Franken [1]

[467] Franken (d.i. die Kräftigen, Mannhaften, Freien), der gemeinsame Name mehrerer deutschen Volksstämme am Niederrhein, von den Alemannen abwärts bis zur Mündung des Rheins, von denen die Sigambrer u. zunächst den Alemannen die Chatten die volkreichsten u. dominirenden Völkerschaften waren. I. Älteste Periode der Fränkischen Geschichte bis zur Stiftung der großen Fränkischen Monarchie 511. Nach ihren Sitzen unterschied man: Nieder- u. Ober- od. Ost franken. A) Niederfranken, an dem Ostufer des Rheins, von der Lippe bis eine Strecke an der Yssel hinab, als deren Hauptvölker die Chamaven u. Salier genannt werden. Die letzteren (Salischen F., nach Einigen Bewohner des übergebenen, erworbenen Landes, nach Anderen Bewohner des Sallandes an der niederländischen Yssel) sind die alten Sigambrer. Ihre Sitze waren südlich von denen der Chamaven, die im Norden an die Friesen, im Osten an die Sachsen stießen, u. ihr eigentlicher Name wird seit Anfang des 5. Jahrh. nicht mehr erwähnt. Zur Zeit als die Römer ihr Reich bis an die Mündungen des Rheins ausgedehnt hatten, traten die Salier als hartnäckige Feinde derselben auf. Sie thaten den Römern nicht nur Schaden durch Einfälle zu Lande, sondern auch zur See, u. unter Kaiser Probus (regierte 276–282) kamen fränkische Seeräuber sogar bis ins Mittelmeer. Als die Römer nun den Menapier Carausius zum Schutz gegen die F. aufboten, verließ dieser die Sache der Römer, u. während er selbst Britannien nahm, besetzten die F. unter seiner Begünstigung seit 287 Batavia u. das Land bis an die Schelde. Damals wird Atec als ihr König genannt. 293–306 entriß ihnen der Kaiser Constantius das genommene Land wieder u. verpflanzte einen Theil der Bewohner in römisches Gebiet. In der Folgezeit aber machten sie wieder so bedeutende Fortschritte gegen Westen, daß sie unter Kaiser Julianus nicht nur wieder über Batavien, sondern auch über das Land im Westen der Maas ausgebreitet waren. Von Paris aus schickte Julianus 357 den Severus gegen sie, welcher aber nichts gegen sie ausrichtete. Doch hielten sie sich von nun an lange ruhig, wenigstens unternahmen sie nichts gegen die Römer, in deren Heeren sie sogar als Hülfstruppen dienten. Erst zu Anfang des 5. Jahrhunderts begannen sie ihre Streifzüge wieder gegen Westen, zu denen sie sich mit den B) Oberfranken verbanden. Zu diesen gehören die Chatten, Ampsivarier, Bructerer, sie hatten ihre Sitze südöstlich von den Niederfranken, nordwärts vom Main u. stießen im Norden an die Cherusker. Den Namen F. nahmen sie später an als die Niederfranken, zuerst die Chatten (früher unter den Sueven genannt) u. die Ampsivarier, u. beunruhigten gleich jenen durch wiederholte Einfälle das römische Gallien. Kaiser Aurelianus schlug sie; unter Gallienus streiften sie bis Spanien u. über das Meer hinüber nach Afrika. Im 4. Jahrh. waren die Könige Askarich u. Merogais (wahrscheinlich zu den Oberfranken gehörig) unglücklich gegen die Römer. Doch gelang es ihnen später die römischen Städte am Rhein, u.a. auch Köln, einzunehmen, aus deren Besitz sie aber Kaiser Julianus wieder vertrieb. Zu Ende des 4. Jahrh. werden genannt die Frankenkönige Mellobandes, bes. aber Genobandes, Marcomer u. Sunno, welche auf dem Ostufer des Rheins gegen die Römer kriegten; Arbogast zog gegen sie; Marcomer wurde gefangen u. nach Etrurien ins Exil geführt, Sunno wurde, da er des Genossen Niederlage rächen wollte, von den Seinigen ermordet. Während die Salischen F. in ihren Sitzen blieben, wurden die Oberfranken von Julianus wieder über den Rhein gedrängt. Erst im 5 Jahrh. behielten sie festen Fuß auch auf dem linken Ufer des Rheins, nachdem sie Mainz, Trier u. Köln zu verschiedenen Malen geplündert (Trier 418–440 4mal) hatten. Seitdem führen die F. am linken Rheinufer[467] den Namen Ripuarier (Ripuarische F., Uferbewohner). Um diese Zeit verschwindet auch der Name der Chatten, welche die Grenzen ihrer Wohnsitze nach Süden bis an den Neckar erweiterten u. nun als F., später als Hessen bezeichnet werden. Nach der Niederlage Attilas besetzten die Oberfranken auch das Land an der Mosel, wo früher Burgunder wohnten. Der größte Theil der chattischen F. blieb diesseit des Rheins, zwischen Sachsen, Ripuariern, Alemannen u. den Westslawen vom Thale der Sieg u. der Diemel bis an die Murg, die Ems u. den Main bis in seine obern Thäler an den Quellen der Rednitz u. Werra (Ostfränkische Gaue). Das Hauptvolkwaren die Salischen F. Unter ihrem (fabelhaften) Könige Pharamond waren sie unglücklich, u. Aëtius trieb sie wieder zurück. Desto glücklicher waren sie unter Chlodio. Dieser residirte in Dispargum, welches die F. von den Römern erobert hatten, fiel nach einem 430 glücklich ausgeführten Zuge um 437 (444) in Hennegau u. Artois ein, schlug die Römer u. eroberte Cambrai, Tournai u. Amiens, wo er nun seinen Sitz aufschlug u. von wo aus er alles Land bis an die Somme einnahm. Um 445 überschritt er diesen Fluß, wurde aber von Aëtius geschlagen u. st. 448. Nach ihm herrschte über die F. Merowig (Meroveus) 448–478, nach welchem die 1. Dynastie der fränkischen Könige Merowinger genannt ist. Auf Merowig folgte 458 dessen Sohn Childerich I. Wegen seiner Willkürherrschaft u. seiner Ausschweifungen vertrieben, floh er zu dem Thüringerkönige Basinus u. entführte dessen Gemahlin Basina. Nach 8jähriger Verbannung wurde er 466 zurückgerufen. Er drang 477–481 nach Westen gegen Orleans vor, machte dann ein Bündniß mit den Römern gegen die Westgothen u. gewann Anjou durch Odoakers Beistand, dem er dafür die Alemannen unterwerfen half. Er hatte so das Reich der F. bis an die Loire u. Schelde ausgedehnt, seine Residenz war Tournai; er st. 481, u. ihm folgte Chlodwig I. der Große, sein u. der Basina Sohn. Dieser zog 486 mit seinen Vettern, Rachnachar, König von Cambrai, u. Cararich, gegen den Römer Syagrius, schlug denselben bei Soissons u. machte dem Reste der römischen Herrschaft in Gallien ein Ende. Darauf unterjochte Chlodwig die Tungern, schlug die Alemannen, welche seinen Vetter Sigbert, den König der Ripuarier, bekriegten, 496 bei Tolpiacum (Zülpich) u. zwang sie sich zu unterwerfen. Fast eben so bedeutungsvoll für die Erweiterung der fränkischen Herrschaft war die Annahme des Christenthums, zu welcher sich Chlodwig einem in der Schlacht gethanen Gelübde zufolge u. auf Bitten seiner Gemahlin Chlotilde nach dem Siege verstand. Dieser Vorgang erleichterte die Verschmelzung der bereits zum Christenthum übergegangenen Völkerschaften, wie der Armoriker, von denen zuerst die F. zurückgetrieben worden waren, u. der in Gallien zerstreuten Römer in dem Frankenreich. Nach einem Kampfe gegen Gundobald von Burgund, auf Veranlassung von dessen Bruder Godegiesel (s. Burgund [Gesch.]), fiel Chlodwig I. ins Land der Westgothen ein, schlug deren König Alarich in der Schlacht bei Poitiers u. eroberte das Westgothische Reich bis an die Pyrenäen, mit Ausnahme von Languedoc. 508 unterwarf er sich vollends Angouleme u. Touleuse u. war nun so mächtig geworden, daß der römische Kaiser Anastasius seine Freundschaft suchte u. ihm die consularischen Ehrenzeichen übersandte. Seine Residenz verlegte er nun von Soissons nach Paris u. trachtete danach, auch noch die einzelnen fränkischen Könige im Nordwesten seines Reiches aus dem Wege zu schaffen u. deren Länder mit dem seinigen zu vereinigen. Seinen Vetter Chloderich, König der Ripuarischen F., ließ er 509 meuchelmorden, doch behielten die Ripuarier ihre Verfassung u. ihre Gesetze (Lex Ripuariorum). Ihr District bildete ein eigenes Herzogthum Ripuarien (Ducatus Ripuariorum, Pagus R..) auf beiden Seiten des Rheins von den Ardennen abwärts, auf dem Ostufer bis über die Ruhr, auf dem Westufer bis zu der Maas, mit der Hauptstadt Köln u. den Städten Bonn, Aachen, Zülpich, Jülich, Werden an der Ruhr. Außerdem ließ Chodwig alle salischen Könige umbringen, wie Cararich, Rachnachar, Richar u. A., u. begründete auf diese Weise die große Fränkische Monarchie. Zu dieser gehörte ganz Gallien mit Ausnahme von Burgund, der Provence (welche die Ostgothen behielten) u. einem Theil von Languedoc (der den Westgothen blieb).

II. Bis zum Sturze der Merowinger u. Erhebung der Karolinger 752. A) Bis zur Begründung der Macht der Hausmeierum 600. Nach der Vereinigung aller F. unter die Herrschaft der Salischen F. wurde die ganze Masse der fränkischen Völker in 2 Haupttheile geschieden: Aa) Austrasier (Austro-, Ostfranken, Franci superiores, ihr Land Austria od. Francia orientalis), alle F. im Rheingebiete, im Osten bis an die Weser, wovon später der südliche Theil Francia orientalis im engeren Sinne, der westliche Theil Francia Rhenensis hieß (s. Franken, Herzogthum 2); Bb) Neustrasier (Neustri, Westfranken), ihr Land Neustria (Francia occidentalis), das außerhalb des Rheingebietes, im Nordosten Frankreichs, liegende Land der Salier. Nach Chlodwigs Tode 511 erfolgte die Erste Theilung des Frankenreiches unter seine 4 Söhne, Theoderich, einen natürlichen Sohn, u. Chlodomir, Childebert u. Chlothar, Söhne von Chlotilde. a) Theoderich I. erhielt Austrasien, u. zwar das Frankenland des rechten Rheinufers, die Städte zwischen Rhein u. Maas, Rheims, Chalons sur Marne, Troyes u. in Aquitanien die Städte Clermont, Rhodez, Cayors, Albi u. Usez; er nahm seine Residenz in Metz. 517 fielen die Normannen in Belgien ein, wurden aber zurückgeschlagen; 530 besiegte er Hermanfried, Fürsten von Thüringen, 531 nahm er seinem Bruder Childebert Auvergne u. belagerte u. eroberte 532 das Schloß Meroliacum. Um dieselbe Zeit machte ihm Munderich, der aus königlichem Hause zu sein vorgab, die Krone streitig, wurde aber gefangen u. umgebracht. Als Theoderich 543 starb, versuchten seine Brüder Childebert u. Chlothar sein Land an sich zu reißen, aber sein Sohn Theodebert I. behauptete die Herrschaft; er eroberte noch von den Gothen Alemannien (Schwaben) dazu u. machte auch in Italien Eroberungen (Ligurien, Venetien, die Cottischen Alpen). Bevor er seinen Plan, den Kaiser Justinian anzugreifen, zur Ausführung bringen konnte, st. er 548 in Rheims. Ihm folgte sein Sohn Theodebald, der ebenfalls Italien zu erobern trachtete, aber dessen Heer unter Leuthar u. Butilin von Narses bei Capua vernichtet wurde[468] er st. 555 u. sein Reich riß Chlothar, der jüngste Sohn Chlodwigs, an sich.

b) Chlodomir erhielt den größten Theil von Aquitanien, nämlich Orleans, Tours, Bourbonnais, einen Theil von Berry, Bourges, Nevers, Auxerrois, Senonois, zum Theil Anjou, Maine, Ostbretagne, Gascogne etc., u. residirte zu Orleans. Nachdem er 523 vereint mit seinen Brüdern Burgund erfolgreich angegriffen hatte, fiel er 524 auf einem neuen Zuge gegen den König der Burgunder, Godomar. Seine unmündigen Söhne ereilte das Schicksal, was er selbst einst seinem Bruder Chlothar zugedacht hatte, indem dieser sie ermordete u. ihr Reich mit seinem Bruder Childebert theilte.

c) Childebert, der 3. Sohn Chlodwigs des Großen, erhielt Neustrien, u. zwar Meaux, Paris, Senlis, Beauvais, u. das Land bis ans Meer, Lyonnois, Rennes, Nantes, Vannes, Westbretagne u. einige Städte Aquitaniens, u. residirte in Paris. Gereizt von seiner Mutter Chlotilde, welche den Tod ihres Vaters Childerich an dem Hause ihres Oheims Gundobald von Burgund rächen wollte, bekriegte Childebert 523 u. 524 mit seinen Brüdern Chlodomir u. Chlothar den König Sigmund von Burgund. An der Ermordung der Söhne Chlodomirs trug Childebert einen Schuldantheil u. theilte mit seinem Bruder die Beute. Nachdem Childebert 531 seine Schwester Chlotilde an ihrem Gemahl, dem Westgothenkönig Amalrich, blutig gerächt hatte, verband er sich mit Chlothar zu neuen Kriegsunternehmungen u. zwar zuerst 534 gegen Burgund, dessen König Gundomar er gefangen nahm. Darauf verband er das Königreich Burgund mit dem Fränkischen Reiche Dann unternahm er mit Chlothar 542 noch einen Zug gegen die Gothen, wurde aber bei Saragossa geschlagen, führte mit Chlothar Krieg gegen die Sachsen mit abwechselndem Glück u. st. 558. Sein Reich fiel, da er kinderlos starb, an Chlothar.

d) Chlothar (Lothar) I. erhielt bei der Theilung Soissons, Laon, St. Quentin, Amiens, alles Land diesseit der Somme, zwischen der Maas u. dem Meere u. einen Theil von Aquitanien mit der Residenz Soissons, brachte aber nach u. nach das ganze Fränkische Reich unter sein Scepter, das Land Theodebalds dadurch, daß er dessen Wittwe heirathete, obwohl er schon mehrere Gemahlinnen hatte. Später wieder von ihr geschieden, behielt er doch das Reich Theodebalds, welches sich auch über die Alemannen u. Baiern erstreckte. Die zum zweiten Mal vereinigte Fränkische Monarchie wurde im Nordosten von den Sachsen bedroht, gegen welche Chlothar eine blutige Schlacht verlor. Bald darauf wurde das Reich durch innere Unruhen zerrüttet. Sein eigener Sohn Chramnus, welher schon früher mit Childebert, seinem Oheim, verbunden den Vater bekriegt hatte, stand an der Spitze des Aufruhrs. Nachdem er seinen Sohn 560 bei St. Malo besiegt u. mit dessen ganzer Familie verbannt hatte, st. er 561. Nachdem Chilperich, der eine Sohn Chlothars, versucht hatte, das ganze Reich an sich zu reißen, zog er, von seinen drei Stiefbrüdern mit Krieg bedroht, doch vor, mit diesen zu theilen. Das Loos entschied so, daß Charibert den nordwestlichen Theil mit der Hauptstadt Paris, Guntram den südwestlichen Theil mit Orleans, Chilperich das ursprüngliche Reich Chlothars mit Soissons u. Sigbert den nordöstlichen Theil mit Rheims erhielt. Da Charibert schon 567 starb, so wurde dessen Antheil wieder unter die übrigen Brüder getheilt, doch so, daß die Stadt Paris gemeinsames Eigenthum blieb.

Von dieser Zeit an zerfällt das Fränkische Reich in drei Hauptmassen, von denen die östliche (Austrasien) den Ländercomplex östlich von der Maas, den Ardennen u. Vogesen; die nordwestliche, zu welcher ein großer Theil von Aquitanien gehörte (Neustrien), den nördlichen u. westlichen Theil Galliens von den Sevennen bis zum Meere; endlich die südliche (Burgundien) das Stromgebiet der Rhone umfaßte. Mit den Söhnen Chlothars begann der Verfall des Reiches, indem Zügellosigkeit u. Schwäche die Macht der Herrscher untergruben, während Bruderkriege das Reich verwüsteten. Am bedeutendsten als Herrscher war Sigbert von Austrasien Während dieser 567 gegen die, in seine thüringischen Besitzungen eingefallenen Avaren zu Felde zog, war sein Bruder Chilperich von Soissons in sein Land eingefallen u. hatte seine Residenz Rheims weggenommen. Zwar vertrieb er Chilperich wieder u. die Avaren entfernte er 569 mit Geld aus Thüringen, aber der Bruderkrieg dauerte fort, bis Sigbert seinen Bruder mehrmals geschlagen hatte u. ihn endlich in Tournai 575 hart bedrängte. Chilperichs Gemahlin Fredegunde rettete hier ihren Gemahl durch Ermordung Sigberts. Der Sohn desselben war eine Zeit lang glücklich, wurde aber 575 durch seine Schwägerin Fredegunde bei Cambrai ermordet, s. unten. Childebert II. wurde als 5jähriger Knabe, nebst seiner Mutter Brunhilde, von Chilperich I. gefangen, von Herzog Gundobald entführt u. unter dem Schutze seines Oheims Guntram von Burgund (s. Burgund [Gesch.]), der ihn 577 an Sohnes Statt annahm, zum Könige von Austrasien ausgerufen. Auf Childeberts Bitten erhielt auch Brunhilde die Freiheit wieder u. übte seitdem eine große Gewalt über ihn aus. Seit 581 löste sich das Bündniß zwischen Guntram u. Childebert II. auf, indem Chilperich den Letzteren für sich gewann, ihn, da seine Söhne gestorben waren, zum Erben einsetzte u. dafür einen Theil des Austrasischen Reiches erhielt. Als aber Childebert II. Miene machte, Chilperichs Pläne gegen Guntram zu unterstützen, zwang ihn der Unwille des Volkes davon abzulassen u. sich gegen Chilperich zu wenden, welcher kurz darauf, 584, auf der Jagd ermordet wurde. Guntram nahm sich nun ohne Eigennutz auch der Regierung des Neustrasischen Reiches an, da sein Bruder nur einen erst 4 Monate alten Sohn, Chlothar II., hinterlassen hatte. Die dadurch zwischen Childebert II., welcher den Tod seines Vaters an Fredegunde, der Wittwe Chilperichs, rächen wollte u. zum mindesten die von Letzterem in Besitz genommenen Theile Austrasiens zurückverlangte, u. Guntram eingetretene Spannung, benutzte ein von herrschsüchtigen Großen unterstützter Betrüger, Gundobald, welcher sich für einen Sohn Chlothars I. ausgab, um einen Aufstand in Burgundien zu erregen. Die drohende Gefahr nöthigte Guntram zur Nachgiebigkeit, er gab die austrasischen Städte zurück u. ernannte Childebert zu seinem Erben. Gundobald, von seinen Anhängern verlassen, wurde 585 in Cominges gefangen u. hingerichtet. Bald darauf hatte Guntram eine neue Verschwörung von Herzögen u. Grafen zu unterdrücken; dann kamen Childebert[469] u. Guntram 587, um ihre Reiche vor ferneren Unruhen zu sichern, in Andelot überein, daß der, welcher keine Söhne hinterlasse, von dem Anderen beerbt werden solle. Als nun Guntram 593 st., nahm Childebert von Burgundien Besitz, starb aber wenige Jahre darauf, 596, seinen Söhnen Theodebert II. Austrasien, u. Theoderich II., Burgundien hinterlassend. Die Unmündigkeit beider veranlaßte Fredegunde zu einem Einfall in Austrasien; sie nahm mehrere Städte, st. aber schon 597, worauf die Eroberungen wieder verloren gingen. Dagegen rückten nun die verbundenen Austrasier u. Burgunder in Neustrien ein u. zwangen Chlothar II., den sie 600 bei Dormeilles besiegten, zur Abtretung seiner Länder bis auf 12 Gaue zwischen Seine-Oise u. dem Meere. Dann zogen sie vereint gegen die Vaskonen, welche durch Raubzüge die Grenzen beunruhigten, u. machten dieselben 602 tributpflichtig. Inzwischen hatte sich Brunhilde, die Großmutter der Könige von Austrasien u. Burgund, der Regierung des letzteren Reiches bemächtigt, nachdem sie aus ersterem hatte fliehen müssen, u. herrschte mit Hülfe angesehener Hausmeier, während ihr Sohn sich den zügellosesten Ausschweifungen ergab. Diesen veranlaßte sie gegen seinen Bruder einen Krieg zu beginnen, welcher zwar 610 friedlich beendet wurde, aber 612, da Theodebert sich in Besitz einiger burgundischen Landschaften gesetzt hatte, die er herauszugeben sich weigerte, wieder losbrach. Nun sammelte Theoderich ein großes Heer, fiel in Austrasien ein, nachdem er die Neutralität Chlothars II. mit Abtretung eines Landstrichs erkauft hatte, u. schlug seinen Bruder erst bei Toul, dann bei Zülpich; Theodebert starb 613 in der Gefangenschaft u. seinen einzigen Sohn Meroveus ließ Brunhilde ums Leben bringen. Theoderich II., nun Herr von Burgund u. Austrasien, war eben im Begriff, Chlothar II. die abgetretenen Landschaften wieder zu entreißen, als auch ihn in Metz der Tod ereilte. Brunhilde erhob nun einen der außer der Ehe geborenen Söhne Theoderichs, Sigbert II., auf den Thron. Aber viele Herzöge u. Grafen waren des willkürlichen Regiments der Königin überdrüssig u. luden Chlothar II. ein, von Burgund u. Austrasien Besitz zu nehmen. Dies geschah noch in demselben Jahre. Chlothar II. ließ Brunhilde an einen Pferdeschweif binden u. so zu Tode schleifen, Sigbert II. aber ermorden. So wurden durch Chlothar II. zum dritten Male die fränkischen Lande unter Ein Scepter vereinigt.

Inzwischen hatten sich die verschiedenen Bestandtheile, aus welchen die Bevölkerung des Reiches zusammengesetzt war, einander genähert, u. die ursprünglich germanischen Staatseinrichtungen waren in veränderter Form auch auf den sonst römischen Theil des Reiches übergegangen Doch bestanden noch lange Zeit particulare Verfassungen u. Gesetze in den einzelnen Völkergebieten, als in Burgund, Ripuarien etc. Die germanische Einrichtung der Volksversammlung aller Freien trat im Laufe der Zeit in den Hintergrund, gegen die römische Anschauung von der durch die Geburt erworbenen Majestät des Herrschers. Von den Freien schied sich der Adel aus, zu welchem zunächst diejenigen Grundeigenthümer gehörten, welche dem Könige Heeresfolge leisteten (Leudes); dann die Grafen, welche nach germanischer Sitte vom Volke gewählt, von den fränkischen Königen aber ernannt, die Verwaltung der Gaue übten; u. endlich die Herzöge, welche wiederum die obere Aufsicht über mehrere Grafschaften führten. Außer diesen Verwaltungsbeamten, welche jederzeit absetzbar waren, gab es bereits eine große Anzahl Hofbeamte, deren Ämter theils römischen, theils deutschen Ursprungs waren. Das wichtigste von diesen war das des Hausmeier (Majordomus). Dieser führte die Oberaufsicht über das ganze Hofwesen u. war eine Art Mittelsperson zwischen dem Gefolge (Leudes) u. dem Könige. Auf seinen Vorschlag verlieh der König Beneficien od. Lehen, u. im Kriege stand der Hausmeier an der Spitze der Leudes. So kam es, daß je schwächer u. unselbständiger die Könige aus dem Hause der Merowinger wurden, desto wichtiger der Einfluß der Hausmeier sich gestaltete, so daß allmälig der König ganz in den Hintergrund gedrängt, nur den Schein der Macht behielt, welche der Hausmeier unbeschränkt ausübte. Dieses für die Könige ungünstige Verhältniß entwickelte sich besonders, seit Grimoald die Hausmeierwürde in seiner Familie erblich machte.

B) Das Fränkische Reich unter der Herrschaft der Hausmeier, bis diese zur Königs würde gelangten, 613–752. Im Jahr 615 berief Chlothar II. eine Versammlung aller Bischöfe u. weltlichen Großen nach Paris, um den Grund vieler Klagen abzustellen, welche im Volke laut geworden waren u. oft zu Fehden u. Zwistigkeiten Veranlassung gegeben hatten. Auf dieser Versammlung wurden Steuern u. Zölle regulirt u. der Modus der Bischofswahl festgestellt. 622 trat Chlothar II. seinem Sohne Dagobert I. Austrasien ab u. gab ihm als Räthe den Herzog Pipin u. den Bischof Arnulf von Metz zur Seite. Als Chlothar 628 starb, erkannten die burgundischen u. neustrischen Großen auch Dagobert I. als ihren König an. Durch kluge Maßregeln wußte er anfangs das verlorene Ansehen der Königswürde zu erneuern, bis er in Paris gleich seinen Vorgängern dem Genußleben anheim fiel u. sich durch Gewaltthaten verhaßt machte. Über Austrasien setzte er seinen dreijährigen Sohn Sigbert unter der Leitung des Herzogs Adalgisel u. unternahm zur Sicherung der Ostgrenzen dieses Reichs mehrere Züge gegen die Slawen. Auf dem ersten Zuge wurde er bei Wogastisburg geschlagen u. war auch in den folgenden nicht glücklich. Dagegen unterwarf er 635 die Vaskonen, die sich gegen ihn aufgelehnt hatten, u. zwang die Bretonen zur Rückkehr unter fränkische Botmäßigkeit. Er hatte Nanthilde, Wulfgunde u. Berchilde zugleich als rechtmäßige Gemahlinnen, u. neben ihnen hielt er sich eine große Menge Concubinen. Seine Regierung soll er (nach einer wahrscheinlich übertriebenen Angabe) durch den Mord von 10,000 Bulgarenfamilien geschändet haben, die bei ihm vor den Hunnen Schutz suchten, u. die er aus Furcht, daß sie das angewiesene Land als Eigenthum behalten möchten, in einer Nacht hinschlachten ließ. Er st. 638, u. das Reich ward nun wieder in Austrasien u. in das mit Burgund vereinigte Neustrien getheilt. In Austrasien herrschte der zehnjährige Sigbert III., der Heilige, Dagoberts I. natürlicher Sohn. Anfangs unter dem Einfluß des Bischofs Kunibert von Köln, dann unter dem Major Domus Pipin, zuletzt unter dessen Sohne Grimoald; in Neustrien der dreijährige Chlodwig[470] II. unter Vormundschaft seiner Mutter Nanthilde. Die Minderjährigkeit der Könige begünstigte die wachsende Macht der Hausmeier. Von Grimoald wird erzählt, daß er das Amt ohne Wahl als erbliches Recht in Auspruch genommen u. nach Sigberts III. Tode 655 dessen Sohn Dagobert aus dem Wege geschafft habe, um seinen eignen Sohn Childebert auf den Thron zu setzen; allein Chlodwig II. von Neustrien, von den über die Anmaßung des Hausmeiers aufgebrachten Großen zu Hülfe gerufen, bemächtigte sich Grimoalds u. Childeberts u. wurde von den Austrasiern als König anerkannt, so daß das Reich wieder unter einem Scepter vereinigt war.

Als er aber schon im folgenden Jahre starb, wurde das Reich wieder unter seine zwei älteren Söhne getheilt, nachdem der ältere, Chlothar III., eine Zeit lang allein geherrscht hatte. Dieser erhielt nun Neustrien und Burgund, sein Bruder Childerich II. aber Austrasien. Beide standen unter der Vormundschaft ihrer Mutter Bathilde, später ganz unter dem Einflusse des Major Domus Ebroin. Dieser erhob, ohne nach hergebrachter Sitte die Versammlung der Großen zu berufen, als 669 Chlothar III. gestorben war, dessen Bruder Theoderich (Dietrich) III. auf den Thron. Indeß wurde der Hausmeier u. sein Schützling 670 von den empörten Großen des Reichs gefangen u. ins Kloster Fontanelle geschickt. Childerich II., nunmehr Herr des ganzen Frankenreichs, sicherte jedem Theile derselben seine alten Gesetze u. seine gesonderte Verwaltung zu u. versprach, das Amt des Hausmeiers wechseln zu lassen, damit nicht ein Einzelner zu große Gewalt erlange. Nicht lange darauf wurde er auf der Jagd von Badillo, einem durch eine entehrende Strafe geschändeten fränkischen Großen, ermordet. Während darauf in Neustrien sich ein Bürgerkrieg über die Thronfolge entspann, da der aus dem Kloster entkommene Ebroin gegen Theoderich III., seinen ehemaligen Schützling, einen anderen König Chlodwig, angeblich ein Sohn Chlothars III., aufstellte, bis er mit Theoderich III. ausgesöhnt, als dessen Hausmeier wiederum zu unumschränkter Gewalt gelangt war: erhob der ehemalige Hausmeier Childerichs II., Wulfoald, den in Irland erzogenen Sohn Sigberts III., Dagobert II. 674 auf den Thron von Austrasien.

Als dieser ermordet wurde, stellte sich der Hausmeier Pipin von Heristal an die Spitze des Austrasischen Reiches, ohne jedoch die königliche Würde anzunehmen, indem er sich mit dem Herzogstitel begnügte. Mit ihm verbunden war sein Vetter Martin. Von Theoderich u. Ebroin angegriffen, wurden sie zwar geschlagen u. Erster verlor durch den Verrath der Neustrier sein Leben, aber Pipin wußte sein Ansehen in Austrasien zu behaupten u. befestigte seine Stellung, als nach Ebroins Ermordung durch Hermanfried, 682, der neustrische Major Domus Berchar wenige Jahre darauf viele neustrische Große aus seinem Reiche vertrieb u. diese bei Pipin Schutz suchten u. fanden. Mit diesen verbunden fiel er in Neustrien ein, schlug das Heer Berchars bei Testri u. bemächtigte sich der Stadt Paris. Dieser Sieg u. die ihm nachfolgende Gefangennahme des Königs entschied für immer über das Schicksal der Merowinger. Zwar behielten noch einige als Kinder od. entnervte Jünglinge zum Throne gelangte Nachkommen Chlodwigs I. in der Folgezeit die änßeren Zeichen der königlichen Macht, aber Herrscher waren im eigentlichen Sinne des Wortes Pipin u. seine Nachkommen, welche später den Namen Karolinger erhielten. Ausgezeichnet als Krieger durch persönlichen Muth u. Feldherrntalent, besaß Pipin nicht minder ausgezeichnete Fähigkeiten als Staatsmann, welche er mit solcher Thatkraft entfaltete, daß die zerrütteten Verhältnisse des Reichs verhältnißmäßig rasch wieder in Ordnung kamen u. die geschwundene Achtung vor dem Gesetze zurückkehrte. Indem er den Großen des Reichs den ihnen verlorengegangenen Antheil an der Regierung durch Wiederherstellung der regelmäßigen Reichstage auf dem Märzfelde zurückgab, gewann er an ihnen einen festen Halt u. konnte sich nun den äußern Feinden zuwenden, welche die Grenzen durch Raubzüge beunruhigten. Zunächst zog er gegen den König der Friesen, Ratbod, schlug ihn u. machte ihn zinsbar. Als 697 Ratbod von Neuem Krieg anfing, schlug ihn Pipin bei Durstädt u. ließ, um den Frieden zu befestigen, seinen Sohn Grimoald die Tochter des friesischen Fürsten Teutsand heirathen. Gegen die Alemannen machte er 709 u. 710 siegreiche Feldzüge. Da der merovingische Thron durch das schnelle Hinsterben der jungen Könige oft erledigt wurde, so ist Pipin dem Verdachte der Ermordung dieser Fürsten nicht entgangen. Auf König Theoderich III. folgte nämlich nach dessen Tode 691 sein 10jähriger Sohn Chlodwig III. (691–695), auf diesen dessen 12jähriger Bruder Childebert III. (695–711), auf diesen dessen minderjähriger Sohn Dagobert III. Für Neustrien u. Burgund ernannte Pipin Anfangs seinen Waffengefährten Noribert zum Hausmeier, u. als dieser frühzeitig starb, seinen eignen Sohn Grimoald; dieser wurde 714 von einem Friesen ermordet, worauf Pipin den Sohn desselben, seinen noch unmündigen Enkel Theodebald, zum Hausmeier einsetzte. Als aber Pipin in demselben Jahre starb, erhoben sich die neustrischen Großen gegen die Herrschaft des Pipinschen Hauses, und zwar mit leichtem Erfolg, da Plektrude, die Wittwe Pipins, ihre Stiefsöhne in Haft hielt, um ihrem Enkel Theodebald die Herrschaft zu sichern. Die Austrasier, ohne einheitliche Führung, unterlagen den mit den Friesen verbundenen Neustriern im Cottischen Walde unweit Compiegne.

Da entkam Karl, mit dem Beinamen Martell (d.i. Hammer), Pipins Sohn, der Haft, sammelte die Anhänger seines Hauses, konnte zwar, 716 von Ratbod geschlagen, die Vereinigung der Friesen mit den Neustriern, welche gegen Köln vordrangen, nicht hindern, brachte aber dem vereinigten Heere bei Amblef, unweit Stablo, eine entscheidende Niederlage bei. Durch neue, seinen siegreichen Fahnen zuströmende Schaaren der Austrasier verstärkt, fiel er nun in Neustrien ein, schlug den Hausmeier Raginfrid u. dessen Schattenkönig Chilperich II. (angeblich ein Sohn Childerichs II.) 718 bei Vincy unweit Cambrai u. drang bis Paris vor. Um indeß zuerst seine Herrschaft in Austrasien zu befestigen, kehrte Karl dorthin zurück. Köln, wo sich seine Stiefmutter Plektrude immer noch behauptete, obwohl ihr Enkel Theodebald unterdessen gestorben war, öffnete ihm die Thore, u. die Schätze Pipins wurden ihm ausgeliefert. Karl erhob nun den Merovinger Chlothar IV. zum König von Austrasien u. zog dann von Neuem gegen [471] Chilperich II. u. den von diesem als König anerkannten Herzog Eudo von Aquitanien, besiegte Beide bei Soissons, erkannte jedoch den Herzog Eudo, nachdem ihn derselbe den König ausgeliefert hatte, als Herrn von Aquitanien an. Nach dem Tode Chlothars IV. 719 nahm Karl sich nicht die Mühe, einen König von Austrasien zu wählen, sondern ließ Chilperich II. u. dessen Nachfolger Theoderich IV. von 720–737 den Titel als König des ganzen Reichs u. nannte sich Herzog u. Fürst aller Franken. (Dux et Princeps Francorum). Als Theoderich IV. gestorben war, hielt Karl Martell sein Ansehen für so befestigt, daß er es für unnöthig hielt, einen neuen König zu ernennen. Während dieser Zeit sorgte Karl Martell kräftig für die Erhaltung der äußern Ruhe. Zunächst war die Wiederherstellung der aufgelösten fränkischen Herrschaft über diejenigen germanischen Völker sein Streben, welche niemals dauernd dem Fränkischen Reiche angehört hatten, als die Baiern, Thüringern, Hessen, Sachsen u. Friesen, u. bei denen das Christenthum erst um diese Zeit anfing, Boden zu gewinnen. Die Sachsen schlug er 733 an der Lippe u. nöthigte sie zu dem alten Tribut von 500 Kühen. 725 zog er gegen die Baiern, drang über die Donau, schlug sie, machte sie sich unterwürfig u. befestigte diese Unterwürfigkeit durch einen 3 Jahr nachher wiederholten Feldzug. Darauf zog er zur See nach Friesland, erlegte den Herzog Poppo u. machte sich das Land unterwürfig. Um dieselbe Zeit, wo das Christenthum unter den germanischen Völkern im Osten Aufnahme fand (s. Deutschland, Gesch. II.), drohte demselben Gefahr u. Vernichtung von Westen durch die über Spanien nach Frankreich vorrückenden Mauren od. Sarazenen. Diese drangen 732 unter Abdorrahman über die Pyrenäen, plünderten Bordeaux u. streiften bis an die Loire. Eudo von Aquitanien wandte sich nun um Hülfe an Karl, u. Beide schlugen im October 732 die Sarazenen bei Poitiers. Darauf dämpfte Karl einen Aufstand der burgundischen Großen, welche über die Belehnung der fränkischen Günstlinge Karls mit burgundischen Gütern unwillig waren. Als er, um die Ruhe zu sichern, nun noch mehr Franken als Lehnsträger nach Burgundien schickte, verbanden sich die Unzufriedenen mit den Sarazenen, denen sie die Städte Arles u. Avignon überlieferten. Aber Karl sammelte rasch ein Heer, nahm 737 Avignon u. schlug die Araber an der Berre nicht weit von Narbonne. Trotzdem empörte sich Burgund von Neuem, wurde indeß 739 gänzlich unterworfen. Ebenso leistete auch Hunald, Herzog von Aquitanien, nach dem Tode seines Vaters Eudo, 735, den Lehnseid, so daß Karls Reich sich nun von den Pyrenäen bis an die Elbe u. den Böhmerwald erstreckte. Kurz vor seinem Tode theilte Karl Martell mit Zuziehung der Großen das Reich unter seine Söhne; Austrasien nebst Alemannien u. Thüringen erhielt Karlmann; Neustrien nebst Burgund u. der Provence Pipin (der Kurze); einen Landstrich zwischen Neustrien, Austrasien u. Burgund sollte Grippo, der Sohn seiner zweiten Gemahlin, Swanahilde, erhalten. Karl st. 22. October 741. Zwar hatte er dem Reiche nach Innen u. Außen den Frieden gegeben, aber nicht den Frieden, der auf freiwilliger Anerkennung des Rechtes, sondern auf der Furcht vor der Gewalt beruhte. Karl war gefürchtet, aber seine Willkürlichkeit u. seine Verachtung der geistlichen Gewalt zerütteten das Reich im Innern. Nicht nur, daß er, um seine Kriege durchzuführen, die Kirchen u. frommen Stiftungen ihrer Schätze beraubte, er vergab auch geistliche Pfründen, Bischofsstellen etc. an solche, die sich im Kriege ausgezeichnet hatten, so daß der geistliche Stand um alle Achtung kam, denn die so ernannten Bischöfe führten nicht selten ein anstößiges Leben u. gaben dem Volke ein böses Beispiel der Zucht- u. Sittenlosigkeit.

Es war daher kein Wunder, daß mit Karls Tode von Neuem die Zustände des Reichs sich verwirrten u. herrschsüchtige Große den Söhnen Karls zu schaffen machten. Zum Glück schlossen sich die älteren eng aneinander u. rückten vereinigt gegen Laon, wo Grippo sich eben anschickte, mit Hülfe der Aquitanier seine Brüder zu verdrängen. Sie nahmen Grippo gefangen u. setzten ihn auf die Burg Neufchateau in den Ardennen. Karlmann u. Pipin der Kurze wendeten sich nun gegen Hunald, Herzog von Aquitanien, welcher die Lehnstreue gebrochen hatte, wurden aber durch die Nachricht von einer Empörung der Alemannen bewogen, sich nach der Donau zu wenden. Die überraschten Alemannen unterwarfen sich darauf ohne Widerstand. Zum Schein setzten die Brüder auch wieder einen König ein, der sich Childerich III. nannte u. bis 751 den Königstitel führte. Dann wandten sie sich gegen den Herzog Odilo von Baiern u. den ihm verbündeten Herzog Theodebald von Schwaben u. schlugen Beide 743 am Lech. Während hierauf Karlmann die die Grenzen beunruhigenden Sachsen zum Frieden nöthigte, zog Pipin gegen den Herzog Hunald, welcher im Einverständniß mit Odilo in Neustrien eingefallen war u. die Stadt Chatres verbrannt hatte. Mit Karlmann vereinigt, schlug er den Herzog u. nöthigte ihn zur Erneuerung des Lehnseides u. Geißelstellung. Zwar gelang es nun Karlmann, die Schwaben, deren Herzog er gegen sein Versprechen gefangen setzen ließ, zu unterwerfen, aber Sachsen u. Baiern behaupteten ihre Unabhängigkeit. Der Welthändel überdrüssig, ging Karlmann 747 in ein Kloster, u. Pipin, nun Herr des ganzen Reichs, gab dem gefangenen Grippo die Freiheit zurück, da er seine eigne Macht für festbegründet hielt. Dieser aber floh bald darauf zu den Sachsen, u. als diese von Pipin geschlagen wurden, zu den Baiern, welche Grippo zu ihrem Herzog machten, aber von Pipin angegriffen, denselben auslieferten. Trotzdem gab Pipin seinem Bruder die Freiheit zurück, verlieh ihm die Stadt Mons u. 12 Grafschaften. Aber damit nicht zufrieden, entwich Grippo nach Aquitanien u. kam auf der Flucht nach Italien 753 um. Während Pipin durch Kriegsthaten sich seinem Vater ähnlich erwies, sann er als weiser Regent zugleich auf eine Besserung der Sitten u. des Rechtszustandes seines Reichs. Die in Verfall gerathene Kirche bedurfte einer durchgreifenden Regeneration. Zuerst im Jahre 742 begannen die Beherrscher des Frankenreichs mit dem zum Oberhaupt der Kirche emporgestiegenen römischen Bischofe in ein Wechselverhältniß zu treten, aus welchem sich später der innige Zusammenhang zwischen Papstthum u. Kaiserthum entwickelte. Pipin bedurfte einer höheren Autorität nicht nur um der Verweltlichung der Kirche u. der Zucht- u. Sittenlosigkeit ihrer Diener ein Ende zu machen, sondern auch um seinem Plane, sich selbst zum Könige zu machen, das Ansehen eines[472] göttlichen Rathschlusses zu geben. Der römische Bischof aber sah in dem fränkischen Könige die einzige Macht, welche befähigt war, mit Waffengewalt den christlichen Glauben zu schützen u. zu verbreiten u. das Ansehen u. die Macht des päpstlichen Stuhles zu erhöhen. Eine Kirchenversammlung, welche unter der Leitung des vom Papste Gregor III. gesandten Erzbischofs Bonifacius zusammentrat, gab den Kirchen u. Klöstern ihre Güter zurück u. regelte das Leben der Geistlichen nach strengen Vorschriften; ähnliche Beschlüsse faßte die für Neustrien berufene Kirchenversammlung zu Soissons 744. Als er auf solche Weise die Geistlichkeit für sich gewonnen hatte u. das Reich im Innern beruhigt war, glaubte Pipin, daß die Zeit gekommen sei, die merowingischen Könige ganz vom Throne zu stoßen. Er richtete deshalb an den Papst Zacharias die Frage, ob derjenige mit Recht König heiße, welcher sorglos daheim sitze, od. derjenige, welcher die Last des Reichs u. aller Staatsgeschäfte zu tragen habe. Der Papst antwortete, es sei besser, daß derjenige König heiße, auf dem die Regierung beruhe. Darum ließ Pipin 752 auf der Reichsversammlung zu Poitiers sich selbst auf dem Schild erheben, d.i. nach fränkischer Sitte von dem Volk als König anerkennen, u. sich von Bonifacius zum Könige salben. Childerich III. wurde in ein Kloster verwiesen u. damit endigte die Regierung der Merowinger

III. Die Franken unter den Karolingern bis zur Auflösung des Reichs im Vertrage zu Verdun, von 752–843. Von dem Könige der Longobarden Aistulph heftig bedrängt, flehte der Papst Stephan III. Pipin um Schutz an. Da ließ Pipin ihn zu sich kommen u. sich zu St. Denis von ihm nochmals salben u. krönen u. zugleich auch seine Söhne Karlmann u. Karl. Allen dreien übertrug der Papst im Namen des römischen Senats u. Volks das römische Patriziat. An den Pässen der Alpen überwand nun Pipin 756 die Longobarden; Aistulph, König derselben, gelobte, die fränkische Oberherrschaft anzuerkennen u. Ravenna mit dem Exarchat abzutreten, ein Versprechen, welches er nach Pipins Abzuge nicht erfüllte. Pipin zog daher 757 wieder gegen ihn, schlug ihn, belagerte ihn in Pavia u. zwang ihn zu einer jährlichen Steuer u. zur Abtretung des Exarchats. Pipin schenkte dasselbe dem Römischen Stuhl u. bereitete so den Boden für die weltliche Macht der Päpste. Noch viele Kriegsthaten füllten die letzte Regierungszeit Pipins aus; 753 bis Rmen an der Weser vordringend, zwang er die Sachsen zu einem jährlichen Zinse von 300 Rossen u. erneuerte den in der Folgezeit unterbliebenen Zins 757 durch seinen Sieg bei Sitten im Münsterschen. Durch Eroberung der Stadt Narbonne, welche von den Arabern besetzt war, machte er der Herrschaft der letzteren diesseits der Pyrenäen ein Ende. Wiederholte Heerfahrten wider den Herzog Waifar von Aquitanien (von 760–768) hatten endlich den Erfolg, daß Aquitanien sich gänzlich unterwarf u. der Herzog selbst von den Seinen ermordet wurde. Den Vasconen, ehedem zu Aquitanien gehörig, gab Pipin einen neuen Herzog in Lupus, einem Neffen des alten Hunald. Darauf theilte Pipin sein Reich unter seine beiden Söhne u. zwar nicht so, daß die Grenze zugleich die Grenze sprach- u. stammverwandter Völker war, sondern das Reich der Länge nach von Osten nach Westen durchschnitt. Pipin glaubte so am besten einer Bruderfehde vorzubeugen.

Als er aber 768 gestorben war u. Karld. Große den nördlichen, Karlmann den südlichen Theil des Reiches erhielt, fanden sich bald verschiedene Veranlassungen zu Streitigkeiten zwischen den Brüdern. Die Theilung, mehrmals geändert, war die Quelle fortwährenden Argwohns u. neuer Mißverständnisse, welche der König der Longobarden, Desiderius, welcher seinen Schwiegersohn Karl haßte, weil er seine Tochter verstoßen hatte, sorgfältig nährte. Auch die fränkischen Großen, die in dem Zwist der Fürsten den eigenen Vortheil zu finden hofften, trugen dazu bei, die Spannung zu vermehren. 769 empörte sich Hunald von Aquitanien; Karl, welchem Karlmann die Hülfe verweigerte, säumte nicht lange, besiegte die Empörer u. erlangte vom Herzog Lupus von Vasconien die Auslieferung des flüchtigen Hunald. Karlmann st. 771, u. sogleich bemächtigte sich Karl d. Gr. seines Besitzthums; Karlmanns Wittwe u. ihre Söhne flohen zu Desiderius, der ihnen Schutz gewährte. Kaum war Karl Herr des ganzen Reiches, als er von dem großen Gedanken, ein mächtiges, einheitliches Christenreich zu schaffen, getragen, die Bekämpfung u. Bekehrung des heidnischen Sachsenvolkes zu seiner nächsten Aufgabe machte. In dem ersten Kriegszuge gegen die Sachsen 772 eroberte er die Eresburg u. zerstörte die Irmensäule. Die Kriege mit den Sachsen währten 32 Jahre lang mit Unterbrechung fort (s. Sachsen, Gesch.). Endlich 803 brachte es Karl zu einem dauerhaften Frieden, nach dessen Bedingungen die Sachsen den in ihrem Lande von Karl eingesetzten Bischöfen gehorchen, übrigens frei nach ihren Gesetzen unter den Grafen u. den königlichen Sendboten (Missi regii) leben u. dem Frankenreich einverleibt sein sollten. 804 versetzte Karl 10,000 Sachsen von denen, die über der Elbe u. an den Grenzen der Dänen wohnend, sich am halsstarrigsten gezeigt hatten, in verschiedene Landschaften des Fränkischen Reiches, bes. nach Flandern u. Helvetien. Sein Sohn Karl zwang 805 die Böhmen zu einem jährlichen Zins u. die Sorben zur Unterwerfung. Den die Lehnstreue brechenden Herzog Thassilo II. von Baiern unterwarf er 787 u. schickte ihn in ein Kloster (s.u. Baiern, Gesch. I.). Schon früher wurde auch der Krieg mit dem Longobardenkönige Desiderius beendet, gegen welchen ihn der Papst Hadrian I. zu Hülfe gerufen hatte. Er vereinigte das Reich desselben mit dem Frankenreiche, nöthigte auch den Herzog von Benevent 787 zur Anerkennung der Lehnshoheit u. nannte sich nun König der Franken u. Longobarden u. Patricius der Römer (s.u. Longobarden). Während er im Norden u. Süden die Grenzen seines Reiches erweiterte, suchte Karl auch im Westen seine Herrschaft über die Pyrenäen auszudehnen. Ibn al Arabi, ein maurischer Fürst, welcher in Saragossa residirte, schickte 777 eine Gesandtschaft auf den Reichstag zu Paderborn, um von Karl Hülfe gegen den Omajjaden Abdorrhaman zu verlangen. Karl drang 778 bis an den Ebro vor, eroberte unter anderen Städten Pampelona u. vereinigte ein großes Stück von Spanien, zwischen den Pyrenäen u. dem Ebro, nebst den Balearischen Inseln als Mark Barcelona mit dem Fränkischen Reiche. Doch ging der Besitz derselben wieder verloren u. wurde erst 799 vor Neuem befestigt. Bei der Rückkehr von dem ersten[473] spanischen Kriegszuge wurde nämlich das fränkische Heer in den Schluchten der Pyrenäen von den Sarazenen u. den baskischen Gebirgsbewohnern angegriffen u. erlitt in dem Thal von Ronceval eine vollständige Niederlage, in welcher mehrere der vorzüglichsten Paladine Karls d. Gr., u.a. der durch die Poesie vielfach verherrlichte Markgraf Rutland (s.u. Roland) umkamen. Karl rächte die Niederlage an dem Herzoge der Vasconen, Lupus II., u. ließ ihn hängen; doch vermochte er einstweilen nichts gegen die Länder jenseits der Pyrenäen auszurichten. 787 trieb er die aufständischen Bretonen unter ihrem Seneschall Arnulf zu Paaren u. brachte die Wilzen, welche die Obotriten als fränkische Bundesgenossen beunruhigten, 789 durch den Sieg an der Peene zum Gehorsam. Nach seiner Rückkehr aus Spanien setzte er seinen jüngsten Sohn Ludwig zum Statthalter von Aquitanien ein, während sein dritter Sohn Pipin Italien verwalten sollte u. der zweite Sohn Karl bei ihm im Lager blieb, bekämpfte 790, 791 u. 799 die Avaren, besiegte dieselben gänzlich u. dehnte sein Reich bis an die Raab aus. Auch Venetien u. Dalmatien unterwarfen sich dem mächtigen Herrscher, dessen Kriegsruhm sich bis zu den entferntesten Gegenden der damals bekannten Welt verbreitete.

Inzwischen kam Karl der Ausführung seines großen Herrscherplanes näher. Es galt die Wiederaufrichtung des Abendländischen Kaiserreichs unter fränkischem Scepter, wozu nach damaligen Begriffen der Besitz von Rom unerläßlich war. Als rechtmäßiger Besitzer der Stadt galt noch immer der orientalische Kaiser in Byzanz. Die Gelegenheit, die sich darbot, auch das Orientalische Reich mit dem Fränkischen zu vereinigen, ging vorüber, indem Irene, Kaiserin von Byzanz, welche Karl dem Gr. ihre Hand antrug, bald darauf entthront wurde. Die Bedrängniß des Papstes Leo III. (795) reiste inzwischen seinen Plan. Er versprach dem Papste, welcher persönlich auf dem Reichstage zu Paderborn 799 erschien, Hülfe gegen seine Feinde unter der Bedingung, daß er von ihm als Kaiser anerkannt u. gesalbt werde. Im folgenden Jahre ging Karl d. Gr. selbst nach Rom, u. als er am Weihnachtsfeste 800 in der Peterskirche vom Gebete vor dem Altare aufstand, setzte ihm der Papst die Krone auf. So war Karl d. Gr. Begründer des Römischen Kaiserthums deutscher Nation, wie es von späteren Schriftstellern zum Unterschiede von dem Römischen Kaiserthum genannt wurde. 806 gewann Karls Stallmeister Burkhard im Hafen von Corsica eine Seeschlacht gegen die Seeraub treibenden Sarazenen. Auf dem Reichstage zu Thionville traf Karl in demselben Jahre eine Bestimmung über die Theilung des Reiches nach seinem Tode unter seine drei Söhne. Aber schon 810 starben Karl u. Pipin, u. Ludwig war also außer Bernhard, Pipins Sohn, welchem Karl der Große das Königreich Italien gab, der einzige Erbe. Karl d. Gr. schloß 812 durch besondere Gesandten in Constantinopel einen Vertrag mit den Griechen, worin er ihnen Venedig u. einen Theil von Dalmatien überließ. 813 berief Karl eine Reichsversammlung nach Aachen, wo sich auf sein Geheiß sein Sohn Ludwig eine goldene Krone mit eigner Hand aufsetzen mußte. Dies war seine letzte wichtige Regierungsmaßregel, denn schon 814 starb er zu Aachen. Nicht blos für die Vergrößerung seines Reiches (es umfaßte dasselbe ganz Frankreich u. Holland, den größten Theil von Deutschland, bis an die Elbe, den Böhmerwald u. die Raab, Istrien, fast ganz Italien, nur die Südspitze ausgenommen, u. Spanien bis an den Ebro; außerdem waren ihm die Böhmen u. Sorben zinsbar), hatte Karl d. Gr. Sorge getragen, sondern auch für die Grundlagen einer dauernden Staatsordnung im Innern. Als Gesetzgeber u. Ordner des Reiches erscheint er fast noch größer u. bedeutungsvoller denn als Feldherr u. Krieger. Er sorgte durch strengere Beaufsichtigung der Grafen, denen er königliche Sendboten (Missi regii) zur Seite stellte, für gerechte Verwaltung u. Justiz, verbesserte u. ergänzte das Salische u. Ripuarische Gesetz, befahl die Aufzeichnung der alten Rechtsquellen, förderte Wissenschaft u. Kunst, verbesserte die Straßen, führte nützliche Bauten aus u. errichtete Schulen u. öffentliche Lehranstalten. Mit klugem Blicke suchte er die Macht der Vasallen zu beschränken u. zu hindern, daß die Freien in deren Abhängigkeit geriethen. Den Letzteren verbot er ihr Grundeigenthum an mächtige Lehnträger zu veräußern u. untersagte die Verwandlung des Lehens in erbliches Eigenthum. Der geheime Rath, mit welchem Karl die Krone umgab, bestand aus einem Capellan od. Pfalzwahrer (Custos palatii), welcher, ein Geistlicher, alle kirchlichen Angelegenheiten des Reiches zu ordnen hatte; aus dem Pfalzgrafen, dem Vertreter des Kaisers im Gericht, welchem die Verwaltung des Innern u. der Justiz oblag; dem Camerarius, welcher die Finanzen zu verwalten hatte; u. 3 Hofministerialen, welche unmittelbar zu des Kaisers Diensten waren, nämlich dem Seneschall, dem Buticularius u. dem Stallmeister (Comes stabuli). Den Reichstagen gab Karl eine ständige Einrichtung, indem dieselben regelmäßig im Frühjahr berufen wurden; die Beschlüsse derselben, meist von dem geheimen Rathe vorbereitet, wurden als Reichsgesetze (Capitularia) öffentlich bekannt gemacht. Die Gemeinfreien, denen nur bei wichtigen Gelegenheiten Theilnahme an den Reichstagen verstattet war, mußten dem Kaiser gleich den Lehnsträgern Heeresfolge leisten, wenn sie 4 Hufen angebauten Landes besaßen. Außer den Freien u. Vasallen, welche dem. Heerbann folgten, bestand die Kriegsmacht des Kaisers noch aus einer stehenden Schaar, welche einen Sold bezog. Die Einnahmen des Kaisers flossen theils aus seinen bedeutenden Grundbesitzungen, welche Karl musterhaft bewirthschaften ließ, theils aus jährlichen Geschenken, welche Anfangs freiwillig von den Vasallen auf den Reichstagen dargebracht, später als ein Recht gefordert wurden, theils aus den Zöllen, deren Ertrag sich in Folge der Sicherheit der Straßen u. der dadurch hervorgerufenen Verkehrssteigerung bedeutend vermehrten. Auch Naturaldienste, früher nur von den Römern verlangt, wurden jetzt allgemeine Last. Obwohl Karl dem Papste große Achtung u. Ehrerbietung zollte, so betrachtete er denselben doch nur als den ersten Bischof der Kirche, dem die Entscheidung bei kirchlichen Streitigkeiten nur mit Bewilligung des Kaisers anheimfiel. Die Selbstkrönung seines Sohnes zeigt, daß er ihm auch das Recht der Kaiserkrönung nicht zugestand.

Karls des Großen Nachfolger, Ludwig der Fromme, besaß weder den Kriegsmuth noch die Herrscherklugheit seines Vaters. Von weichem [474] Gemüth u. zu einem frommen, beschaulichen Leben geneigt, ermangelte er der Thatkraft, um das Ansehen der kaiserlichen Würde den geistlichen u. weltlichen Großen gegenüber in gleicher Weise zu behaupten. Er ließ sich 816 zu Rheims vom Papste Stephan IV. die Krone aufsetzen u. traf darauf viele Verfügungen zu Gunsten der Geistlichkeit, der Kirchen u. Klöster. Dann bestimmte er 817 auf dem Reichstage zu Aachen über die Theilung des Reiches für den Fall seines Ablebens. Die ersten Jahre seiner Regierung waren glücklich; den Sachsen erlaubte er in ihre Heimath zurückzukehren. Von seinen 3 Söhnen sollte bald Lothar Italien, Pipin Aquitanien u. Ludwig der Deutsche Baiern erhalten, den älteren Lothar nahm er zum Mitkaiser an. In Folge dieser Verfügung empörte sich Ludwigs Neffe, König Bernhard von Italien; doch besiegte er denselben, ließ ihn 818 blenden u. stieß dessen Söhne ins Kloster, that aber, als er hierüber Gewissensbisse empfand, 822 öffentlich Buße, wodurch er das kaiserliche Ansehen in den Augen der Großen tief herabsetzte. Von den Geistlichen übel berathen, warf er sich dem Adel in die Arme, verließ jedoch bald auch diese Partei u. hatte es nun mit beiden Ständen verdorben. Schwach u. unentschlossen überließ sich Ludwig immer mehr der Leitung von Günstlingen u. schenkte erst Adelhard, dann Bernhard von Aquitanien sein Vertrauen. Nach dem Tode seiner ersten Gemahlin, Irmgarde, heirathete er die schöne Judith von Baiern. Mit dieser zeugte er Karl den Kahlen, u. die Vorliebe des von seiner jungen Gemahlin stark beeinflußten Kaisers für diesen Nachgeborenen war die Veranlassung zur Empörung seiner eigenen Söhne. Zuerst stand Lothar, dessen Erbtheil der Kaiser durch Verleihung Alemanniens an seinen jüngsten Sohn schmälern wollte, 829 gegen seinen Vater auf, nahm ihn 830 gefangen, trennte ihn von seiner Gemahlin u. beschuldigte diese des Ehebruchs, aber die Reichsversammlung zu Nimwegen, welche zur Entscheidung des Streites berufen wurde, gab dem Kaiser Krone u. Gemahlin wieder. Lothar versprach sich mit Italien zu begnügen. Nun aber traten die beiden anderen Brüder gegen den Vater auf, Ludwig der Deutsche, weil er sich für die dem Vater gegen Lothar geleistete Hülfe unbelohnt sah, u. Pipin, welcher nach der Vergrößerung seines Reiches trachtete. Anfangs besiegt u. mit väterlichen Ermahnungen entlassen, hielt sich Ludwig der Deutsche ruhig, aber Pipin, nach Trier verwiesen u. seines Erbtheils beraubt, welches der Kaiser Karl dem Kahlen überwies, floh nach Aquitanien u. brachte von dort seine älteren Brüder wieder unter die Waffen, indem er sie den Verlust auch ihrer Reiche fürchten machte. Mit einander verbündet, gewannen die Brüder den Papst u. den größten Theil der kaiserlichen Heeresmacht für sich, so daß Ludwig, um unnöthiges Blutvergießen zu vermeiden, sich bei Kolmar gefangen gab. Nun suchte Lothar den Vater zu bewegen, daß er in ein Kloster gehe, u. ließ ihn, als der Kaiser sich dessen hartnäckig weigerte, um ihn thronunfähig zu machen, förmlich Kirchenbuße thun u. öffentlich ein beschimpfendes Sündenbekenntniß ablegen. Diese Behandlung des Vaters unter dem Beistande hochmüthiger Prälaten erregte endlich den Unwillen der beiden anderen Brüder. Pipin u. Ludwig nahmen sich des gemißhandelten Vaters an, befreiten ihn zu St. Denis u. setzten ihn wieder in das Reich ein. Auf dem Reichstage zu Stramiacum bei Lyon 835 vertheilte der Kaiser das Reich dergestalt, daß Pipin zu Aquitanien noch 28 Gaue von Neustrien, Ludwig der Deutsche zu Baiern noch Sachsen, Thüringen, Hessen, Friesland u. Belgien, Karl der Kahle zu Alemannien noch Burgund, Provence u. Languedoc, Lothar nur Italien bekam, der Vater aber das übrige Neustrien u. die Oberherrschaft über das Ganze behielt. Durch den Einfluß der Kaiserin erhielt Karl der Kahle auf dem Reichstage zu Aachen 837 auch Neustrien: darüber mißvergnügt, verband sich Ludwig der Deutsche mit Lothar, doch verhinderte Pipins Tod den Ausbruch der Feindseligkeiten. Um Lothar zu versöhnen, veranlaßte nämlich der Kaiser nun eine neue Theilung (838), worin sich Lothar das Ostreich wählte, Karl der Kahle das Westreich erhielt u. Ludwig der Deutsche sich mit Baiern begnügen sollte. Darüber empörte sich dieser 839, wurde jedoch unterworfen u. erhielt Verzeihung; 840 erhob er sich wieder gegen den Vater, unterlag aber von Neuem. Bald darauf starb Ludwig der Fromme auf einer Rheininsel unweit Mainz den 20. Juni 840.

Nach des Vaters Tode verfolgte Lothar aus Herrschsucht seine Brüder; Karl den Kahlen, über dessen Antheil am Reiche er die Lehnshoheit beanspruchte, griff er, mit seinem Neffen Pipin verbunden, an, besiegte ihn u. nahm ihm sein Land bis an die Loire ab; dann wandte er sich über den Rhein gegen seinen Bruder Ludwig den Deutschen. Doch erschrocken über dessen unvermuthete Nähe, schloß er mit ihm einen Waffenstill stand. Darauf zwang er Karl den Kahlen zu einem unvortheilhaften Frieden u. zog 841 abermals gegen Ludwig über den Rhein. Nun verband dieser sich mit Pipin, Sohn Pipins von Aquitanien, u. Karl dem Kahlen u. schlug Lothar bei Fontenaille unweit Auxerre am 25. Juni 840. Doch verfolgten die Sieger ihren Vortheil nicht, sondern ließen Lothar ruhig nach Aachen ziehen. Dieser gewann nun die Sachsen für sich, indem er ihnen im Fall des Sieges Erleichterung der ihnen von Karl dem Großen auferlegten Lasten u. Ausübung ihrer heidnischen Religion zusicherte. Alsbald aber schlossen die Brüder u. Pipin ein neues Bündniß gegen Lothar, trieben dessen Heer an der Mosel im Frühling 842 in die Flucht u. beriefen eine Versammlung von Bischöfen u. Äbten nach Aachen, welche Lothar des Thrones u. der Krone für unwürdig erklärten. Lothar an der Spitze eines neu gesammelten Heeres begann nun von Lyon aus über den Frieden u. eine neue Theilung des Reiches zu verhandeln. Die Verbündeten gingen darauf ein, u. im August 843 kam der Theilungsvertrag zu Verdun zu Stande, welcher das Fränkische Reich für immer auflöste. Das westfränkische Reich, welches als Frankreich den Namen der großen Monarchie erbte, erhielt Karl der Kahle; das ostfränkische, durch Sprache, Sitte u. Gesetze von jenem schon scharf geschieden, von germanischen Völkern u. unterjochten Slawen bewohnt, kam an Ludwig den Deutschen. Zwischen beiden Ländermassen blieb der Landstrich zwischen der Schelde, dem oberen Laufe der Maas u. der Saone auf der einen u. dem Rhein auf der anderen Seite für Lothar (Lothringen), welcher dazu noch Friesland u. Italien nebst dem Kaisertitel erhielt. Jedes dieser Reiche nahm nun seine selbständige historische Entwickelung, s.u. Frankreich, Deutschland, Lothringen u. Italien.[475] Vgl. außer den unter Francorum annales genannten Chroniken noch: Gregor von Tours, Historia Francorum; Aimon, Gesta Francorum; Laureau, Hist. de France avant Clovis. Par. 1786; Gruner, Historische Untersuchungen vom Ursprung des Fränkischen Reiches in Gallien, Kob. 1764; Bender, Über Ursprung u. Heimath der Franken, Braunschw. 1857.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858, S. 467-476.
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Pascal, Blaise

Gedanken über die Religion

Gedanken über die Religion

Als Blaise Pascal stirbt hinterlässt er rund 1000 ungeordnete Zettel, die er in den letzten Jahren vor seinem frühen Tode als Skizze für ein großes Werk zur Verteidigung des christlichen Glaubens angelegt hatte. In akribischer Feinarbeit wurde aus den nachgelassenen Fragmenten 1670 die sogenannte Port-Royal-Ausgabe, die 1710 erstmalig ins Deutsche übersetzt wurde. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Karl Adolf Blech von 1840.

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Große Erzählungen der Frühromantik

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1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

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