugen die Einnahmen (in Milreis):
Die Ausgaben betrugen (M. = Ministerium):
[Heerwesen.] Die allgemeine Wehrpflicht ist durch die Gesetze vom 12. Sept. 1887 und 27. Sept. 1895[182] eingeführt. Doch ist Loskauf vom Dienst bei der Fahne und in der ersten Reserve gestattet. Die Militärpflicht beginnt mit dem vollendeten 20. Lebensjahr und dauert 3 Jahre im aktiven Heer, 5 in der ersten, 7 in der zweiten Reserve. Die erste Reserve übt jährlich 30 Tage. Die Zahl der Rekruten wird alljährlich durch die Volksvertretung (Cortes) bestimmt. In den letzten Jahren sind jährlich 15,000 Rekruten zum Dienst bei der Fahne eingetreten. Vom Militärdienst sind die Ernährer von Familien, Ordensgeistliche, Eigentümer und Bedienungsmannschaften von Rettungsbooten u. a. befreit. Gebildete junge Leute dienen ein Jahr, ähnlich wie in Deutschland. Soldaten, die zwei Jahre unter der Fahne gedient, können unter Umständen gleich zur Reserve erster Klasse entlassen werden. Der Reserve zweiter Klasse werden auf 15 Jahre die noch nicht eingestellten Ausgehobenen, diejenigen, die sich vom aktiven Dienst losgekauft haben, und diejenigen, die unter Militärmaß (1,54 m) sind, zugewiesen: Einziehung nur im Kriegsfalle. Sämtliche, auch die gedienten Wehrpflichtigen stehen vom vollendeten 35. bis zum 45. Lebensjahre noch 10 Jahre in den Listen der Territorialarmee: im Kriegsfalle Verwendung als Besatzungstruppen in der Nähe ihrer Wohnorte. Es bestehen im Frieden folgende Truppenkörper: Infanterie: 24 Regimenter zu je 3, auf den Azoren und Madeira 3 zu je 2 Bataillonen, 6 Jägerbataillone zu je 6 Kompanien; zu jedem Bataillon gehört 1 Zug Sappeure und Velozipedisten, zu jeder Kompanie eine Mitrailleusenabteilung, zusammen 84 Bataillone; Kavallerie: 10 Regimenter zu je 4 Eskadrons, zusammen 40 Eskadrons; Feldartillerie: 6 Regimenter zu je 6 fahrenden Batterien zu je 6 Geschützen, 2 Batterien reitender Artillerie zu je 6 Geschützen, 2 Gebirgsbatterien zu je 6 Geschützen, zusammen 40 Batterien; Festungsartillerie: 6 Abteilungen zu je 3 Kompanien und 4 selbständige Kompanien auf den Inseln, zusammen 22 Kompanien; Genietruppen: 1 Regiment zu 10 Kompanien, davon 6 Sappeur- und Mineur-, 2 Pontonier-, 1 Feldtelegraphen-, 1 Eisenbahnkompanie, außerdem 3 selbständige Kompanien (Festungssappeure, Torpedo- und Festungstelegraphenkompanie), zusammen 13 Kompanien; Train: 1 Verwaltungskompanie. Zur Armee gehören ferner die Munizipalgarde (Gendarmerie) und die Fiskal- (Zoll- u. Grenz-) Wache mit (1904/05) 500, bez. 400 Mann Rekruten. Die Friedensstärke des Heeres war für 1904/05 auf 30,000 Mann festgesetzt. Der Friedensstand der einzelnen Truppenteile ist sehr wechselnd. Das Königreich ist in drei Militärkreise (Porto, Vizeu, Lissabon) zu je 2 Territorialdivisions- zu je 2 Brigade zu je 2 Regimentsbezirken eingeteilt. Die Azoren bilden ein Militärkommando zu je 2, Madeira ein solches mit einem Regimentsbezirk. Bei einer Mobilmachung sollen die Truppen erster Linie, einschließlich Fiskal- und Munizipalgarde rund 3000 Offiziere, 117,000 Mann, diejenigen zweiter Linie rund 145,000 Mann zählen. Die Infanterie ist mit dem 8 mm-Kropatschek-Gewehr M/86, die Kolonialtruppen und die Kavallerie mit dem 6,5 mm-Mannlicher-Karabiner M/96 bewaffnet, die Neubewaffnung der Infanterie mit 6,5 mm-Mauser-Gewehren ist eingeleitet. Die fahrende Artillerie wird mit einem Rohrrücklaufgeschütz von Schneider-Creusot von 7,5 cm Kaliber bewaffnet, die reitende Artillerie hat ein 8 cm-Federsporngeschütz von Krupp. Außer der Heeresschule (Escola do Exercito) in Lissabon, die junge Leute von 1621 (Heeresangehörige bis 25) Jahren zum Offizier oder auch Zivilingenieur u. dgl., in einer besondern Kriegsabteilung Offiziere von mindestens zweijähriger Dienstzeit als Offizier zum Generalstab vorbildet, gibt es je eine praktische Infanterie- und Kavallerieschule in Mafra, bez. Villa Viçosa für Offizieraspiranten, beide mit Instruktionstruppen versehen. Als Vorbereitung zur Heeresschule dient ein für Offiziersöhne bestimmtes Militärkollegium in der Nähe von Lissabon. Zur Vorbereitung für die Unteroffizierslaufbahn dient die Schule Real Casa Pia in Lissabon. Unter den zahlreichen, meist praktisch bedeutungslosen Festungen sind das befestigte Lager von Lissabon (eine Schöpfung der neuesten Zeit), die Befestigungsanlagen an der Douromündung und bei Elvas hervorzuheben. Artillerieschießplätze existieren in Vendas Novas und Alcochete. Große Aufmerksamkeit wird technischen Neuerungen geschenkt, vgl. Motorwagen, S. 193. An Kolonialtruppen bestehen in Angola: 1 Batterie, 1 Eskadron, 2 gemischte Kompanien Artillerie und Infanterie, 1 europäische, 16 eingeborne Infanteriekompanien, 1 Polizeikorps, 1 Disziplinarbataillon, 4 Depotkompanien; in Mosambik: 1 Batterie, 2 Eskadrons, 2 gemischte Kompanien Artillerie und Infanterie, 2 europäische und 10 eingeborne Infanteriekompanien, 4 Depotkompanien; in Indien: 1 Batterie, 1 Peloton Dragoner, 1 europäisches, 4 eingeborne Infanterieregimenter, 1 Polizeikorps, zusammen etwa 10,500 Mann.
Die Kriegsflotte umfaßte 1906: 1 veraltetes Küstenpanzerschiff von 3220 Ton., 5 geschützte kleine Kreuzer von 16604100 T., 3 ungeschützte kleine Kreuzer, 12 Kanonenboote, 1 Torpedobootszerstörer und 4 kleine Torpedoboote; ferner eine alte Segelfregatte als Artillerieschulschiff, 2 Schiffsjungenschulschiffe, 2 Schultorpedoboote und eine königliche Jacht. Das Personal umfaßt etwa 300 Seeoffiziere, etwa 250 Ingenieure, Ärzte, Zahlmeister, Seekadetten und etwa 5000 Unteroffiziere, Matrosen und Heizer. S. auch die »Karte der Seestreitkräfte und Flottenstützpunkte« bei Artikel »Marine«.
Das Wappen Portugals besteht aus einem silbernen Schild, der mit 5 kleinen blauen Schildchen in Form eines Kreuzes belegt ist, von denen jedes 5 Silbermünzen zeigt. Dieser Wappenschild ist von einem breiten roten Rand mit 7 goldenen Türmen (Algarve) umgeben (s. Tafel »Wappen II«, Fig. 18). Die Flagge Portugals ist senkrecht gestreift, blau halb so breit wie weiß, mit auf der Grenze beider Streifen aufgelegtem, gelb umrandetem und gekröntem Wappenschild (s. Tafel »Flaggen I«). Die Landesfarben sind Blau und Weiß. Die Hauptstadt ist Lissabon. P. hat folgende Orden: den Christusorden (s. Tafel »Orden II«, Fig. 20), die Militärorden von San Thiago und São Bento de Aviz, den Orden da Torre e Espada, den Orden de Nossa Senhora da Conceição de Villa Viçosa und den Zivilorden für landwirtschaftliche und industrielle Verdienste, endlich den Frauenorden der heil. Isabella.
Über den Kolonialbesitz Portugals vgl. den besondern Artikel »Portugiesische Kolonien« (S. 187) mit Übersicht der Kolonialgeschichte.
[Geographisch-statistische Literatur.] Vgl. J. v. Minutoli, P. und seine Kolonien (Stuttg. 1855, 2 Bde.); Rouffeyroux, Le P. (Par. 1880); Aldama-Ayala, Compendio geographico-estatistico de P. e sus posesiones ultramarinas (Madr. 1880); Crawfurd, P., old and new (Lond. 1880); Passarge, Aus dem heutigen Spanien und P. (Leipz.[183] 1883, 2 Bde.); Müller-Beeck, Eine Reise durch P. (Hamb. 1883); Willkomm, Die pyrenäische Halbinsel, Bd. 1 (Prag 1884); de Vezelay, Le P. politique (Par. 1891); Tavares de Medeiros, Staatsrecht des Königreichs P. (in Marquardsens »Handbuch des öffentlichen Rechts«, Freib. 1892); Braga, Ethnographia portugueza (Lissab. 1885, 2 Bde.); »Le P. géographique, ethnologique, administratif, économique, littéraire, artistique, historique etc.« (von verschiedenen Verfassern, Par. 1900); »Le P. an point de vue agricole« (Lissab. 1900); A. de Andrade, P. economico (das. 1902); Calderaio, P. von der Guadiana zum Minho, Land und Leute (Stuttg. 1903); Reisehandbücher von Bädeker (»Spanien und P.«, 3. Aufl., Leipz. 1906) und Hartleben (»Spanien und P.«, 2. Aufl., Wien 1892), in englischer Sprache von Murray (Lond.), O'Shea (das.), franz. von Lavigne (Par.). Ferner die amtlichen Werke: »Annuario estatistico de P.«; »Estatistica de P., População«; »Estatistica geral do commercio de P.«; »Boletin official« etc. Karten: Carta chorographica dos Reinos de P. e Algarve in 37 Blättern (1:100,000, noch unvollendet); Folque, Carta geographica de P. (1:500,000, 1870 ff.); Weiteres s. die Textbeilage zum Artikel »Landesaufnahme«, S. III.
Portugals älteste Geschichte ist mit der der ganzen Pyrenäenhalbinsel untrennbar verknüpft. Unter seiner keltiberischen Urbevölkerung legten die Karthager ihre Faktoreien an, dann fiel es an die Römer, die es erst der Hispania ulterior zuteilten. Seit 27 v. Chr. bildete es den Hauptbestandteil der Provincia Emeritensis. Bei der germanischen Invasion ließen sich Alanen und Sueven in P. nieder, das nach dem Sturze des Gotenreichs von den Mauren in Besitz genommen wurde. Die Wiedereroberung Lusitaniens begann der erste König von Kastilien, Ferdinand I. (10371065), der alles Land bis zur Mündung des Mondego unterwarf und es nach der Stadt Portus Cale (Porto) benannte. Sein jüngerer Sohn Alfons VI. verlieh gegen das Jahr 1095 P. als Grafschaft seinem Eidam Heinrich, einem burgundischen Edlen. Schon dieser suchte aber sich der Lehnspflicht gegen Kastilien zu entziehen, ein Bestreben, das durch die Erbteilung Kastiliens (1157), bei der P. an kleon fallen sollte, und durch die Ehebündnisse zwischen dem portugiesischen und den andern peninsularen Herrscherhäusern unterstützt wurde. Schon nach dem glänzenden Siege über die Sarazenen bei Qurique (25. Juli 1139) nahm Affonso I. (s. Alfons 15) den Königstitel an und übte, indem er die Cortes nach Lamego berief, tatsächlich königliche Rechte aus. Für ihn eroberten Kreuzfahrer 25. Okt. 1147 Lissabon, das nun, anstatt Coimbra, Hauptstadt des Landes wurde. Seine Nachfolger taten mehr für die innere Entwickelung des Landes als für dessen Vergrößerung und gerieten dabei mit der immer mächtiger werdenden Geistlichkeit in Streitigkeiten, die schließlich die Absetzung Sanchos II. durch Papst Innozenz IV. und seine Ersetzung durch seinen Bruder zur Folge hatten. Ihr Ende fanden diese erst durch die sogen. vierte Concordia 1309, in der König Diniz die Stellung des Staates zur Kirche endgültig regelte. Inzwischen hatte Affonso III. (124579) dem Reiche seine endgültige Gestalt gegeben, indem er den Mauren Algarve abnahm; er nannte sich seitdem »König von P. und Algarve«. Sein Sohn Affonso IV. (132557) verbündete sich gegen die furchtbaren Kriegsrüstungen des Sultans Abul Hassan von Marokko mit den Königen von Kastilien und Aragonien und nahm ruhmreichen Anteil an dem großen christlichen Siege am Saladofluß (30. Okt. 1340). Unter ihm und seinem ebenso strengen wie wohltätigen Sohne Pedro I. (135767) machten auch Wohlstand und Gewerbfleiß in P. beständige Fortschritte. Wein, Öl und Salz wurden in großen Mengen ausgeführt; Lissabon war eine der wichtigsten Handelsstädte Europas, in deren Hafen oft zugleich 450 Seeschiffe lagen, und in der die fremden Nationen eigne Faktoreien stifteten. Die bedeutendsten Städte waren schon so weit erstarkt, daß sie durch die königlichen Privilegien (foraes) das Recht eigner Wahl ihrer Beamten und Richter erhielten und ihre Abgeordneten neben Adel und Geistlichkeit in der Volksvertretung, den Cortes, erschienen. Aber die Regierung Fernandos I. (1367 bis 1383) setzte durch innere Streitigkeiten und durch unglückliche Kämpfe mit Kastilien, die sogar 1372 die Niederbrennung eines großen Teiles von Lissabon herbeiführten, dieser gedeihlichen Entwickelung ein Ziel. Von seiner Gattin Leonora Tellez de Meneses hatte er nur eine Tochter, Beatrix, und so endete mit ihm 1383 der echte burgundische Stamm des portugiesischen Königshauses.
Da die Königin-Witwe Leonora ihre Tochter dem König Johann von Kastilien vermählte, die Portugiesen aber die kastilische Herrschaft durchaus nicht dulden wollten, erhoben sie einen illegitimen Bruder Fernandos I., João (Johann) I., auf den Thron. Die Angriffe der Kastilier wurden durch den glänzenden Sieg bei Aljubarrota (1385) endgültig abgewehrt. Unter Joao I. (13851433) beginnt die Heldenzeit des portugiesischen Volkes. Er nahm den Krieg gegen die Ungläubigen wieder auf, setzte nach Afrika über und eroberte Ceuta etc. (1415). Um diesen Gewinn zu sichern, begannen die Portugiesen die Erforschung des nordwestlichen Afrika. Joaos jüngster Sohn, Henrique (Heinrich), »der Seefahrer«, übernahm die Leitung dieser Fahrten, die bei seinem Tode (1460) bereits bis zur Sierra Leone vorgedrungen waren und durch ihren Erfolg den Wunsch erzeugten, Afrika zu umschiffen und zur See direkt bis zu den Reichtümern Indiens vorzudringen. Zwar war ein Teil des Gewinns von 1415 im J. 1418 verloren gegangen,[184] und unter Affonso V. (s. Alfons 19) trat ein Stillstand in den Entdeckungsfahrten ein. Dafür aber ward der Staat im Innern gefestigt. Der Infant Dom Pedro, als Vormund Affonsos, verkündete 1446 die »Ordonnanzen des Königs Affonso V.«, eine Sammlung und Sichtung der bisherigen Gesetze sowie des Gewohnheitsrechts, die aus dem justinianischen und dem kanonischen Recht ergänzt wurden. Affonso selber scheiterte zwar in seinen Bemühungen, das Erbrecht seiner Gemahlin Juana, der angeblichen Tochter Heinrichs IV. von Kastilien, auf dieses Land geltend zu machen, und mußte im Ewigen Frieden (1479) auf seine Ansprüche verzichten; dafür eroberte er aber in Afrika Alkazar (Kasr el Kebir), Arzilla und das wichtige Tang er (1471). Die trotzige Macht des Adels, der seinem Vater viel zu schaffen gemacht hatte, wurde von Joao II. (s. Johann 26) gebrochen, der auch die von den Vasallen widerrechtlich eingenommenen Krongüter zurückforderte und jene der höchsten Gerichtsbarkeit des Monarchen wieder unterwarf. Unter ihm entdeckte Bartholomeu Diaz 1486 das Kap der Guten Hoffnung. 1494 schloß Joao in Tordesillas einen Vergleich mit Spanien, wonach alle neu zu entdeckenden Länder jenseit des 21. Grades westlich von den Kapverdischen Inseln den Spaniern, alle östlich jenes Grades gelegenen den Portugiesen gehören sollten. Manuel (Emanuel) der Große (14951521) erhob P. zum Gipfel der Macht und des Reichtums. Während er die portugiesischen Besitzungen in Nordafrika ausdehnte, gelangte Vasco de Gama 1498 an die Küsten Indiens, begründeten hier Almeida und Albuquerque die Herrschaft Portugals, dehnten sie über Ceylon, die Molukken und Gewürzinseln aus und knüpften Handelsverbindungen mit China an. Anderseits landete Cabral (1500) in Brasilien und nahm dieses ungeheure Gebiet für P. in Besitz. Die Schätze des Orients strömten in Lissabon zusammen, um von hier aus nach den verschiedenen europäischen Ländern verschifft zu werden. Ein neues Gesetzbuch verbesserte die Fehler und Mängel der Assonsinischen Ordonnanzen. Und doch beginnt schon unter Manuel der Verfall des Reiches. Die Austreibung der Mauren und Juden schlug dem Ackerbau und dem Gewerbfleiß eine tiefe Wunde. Der abenteuernde Sinn, den die überseeischen Unternehmungen nährten, und das schnelle Sinken des Geldwertes infolge des reichen Zuflusses der Edelmetalle erschütterten die Grundlagen des Staates. Überdies führte João III. (152157) die Inquisition in sein Land ein und lieferte Staat und Schule dem Einfluß der Geistlichkeit aus. So kam es, daß König Sebastião (155778), der Enkel Joaos III., dessen sechs Söhne vor ihm gestorben waren, von Kreuzzugsideen erfüllt, persönlich gegen die Mauren von Afrika zu Felde zog, aber fast mit seinem ganzen Heer 4. Aug. 1578 bei Kasr el Kebir (s. d.) den Tod fand. So erlosch nach dem kurzen Zwischenregimente des Kardinals Enrique 1580 auch der Mannesstamm der unecht burgundischen Linie.
Unter den zahlreichen Bewerbern um den Thron von P. war der volkstümlichste der Prior Anton von Crato, ein unehelicher Sohn von Manuels d. Gr. zweitem Sohn; der nächstberechtigte war Philipp II. von Spanien, als Sohn der ältesten Tochter Manuels. Die Waffen entschieden für Philipp, für den Alba bis zum Herbst 1580 P. eroberte. Antonio mußte nach England fliehen. Im April 1581 erkannten die Cortes von Thomar Philipp als König an, der nach kurzem Aufenthalt in Lissabon den Kardinal Erzherzog Albrecht zum Statthalter von P. ernannte. Der portugiesische National stolz ertrug nur widerwillig die Angliederung an das mächtigere Nachbarreich, bei der die besondern Interessen von P. natürlich hinter denen des Gesamtstaates zurücktreten mußten. Dazu kam, daß die Verbindung dem Lande direkt empfindliche Nachteile zufügte. Jetzt wurden die Niederländer auch von P. ausgeschlossen, und da sie aus dem Handel mit diesem ihren hauptsächlichen Reichtum gezogen hatten, drangen sie nun selbst nach den portugiesischen Kolonien vor und setzten sich in Ceylon, in Indien, vorübergehend auch in Brasilien fest. Bei der steigenden Mißstimmung wendeten sich die Sympathien des Volkes in P. mehr und mehr dem Hause von Bragança zu, das, von einer natürlichen Tochter Manuels d. Gr. stammend, zum Träger der nationalen Bestrebungen wurde. Lange Zeit gelang es den Spaniern, den Ehrgeiz der Braganças durch Hofgunst unschädlich zu machen. Als aber der katalonische Aufstand die Kraft Spaniens fesselte und P. die Gelegenheit zu einer allgemeinen Erhebung benutzte, da fand endlich auch der Herzog von Bragança den Mut, sein Geschick mit dem seiner Volksgenossen zu verbinden, und ließ sich 1. Dez. 1640 in Lissabon zum König ausrufen. Von Frankreich mit Geld, Waffen und Führern unterstützt, trugen die Portugiesen eine Reihe von Siegen über die spanischen Heere davon, bei Elvas (1659), bei Amexial (1663) und ganz besonders bei Villa Viçosa (17. Juni 1665). Darauf mußte Spanien (13. Juni 1668) den Frieden von Lissabon abschließen, der Portugals Selbständigkeit anerkannte und nur Ceuta den Spaniern beließ.
Joao IV. (164056) und sein ältester Sohn, Affonso VI. (165667), waren schwache Regenten. Doch gelang es, wenigstens Brasilien den Holländern zu entreißen, mit denen 1669 ein endgültiger Friede gemacht wurde. Affonso ward von seiner eignen Gemahlin Marie von Savoyen-Nemours zur Abdankung gezwungen; sie ehelichte seinen jüngern Bruder, Dom Pedro II., der bis zum Tode Affonsos (12. Sept. 1683) als Regent, dann als König (16831706) mit Einsicht und Wohlwollen herrschte. Nach außen war P. völlig Ludwig XIV. untertan, der dieses Land, das er vor Spanien gerettet hatte, wie ein unterworfenes behandelte. Mit Sehnsucht wünschten die Portugiesen sich diesem Verhältnis zu entziehen, um so mehr, als sie für ihren Handel auf das Wohlwollen der Seemächte, zumal Englands, angewiesen waren. Als nun im Beginn des Spanischen Erbfolgekriegs die Seemächte mit Blockierung der portugiesischen Küsten drohten, wurde Pedro II. gezwungen, im Mai 1703 einen Bündnisvertrag mit jenen Mächten und einen Handelsvertrag mit England zu unterzeichnen, der P. kommerziell allerdings ganz an England auslieferte. Unter Joao V. (170650) wurden die Verhältnisse noch schlimmer. Während P. im Spanischen Erbfolgekriege gar keine Erfolge erzielte, die innern Freiheiten durch Nichteinberufung der Cortes ganz unterdrückt wurden, während Heer und Flotte verfielen, gab der König fast die gesamten Einkünfte des Landes für kirchliche Zwecke aus. Ein Patriarchat wurde in Lissabon errichtet und mit sinnloser Verschwendung ausgestattet. Dafür erhielt der geistesschwache König vom Papste den Ehrentitel rex fidelissimus. Erst mit der Thronbesteigung Josephs I. (175077) trat eine Wendung zum Bessern ein. Dieser überließ die Regierung ganz seinem Minister José von Carvalho, Marquez von Pombal (s. d.), der in einsichtiger,[185] wenn auch überstürzender Weise eine gänzliche Reform durchführte, durch Gesetz, Kerker und Schafott die Macht der Geistlichkeit und des Adels brach, die Jesuiten aus dem Lande verwies (1759) und alle Zweige der Verwaltung sowie Heer und Flotte auf das vorteilhafteste reformierte. Er gestaltete den Unterricht in modernem Sinn um und suchte handelspolitisch P. von der englischen Übermacht zu befreien. Ein Angriff der mit Frankreich verbündeten Spanier ward 1762 erfolgreich zurückgewiesen. Nach dem Erdbeben von Lissabon (1. Nov. 1755) stellte Pombal die Hauptstadt schöner wieder her als sie früher gewesen. Leider wurden die meisten Reformen Pombals wieder vernichtet durch Josephs Tochter Maria I. (17771816), die ganz unter dem Einflusse der Geistlichkeit stand und den großen Minister sofort verabschiedete. Da sie 1792 in Wahnsinn verfiel, übernahm ihr Sohn João VI. die Regierung, die er bis zu ihrem Tode (1816) als Regent, dann (181626) als König führte. Auch er war schwach und unwissend. Der englische Einfluß veranlaßte ihn, 1793 der ersten Koalition gegen Frankreich beizutreten; dabei erlitt die portugiesische Handelsflotte schwere Verluste. Spanien und Frankreich begannen im Frühjahr 1801 den sogen. Pomeranzenkrieg gegen P., der aber schon 6. Juni zum Frieden von Badajoz führte; P. mußte Olivença an Spanien abtreten, 25 Mill. Fr. an Frankreich bezahlen und die englischen Schiffe von den portugiesischen Häfen ausschließen. Aber das Ansinnen Napoleons (1805), England den Krieg zu erklären, wies der Regent zurück. Darauf schloß Napoleon mit Spanien in Fontainebleau (im Oktober 1807) einen Vertrag zur Teilung Portugals, dessen Norden dem König von Etrurien, dessen Süden dem spanischen Minister Godoy, dessen Kolonien Spanien und Frankreich zufallen sollten. Vor den einrückenden Franzosen unter Junot schifften sich der Regent und sein Hof 27. Nov. 1807 nach Brasilien ein.
Die Erhebung Spaniens veranlaßte auch die Portugiesen zum Aufstande gegen die Franzosen (im Juni 1808). Mit englischer Unterstützung wurde Junot 21. Aug. bei Vimeiro geschlagen und durch die Kapitulation von Cintra (30. Aug.) zur Räumung Portugals verpflichtet. Ein neuer Angriff durch Marschall Soult (1809) scheiterte ebenfalls. Im August 1810 rückte Masséna mit vier Armeekorps in P. ein; allein da er die starken Linien von Torres-Vedras, mit denen Wellington die Hauptstadt geschützt hatte, nicht zu nehmen vermochte, wurde er im November zum Rückzuge nach Spanien gezwungen. So war P. befreit. Allein da João VI. beharrlich in Brasilien blieb, bemächtigten sich die Engländer unter General Beresford gänzlich Portugals, das nur die französische Fremdherrschaft mit der englischen vertauscht zu haben schien. Ein erster Aufstandsversuch unter Gomez Freyre mißlang (im Oktober 1817). Als aber Beresford nach Brasilien reiste, um sich mit dem König zu verständigen, brach die Empörung von neuem aus (24. Aug. 1820), verbreitete sich schnell über das Land, und eine sofort eingesetzte Generaljunta verkündigte eine sehr radikale Verfassung (im September 1820), die im März 1821 von den Cortes gebilligt wurde. Um das Königtum nicht ganz verschwinden zu lassen, kehrte João im Sommer 1821 nach P. zurück. Brasilien (s. d.) aber machte sich daraufhin unabhängig.
In P. aber dauerten die Unruhen fort. Absolutisten und Konstitutionelle standen sich auf das feindseligste gegenüber. An die Spitze der erstern traten die Königin Carlotta und Joãos zweiter Sohn, Dom Miguel (s. d.), und mit Hilfe des Heeres stieß dieser die Septemberverfassung um (im Juni 1823). Als er aber seinen Vater festnehmen und sich selbst zum König machen wollte, entkam João auf ein englisches Schiff und nötigte Dom Miguel, in die Verbannung zu gehen (im Mai 1824). Nach Joãos Tod (10. März 1826) trat Pedro I. von Brasilien, da er nicht zugleich in beiden Ländern herrschen konnte, P. 2. Mai an seine erst siebenjährige Tochter Donna Maria II. da Gloria ab, die nach einer freisinnigen Verfassung regieren und später ihren Oheim Dom Miguel heiraten sollte. Ein Aufstand der Absolutisten unter dem Marquez von Chaves (1826) wurde mit englischer Hilfe niedergeschlagen. Um aber die Parteien zu versöhnen, ernannte Pedro I. den Dom Miguel zum Regenten, der zwar die Verfassung beschwor, kaum zur Herrschaft gekommen, aber dieselbe umstieß (im März 1828), die alten Cortes von Lamego berief und von diesen (30. Juni 1828) die Krone annahm. Vor seiner Gewaltherrschaft flüchteten die Konstitutionellen nach der Azoreninsel Terceira und errichteten hier unter Palmella eine Regentschaft im Namen Donna Marias. Dom Pedro dankte in Brasilien ab, um die Sache seiner Tochter in P. zu führen. Von England und Frankreich mit Truppen unterstützt, landete er (im März 1832) auf Terceira und ging von da nach Porto, das sich alsbald für ihn erklärte. Napier als Flottenbefehlshaber und zu Lande Palmella und Villaflor besiegten die Anhänger Dom Miguels, und als auch Spanien den Konstitutionellen Hilfe sandte, wurde Miguel 15. Mai 1834 bei Thomar gänzlich geschlagen und mußte im Vertrag von Evora (26. Mai) der Krone entsagen. Nun führte Dom Pedro die Charte von 1826 wieder ein, starb aber schon 24. Sept 1834. Maria II. wurde für volljährig erklärt und erst mit dem Prinzen von Leuchtenberg, dann mit Ferdinand von Koburg vermählt. 1836 wurde die Königin gezwungen, eine radikale Verfassung einzuführen, und ein Gegenaufstand der gemäßigten Chartisten unter Palmella und dem Herzog von Terceira scheiterte (im September 1837). Aber 1842 erlangten die Chartisten wieder die Oberhand, stellten die Charte Dom Pedros her und regierten unter der Ministerpräsidentschaft erst Terceiras und dann Palmellas. 1857 erlangten die Septembristen unter Saldanha wieder die Oberhand. Darüber starb Maria da Gloria (15. Nov. 1853), und es folgte ihr ältester Sohn, Pedro V., zunächst unter der Vormundschaft seines Vaters, seit 1855 selbständig. Dem Herzog von Loulé gelang es, 1857 ein Versöhnungsministerium zu bilden, das alle konstitutionellen Parteien vereinte. Der junge König wurde aber schon 6. Nov. 1861 durch ein typhöses Fieber hinweggerafft, dem auch seine junge Gemahlin und zwei seiner Brüder erlagen. Die Parteiwirren dauerten auch unter Luiz I. (186189; s. Ludwig 55) fort, während die notdürftigsten Reformen unterblieben und das Volk in Erschlaffung und Hilflosigkeit verharrte. Die Krone war den Faktionen gegenüber völlig machtlos. 1870 erzwang Saldanha durch einen Aufstand die Entlassung des Ministeriums Loulé, wurde aber im Herbst 1871 durch die Gemäßigten (Regeneradores) wieder gestürzt, die von Fontes Pereira de Mello geführt wurden. Dieser behauptete, mit Unterbrechungen, bis 1886 die Gewalt, reorganisierte das Heer, schuf ein Eisenbahnnetz, verfaßte neue Straf- und Zivilgesetzbücher, erweiterte das Wahlrecht zur Zweiten Kammer und führte eine Anzahl gewählter Mitglieder in die Erste Kammer ein. Leider[186] vermochte er der Zerrüttung der Finanzen nicht abzuhelfen. 1886 wurde er von den Progressisten unter de Castro abgelöst, die aber keine wesentlichen Reformen bewirkten. Im Vordergrund des nationalen Interesses standen die Kolonialangelegenheiten. Durch die Kongoakte (1885) hatte P. einen beträchtlichen Teil des untern Kongogebietes dem König der Belgier überlassen müssen. Daher strebte nun die Regierung die Stärkung der übrigen Kolonien an. Mit Deutschland ward 30. Dez. 1886 eine Übereinkunft über die Grenzen der beiderseitigen Besitzungen in Afrika geschlossen, 1887 Angola durch eine einheimische Truppenmacht und Anlegung einer Bahn gesichert. Anderseits ließ sich P. 26. März 1887 Macao förmlich von China abtreten. Gegenüber den englischen Ausdehnungsplänen im innern Afrika erließen 1889 die Kammern eine Erklärung, welche die Rechtsansprüche Portugals festlegte und die Regierung aufforderte, dieselben entschieden aufrechtzuerhalten. Inzwischen starb König Ludwig I. 19. Okt. 1889, und es folgte ihm sein ältester Sohn, Karl I., der ausdrücklich erklärte, in den Bahnen seines Vaters weiter fortschreiten zu wollen. Zunächst mußte er die kolonialen Differenzen zum Austrag bringen, die durch das Vorgehen von Serpa Pinto im Schiregebiet einen bedrohlichen Charakter angenommen hatten. Zwei Ministerien kamen darüber zu Falle, ehe es gelang, das verletzte Nationalgefühl mit den Ansprüchen Englands auszusöhnen. Erst die Erkenntnis, daß in letzter Instanz die Existenz der Monarchie auf dem Spiele stand, brachte in P. eine Einigung aller monarchischen Elemente zustande, und bewog England, den Umständen Rechnung zu tragen. So kam das Abkommen vom 28. Mai 1891 zustande, das zwar das englische Übergewicht bestätigte, äußerlich aber die nationale Empfindlichkeit schonte. Bald darauf brach in P. eine Finanzkrisis aus. Die Unmöglichkeit, den finanziellen Verpflichtungen gerecht zu werden, die ihr aus den Eisenbahngarantien erwuchsen, veranlaßte die Regierung, 1892 die Zinsen der auswärtigen Schuld willkürlich auf ein Drittel herabzusetzen, und diese Maßregel wurde zunächst trotz der energischen Proteste, besonders auch von seiten Deutschlands, im wesentlichen aufrechterhalten. Erst 1898 konnte durch beiderseitiges Entgegenkommen eine Verständigung über diese Angelegenheit herbeigeführt werden. In demselben Jahre feierte P. mit glänzenden Festen das 400jährige Jubiläum der Entdeckung des Seeweges nach Indien. Aller Glanz aber vermochte nicht die Tatsache zu verdecken, daß P. in vollkommene Abhängigkeit von England geraten ist. In dem südafrikanischen Kriege mußte P. trotz seiner Neutralitätserklärung es dulden, daß England über Mosambik und Beira verfügte, als wenn es Herr in diesem Gebiete wäre, und die Erklärung, die König Karl I. bei der Anwesenheit eines englischen Geschwaders in Lissabon (5. Dez. 1900) über die Existenz eines englisch-portugiesischen Bündnisses abgab, war eher geeignet, das Abhängigkeitsverhältnis zu bestätigen, als in Abrede zu stellen. Trotzdem haben die Bemühungen verschiedener neuerer Ministerien um Reformen im Innern das Ansehen der Regierung gehoben und die unmittelbare Gefahr einer antidynastischen Propaganda beseitigt. Dagegen ist es bis jetzt nicht gelungen, das Gleichgewicht im Staatshaushalte wiederherzustellen.
[Geschichtsliteratur.] Vgl. De Sousa, Historia genealogica da casa real portugueza (Lissab. 1535 bis 1549, 20 Bde.); »Collecção dos documentos y memorias da Academia real de historia portugueza« (das. 172236, 15 Bde.); De Santarem, Quadro elementar das relações politicas e diplomaticas de P. (Par. 184262, 18 Bde.); Herculano, Historia de P. (Lissab. 184552, 4 Bde., bis Alfons III.; 4. Aufl. 1868 ff.); Schäfer, Geschichte von P. (Hamb. u. Gotha 183654, 5 Bde.); Mac Murdo, History of P. (Lond. 188891, 11 Bde., bis 1279 reichend); Rebello da Silva, Historia de P. nos seculos 17 e 18 (Lissab. 186071, 5 Bde.); Oliveira Martins, Historia de P. (4. Aufl. 1887); Texeirados Vasconcellos, Le P. et la maison de Bragance (Par. 1859); Gledroyc, Résumé de l'histoire du P. an XIX. siècle (das. 1876); Halliday, The present state of P. (Edinb. 1877); Ribeiro, Historia dos establecimentos scientificos, litterarios e artisticos de P. (Lissab. 187181, 9 Bde.); Haupt, Die Baukunst der Renaissance in P. (Frankf. a. M. 189095, 2 Bde.); José de Amaral B. de Toro, Diccionario de numismatica portugueza (Porto 1872 ff.); Texeira de Aragão, Descripcão das moedas cunhadasen nome dos reis de Portugal. Literatur zur Kolonialgeschichte Portugals s. Artikel »Portugiesische Kolonien«.
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