Ehe

[493] Ehe (vom althochdeutschen ewa, eha, ea, e, d.i. Gesetz), 1) im weiteren Sinne früher jede Verbindlichkeit, daher Ehehasten, aus besonderer [493] Verbindlichkeiten stammende Hindernisse; 2) (Matrimonium), die durch Liebe bedingte gesetzmäßige Vereinigung eines Mannes u. Weibes zu vollständiger Gemeinschaft aller Lebensverhältnisse. Die Thatsache, daß die Menschheit nach Gottes Ordnung aus zwei verschiedenen Geschlechtern besteht, deren keines für sich den Charakter der Menschheit vollkommen darstellen kann, die Nothwendigkeit u. der Drang einer geordneten Vermischung der Geschlechter zur gesunden Fortsetzung des Menschengeschlechtes u. die Erfahrung aller Zeiten u. Völker haben die E. als eine moralisch, physisch u. rechtlich nothwendige Einrichtung dargethan, welche im Welt- u. Staatsleben sich als Selbstzweck bethätigt. Wenn als Zweck der E. von Einzelnen Erziehung u. Erzeugung der Kinder, geordnete Befriedigung des Geschlechtstriebes, gegenseitige Aushülfe in allen Lebenslagen, moralische Veredelung etc. hervorgehoben wird, so ist davon doch keiner für sich allein genügend, um das Wesen der E. in allen seinen Beziehungen genügend zu erklären; vielmehr kann dies nur in der Zusammenfassung aller menschlichen Beziehungen gefunden werden. In diesem Sinne wird die E. schon im Römischen Rechte sehr treffend als Viri et mulieris conjunctio individuam vitae consuetudinem continens (wozu das Canonische Recht erläuternd gesetzt hat i. e. talem se in omnibus exhibere viro, qualis ipsa sibi est, et e converso), od. als Consortium omnis vitae, divini et humani juris communicatio erklärt. Die E. ist deshalb auch keineswegs als ein bloßer Vertrag aufzufassen, wenn auch ihre Eingehung, wie manche andere nähere Festsetzung bei ihr, auf Vertrag beruhen kann. Wie die Familie, deren wesentlichste Grundlage sie bildet, gehört sie vielmehr offenbar einer höheren Ordnung an, welche ihren wesentlichen Inhalt, wie ihre Wirkungen der Willkür der Ehegatten entrückt u. unter unwandelbare Gesetze stellt. Der Versuch mancher neuerer Philosophen, namentlich der St. Simonisten), eine sogenannte Freie E. zu begründen, in welcher man alle diese Gesetze aufheben u. die Verbindung als eine rein menschliche der größten Willkür unterstellen wollte, ist daher ebenso durchaus fehlgeschlagen, als dies mit der damit in Verbindung stehenden sogenannten Emancipation der Frauen geschehen ist. Das höhere Wesen der E. hat sich dagegen schon dadurch an den Tag gelegt, daß dieselbe sich zu allen Zeiten unter einem religiösen Schutze stehend findet, nach welchem sowohl die Eingehung von jeher an religiöse Gebräuche u. Förmlichkeiten gebunden war, als auch die Auflösung meist nicht ohne Mitwirkung von Priestern u. Religionsdienern erfolgen durfte. Diese religiöse Grundlage hat die E. namentlich im Christenthum (s. unten I.); allein auch bei den Ehen der nichtchristlichen Völker (s. unten II.) läßt sich dasselbe bemerken.

I. Die Christliche Ehe: A) Die Quellen des Eherechtes. Nach den Grundsätzen der Christlichen Religion gilt die E. als ein der besonderen Gnade Gottes u. deshalb auch des Segens der Kirche bedürftiges Institut. In der Heil. Schrift wird die E. dem Verhältniß zwischen Christus u. der Gemeinde verglichen (Matth. 5, 31. 19, 3–9. Marc. 10, 2–12. Röm. 7; I. Korinth. 7. Ephes. 5, 22 ff.). Die Disciplin der alten Kirche kannte daher schon früh eine kirchliche Form ihrer Abschließung: die Einsegnung durch den Priester. Die Kirchenväter (z.B. Tertullian) bezeichnen bereits eine ohne solche Einsegnung eingegangene Verbindung, wie sie allerdings nach dem Römischen Rechte (s. unten II. B) b) erlaubt war, als nahe an der Grenze der Sünde liegend, u. von Augustin wurde die E. zuerst ein Sacrament genannt. Seit dieser Zeit suchte die Kirche die E. immer mehr u. mehr zu ihrem ausschließlichen Ressort zu bringen u. die kirchlichen Vorschriften auf dieselbe auszudehnen. Dies gelang ihr auch bis zur Reformation fast vollständig. Die bürgerliche Gesetzgebung zog sich immer mehr u. mehr blos auf die Ordnung der mit der E. verbundenen Standes- u. Vermögensverhältnisse zurück, während sie die Frage über Gültigkeit, Dauer u. Auflösbarkeit derselben der Kirche überließ u. derselben zur Vollziehung ihrer Anordnungen auch ausdrücklich od. stillschweigend den weltlichen Arm lieh. Grundlage des gesammten Eherechts ist hierdurch für die Katholiken das Canonische Recht (s.d.) geworden, u. das Concilium von Trient vollendete gewissermaßen diese Richtung, indem es ausdrücklich nicht blos den Sacramentsbegriff der E. unter Bedrohung mit dem Anathem für Alle, welche denselben leugnen würden, feststellte, sondern auch die Gesetzgebung u. das Gericht über die Gültigkeit der E. ausschließlich der Kirche zusprach. Allein durch die Reformation wurde dies wesentlich geändert. Von den Reformatoren wurde die Sacramentseigenschaft der E. von Anfang an in Abrede gestellt. Sie erkannten zwar auch an, daß der Ehestand eine natürliche Heiligkeit besitze u. von Gott eingesetzt sei, allein sie betrachteten doch denselben zunächst mehr als ein bürgerliches Verhältniß, das nur durch den Segen der Kirche eine höhere Weihe zu empfangen habe. Demgemäß legten die Protestanten gleich Anfangs dem Landesherrn nicht nur das Recht bei, Ehegesetze zu erlassen, sondern verlangten wegen der verschiedenen Grundlage, welche sie dem Eherecht gaben, solche sogar ausdrücklich, u. so kam auch dieser Theil der kirchlichen Gesetzgebung in die Hände der protestantischen Landesherren. Diese stellten den neuen Geist des Eherechtes hauptsächlich in den Kirchen-, Consistorial- u. Eheordnungen des 16. u. 17. Jahrh. fest, wobei jedoch immer auf die Heilige Schrift, auf die Symbolischen Bücher u. das Canonische Recht, soweit es noch anwendbar erschien, zurückgegangen wurde. Es erscheinen daher diese Gesetze, zumal dieselben immer unter wesentlicher Mitwirkung von Geistlichen zu Stande kamen, immer noch als Ausflüsse der Kirchengewalt; die E. stand fortwährend unter der kirchlichen Oberaufsicht u. Gerichtsbarkeit, u. es ist dadurch erklärlich, daß der kirchliche Standpunkt der überwiegende blieb u. Differenzen zwischen diesem u. den rein bürgerlichen Interessen nicht leicht vorkommen konnten. Die neuere Zeit hat dagegen allerdings, u. zwar nicht blos in protestantischen, sondern auch in katholischen Ländern, zu solchen Differenzen vielfach Anlaß geboten. Die größere Ausbildung der Staatsgewalt in allen ihren Theilen hat auch die staatliche Bedeutung der E. mehr in den Vordergrund gestellt u. bald dazu Veranlassung gegeben, daß die kirchliche u. die bürgerliche Eigenschaft des ehelichen Verhältnisses ganz gesondert worden ist, bald wenigstens insoweit eingewirkt, daß das Eherecht zunächst im Interesse der bürgerlichen Ordnung durch mancherlei Staatsgesetze geregelt worden ist, deren [494] Beobachtung der Staat dann auch den kirchlichen Behörden zur Pflicht gemacht hat. Auf ersterem Wege ist der kirchlichen E. gegenüber in Frankreich die Civilehe (s.d.) entstanden; auf dem anderen Standpunkte stehen mehr od. weniger alle neueren Gesetzgebungen. Da indessen hierbei den kirchlichen Grundsätzen u. Traditionen zuweilen sehr wenig Rechnung getragen worden ist, so hat dieser letztere Weg zu mancherlei Streitigkeiten zwischen der Staatsgewalt u. den Dienern der Kirche geführt, welche bes. auf dem Gebiete der Gemischten Ehen (s.d.), bei der Frage über den Umfang der Zulässigkeit der Ehescheidungen (s.d.), der Wiederverehelichung geschiedener Personen etc. in schroffer Weise hervorgetreten sind. Seit dieser Zeit unterscheidet man wohl zwischen einem Matrimonium ratum, der kirchlich rechtsgültig eingegangenen E., u. Matrimonium legitimum, derjenigen, welche nach den bürgerlichen Gesetzen als vollgültig zu betrachten ist, u. nennt Matrimonium ratum et legitimum die, welche beide Voraussetzungen in sich vereinigt. Die hierdurch entstandenen Differenzen würden zwar am einfachsten durch allgemeine Annahme der Civilehe ihre Erledigung finden, wenn nicht aus anderen Gründen eine solche gänzliche Absonderung des kirchlichen u. bürgerlichen Elementes große Bedenken erregen müßte. Kann sich der Staat hierzu nicht entschließen, so wird derselbe den Zwiespalt kaum anders lösen können, als daß er seine Gesetzgebung den Dogmen der in ihm herrschenden Religionsgemeinschaften möglich anschließt u. für solche Fälle, in welchen er dies nicht vermag, aber dessenungeachtet die E., resp. deren Lösung, für zulässig ansehen zu müssen glaubt, eigene, bürgerliche Formen schafft, damit den Dienern der Kirche kein Zwang angethan werde. Auf diesem Wege die kirchlichen u. bürgerlichen Rechtssätze über die E. wieder zu einer Versöhnung zu bringen, ist unverkennbar das Streben der neuesten Gesetzgebung. Nicht überall ist dies Streben bisher von Erfolg gewesen, u. noch vielfach bestehen daher die Gegensätze als unausgeglichen. Am meisten sind neuerdings über die Gesetzgebung des Preußischen Landrechts derartige Kämpfe geführt worden, welches, indem es bei seinen ehe rechtlichen Vorschriften die Natur eines Vertrags zur Basis genommen u. das Eherecht auf dieser Grundlage unter dem Einfluß freierer Ansichten ausgebildet hat freilich auch zu sehr weitgreifenden, mit den sonstigen kirchlichen Ansichten oft in großer Disharmonie stehenden Consequenzen gelangt ist. Weniger sind solche Differenzen bei dem Österreichischen Gesetzbuch hervorgetreten, da dieses, nach Beseitigung des freieren Ehepatents Josephs II. vom Jahre 1783, wenigstens in seinen materiellen Vorschriften im Wesentlichen bei den Grundsätzen des Canonischen Rechtes verblieb. Nur daß die Ehegerichtsbarkeit (s. unten E) ganz dem weltlichen Richter überlassen war, wurde von Seiten der Kirche immer lebhaft angefochten. Neuerdings ist aber durch das Concordat vom 18. Aug. 1855 u. Gesetz vom 8. Octbr. 1856 auch letztere der Kirche zurückgegeben u. das Eherecht der Katholiken ganz auf den Grund der canonischen Vorschriften restaurirt worden. Andere neue Ehegesetze sind noch das Ehegesetz vom 25. Aug. 1834 für das Herzogthum Sachsen-Gotha, die Eheordnung für das Herzogthum Sachsen-Altenburg vom 12. Mai 1837, das Gesetz über die Ehescheidungen für das Fürstenthum Schwarzburg-Sondershausen vom 30. Aug. 1845. Dieselben folgen im Allgemeinen dem Preußischen Landrecht, indessen ohne so weit zu gehen, wie dieses.

B) Die Eingehung der Ehe setzt zu ihrer Vollgültigkeit nach ihrer eben geschilderten Natur das Vorhandensein sowohl gewisser materieller Vorbedingungen, als eine gewisse Form voraus. Das gegentheilige Vorhandensein der ersteren wird unter dem Namen der Ehehindernisse begriffen. Dieselben werden gewöhnlich als Impedimenta dirimentia (trennende Ehehindernisse) bezeichnet, wenn sie den Rechtsbestand der E. selbst aufheben u. durch ihre Nichtbeachtung die E. zu einer nichtigen machen; als Impedimenta impedientia (aufschiebende Ehehindernisse), wenn ihre Nichtbeachtung zwar mit gewissen Nachtheilen für die Eheschließenden od. den Geistlichen bedroht ist, dagegen doch bei einmal formell eingegangener E. nicht zu einer Annullirung derselben führt. Nach anderen Richtungen unterscheidet man noch Impedimenta privata u. I. publica, in sofern dieselben entweder durch Verzichtleistung der Betheiligten gehoben werden können od. zu einer Annullirung von Amtswegen führen; sowie Impedimenta absoluta, welche die Abschließung einer E. überhaupt, u. Impedimenta relativa, welche sie nur mit bestimmten Personen ausschließen.

Als Aa) trennende, aber zunächst nur a) private Ehehindernisse gelten: aa) wenn die Einwilligung zur E. durch Furcht u. Gewalt erzwungen wurde; selbst der Eid des Gezwungenen ist in solchem Falle nach Canonischem Rechte unverbindlich; bb) Irrthum ist nach Canonischem Rechte nur dann ein Hinderniß, wenn derselbe die Identität od. den freien Stand, nach der Auffassung der Theologen u. Juristen des späteren Mittelalters auch wenn er nur solche wichtige Qualitäten der anderen Person betraf, welche die ganze Persönlichkeit betreffen (Error qualitatis, qui involvit errorem personae), wie z.B. die Schwangerschaft der Brant von einem Dritten, eine bleibende Gemüthskrankheit etc. Das Evangelische Kirchenrecht ist hierin noch weiter gegangen, indem es den Irrthum als Annullationsgrund überhaupt bei späterer Entdeckung solcher Mängel gelten läßt, welche das Wesen der E. selbst gefährden, wie bei körperlichen, die Geschlechtsvereinigung hindernden Gebrechen u. selbst nur größeren sittlichen Gebrechen, insbesondere schon bei Mangel an Virginität u. groben Vergehen, deren sich der Ehegatte vor der Eingehung schuldig gemacht hat. In beiden Kirchen wird indessen dabei anerkannt, daß das Recht auf Annullation der E. zu klagen, sowohl bei Zwang als bei Irrthum durch spätere ausdrückliche od. stillschweigende Genehmigung, als welche letztere auch schon die freiwillige Vollziehung des Beischlafs od. längeres Beisammenwohnen zu gelten hat, aufgehoben wird; cc) das Unvermögen zur ehelichen Beiwohnung bildet, sobald es dem anderen Theile bei Vollziehung der E. bekannt war, kein Ehehinderniß. Ebenso wird eine erst während der E. entstandene Impotenz nicht als Scheidungsgrund, sondern, wie jede andere Krankheit, als ein von beiden gemeinschaftlich zu tragendes Schicksal angesehen. Wenn dagegen die Impotem schon vor der Abschließung[495] der E. vorhanden u. bei derselben dem Andern unbekannt geblieben war, auch sich nach ärztlicher Untersuchung als unheilbar herausstellt, so bildet dieselbe als wesentlicher Irrthum über eine Grundbedingung der E. ebenfalls einen Annullationsgrund. Über die Ehen der Castraten sprach schon das Römische Recht die absolute Nichtigkeit aus, u. eine Verordnung des Papstes Sixtus V. vom Jahre 1589 wiederholte das Verbot; dd) die gewaltsame Entführung wurde von Justinian u. auch durch das spätere Canonische Recht für ein Ehehinderniß erklärt, welches die Ehe zwischen dem Entführer u. der Entführten schlechthin unzulässig mache. Das neuere Recht hat die Entführung unter den allgemeinen Gesichtspunkt des Zwanges gestellt u. sieht die E., wenn die Entführte nur später mit voller Freiheit einwilligte, für gültig an. b) Die öffentlichen trennenden Ehehindernisse sind: aa) Mangel der gehörigen Geschlechtsreife, Der Eintritt der Pubertät ist im Canonischen Rechte nach dem Römischen Recht bestimmt: bei Knaben das vollendete 14., bei Mädchen das vollendete 12. Jahr. Die neueren Particularrechte haben indessen überall den Termin der Heirathsfähigkeit weiter hinausgesetzt. In Preußen dürfen Mannspersonen vor dem 18., Mädchen vor dem 14. Jahre keine E. eingehen, doch wird eine früher eingegangene dann gültig, wenn die Eltern, beziehendlich der Vormund, einwilligen u. Dispensation ertheilt wird. Im Herzogthum Sachsen-Altenburg dürfen Mannspersonen vor dem vollendeten 24. Jahre nicht heirathen; im Königreich Sachsen nicht vor dem 21., in Kurhessen nicht vor dem 22., Mädchen nicht vor dem 18. In Baden ist die Heirathsfähigkeit bei Männern auf das zurückgelegte 18., bei Frauen auf das 15. Jahr festgesetzt; bis zum vollendeten 25. u. resp. 18. ist aber immer noch ein polizeilicher Dispens nothwendig. In Württemberg ist der Volljährigkeitstermin (25 Jahr) das Heirathsalter. Nur das Österreichische Recht ist bei dem 14. Jahre stehen geblieben; bb) Verschiedenheit der Religion (Disparitas cultus). In der Katholischen Kirche wird das Verbot der E. zwischen Getauften u. Ungetauften unbedingt festgehalten, sodaß bei dem Übertritt solcher Personen zur Katholischen Kirche es sogar einer neuen Vollziehung zur Gültigmachung der E. bedarf, u. ihm sind auch die Territorialrechte der wesentlich katholischen Staaten, wie Baiern u. Österreich, gefolgt. Ebenso hat das Protestantische Kirchenrecht dies früher festgehalten. Erst im gegenwärtigen Jahrh. haben einzelne Landesgesetzgebungen, wie das (später aber wieder aufgehobene) Mecklenburgische Edict vom 22. Febr. 1812 u. Weimarische Edict vom 20. Juni 1823, um die Juden zur Einheit des bürgerlichen Lebens heranzuziehen, die E. mit Juden unter der Bedingung, daß die Kinder christlich erzogen würden, gestattet. Noch weiter sind das Braunschweigische Gesetz vom 23. Mai 1848 u. die Hamburger provisorische Verordnung vom 25. September 1851 gegangen, welche die E. zwischen Juden u. Christen überhaupt ganz freigegeben haben. Das Preußische Allgemeine Landrecht verbietet dieselbe nicht ausdrücklich, u. es ist daher darüber Zweifel, ob dieselbe zulässig sei. Von Seiten der christlichen Religionsdiener ist die Einsegnung derselben jedoch immer verweigert worden. Über die E. zwischen Gliedern verschiedener christlicher Religionsgemeinschaften (z.B. zwischen Katholiken u. Protestanten) s.u. Gemischte Ehen. cc) Eine schon bestehende E., da nach der christlichen Auffassung der E. Polygamie durchaus nicht gestattet ist. Diesen Grundsatz haben auch die neueren Gesetzgebungen durchaus festgehalten, u. das einzige Beispiel einer Doppelehe, welches die Reformirte Kirche in der Ehe Philipps des Großmüthigen von Hessen aufzuweisen hat (die freilich selbst Melanchthon nicht zu mißbilligen wagte) kann dagegen nur als eine von rechtlichem Standpunkt aus oft angezweifelte Singularität gelten. dd) Ein feierliches Gelübde der Keuschheit, als welches jedoch selbst nach katholischer, durch eine Bestimmung des Papstes Bonifaz VIII. gebilligten Auffassung nur der wirkliche Eintritt in einen religiösen Orden u. die Erlangung der höheren Weihen betrachtet wird. Die Protestantische Kirche erkennt, weil sie dergleichen Orden nicht kennt, u. ebenso den Cölibat (s.d.) der Priester verworfen hat, auch dieses Hinderniß nicht an, sondern betrachtet die Verletzung eines solchen Gelübdes nur als eine Gewissenssache. ee) Gewisse Verbrechen, wenn sie das Mittel gebildet haben, um die E. zu Stande zu bringen. Als solche Verbrechen betrachtet das Canonische Recht den Ehebruch u. die Ermordung od. Lebensnachstellung des einen Ehegatten durch den anderen insoweit, daß der Ehebrecher nicht später mit der Ehebrecherin, der Mörder nicht mit dem, mit welchem er sich zur Ermordung verabredet hatte, sich gültig verehelichen kann. Beide Ehehindernisse beruhen in ihrem ersten Grunde in der öffentlichen Buße, welche die Verbrecher in der alten Gemeinde zu thun hatten; allein auch nach Wegfall derselben sind die Eheverbote stehen geblieben u. auch von der Evangelischen Kirche anerkannt, nur daß dabei das aus dem Ehebruch stammende Hinderniß in manchen Ländern, wie z.B. in Sachsen, auf den Fall beschränkt worden ist, wenn die vorige Ehe um seinetwillen geschieden, nicht wenn sie blos durch den Tod gelöst wurde. ff) Zu große Nähe der Verwandtschaft. Die Grundsätze über dieses Ehehinderniß, welches auf der wohlbegründeten Wahrnehmung beruht, daß die Verwandtenliebe mit der Geschlechtsliebe sich nicht wohl verträgt, u. Heirathen unter zu nahverwandten Personen leicht zur Degeneration des Geschlechtes führen, haben selbst im Canonischen Rechte mehrfach gewechselt, wozu die Verschiedenheit, welche zwischen dem Römischen u. Germanischen Rechte hinsichtlich der Berechnungsweise der Grade der Verwandtschaft obwaltet, bes. beigetragen hat. Nach Römischem Recht galten die Ehen bis in den 6. Grad, welcher nach römischer Rechtsansicht überhaupt die Grenze der Cognation bildete, als verboten; im 8. Jahrh. wurden von Gregor II. alle Ehen unter Verwandten mit dem Anathem belegt. Später wurde bes. für Deutschland das Verbot auf die 4. Generation beschränkt, u. auf diese Grenze wurden, nach mannigfachem Wechsel, durch Innocenz III. im Jahr 1216 endlich die Eheverbote überhaupt reducirt. Diese Beschränkung bildet daher auch jetzt noch in der Katholischen Kirche die Regel; jedoch wird dieselbe in den entfernteren Graden durch leicht zu erlangende Dispense sehr gemildert. Die protestantischen Kirchenordnungen u. die neueren Landesgesetze haben dies Ehehinderniß meist auf einen noch engeren Kreis von Verwandten zurückgeführt, so daß sie meist nur die E. zwischen Geschwistern[496] (wie das Preußische Landrecht) u. höchstens noch zwischen Geschwisterkindern verbieten, bei letzteren dann aber ebenfalls Dispensation zulassen. gg) Die Schwägerschaft findet sich im älteren Canonischen Rechte unter den Ehehindernissen nicht blos als Affinitas primi gradus (als Verhältniß des einen Ehegatten zu den Blutsverwandten des anderen), sondern auch als Affinitas secundi gradus (als Verhältniß zu den Verschwägerten des anderen Ehegatten), ja selbst als Quasi-affinitas (Verhältniß des einen Verlobten zu den Blutsfreunden des anderen) u. wurde die E. bei allen 3 Arten in fast demselben Umfange, wie die wirkliche Verwandtschaft, verboten. Innocenz III. trat auch hier beschränkend ein u. führte das Verbot auf den 4. Grad zurück. Die evangelischen Kirchenordnungen der früheren Zeit führen die Schwägerschaft nur in demselben beschränkten Verhältniß als Ehehinderniß auf, wie sie die Verwandtschaft als solches kennen, u. neuere Landesgesetze haben sie sogar nur auf die auf- u. absteigende Linie reducirt. Auf nachgebildeter Verwandtschaft beruht endlich noch hh) das Ehehinderniß wegen geistlicher Verwandtschaft (Cognatio spiritualis), welche durch das Sacrament der Taufe zwischen den dabei betheiligten Personen entsteht. Auf Grund derselben galt namentlich im 13. Jahrh. die E. zwischen dem Tausenden, dem Täufling u. dessen Eltern, zwischen den Pathen unter sich, so wie zwischen dem Täuflinge u. den Kindern der Pathen als verboten. Nach dem neueren Canonischen Recht gilt die E. nur noch zwischen dem Tausenden u. den Pathen einerseits u. dem Täuflinge u. dessen Eltern andererseits für verboten. Die Evangelische Kirche verwarf das Verbot der E. zwischen den Pathen schon in den Schmalkaldischen Artikeln ausdrücklich; das Verbot der E. zwischen dem Täufling u. den Pathen kommt zwar in einzelnen älteren Kirchenordnungen noch vor, das neuere Recht hat dieses Ehehinderniß aber überhaupt beseitigt.

Noch zahlreicher fast, als die trennenden, sind Bb) die die aufschiebenden Ehehindernisse, indem namentlich die neuere Landesgesetzgebung dieselben aus nur bürgerlichen u. zum Theil sogar blos polizeilichen od. disciplinären Rücksichten sehr vermehrt hat. Die hauptsächlichsten Ehehindernisse dieser Art sind: a) die mangelnde Einwilligung der Eltern, beziehendlich bei elterlosen Waisen des Vormundes. In dieser Weise ist das Ehehinderniß für die Katholische Kirche namentlich durch das Tridentinische Concil festgestellt worden. In den neueren Gesetzgebungen herrscht, wie auch schon in den älteren evangelischen Kirchenordnungen, über dies Ehehinderniß große Verschiedenheit. Viele betrachten dasselbe nicht blos als ein aufschiebendes, sondern als ein trennendes Hinderniß u. geben daher den Eltern, resp. dem Vormund, bei Umgehung desselben, ein Recht auf Annullation; andere unterscheiden zwischen den in väterlicher Gewalt u. den nicht mehr in solcher stehenden Kindern u. betrachten nur bei ersteren den Mangel des Consenses als trennendes, bei den letzteren als aufschiebendes, zuweilen noch mit besonderen Nachtheilen, z.B. der Gestattung gänzlicher Enterbung, bedrohtes Hinderniß. Durchgängig gestatten die neueren Gesetze aber, daß der mangelnde Consens der. Eltern, resp. des Vormundes, sobald die Weigerung auf ungenügenden Gründen beruht, durch den Richter ersetzt werden kann; b) ein bestehendes Verlöbniß; c) ein unfeierliches Gelübde der Keuschheit; d) ein Verbot des geistlichen Oberen, bis zur Erledigung gewisser Anstände die E. zu vollziehen; e) die geschlossenen Zeiten (Tempus clausum), d.h. Zeiten, in welchen, weil in derselben die Kirche den Sinn der Gläubigen für ihre Feier bes. in Anspruch nimmt, die Vollziehung der Ehen nicht gestattet wird. Nach Canonischem Rechte gehört dahin die Advents- u. Fastenzeit; Particularrechte haben dies zum Theil noch weiter, wie z.B. in Württemberg bis zum Verbot feierlicher Copulationen an allen Sonn- u. Festtagen ausgedehnt; f) aus den oben erwähnten mehr polizeilichen u. disciplinaren Rücksichten die Bestimmungen, nach welchen der Consens des Landesherrn od. der vorgesetzten Dienstbehörde bei Verheirathung der Staatsdiener, des Regimentscommandeurs, bezüglich des Regenten, bei Verheirathung der Militärpersonen (wobei zur Erlangung des Consenses gewöhnlich der Nachweis eines bestimmten Vermögens vorausgesetzt wird), der Gemeindebehörden zur Vereheilgung armer, aus Gemeindemitteln erhaltener Personen, der Gutsherrschaft zur E. der Gutsunterthanen, sowie bei der E. zwischen Ausländern u. Inländern die Genehmigung der ausländischen Behörde erfordert wird. Die letzt gedachte Genehmigung ist sogar durch eine zwischen den meisten deutschen Staaten unter dem 15. Juli 1851 zur Vorbereitung eines allgemeinen deutschen Heimathsrechts getroffenen Convention in der Weise ausgedehnt u. zur allgemeinen Regel erhoben worden, daß die contrahirenden Staaten sich ausdrücklich verpflichtet haben, keine Verheirathung eines ihrer Angehörigen, sei es mit einer Inländerin od. Ausländerin, ohne Consens der Heimathsbehörde desselben zu gestatten. Alle Ehehindernisse können übrigens der Regel nach durch Dispensation (s.d.) gehoben werden. Als indispensabel gelten nur diejenigen Hindernisse, welche unmittelbar aus der Natur u. Offenbarung fließen, wie namentlich das Verbot einer zweiten E. bei Lebzeiten des anderen Ehegatten, das Hinderniß der Verwandtschaft in auf- u. absteigender Linie u. unter Geschwistern der Schwägerschaft im ersten Grade der absteigenden Linie, der Religionsverschiedenheit, u. wenn Ehebruch mit wirklicher Tödtung des vorigen Ehegatten vorausging. Die Dispensationen von allen trennenden Ehehindernissen sind in der Katholischen Kirche bei dem Papste, von den blos aufschiebenden bei den Bischöfen zu suchen. In der Evangelischen Kirche steht das Dispensationsrecht dem Landesherrn zu, welches derselbe jedoch nur in den wichtigeren Fällen selbst ausübt, in den minder wichtigeren dagegen entweder durch das Cultusministerium od. die Consistorien ausüben läßt. Ist eine E. ohne Beachtung eines bestandenen Ehehindernisses, aber in dem guten Glauben, daß ein solches nicht vorhanden sei, abgeschlossen worden, so wird das Verhältniß eine putative E. genannt. In diesem Falle werden derselben bis zur wirklich eingetretenen Annullation die Wirkungen einer wirklichen E. beigelegt, u. es gelten daher namentlich auch die aus einer solchen erzeugten Kinder als eheliche.

Die Formd er Ehe schließung besteht nach vorausgegangenem Aufgebot (s.d.) in der, dem kirchlichen Ritus gemäß zu verrichtenden Trauung (s.d.). Nachdem in dem früheren Canonischen [497] Rechte, wie auch in dem Römischen, eine solche Form als wesentlich nicht bestanden hatte, wurde sie zuerst durch das Tridentinische Concil in der Weise als absolut nothwendig festgesetzt, daß die beiden Theile ihre Absicht, eine E. einzugehen, vor dem rechtmäßigen Pfarrer u. mindestens 2 Zeugen erklären müssen (Declaratio consensus coram parocho et testibus). Hierdurch ist daher der Abschluß einer sogenannten Gewissensehe (Matrimonium conscientiae), bei welcher die beiden Theile ohne kirchliche Erklärung nur thatsächlich in ehelicher Verbindung leben, dem eigentlichen Begriffe der E. enthoben; die Verbindung kann nur als Concubinat (s.d.) angesehen werden. Zur Abgabe der Erklärung haben sich beide Personen persönlich vor dem Pfarrer einzufinden. Durch Bevollmächtigte (per procuram) wird die Abschließung der E. ausnahmsweise bei fürstlichen Personen gestattet. Die darauf gewöhnlich folgende kirchliche Einsegnung, welche die Volksmeinung als den eigentlich wesentlichen Act ansieht, betrachtet dagegen die Katholische Kirche als eine zwar schickliche, keineswegs aber nothwendige Solennität. Die Evangelische Kirche weicht aber hiervon insofern ab, daß sie die kirchliche Einsegnung ausdrücklich fordert u. in derselben das eigentlich formelle Moment für den Abschluß findet. Die geschlossene Ehe muß der Pfarrer in den Kirchenbüchern eintragen; doch dient dieser Eintrag nur zum Beweise, der im Nothfall auch auf andere Weise geführt werden kann. Ebenso wenig ist die Vollziehung des Beischlafes zur juristischen Existenz der E. erforderlich. Zwar kommt es in älteren Particularrechten, deren Grundsätze zuweilen auch in Rechtssprüchwörtern ausgedrückt worden sind (z.B. ist das Bett beschritten, so ist das Recht erstritten; wenn die Decke über dem Kopfe ist, sind beide Ehegatten gleich reich; französisch Au coucher gagne la fémme son douaire), vor, daß gewisse Wirkungen der E., insbesondere die ehelichen Güterrechte u. die Standesrechte der Ehefrau erst durch Beschreitung des Ehebettes als gleichsam den Besitzergreifungsact begründet wurden; aber in den neueren Rechten ist auch dies überall unpraktisch geworden. Über die Vollziehungsform bei der Civilehe, s.d.

C) Die Wirkungen der E. bestimmen sich im Wesentlichen nach ihrem Begriffe u. Zwecke. Da dieser in Herbeiführung vollständigster Lebensgemeinschaft besteht, so umfassen dieselben das ganze persönliche, wie vermögensrechtliche Verhältniß der beiden Ehegatten. Die vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten zu einander u. zu den aus der E. hervorgehenden Kindern zu anderen ist lediglich Sache des bürgerlichen Rechtes. Die beiden Ehegatten können die diessalsigen Rechte u. Verbindlichkeiten durch besonderen Vertrag (Eheverträge, Eheberedungen, Ehepacten, Pacta dotalia, auch Ehezärter, Heirathsnoteln genannt) näher festsetzen, welche alsdann zunächst die Entscheidungsnorm zu bieten haben. Sie können sowohl vor, als während der E. geschlossen werden; ihr Inhalt ist nur dadurch beschränkt, daß sie nichts dem Wesen u. Zwecke des ehelichen Verhältnisses. direct Zuwiderlaufendes enthalten dürfen, im Übrigen hängt er ganz von der Willkür der Ehepacten ab. Sie bedürfen auch, insofern sie nicht zugleich für den Todesfall Näheres festsetzen u. dadurch in das Gebiet letztwilliger Verordnungen fallen, keiner besonderen Form der Errichtung. Sind aber solche Ehepacten nicht vorhanden, so hat alsdann lediglich das Gesetz zu entscheiden. Für Deutschland sind dabei als Hauptrichtungen, in denen das Eherecht in dieser Beziehung sich ausgebildet hat, 2 Systeme zu unterscheiden: a) das System des Dotalrechts, welches im Wesentlichen darauf beruht, daß die Vermögensmassen der beiden Ehegatten getrennt bleiben u. nur von Seiten der Ehefrau entweder aus ihrem Vermögen od. aus dem ihrer Verwandten zur Tragung der Ehelasten ein Beitrag unter dem Namen Dos, Heirathsgut, Aussteuer etc. gewährt wird; u. b) das System der ehelichen Gütergemeinschaft, bei welcher die beiderseitigen Vermögensmassen entweder ganz od. doch zum Theil in eine, unter der Verwaltung des Mannes stehende Gemeinschaft vereinigt werden. Beide Systeme kommen indessen mit sehr verschiedenartigen Modificationen u. Abstufungen vor, vgl. Dos u. Gütergemeinschaft. In persönlicher Hinsicht sind die Ehegatten einander zu gegenseitiger Treue u. Liebe, sowie zur Gewährung der ehelichen Pflicht (Debitum conjugale) in den Grenzen, welche leibliches Wohl u. keuscher Sinn gebieten, verbunden. Die obere Leitung des Hauswesens gebührt dem Manne, u. insoweit ist er auch berechtigt, von der Frau Gehorsam zu fordern. Der Mann hat daher auch über den Wohnsitz zu entscheiden, u. die Frau ist ihm auch bei Veränderung desselben zu folgen verpflichtet, insoweit diese Veränderung nicht durch eine Causa turpis, wie etwa ungesetzliches Auswandern, Flucht etc. veranlaßt worden ist. Dagegen hat die Frau den Anspruch, daß ihr der Mann auch nach seinen Kräften Schutz u. Unterhalt gewähre. Sie hat daher Antheil am Namen, Rang u. Gerichtsstand des Mannes; sie kann verlangen, daß der Mann sie vor Gericht vertheidige u. ihr, selbst während eines Scheidungsprocesses, die nöthigen Alimente reiche. In Betreff der aus der E. geborenen Kinder endlich bestehen die Hauptwirkungen der E. in der Erzeugung der elterlichen, für den Vater der väterlichen Gewalt (vgl. Eltern), für die Kinder in der Legitimität derselben, welche ihnen die Familienrechte, die Rechte auf Alimentation u. Erziehung, sowie eventuell auf Beerbung der gestorbenen Eltern als deren nächste Verwandten verschafft. Eine Ausnahme bezüglich dieser Wirkungen, welche selbst bei den noch vor der E. erzeugten Kinder durch die sogenannte Legitimatio per subsequens matrimonium (s.u. Legitimation) herbeigeführt werden, machten nur die sogenannten Mißheirathen (Disparagia), welche dann entstehen, wenn der männliche Theil dem höheren Adel angehört u. der weibliche Theil nicht den Vorzug der Ebenbürtigkeit (s.d.) genießt. Die Folgen einer solchen sind, daß sowohl die Frau als auch die Kinder nicht am Range u. Stande des Mannes Theil nehmen u. Letztere auch nicht in die eigentlichen Stamm- u. Familiengüter des Vaters successionsberechtigt sind. Wird dies Verhältniß gleich bei Abschließung der E. vertragsmäßig näher bestimmt, wobei dann für den Verlust der Successionsrechte auch besondere Abfindungen ausgesetzt zu werden pflegen, so erhält die E. den Namen der Morganatischen, Salischen E. od. E. zur linken Hand, auch Heirath ins Blut, nicht aber ins Gut od. nicht in den Stand. Ehen dieser Art, von denen aus neuerer Zeit die des verstorbenen[498] Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen mit der Gräfin Auguste von Harrach, jetzigen Fürstin von Liegnitz, des Kurfürsten Wilhelm II. von Hessen mit der Gräfin Reichenbach-Lessonitz, des Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. von Hessen mit Gertrude Falkenstein, jetzt Fürstin von Hanau u. Gräfin von Schaumburg, des Königs Friedrich VII. von Dänemark mit Luise Lehnsgräfin Danner, bemerkenswerthe Beispiele darbieten, können aber heutzutage regelmäßig nur bei den Mitgliedern souveräner u. ehemals reichsständiger Familien vorkommen; anderen adeligen Personen kann nur dann die Befugniß, eine solche an sich mit dem Begriffe der E. nicht harmonirende Verbindung einzugehen, verstattet sein, wenn der Landesherr hierzu seine besondere Genehmigung ertheilen sollte. Auch die Morganatische E. muß übrigens, abgesehen von den Rang- u. Successionsverhältnissen, in allen anderen Beziehungen durchaus als eine vollkommen bürgerliche u. kirchlich wirksame E. betrachtet werden, so daß sowohl die Frau als rechtmäßige Frau erscheint, als auch die Kinder die Rechte u. Pflichten ehelicher Kinder u. keineswegs die Stellung bloßer Concubinenkinder erhalten.

D) Die Dauer der E. ist schon ihrem Begriff nach in der Regel eine lebenslängliche, so daß a) nur der Tod des einen od. anderen Theiles sie zu lösen vermag. Selbst nach dem Tode hat die Christliche Kirche die Einsegnung einer zweiten E. (gestützt auf I. Cor. 7, 40. I. Timoth. 3, 2 u. 5, 3 ff.) von jeher gemißbilligt, sowie auch schon bei den alten Römern, wie bei den Germanen dieselbe nicht beliebt war. Nach dem Rechte des Mittelalters mußte sich der wieder heirathende Ehegatte deshalb einer Buße unterwerfen, auch wird der zweiten E. in der Katholischen Kirche die kirchliche Einsegnung verweigert. Vor dem Abschluß muß theils des Anstandes halber, theils zur Vermeidung etwaiger Blutvermischung (Confusio od. Turbatio sanguinis) eine bestimmte Trauerzeit (Trauerjahr), deren Dauer in den verschiedenen Gesetzgebungen verschieden (für Frauen gewöhnlich auf 9 Monate, für Männer auf 6 od. 12 Wochen) bestimmt ist, u. deren Verletzung nach Römischem Rechte die Infamie, nach neueren Gesetzen den Verlust alles dessen, was der Ehegatte von dem ersten Ehegatten erhalten hat, an die Descendenten, Ascendenten od. Geschwister des Letzteren nach sich zieht, vorübergegangen sein. Außerdem gibt es noch gemeinrechtlich manche. Poenae secundarum nuptiarum, welche den Zweck haben, die Kinder aus der ersten E. vor Vermögensbenachtheiligungen zu schützen. Dahin gehört, daß der zur zweiten E. schreitende (Parens binubus) an allen Gütern, welche er aus dem Vermögen des ersten Ehegatten lucrirt hat, die Proprietät verliert u. nur den Nießbrauch davon behalten darf; daß derselbe dem zweiten Ehegatten auf keine Weise, weder durch Geschenke unter Lebenden, noch von Todeswegen mehr zuwenden darf, als einem Kinde erster E.; daß der Parens binubus die Befreiung von der Caution für Vermächtnisse verliert, die er etwa an seine Kinder erster E. zu prästiren schuldig ist; daß Schenkungen an die Kinder erster E., selbst wenn das bei der Schenkung Versprochene nicht erfüllt wurde, doch von der Mater binuba nicht revocirt werden dürfen, u. die Mutter durch die zweite E., wie die Vormundschaft, so auch den Anspruch auf Erziehung ihrer Kinder verliert. Die neueren Landesgesetze haben indessen diese Poenae secundarum nuptiarum meist nicht angenommen, in anderen sind sie ohne besonderes Gesetz durch die Landespraxis außer Übung gekommen. Nur das ist gewöhnlich, daß der zur zweiten E. Schreitende, wenn Kinder erster E. vorhanden sind, eine Abschichtung u. Theilung mit denselben unter obrigkeitlicher Genehmigung vornehmen u. zu diesem Zwecke eine Inventur errichten muß. b) Bei Lebzeiten tritt die Auflösung der E. nur ein: aa) in Folge einer rechtmäßigen Ehescheidung (s.d.) od. bb) in Folge einer Annullation. Die letztere findet Statt, wenn den verbundenen Personen ein trennendes Ehehinderniß entgegenstand, von welchem sie keine Dispensation erhalten haben. In solchem Falle ist eigentlich, wenn auch die E. äußerlich unter den gewöhnlichen Formen vollzogen sein sollte, gar keine E., sondern nur ein factisches, deri E. ähnliches Verhältniß (Matrimonium nullum) vorhanden; allein die Aufhebung desselben ist dochi nicht den Parteien ohne Weiteres überlassen, sondern hat unter Autorität der kirchlichen u. resp. weltlichen Behörden zu erfolgen. Sind die vorliegendem Hindernisse nur Impedimenta privata, so kann nur der verletzte Theil auf Annullation antragen; ist das Hinderniß aber ein öffentliches, so kann diei Annullation nicht nur durch die Ehegatten, sondern auch auf eine Denuntiation dritter Personen hin od. von Amtswegen eintreten. Die Beweismittell sind dabei insofern beschränkt, daß durch bloßes Geständniß od. durch deferirten Eid der Beweis nichti hergestellt werden kann; dagegen werden als Zeugen in Ehesachen selbst solche Personen zugelassen, welche in anderen Streitigkeiten als verdächtig od. selbst ganz unzulässig erscheinen würden, wie z.B. nahe Verwandte. Das ganze Verfahren ist für die Katholische Kirche durch eine Constitution Dei miseratione des Papstes Benedict XIV. vom 3. Nov. 1741 genau geregelt worden. Hiernach sollen Nullitätsklagen nur vor dem Bischof od. dem Synodalgericht verhandelt werden. Zur Wahrung des öffentlichen Interesses hat ein Vertreter der Gültigkeit der E. (Defensor matrimonii) an den Verhandlungen Theil zu nehmen, welcher, falls gegen Gültigkeit der E. entschieden wird, auch von Amtswegen appelliren kann. Ähnlich ist das Verfahren in Österreich u. Preußen geregelt, in welchem letzteren Lande nach einer Verordnung vom 28. Juni 1844 die Staatsanwälte die Geschäfte des Defensor matrimonii zu übernehmen haben. Wird nach dem stattgehabten Verfahren die E. für null erklärt, so wird sie in der Weise aufgehoben, daß sie bis auf ihren Anfang hin als gar nicht abgeschlossen gilt, insofern nicht etwa der gute Glaube des einen od. beider Theile die E. zu einer putativen (s. oben B) gemacht hat. Allein dah Erkenntniß geht nicht in Rechtskraft über. Sollte sich daher später finden, daß die Entscheidung auf einem Irrthum beruht habe, so kann auch die E. wieder hergestellt weiden u. gilt dann so, als ob sie nie annullirt worden wäre.

E) Über die Behörden, welche in Ehesachen zu entscheiden haben, od. die Ehegerichtsbarkeit, sind die Verhältnisse in den einzelnen Ländern sehr verschieden. Nach dem früheren Canonischen Rechte kam die Entscheidung über Auflösung der E. den Archidiakonen zu. Durch das Concil zu Trient aber wurde als Grundsatz aufgestellt, daß sie den bischöflichen Ordinariaten u. zwar als eine aus[499] schließliche, von der weltlichen Macht nicht zu beeinflussende Berechtigung der Kirche gebühre. Allein hieran hat die bürgerliche Gesetzgebung vielfach geändert. Am strengsten ist der canonische Standpunkt jetzt in Österreich festgehalten, indem nach Art. 10 des Concordates vom 18. Aug. 1855 u. dem dies weiter ausführenden Gesetze vom 8. Oct. 1856 die Gerichtsbarkeit über alle Causae matrimoniales der Katholiken, namentlich auch über die Verlöbnisse, allgemein den kirchlichen Behörden übergeben u. nur die Entscheidung über die bürgerlichen Wirkungen an den weltlichen Richter verwiesen worden ist, während vor diesem Gesetze nach dem Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch die gesammte Ehegerichtsbarkeit den weltlichen Gerichten competirte. Ähnlich ist in Baiern die Competenz der bischöflichen Gerichte in allen den Fällen anerkannt, in denen es auf Schließung, Erhaltung od. Trennung der E. ankommt, u. nur die Entscheidung der Sponsaliensachen u. der Civilincidentpunkte ist dem weltlichen Richter übertragen. In Preußen erstreckt sich nach der Verordnung vom 2. Jan. 1849 die Competenz der geistlichen Gerichte nur so weit, als es sich um die Annullation od. eine Separation (s.u. Ehescheidung) handelt; in allen anderen Sachen, namentlich wo es sich um die civilrechtliche Trennung, Ungültigkeit od. Nichtigkeit handelt, entscheidet nur der weltliche Richter. Im Königreiche Sachsen bildet für Katholiken der Kreislande das katholische Consistorium zu Dresden, in der Oberlausitz das Consistorium des Domstifts zu Bautzen das Ehegericht erster Instanz, die zweite Instanz bildet das Vicariatgericht zu Dresden, über Nichtigkeitsbeschwerden gegen dasselbe urtheilt aber das weltliche Oberappellationsgericht. Für die Evangelische Kirche suchten die ältesten Kirchenordnungen, wenn sie auch die E. als eine weltliche Sache betrachteten, doch immer noch eine geistliche Mitwirkung bei den Ehesachen insofern zu erhalten, als sie in denselben die Beiordnung der Superintendenten neben dem weltlichen Richter forderten. Die Schmalkaldischen Artikel verlangten besondere kirchliche Ehegerichte, u. die Einsetzung der Consistorien verwirklite in der That diese Forderung in den meisten Ländern, indem diesen Behörden nunmehr neben den anderen kirchlichen Angelegenheiten meist auch die Besorgung der Ehesachen im weitesten Umfange übertragen wurde. Allein dies Verhältniß hat sich jetzt nur noch in wenigen Staaten (ein Beispiel bieten die Sächsischen Herzogthümer) erhalten; in den meisten hat die neuere Gesetzgebung die Ehegerichtsbarkeit wiederum den rein weltlichen Gerichten übertragen, wie dies z.B. in Preußen, den beiden Hessen, Baiern, Baden etc. der Fall ist. In einigen wird indessen doch eine Mitwirkung der Kirche dadurch vermittelt, daß theils bei jeder Anbringung einer Ehedifferenz zunächst ein Sühneversuch vor dem Ortsgeistlichen Statt findet, wie z.B. in Preußen u. Sachsen, theils bei Abfassung von Erkenntnissen, bei welchen Fragen des Eherechtes in das Spiel kommen, Geistliche zugezogen werden müssen, wie dies in Sachsen u. Württemberg der Fall ist.

Vgl. v. Hartitzsch, Handbuch des in Deutschland geltenden Eherechtes, Lpz. 1828; Stapf, Vollständiger Pastoralunterricht über die Ehe, 6. Aufl., Frkf. 1843; Göschl, Versuch einer historischen Darstellung der kirchlich-christlichen Ehegesetze, Aschaffenburg 1832; v. Nog, Geschichte des christlichen Eherechts, Regensb. 1833; Knopp, Vollständiges katholisches Eherecht,2. Aufl., Regensb. 1854; Göschen, Doctrina de matrimonio ex ordinat. eccles. sacr. XVI., Halle 1848; Uhrig, System des Eherechtes, Dilling. 1854; Klee, Die Ehe, Mainz 1835; Bischinger, Die christliche Ehe, Schaffhausen 1852; Particularrechtliche Bearbeitungen für Österreich: Dolliner, Ausführliche Erläuterung des zweiten Hauptstückes des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs, Wien 1835 u. Leipzig 1842; Kutzschker, Das Eherecht mit besonderer Berücksichtigung der in Österreich geltenden Gesetze, Wien 1856 ff.; Pexa, Die gesetzlichen Bestimmungen in Ehesachen, Pesth 1857; Schulte, Erläuterung des Gesetzes über die Ehen der Katholiken im Kaiserthum Österreich vom 8. Octbr. 1856; für Preußen: Gitzler, Handbuch des gemeinen u. preußischen Eherechtes, Bresl. 1840; für Sachsen: Das im Königreiche Sachsen geltende Eherecht, Dresd. 1836; für Württemberg: Hezel, Übersicht des Eherechtes, Schwäbisch Hall 1838; für Großherzogthum Hessen: Rühl, Die ehelichen Verhältnisse, Darmst. 1831; für Jütland: Stemann, Das Güterrecht der Ehegatten, Kopenh. 1857.

II. Unter den nicht-christlichen Völkern findet sich A) im Oriente anstatt des monogamischen Principes der E. vielfach die Polygamie (E. mit mehreren Weibern zugleich) verbreitet. Schon die alten Babylonier u. Perser lebten, wie noch heute die Chinesen u. Muhammedaner, polygamisch. Für die Letzteren haben die 4. Sura des Koran u. mehrere daran sich anschließende spätere Ehegesetze festgesetzt, daß der Mann in der Regel 4 eigentliche Frauen, außerdem aber Sklavinnen als Beischläferinnen in beliebiger Anzahl haben könne. Dennoch sind polygamische Verbindungen keineswegs sehr gebräuchlich, vielmehr berechnet man, daß kaum der tausendste Mann mehr als Eine Frau hat, weil natürlich die Mehrzahl der Männer nicht im Stande ist, mehr als Eine Frau u. deren Kinder zu ernähren. Nothwendig führt aber die Polygamie auch eine ganz andere Stellung der Frau in der E. herbei, als dieselbe in der christlichen E. Grundsatz ist. Die Frau erscheint nicht mehr als die gleiche Genossin des Mannes, die ihm in Freud u. Leid zur Seite steht, sondern mehr nur als Mittel zum Zwecke geordneter Befriedigung der Geschlechtslust, u. deshalb in einer wesentlich niedrigeren, unterdrückten Stellung. Dies zeigt sich auch bei der Eingehung der E., welche bei den orientalischen Völkern öfter unter den Formen eines Kaufes der Frau als gewissermaßen einer Waare vorkommt, so wie bei der Auflösung derselben, welche aus den nämlichen Rücksichten nach der Sitte mancher Völker in viel unbeschränkterer Weise, z.B. durch bloßes Rücksenden derselben an den Vater, erfolgen kann. Daß es auch eine Polyandrie (E. Einer Frau mit mehreren Männern) gegeben habe u. zum Theil noch gebe, wird zwar mit Bezug auf die alten Meder u. einige Völkerschaften an der Küste Malabar behauptet; indessen sind die hierüber bekannten Nachrichten zu unbestimmt, um die betreffenden Nachrichten auf eine wirklich gesetz- od. gewohnheitsmäßige Institution beziehen zu können, Auch die Juden kannten Anfangs die Polygamie, die erst nach der Zeit der Babylonischen Gefangenschaft unter ihnen verschwindet. Gewöhnlich kommen[500] in der patriarchalischen Zeit 4 Frauen vor, von denen 2 bevorzugt, 2 nur Mägde, häufig im Krieg genommene Sklavinnen waren. Die Frauen wurden von den Eltern mit Geld- od. Geldeswerth gekauft (1. Mos. 39, 15–29. 34, 12), zuweilen auch durch Arbeit verdient, wie Jakob Labans zwei Töchter, Lea u. Rahel, jede nach siebenjährigem Dienste erhielt. Hatte ein Jude eine Jungfrau aus seiner Nation entehrt, so war er auch gehalten, sie zu kaufen u. zu heiratheten, wobei Moses als Maximum des Preises 50 Sekel Silbers (2. Mos. 22, 15. f., 5. Mos. 22, 29) festsetzte. Bei der Verheirathung der Töchter mußte übrigens auch der älteste Bruder seine Zustimmung geben. Eine eigenthümliche Einrichtung, in welcher das jüdische Gesetz aber auch mit den Gewohnheiten anderer orientalischer Völker übereinstimmt, war die sogenannte Levirathsehe, wonach, wenn eine Frau Wittwe wurde, ohne ihrem verstorbenen Manne Kinder geboren zu haben, der Bruder des verstorbenen Mannes die Wittwe heirathen mußte, damit das Geschlecht nicht ausstürbe. Wer sich diesem Gebrauche entzog, verfiel der unehrenhaften Ausschuhung (Chaliza), welche vor 3 Richtern aus echt hebräischem Stamme u. andern Zeugen in der Weise erfolgte, daß die Wittwe, nachdem ihr Schwager darauf beharrt hatte, sie nicht zu ehelichen, unter allerhand Ceremonien u. Gebeten einen aus einem Stück glatten Corduans bestehenden u. von den Rabbinern aufbewahrten Schuh (Chalizaschuh) auszog u. den sie verschmähenden Schwager anspuckte. Die Ehescheidung geschah durch Ausstellung eines Scheidebriefs, Anfangs ganz formlos, später sehr ceremoniell.

B) Bei den nicht-christlichen Völkern des Occidents findet man fast ohne Ausnahme von Anfang an das monogamische Princip herrschend. Dies gilt insbesondere von den alten Griechen, Römern u. Germanen. a) In Griechenland wurde die Einführung der monogamischen E. auf Kekrops zurückgeführt. In der mythischen Zeit wurden oft Fürstentöchter den Siegern in Wettspielen als Preis in die E. gegeben; in dem heroischen Zeitalter ward um die Frau mit Schenkungen od. Zahlung eines wirklichen Kaufgeldes geworben, wogegen aber auch der Vater die Tochter ausstattete. Zu nahe Verwandtschaft bildete kein Hinderniß der E.; wie denn selbst Zeus seine Schwester Here zur Frau hatte; nur Ehen zwischen Söhnen u. Müttern galten als Incest, wie dies der Abscheu vor der Vermählung des Ödipus mit der Jokaste beweist. Neben der rechtmäßigen Gattin war es aber auch erlaubt, aus der Zahl der Sklavinnen sich Kebsweiber beizulegen, obwohl dies doch, namentlich wenn die Ehegattin Kinder geboren hatte, als Kränkung der Letzteren angesehen wurde. Auch hatten die Kinder der rechtmäßigen Gattin vor den von einem Kebsweibe geborenen ein bevorzugtes Erbrecht. In der späteren Zeit greift das politische Element vielfach ein. Der Staat beförderte die Ehen in mannigfacher Weise, indem Kinderreichthum u. Fortpflanzung des Geschlechts in Hinblick auf den Kriegsdienst u. die religiösen Interessen von großem Werthe galt. Abschließung einer ordentlichen E. wurde daher hochgeachtet, Hagestolze wurden überall geringgeschätzt, u. nur bei den Böotern u. Lokrern galt es für eine Ehre, wenn ein Mädchen als Jungfrau starb. In Athen wurden die Mädchen schon mit dem 14. Jahre verheirathet. Bürger mußten Töchter von Bürgern heirathen, wenn ihre Kinder als vollbürtig betrachtet werden sollten; doch war die E. mit Fremden deshalb nicht verboten. Der E. mußte eine Verlobung der Bürgerin durch ihren Gewalthaber, od., dafern ein solcher nicht vorhanden war, durch einen Magistrat vorausgehen. Für unerlaubt galt wegen Nähe der Verwandtschaft nur die E. zwischen Kindern einer Mutter, nicht aber mit einer Schwester, mit der man nur den Vater gemein hatte. Im Übrigen bestand für Verbindungen mit Blutsverwandten sogar eine Vorliebe. Dies zeigt sich bes. auch bei der Verheirathung der Erböchter (Epikleros). War nämlich eine Familie im Mannesstamme abgegangen u. nur eine Erbtochter hinterblieben, so galt ihre Verheirathung für eine der heiligsten Pflichten der nächsten Anverwandten, über deren Erfüllung selbst die höchsten Magistrate wachten. Nach Solons Gesetzen mußte der nächste Verwandte, wenn er unverheirathet war, selbst die Erbtochter zur Frau nehmen od., wenn sie arm war, so aussteuern, daß sie sich verheirathen konnte. That er dies nicht, so hatte jeder Bürger das Recht zur öffentlichen Anklage gegen den Säumigen. Andererseits durfte Niemand ohne vorherige gerichtliche Zuerkennung reiche Erbtöchter heimführen. Oft entstand unter den Verwandten Streit über die Epikleros, welche dann Epidikos genannt wurde. Daun fand die Epidikasia Statt, d.h. die rechtliche Überweisung an den, welcher sich als der Nächste ausgewiesen hatte. Bei Bürgertöchtern geschah dies durch den Archon Eponymos, bei Metöken durch den Polemarchos. Gewisse Stellen, wie die der Staatsredner, setzten die Verheirathung voraus. Die geschlossene E. wurde von dem Manne seinen Phratoren angezeigt u. dabei ein Opfer u. Schmaus gegeben, der als Act der rechtmäßigen Vollziehung galt. Concubinat war neben der E. auch damals noch erlaubt, so daß über das Vermögen der Kebsweiber zwischen dem Manne u. der letzteren selbst Verträge errichtet wurden. Die Ehescheidung konnte von Seiten des Mannes ohne alle Förmlichkeit durch bloßes Fortschicken der Frau erfolgen; nur konnte die Frau dann auf Herausgabe der Mitgift, in sofern sie dieselbe nicht durch Ehebruch verwirkt hatte, u. nöthigenfalls auf Gewährung von Lebensunterhalt klagen. Wollte die Frau aber geschieden sein, so hatte sie ihre Klage persönlich vor dem Archon anzubringen u. ihre Gründe in einer schriftlichen Klage auseinander zu setzen. Wurde die E. durch den Tod des Mannes gelöst, so kehrte die Frau, wenn keine Kinder vorhanden waren, mit ihrer Mitgift zu ihren väterlichen Verwandten zurück; beim Vorhandensein von Kindern konnte sie dagegen auch im Hause des Mannes bleiben, u. das Vermögen wurde dann bis zur Mündigwerdung der Kinder vormundschaftlich verwaltet. In Lakedämon betrachtete das Lykurgische Gesetz die E. direct als eine Pflicht, welche jeder Bürger des Staates zu erfüllen habe, um dem Staate frische Männer zu geben. Öffentliche Anklage fand deshalb Statt, wenn Bürger sich gar nicht (Agamia), od. zu spät (Öpsigamia), od. in unpassender Weise (Kakogamia) verheiratheten. Rechtmäßige Ehen konnten aber nur zwischen Bürgern u. Bürgerinnen Statt finden, so daß die Verheirathung des Königs Leonidas II. mit einer Ausländerin als ein Grund, ihn der Regierung zu entzetzen, geltend gemacht[501] werden konnte. Mitgiften untersagte das Gesetz. Die Sitte, die Gattin zunächst aus der Zahl der nächsten Blutsverwandten zu wählen, sowie der Ehezwang bei den Erbtöchtern, über welchen, wenn Streit entstand, dann die Könige entschieden, war auch in Sparta heimisch. Der Act der Vollziehung der E. geschah durch eine Art gewaltsamer Entführung der Braut, indem der Bräutigam sie aus dem Kreise ihrer Gefährtinnen hinwegtrug u. in das Haus einer Verwandt in brachte, welche sie dann als Brautführerin (Nympheutria) in das Brautgemach geleitete. Eigenthümlich ist die Erzählung des Hermippos bei Athenäos, wonach die Mädchen mit den Jünglingen in ein dunkles Gemach zusammen eingeschlossen worden wären u. ein Jeder sich dann eine herausgegriffen habe, die er dann als Gattin behalten mußte. Die Erzielung von Kindern galt immer als Hauptzweck der E. Bei fruchtbaren Ehen wurde die Frau daher sehr geachtet; bei minder fruchtbaren wurde aber nicht blos die Trennung der E. als erlaubt, sondern sogar als geboten betrachtet. Den Königen Anaxandrides u. Ariston wurde, weil sie sich von ihren ersten unfruchtbaren Gattinnen nicht scheiden mochten, sogar deshalb durch die Ephoren erlaubt, eine zweite Frau zu nehmen u. einen zweiten Hausstand zu begründen.

b) Bei den Römern beruhte das Eherecht in der älteren Zeit auf dem Jus connubii in der Weise, daß nur, wenn beide Theile das Connubium besaßen, sie eine wirkliche E. (Matrimonium justum, M. legitimum, Nuptiae justae) mit allen Rechtswirkungen eingehen konnten. Dies stand aber nur den römischen Bürgern unter einander, u. vor der Lex cannuleja, welche im Jahre 445 v. Chr. diesen Unterschied aufhob, nicht einmal Plebejern mit Patriciern zu. Mit Latinern u. Fremden dagegen konnte kein Matrimonium legitimum geschlossen werden, in sofern nicht durch Bündnisse, was häufig geschah, der auswärtigen Völkerschaft das Jus connubii ertheilt worden war. Für das Matrimonium justum selbst gab es wieder zwei Arten, E. mit u. E. ohne Manus (strenge u. freie E.). Die Frau, welche in die Hand des Mannes sich gab, hieß Mater familias; die Frau, welche nicht in solcher Weise dem Manne sich antraute, wurde nur Uxor genannt, wobei sich oft noch der Zusatz liberorum quaerendorum causa findet, um den Affectus maritalis der Ehegatten auszudrücken u. die E. von anderen erlaubten Geschlechtsgemeinschaften, wie dem Concubinat u. Contubernium (der Sklavenehe), zu unterscheiden. Die gemeine Bezeichnung, welche beide Arten der Ehefrauen umfaßte, war Matrona. Die E. mit Manus, wahrscheinlich zunächst Eigenthümlichkeit der Patricier, brachte die Frau zu dem Manne in ein tochterähnliches Verhältniß, sie erhielt daher in der Familie des Mannes die Rechte einer Agnatin, die Theilnahme an den Sacra der Familie desselben, namentlich auch die Erbberechtigung einer leiblichen Tochter, wogegen aber auch ihr ganzes Vermögen durch eine Capitis deminutio (s.d.) an den Mann überging u. sie auch während der E., als dem Rechte des Mannes unterworfen, nur für diesen erwerben konnte. Die Manus wurde in dreifacher Weise begründet: aa) durch Confarreatio, ein feierliches Opfer, welches unter Leitung des Pontifex Maximus u. Flamen Dialis u. vor 10 Zeugen im Hause des Bräutigams, wohin die Braut feierlich geleitet wurde, in der Weise vollzogen wurde, daß ein Schaf geschlachtet wurde u. die beiden Verlobten, verhüllten Hauptes auf zwei mit dem Felle des geopferten Schafes bedeckten Sesseln sitzend, einen aus Salz, Wasser u. Mehl bereiteten Kuchen (Panis farreus, Libum farreum) aßen. Die aus solchen Ehen entstammenden Kinder hießen Patrimi et matrimi, u. gewisse Priesterstellen, wie die Flamines majores, durften nur mit solchen besetzt werden, welche aus solchen confarreirten Ehen geboren waren. Für Priesterehen dauerte deshalb auch diese Eingehungsart der Manus noch bis in die Kaiserzeit fort. bb) Durch Coëmptio, einen symbolischen Kauf der Braut mit den Formen der Mancipation. In Gegenwart von 5 Bürgern als Zeugen u. eines Libripens, welcher die Wage hielt, erklärte der Mann unter Hingabe eines As mit feierlichen Worten, daß er die Frau gekauft haben wollte. Die Coëmptio mochte früher ebenfalls regelmäßig gleich beim Abschluß der E. erfolgen; nothwendig war dies jedoch keineswegs, indem man dieselbe nur als Entstehungsart der Manus, nicht der E., zu betrachten hat. cc) Durch Usus, Verjährung, indem angenommen wurde, daß die Frau, wenn sie ein ganzes Jahr lang ununterbrochen bei dem Manne gelebt hatte, von selbst in die Hand des Mannes gekommen sei. Doch stand der Frau das Auskunftsmittel zu Gebote, die Vollendung dieser Verjährung dadurch zu verhüten, daß sie drei Nächte während des Jahres vom Hause des Mannes sich entfernt hielt, indem dies als Unterbrechung der Verjährungszeit betrachtet wurde. Abgesehen von der Begründung dieses Gewaltverhältnisses aber, erforderte der Abschluß der sogenannten Freien E. bei den Römern keine besondere Form, sondern nur den Consens der beiden Ehegatten, obschon Hochzeitsgebräuche, namentlich eine feierliche Heimführung der Braut in die Wohnung des Bräutigams, bei allen Ehen gewöhnlich waren. Erst unter Justinian wurde für Staatsdiener von senatorischem Rang die Errichtung eines schriftlichen Ehecontracts, für Staatsdiener unter solchem die Aufnahme eines Protokolls mit Zuziehung des Geistlichen als Form vorgeschrieben. Die Frau trat dann nicht in die Familie des Mannes über, sondern behielt ihre Familienrechte in derjenigen Familie, welcher sie entstammte. Diese Art der E. war schon zu Ciceros Zeit sehr gebräuchlich, u. in der mittleren Kaiserzeit verdrängte sie die E. mit Manus gänzlich. Ebenso wurde aber später auch die E. zwischen Bürgern u. Nichtbürgern als eine nach Jus gentium gültige E. anerkannt. Eine solche E. erzeugte dann nur die eigentlich römischen Rechtswirkungen, wie namentlich die väterliche Gewalt, nicht; die Kinder hatten als eheliche einen Vater, erlangten aber nicht die Rechte der Civität, sondern folgten der ärgeren Hand. Im Justinianischen Rechte fiel aber auch dieser Unterschied zwischen Matrimonium juris civilis u. M. juris gentium mit der Erstreckung der Civität auf alle Unterthanen des Römischen Reiches hinweg, u. der Begriff der rechtlich gültigen E. fand nun auf alle Geschlechtsgemeinschaften Anwendung, bei welchen beide Theile als Mann u. Frau neben einander lebten. Dagegen bildete das Recht innerhalb des Kreises der Cives mancherlei Ehehindernisse aus. Im Gegensatz zu den Griechen, wurde die E. mit nahen Verwandten nicht für erlaubt ge[502] halten, u. dies Verbot ging nach älterem Rechte wahrscheinlich bis zum 6. Grad, später wurde es bis auf die Geschwister u. diejenigen Personen, welche in einem oheimlichen Verhältniß (Respectus parentelae) zu einander standen, beschränkt. Aus Rücksichten des Amtes war dem Praeses provinciae, sowie den in der Prodinz stationirten Soldaten verboten, eine Provincialin zu heirathen; aus Standesinteressen verbot die Lex Julia et Papia Poppaea vom Jahre 7 n.Chr. die E. des Freigeborenen mit einer mit Infamie bestraften Person, sowie die Ehen der Senatoren u. Senatorenkinder mit Freigelassenen, Schauspielerinnen u. Hurenwirthinnen. Andererseits suchte dasselbe Gesetz die Ehen dadurch zu befördern, daß es besondere Strafen der Ehe- u. Kinderlosigkeit u. Belohnungen für Reichthum an ehelichen Kindern aussetzte. Allen Männern von 20–60 Jahren u. allen Frauen von 20–50 Jahren wurde die E. u. das Zeugen von Kindern zur Pflicht gemacht. Der Ehelose konnte von, ihm entfernter stehenden Personen weder testamentarisch, noch durch Legate Etwas erwerben; kinderlose Verheirathete erhielten nur die Hälfte des Hinterlassenen. Die so frei werdenden Erbportionen wurden dafür den im Testament eingesetzten Vätern von 3, bei Freigelassenen von 4 Kindern, eventuell dem Fiscus zugesprochen. Diese Strafen des Cölibats u. der Orbität hob erst Kaiser Constantin wieder auf; die Vorzüge der im Testament eingesetzten Väter (Jus liberorum) erhielten sich theilweise bis Justinian. Im Übrigen blieben bei der sogenannten Freien E. die Vermögensrechte beider Ehegatten getrennt, nur wurde entweder von dem Vater od. anderen Verwandten der Frau dem Ehemann zur Tragung der gemeinschaftlichen Ehelasten eine Aussteuer (Dos, s.d.) gegeben, an welcher der Ehemann während der E. das Eigenthumsrecht erhielt. Als Gegengabe gab zuweilen auch der Ehemann der Ehefrau eine Antidos (Donatio propter nuptias). Schenkungen zwischen Ehegatten waren schon nach altem Gewohnheitsrecht unwirksam; nach einer Rede des Kaisers Antoninus wurde ihnen aber dann Gültigkeit beigelegt, wenn der Schenker die Schenkung bis zu seinem Tode nicht widerrufen hatte. Über Vergehen der Frau wider Zucht u. Sitten urtheilte der Mann unter Zuziehung eines aus den nächsten Verwandten zusammengesetzten Familiengerichtes. Als die schwersten Vergehen dieser Art wurde, abgesehen von den Verletzungen der ehelichen Treue, Weintrinken, Zauberei u. Fälschung von Schlüsseln betrachtet. Wegen Entwendungen unter Ehegatten fanden nicht die gewöhnlichen Diebstahlsklagen, sondern als eine besondere Klage die Actio rerum amotarum Statt. Über das Recht der Ehescheidung s.u. Ehescheidung. Vgl. Gruper, De uxore Romana, Hann. 1727; Eggers, Das Wesen u. die Eigenthümlichkeit der altrömischen E. mit Manus, Altona 1833; Hase, De manu, Halle 1847; A. Roßbach, Untersuchungen über die römische E., Stuttg. 1853. c) Über die E. der alten Germanen s. Deutschland (Antiq.) D) d).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 493-503.
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