[173⇒] Fichte, Johann Gottlieb, geb. 19. Mai 1762 in Rammenau (Oberlausitz) als Sohn eines Bandwirkers. Er besuchte 1774-80 die Schule in Pforta, studierte in Jena, und Leipzig Theologie und gab Privatstunden. 1784-88 war er Hauslehrer in sächsischen Orten, 1788-90 in Zürich, wo er sich mit einer Nichte Klopstocks, Johanna Rahn, verlobte. 1790 gab er in Leipzig einem Studenten Unterricht in der Kantschen Philosophie, die ihn selbst von seinem anhänglichen Determinismus und Spinozismus abbrachte. 1791 ging er (von Warschau, wo er eine Erzieherstelle hätte bekommen sollen) nach Königsberg, wo er sich mit dem Manuskript seiner »Kritik: aller Offenbarung« Kant vorstellte, der ihn sehr wohlwollend, aufnahm und den Druck der Schrift vermittelte, die nach ihrem Erscheinen (1792, anonym) Kant selbst zugeschrieben [⇐173][174⇒] wurde. Kurze Zeit war F. Hauslehrer beim Grafen von Krokow bei Danzig, dann ging er (1793) wieder nach Zürich, wo er schriftstellerisch tätig war und 1793 heiratete. 1794 wurde er als Professor der Philosophie nach Jena (an Stelle von Reinhold) berufen und hatte dort eine große Hörerschaft. 1798 brachte Forbergs »Philos. Journal« einen Aufsatz Fichtes »Über den Grund unseres Glaubens an eine göttliche Weltregierung« im Anschluß an Forbergs Abhandlung »Über die Bestimmung des Begriffs der Religion«. Fichte bestimmte hier Gott als die »sittliche Weltordnung« und wurde nun des Atheismus beschuldigt. Er erhielt einen Verweis und wurde – da er erklärt hatte, im Falle eines solchen werde er seinen Abschied nehmen – entlassen. Er ging nun, 1799, nach Berlin, wo er öffentliche Vorlesungen hielt. 1805 erhielt er eine Professur in Erlangen, wo er aber nur ein Sommersemester las. 1806 hielt er Vorlesungen in Königsberg, 1807-8 in Berlin die »Reden an die deutsche Nation«. 1809 wurde er Professor an der neubegründeten Berliner Universität, deren Rektor er 1811 war. Er starb am 27. Januar 1814 an einem Nervenfieber, das er sich bei der Pflege seiner Frau zugezogen hatte. In. Fichtes Natur fehlt alles Weiche, Schmiegsame. Er war ein strenger, oft starrer, starrsinniger, aber höchst lauterer, ehrlicher Charakter, ein Willensmensch, dessen Denken ein Ausdruck seiner nach Aktivität und innerer Freiheit strebenden, die Geistes- und Willenskraft aufs höchste schätzenden Persönlichkeit ist. Er war ferner ein höchst national und patriotisch denkender Mann der unerschrocken seine Ideen verfocht und durch seine aufrüttelnde Energie stark und breit wirkte.
F. ist von Kant ausgegangen und hat dessen Kritizismus zu einem vollen: (»subjektiven« oder besser »ethischen«) Idealismus ausgestaltet, indem er das »Ding an sich« ganz streicht und Inhalt wie Form der Erfahrung aus dem »Ich« (dem allgemeinen, überindividuellen Subjekt) ableitet. Da nach Fichte das Primäre nicht das Sein, sondern das Tun, die Handlung ist, so ist seine Philosophie Aktualismus und Aktivismus; den Primat der »praktischen Vernunft« führt F. konsequent durch.
Die Philosophie ist ein Ausfluß der ganzen Persönlichkeit. »Was für eine Philosophie man wähle..., hängt davon ab, was man für ein Mensch ist.« Auch in dem theoretischen Teile hat sie es mit dem Handeln zu tun, wenn auch mit der rein geistigen, inneren Richtung desselben, mit der aber zugleich die Setzung des Äußeren, des Objekts, der Außenwelt verknüpft ist. Die Philosophie untersucht, was im Geiste an ursprünglichen »Tathandlungen« besteht und in welchem Zusammenhange sich diese entfalten. So ist sie »Erkenntnis, die sich selbst werden sieht, genetische Erkenntnis«, »Erkenntnis der gesamten Erkenntnis«. Sie ist Wissenschaftslehre. Diese ist »eine pragmatische Geschichte des menschlichen Geistes«, die Ableitung alles Seine der Erscheinung aus dem Geiste, die Begründung des Wissens; ihre Aufgabe ist es, »das eine, allgemeine und absolute Wissen in seiner Entstehung zu sehen«. Vermittelst einer Art transzendentaler oder metaphysischer Psychologie wird der allgemeine Inhalt der Erfahrung und die Form derselben aus vorbewußten Prozessen des Geistes deduziert. So ist die Quelle der philosophischen Erkenntnis [⇐174][175⇒] die intellektuale Anschauung als »das unmittelbare Bewußtsein, daß ich handle und was ich handle; sie ist das, wodurch ich etwas weiß, weil ich es tue«. Die logische Methode, deren sich F. bedient, ist dialektisch (»synthetisch«); sie besteht in der Aufsuchung des Übereinstimmenden im Entgegengesetzten nach dem Schema: Thesis, Antithesis, Synthesis. Dogmatisch ist nach F. jede Philosophie, welche vom Sein, von Dingen ausgeht, also über das Ich hinausgeht. Die kritische (idealistische) Philosophie hingegen geht vom Ich aus, ist »immanent«, weil sie »alles in das Ich setzt«, alles aus dem Ich (Kants »transzendentaler Apperzeption«) ableitet, die Welt als Produkt geistiger Aktivität begreift.
Der Idealismus muß (wie schon Reinhold betont) alles aus einem einzigen Grundsatz ableiten; er geht nicht von Tatsachen aus, sondern von »Tathandlungen«, von absoluten »Setzungen« des Ichs, welches kein Ding, sondern »absolute Tätigkeit und nichts als Tätigkeit« ist. Dieses Ich ist das allen Einzel-Ichs gemeinsame, ihnen logisch vorangehende, das bewußte, intelligente Ich ebenso wie die Außenwelt erst in sich setzende reine, absolute, aktive, dem empirischen Bewußtsein vorangehende Ich, die »Ichheit«, das »absolute Subjekt«, dessen Sein bloß darin besteht, daß es sich selbst als seiend setzt. »So wie es sich setzt, ist es; und so, wie es ist, setzt es sich, und das loh ist demnach für das Ich schlechthin und notwendig.« Substanz ist das Ich nur als »den ganzen schlechthin bestimmten Umkreis aller Realitäten umfassend«. Es ist das »erste Prinzip aller Bewegung, alles Lebens, aller Tat und Begebenheit«. Als Subjekt hat es das Objekt zum Korrelat, so aber, daß das »Nicht-Ich« selbst schon ein Produkt der absoluten Ich-Tätigkeit ist und als unabhängig vom Ich nur erscheint. Das absolute Ich ist die Identität des Bewußtseienden und Bewußten, die allen gemeinsame Vernunft, die erst in dem Ich als Idee, dem idealen Ich (als Strebensziel) vollkommen realisiert ist.
Der oberste Grundsatz alles menschlichen Wissens soll »diejenige Tathandlung ausdrücken, die... allem Bewußtsein zum Grunde liegt und allein es möglich macht«. Als Thesis nimmt F. den Satz: A ist A (A = A), welcher schlechthin, ohne allen weiteren Grund gewiß ist. Man schreibt sich damit das Vermögen zu, »etwas schlechthin zu setzen«. Gesetzt ist hier aber nicht, daß A sei, sondern: Wenn A ist, so ist B, also ein notwendiger Zusammenhang zwischen A und B. Und zwar wird er im Ich und durch das Ich gesetzt, d.h. es wird gesagt, daß im Ich etwas ist, was sich stets gleich ist, so daß man sagen kann Ich = Ich, Ich bin Ich. In diesem Satze ist das Ich schlechthin gesetzt (nicht, wie A, bedingt), er bedeutet soviel wie: Ich bin. Es ist Erklärungsgrund aller Tatsachen des empirischen Bewußtseins, daß vor allem Setzen im Ich vorher das Ich selbst gesetzt sei. Allem Urteilen liegt das: Ich bin zugrunde. Der reine Charakter des Geistes ist Tätigkeit; das Ich ist das Handelnde und zugleich sein Produkt. »Sich selbst setzen und Sein sind, vom Ich gebraucht, völlig gleich«. Ich bin daher schlechthin, weil ich bin. So ergibt sich, daß nicht der Satz A = A den Satz: Ich bin, sondern daß vielmehr dieser den ersteren begründet, denn dieser ergibt sich durch Abstraktion [⇐175][176⇒] vom Gehalt des ersteren. Abstrahiert man von der Handlungsart des Geistes, so hat man die Kategorie der Realität. Was durch das Setzen irgend eines Dinges gesetzt ist, ist in ihm Realität, ist sein Wesen. »Alles, was ist, ist nur insofern, als es im Ich gesetzt ist, und außer dem Ich ist nichts.« An der Hand des Satzes vom Widerspruch (Non-A nicht –A) weist F. das »Entgegensetzen« als Tathandlung auf. Das dem Ich Entgegengesetzte ist »Nicht-Ich« (Objekt). Dem Ich wird schlechthin entgegengesetzt ein Nicht-Ich. »Von allem, was dem Ich zukommt, muß kraft der bloßen Gegensetzung dem Nicht-Ich das Gegenteil zukommen«. Die Reflexion auf die.Form der Folgerung vom Entgegengesetzten auf das Nicht-Sein ergibt die Kategorie der Negation. Ich und Nicht-Ich sind beide »Produkte ursprünglicher Handlungen des Ich«. Sie schranken sich gegenseitig ein d.h. ihre Realität wird partiell aufgehoben: Ich und Nicht-Ich werden als teilbar gesetzt. Es ergibt sich: »Ich setze im Ich dem teilbaren Ich ein teilbares Nicht-Ich entgegen«. Die Reflexion auf die bloße Form der Vereinigung Entgegengesetzter durch den Begriff der Teilbarkeit ergibt den Satz des Grundes (A zum Teil = Non-A), aus dem die Kategorie der Bestimmung (Begrenzung, Limitation) folgt. Aus dieser Synthesis folgen alle anderen apriorischen Grundsätze und Kategorien. In ihm liegt zweierlei: l. »Das Ich setzt das Nicht-Ich als beschränkt durch das Ich« – die Grundlage der praktischen Wissenschaftslehre; 2. »Das Ich setzt sich selbst als beschränkt durch das Nich-Ich« – die Grundlage der theoretischen Wissenschaftslehre.
Die Kategorien entstehen (zugleich mit den Objekten) durch die Tathandlungen des Ichs. Aus der Verbindung von Tätigkeit und Leiden im Ich ergibt sich die Wechselbestimmung (bei Kant: Relation). Das Nicht-Ich hat nur Realität, sofern das Ich leidet (d.h. sich selbst beschränkt). Es wird hier dem Nicht-Ich Tätigkeit zugeschrieben, dieses gilt als Ursache und so haben wir die Kategorie der Wirksamkeit (Kausalität). Das Ich als umfassend alle Realitäten ist Substanz, nämlich insofern alle möglichen Handlungsweisen (Seinsweisen) in das Ich gesetzt werden. Das unendliche Ich ist Eins und Alles, da es an sich unendlich ist. »Leiden« ist nur ein geringeres Quantum der ins Unendliche gehenden Ich-Tätigkeit, die sich selbst begrenzt. Das Handeln ist nur dadurch begrenzt, daß es dem Ich ein Nicht-Ich entgegensetzen muß. Das Gesetz des Bewußtseins lautet: »Kein Subjekt, kein Objekt; kein Objekt, kein Subjekt«.
Die (unbewußt) die Anschauungsinhalte und deren Formen setzende Funktion ist die der (produktiven) Einbildungskraft, durch welche das Ich sich begrenzt. »Es kann nichts in den Verstand kommen, außer durch die Einbildungskraft.« Der Wechsel des Ichs, daß es sich endlich und unendlich zugleich setzt, ist das Vermögen der Einbildungskraft, welche zwischen Endlichem und Unendlichem in der Mitte schwebt. Für uns entsteht alle Realität durch die Einbildungskraft. Die Empfindung ist eine Handlung des Ichs, durch welche dieses etwas in sich aufgefundenes Fremdartiges in sich setzt. Die Anschauung ist die Zusammenfassung eines Mannigfaltigen. Sie erfolgt durch einen »Anstoß« auf die Tätigkeit des Ichs, die nach innen [⇐176][177⇒] getrieben und reflektiert wird, so daß das Angeschaute als Vorstellungsinhalt dem Ich gegenübersteht. Das Angeschaute als solches wird produziert. Das Anschauen ist ein Schweben der Einbildungskraft zwischen widerstreitenden Richtungen und wird erst durch den Verstand (die »durch Vernunft fixierte Einbildungskraft«) fixiert, womit erst Realität gesetzt ist, das Ideale zum Realen wird. Als »gegeben« erscheint das Reale, weil wir uns der Art seiner Produktion nicht bewußt werden. Der »Zwang« des Objektiven ist nur die »Unmöglichkeit der entgegengesetzten Tätigkeit« des Ichs. Als Ursache der Anschauung wird das als denkbar Beurteilte gedacht. Die Anschauungsformen (Raum und Zeit) entstehen zugleich mit dem Anschauungsinhalte und sind ideell wie dieser. Das vorstellende Ich ist Intelligenz; dies ist es aber nur in Beziehung auf das Nicht-Ich, da die Vorstellung nur durch einen »Anstoß« auf die Ich-Tätigkeit möglich ist. Erst die praktische Wissenschaftslehre erklärt diesen Anstoß. Der Grenzpunkt liegt, wohin in die Unendlichkeit ihn das Ich setzt. Das Ich ist endlich, weil es begrenzt sein soll. Es ist die Forderung der praktischen Vernunft, »daß alles mit dem Ich übereinstimmen, alle Realität durch das Ich schlechthin gesetzt sein solle«. Setzen einer Schranke und stete Erweiterung unserer Schranken ist unsere Aufgabe.
Das Ich setzt eine Außenwelt, um praktisch-sittlich wirken zu können. Die Außenwelt ist das »versinnlichte Material unserer Pflicht«. »Objekt und Sphäre meiner Pflicht«. »Weil das Ich sich im Selbstbewußtsein nur praktisch setzen kann, überhaupt aber nichts denn ein Endliches setzen kann, mithin zugleich eine Grenze seiner praktischen Tätigkeit setzen muß, darum muß es eine Welt außer sich setzen«.
Den Übergang zur Ethik bildet die Untersuchung des praktisch sich verhaltenden Ichs. Das Ich setzt sich als tätig und frei, inwiefern es ein Handeln oder Sein aus seinem Begriffe erklärt. Das Geistige im Ich, unmittelbar als Prinzip einer Wirksamkeit angeschaut, ist Wille, dessen Objektivation der Leib ist (vgl. Schopenhauer). Als wollend finde ich mich durch intellektuelle Anschauung. »Tendenz zur Selbsttätigkeit um der Selbsttätigkeit willen« ist das Wesen des Ichs; diese Tendenz ist ein Trieb. Das vernünftige Ich ist frei, autonom. Das Prinzip der Sittlichkeit ist der notwendige Gedanke der Intelligenz, »daß sie ihre Freiheit nach dem Begriffe der Selbständigkeit, schlechthin ohne Ausnahme, bestimmen sollte«. Endzweck alles sittlichen Handelns ist, »daß die Vernunft, und nur sie, in der Sinnenwelt herrsche«. »Alle physische Kraft soll der Vernunft untergeordnet werden.« Sittlichkeit soll in der Gemeinschaft vernünftiger Wesen herrschen. Das Sittliche ist Selbstzweck, da die Natur als solche nichtig und wertlos ist. So ist z.B. der menschliche Leib nur »ein Werkzeug zur Realisierung des Sittengesetzes in der Sinnenwelt«. Das Sittengesetz ist die Darstellung des reinen, absoluten Ich in der Individualität. Kultivierung der Sinnlichkeit ist ein sittliches Ziel. Die Pflicht gebietet unbedingt, ohne jede Rücksicht auf Glückseligkeit u. dgl. Das Leben ist Zweck nur um der Pflicht willen. »Mein empirisches Selbst ist nur Mittel zur Erreichung des Zwecks der Vernunft«; es ist nur ein »Werkzeug des Sittengesetzes«. Objekt des Sittengesetzes ist »die Vernunft überhaupt«. [⇐177]
[178⇒] Das Ganze der vernünftigen Wesen ist die »Darstellung des reinen Ich«. Mein Grundtrieb ist die Übereinstimmung des wirklichen mit dem idealen Ich (Unterscheidung des »reinen« Triebes vom »Naturtrieb«). Das Gewissen ist »das unmittelbare Bewußtsein unserer bestimmten Pflicht«, das »Bewußtsein unserer höheren Natur und absoluten Freiheit«. Die allgemeinste ethische Forderung lautet: »Erfülle jedesmal deine Bestimmung!« (Forderung des sittlichen Triebes). Oder: »Handle stets nach bester Überzeugung von deiner Pflicht«, oder: »Handle nach deinem Gewissen«. Das ist das Prinzip der Moralität (Gesinnung), das formale Sittengesetz. Das Sittengesetz gebietet, »jedes Ding nach seinem Endzwecke zu behandeln«. Moralität aller vernünftigen Wesen ist Endzweck; wir sollen alle gleich handeln.
In seiner Rechts- und Staatslehre deduziert F. zuerst die Existenz von vernünftigen Individuen außer dem Ich. Ohne die Setzung freier, aktiver, vernünftiger Wesen, welche das Ich zur Selbstbestimmung veranlassen und mit ihm in Wechselwirkung stehen, kann sich das Ich als Vernunftwesen nicht denken. Deduziert wird das Rechtsverhältnis also aus dem Ich, aus der »reinen Form der Vernunft«, unabhängig von der Ethik, d.h. vom guten Willen. Es ist ein Verhältnis gegenseitiger Einschränkung freier Wesen. Das Recht ist Bedingung einer Gemeinschaft solcher Wesen, ist durch die Vernunft gefordert. Es gibt kein besonderes Natur- oder Vernunftrecht, sondern alles Recht ist seiner Idee nach Vernunftrecht. Der Zweck ist der Grund und Maßstab des Rechtes. Das allgemeine Rechtsgesetz lautet: »Ich muß das freie Wesen außer mir in allen Fällen anerkennen als ein solches, d.h. meine Freiheit durch den Begriff der Möglichkeit seiner Freiheit beschränken«. »Urrechte« sind die Ansprüche des Vernunftwesens auf Freiheit seines Leibes als Organs der sittlichen Pflichterfüllung und seines Eigentums. Zur gegenseitigen Sicherheit vereinigen sich die Individuen in einem gemeinsamen Willen und es entsteht der Staatsbürgervertrag. Der Staat ist »das Recht selbst, zu einer zwingenden Naturgewalt geworden«, er ist ein Organ der Vernunftverwirklichung, sein letztes Ziel ist die Sittlichkeit; er geht auf seine eigene Vernichtung aus: »Es ist der Zweck aller Regierung, die Regierung überflüssig zu machen«. Kontrolliert wird der Staat am besten durch »Ephoren«. Im »geschlossenen Handelsstaate«, welcher die Produktion, Güterverteilung, die Preise regelt, nur ein »Landesgeld« duldet, kurz möglichst selbständig ist, hat jeder das Recht auf Arbeit und Existenz, aber auch die Pflicht zur Arbeit (Staatssozialismus).
Damit sind wir bei der Sozial- und Geschichtsphilosophie F.s angelangt. Gesellschaft ist nach ihm die »Beziehung der vernünftigen Wiesen aufeinander«. Der soziale Trieb ist ein Grundtrieb des Menschen, dieser ist bestimmt, in der Gesellschaft zu leben, da er nur in dieser ganz Mensch ist. Das Leben im Staate ist ein Mittel zur »Gründung einer vollkommenen Gesellschaft«. »Wechselwirkung durch Freiheit« ist der Charakter der Gesellschaft. Durch sie entsteht die Vervollkommnung der Gattung; gemeinschaftliche Vervollkommnung ist unser Ziel in der Gesellschaft. Kultur als Gestaltung und Beherrschung äußerer und innerer Verhältnisse durch die Vernunft ist Endzweck des Menschen, dem er sich in der Geschichte immer mehr nähert. [⇐178]
[179⇒] In ihr wirkt die Vernunft erst als Instinkt (Stand der Unschuld), dann ab, Autoritätszwang, es kommt zur Auflehnung gegen diese, bis endlich eine Synthese eintritt, bei der alles frei durch Vernunft organisiert wird, die Menschheit ihr Leben aktiv-bewußt, rationell-sittlich gestaltet. Endphase ist der Stand der »vollendeten Rechtfertigung und Heiligung«. Eine besondere Aufgabe hat in der Gesellschaft der Gelehrte, er ist der Vertreter der Vernunft, er widmet sein Leben der Idee. – Ideen zu einer National- und Sozialpädagogik führt F., unter dem Einfluß von Pestalozzi, in den »Reden an die deutsche Nation« aus. Nur durch innere Umwandlung kann das deutsche Volk wieder sich erheben, auf die Jugend muß man einwirken. Die Erziehung ist (wie nach Plato) eine Sache des Staates, der darauf zu sehen hat, daß die Jugend in geeigneten Anstalten sittlich und national erzogen wird. Eine »deutsche Nationalerziehung« tut not. Wichtig ist vor allem die Erziehung zu einem festen, nicht schwankenden Willen; denn der Wille ist die »Grundwurzel des Menschen selbst«. Die Liebe zum Guten als solchen muß zur Entfaltung gelangen. Die eigene Tätigkeit des Zöglings anzuregen, ist notwendig. Für die Förderung des Vernunftzwecks ist auch ästhetische Bildung höchst wirksam.
Auf dem Gebiete der Religionsphilosophie erklärt F. in der »Kritik aller Offenbarung« die Offenbarung als Erziehungsmittel für möglich. Sollen Wesen, deren Natur gegen das Sittengesetz teilweise widerstreitet, die Sittlichkeit nicht ganz verlieren, so mußte diese durch Offenbarung gefördert werden. In der Schrift, die ihm den Vorwurf des Atheismus zuzog (»Über den Grund unseres Glaubens an eine göttliche Weltordnung«) bezeichnet F. Gott als die lebendige, aktive »moralische Weltordnung« (als »ordo ordinans«). Es bedarf keines ändern Gottes; Gott ist kein Ding, keine besondere Substanz. In der »Appellationsschrift« erklärt er, keineswegs Atheist zu sein; seine Gegner, welche nur ihre Wünsche personifizieren, für die also Gott nur »Geber des Genusses« sei, seien die eigentlichen Atheisten, religionslos. Später identifiziert er Gott mit dem unendlichen, absoluten Welt-Ich, der die Welt setzenden absoluten Vernunft, die reine Tätigkeit ist. Dann, in der Abhandlung »Über das Wesen des Gelehrten«, faßt er Gott als ein unendliches »Leben« auf, dessen Erscheinung die Welt ist. Das Sein ist »lebendig und in sich tätig«. Das Leben aus und durch sich ist »das Leben Gottes oder des Absoluten«. Dieses ist an und für sich »rein in sich selber verborgen«, es ist alles Sein, ist ohne Veränderung. Seine Äußerung, Darstellung, äußerliche Existenz ist die Welt. »Das göttliche Leben an sich ist eine durchaus in sich geschlossene Einheit, ohne alle Veränderlichkeit oder Wandel... In der Darstellung wird dasselbe... ein ins Unendliche sich fortentwickelndes und immer höher steigendes Leben in einem Zeitflusse, der kein Ende hat«. Die immer wieder zu überwindende Schranke des Lebens ist die Natur, ein totes, starres, in sich beschlossenes Dasein. Aus dem göttlichen Leben fließt das »Zeitleben«. Wo die göttliche Idee rein und ohne Beimischung des natürlichen Antriebes ein Leben gewinnt, da baut sie neue Welten auf (vgl. Eucken). Erst in der Erscheinung zerfällt das eine Leben in Individuen. Die Idee selbst verschafft sich im Menschen ein selbständiges und persönliches Leben und gestaltet vermöge [⇐179][180⇒] desselben die Welt nach sich. Dieses Leben der Idee stellt sich dar als Liebe, als Liebe zur Idee. Die Schrift »Anweisung zum seligen Leben« führt aus, wie das göttliche Leben im gottergebenen Menschen rein zur Äußerung gelangt, wie die Seligkeit in der Liebe besteht.
Unter dem Einflüsse Schellings hat F. später (von 1811 an) seine Lehre dahin modifiziert, daß er das göttliche Sein dem Wissen voranstellt. Das Sein ist, »Insichsein«, unveränderliches »Beruhen auf sich selbst, Absolutheit«. Alles ist Bild, Erscheinung des einen Seienden, Gottes. Das Wissen ist das Sehen des Seins durch ein Bild, die Erscheinung des Seins, die sich als Bild erfaßt und so in der Form des Ichs auftritt, für die es erst Dinge gibt.
Anhänger Fichtes sind Forberg, Niethammer, J. B. Schad, Mehmel u. a.; weitergebildet wurde seine Lehre durch Schelling und Hegel. Von den »Neukantianern« sind stark von Fichte beeinflußt Windelband, Rickert u. a. (»Neufichteaner«), aber auch Cohen, Natorp u. a. Ferner Wundt, Lipps u. a., besonders Eucken, J. Bergmann, Schellwien, F. Medicus, Münsterberg, teilweise I. H. Fichte, Fortlage, Harms u. a.
SCHRIFTEN: Aphorismen über Religion und Deismus, 1790. – Versuch einer Kritik aller Offenbarung, 1792; auch in d. Philos. Bibl., 1872. – Zurückforderung der Denkfreiheit von den Fürsten Europas, 1793. – Beiträge zur Berichtigung der Urteile d. Publikums über d. französ. Revolution, 2. A. 1795. – Über den Begriff der Wissenschaftslehre, 1794. – Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, 1794; 2. A. 1802 (Hauptwerk). – Über die Bestimmung des Gelehrten, 1794; auch in der Univ.-Bibl. – Grundriß des Eigentümlichen der Wissenschaftslehre, 1795. – Grundlage des Naturrechts, 1796. – Erste Einleit. in d. Wissenschaftslehre usw. Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre, 1797. – System der Sittenlehre, 1798. – Über d. Grund unseres Glaubens an eine göttliche Weltordnung, 1798. – Appellation an das Publikum gegen die Anklage des Atheismus, 1799. – Die Bestimmung des Menschen, 1800; auch in der Univ.-Bibl. – Der geschlossene Handelsstaat; 1800; auch in der Univ.-Bibl. – Darstellung der Wissenschaftslehre, 1801. – Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters, 1806. – Anweisung zum seligen Leben, 1806. – Über das Wesen des Gelehrten 1806. – Reden an die deutsche Nation, 1808; auch in der Univ.-Bibl. – Die Tatsachen des Bewußtseins, 1810. – Staatslehre, 1813; erschienen 1820, u. a. – Sämtliche Werke, hrsg. von I. H, Fichte, 8 Bde., 1845-46. – Nachgelassene Schriften, 3 Bde., 1834. – Briefe, hrsg. von Weinhold, 1862. – J. G. F.s Leben und literar. Briefwechsel, hrsg. von I. H. Fichte, 1830; 2. A. 1862. – Werke in Auswahl, hrsg. von F. Medicus. – Vgl. J. H. LÖWE, Die Philosophie F.s, 1862. – K. FISCHER, Gesch. d. neueren Philos. VI. – W. KABITZ. Studien zur Entwicklungsgesch. d. Fichteschen Wissenschaftslehre, 1901. – E. LASK, F.s Idealismus u. d. Geschichte, 1902. – X. LÉON, La philosophie de Fichte, 1902. – MEDICUS, F., 1905. [⇐180]
[577⇒] Fichte, Joh. Gottlieb, Philosoph, geb. 19. Mai 1762 zu Rammenau in der Oberlausitz, 1793 Prof. zu Jena, 1805 zu Erlangen, seit 1810 zu Berlin, gest. das. 27. Jan. 1814; tiefsinniger Denker, edler Patriot (»Reden an die deutsche Nation«, 1808), energischer Charakter, in der Geschichte der Philosophie epochemachend durch die konsequente Durchführung des transzendentalen Idealismus in den Schriften: »Über den Begriff der Wissenschaftslehre« (2. Aufl. 1798), »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre« (2. Aufl. 1802), »System der Sittenlehre« (1798) u.a. Seine spätere Auffassung vom absoluten Sein, als einem sich allein im sittlichen Handeln freier Subjekte offenbarenden göttlichen Leben ist bes. enthalten in der »Anweisung zum seligen Leben« (1806). – Vgl. K. Fischer (3. Aufl. 1900). – Sein Sohn Imman. Herm von F., geb. 18. Juli 1796 zu Jena, 1836 Prof. in Bonn, 1842-63 in Tübingen, gest. 8. Aug. 1879 in Stuttgart, suchte den idealistischen Monismus mit dem realistischen Individualismus (Hegel und Herbart) zu einem ethischen Theismus zu verschmelzen; schrieb: »Grundzüge zum System der Philosophie« (3 Tle., 1833-46), »System der Ethik« (1850-53), »Anthropologie« (3. Aufl. 1876), »Psychologie« (1864 u. 1873) u.a. [⇐577]
[538⇒] Fichte, 1) Johann Gottlieb, berühmter Philosoph, geb. 19. Mai 1762 zu Rammen an in der Oberlausitz als der Sohn eines Bandwebers, gest. 27. Jan. 1814 in Berlin, zeichnete sich als Knabe durch regen Geist und seltenes Gedächtnis aus, kam, 12 Jahre alt, auf die Stadtschule nach Meißen und bald nachher nach Schulpforta, bezog 1780 die Universität, zuerst Jena, dann Leipzig, um Theologie zu studieren, wurde aber bald zur Philosophie geführt und neigte sich dem entschiedenen Determinismus zu. Während seiner Studienzeit in Leipzig hatte er mit bitterer Not zu kämpfen. Von 178890 Hauslehrer in Zürich, wo er seine nachherige Gattin (seit 1793), Johanna Rahn, eine Nichte Klopstocks, kennen lernte, seit 1790 wieder in Leipzig, dann für kurze Zeit Hauslehrer in Warschau, warf er sich während mehrerer Jahre mit großem Eifer auf das Studium Kants, ging, um dessen persönliche Bekanntschaft zu machen, 1792 nach Königsberg und schrieb, um sich bei demselben würdig einzuführen, binnen vier Wochen seinen »Versuch einer Kritik aller Offenbarung« (Königsb. 1792, 2. Aufl. 1793). Diese Schrift war so ganz im Geiste der kritischen Philosophie, daß sie für ein Werk Kants gehalten wurde, bis dieser selbst den Verfasser nannte, empfahl und dadurch mit einemmal zum berühmten Mann machte. F. privatisierte hierauf einige Zeit in Zürich, verheiratete sich, hielt Vorlesungen, wurde mit Pestalozzi genauer bekannt und beteiligte sich unter dem Eindruck des benachbarten Frankreich u. der republikanischen Schweiz lebhaft (obgleich nur theoretisch) an der Politik. In den anonym erschien enen Schriften: »Beitrag zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die französische Revolution« (Jena 1793) und die »Zurückforderung der Denkfreiheit, an die Fürsten Europas« (das. 1794) beurteilte er aus dem Freiheitsbegriff der Kantschen Philosophie den gegebenen Staat und trat [⇐538][539⇒] für die Rechtmäßigkeit der französischen Umwälzung ein. Im Mai 1794 trat F. eine Professur in Jena an. Für seine (überaus erfolgreichen) Vorlesungen ließ er zwei Lehrbücher drucken, das eine, in Form eines Programms, war die Schrift »Über den Begriff der Wissenschaftslehre oder der sogen. Philosophie« (Weim. 1794, 2. Aufl. 1798), das andre enthielt das neue System selbst: »Grundlage und Grundriß der gesamten Wissenschaftslehre« (Jena 1794, 2 Tle.; 3. Aufl. 1802). Um auf die moralische Bildung der Studierenden noch direkter einzuwirken, eröffnete er im Wintersemester 1794/95 Vorlesungen »Über die Moral für Gelehrte« und veröffentlichte eine Schrift: »Einige Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten« (Jena 1794). Als er aber auch das akademische Leben der Studenten reformieren wollte, verwandelte sich die ursprüngliche Begeisterung der Studenten für F. in solchen Haß gegen ihn, daß er, von der Regierung ohne Schutz gelassen, Jena im Sommer 1795 verlassen mußte und sich einige Zeit in Osmannstädt bei Weimar aufhielt. Außer vielen einzelnen Abhandlungen in Journalen erschienen von ihm damals die »Grundlage des Naturrechts« (Jena 1796, 2 Tle.) und das »System der Sittenlehre« (das. 1798), das als Gegenstück des Naturrechts zu betrachten ist. In dem »Philosophischen Journal« von Niethammer und F. (Bd. 8, Heft 1, Jena 1798) erschien ein Aufsatz von Forberg: »Entwickelung des Begriffs Religion«, wonach die Religion nur ein praktischer Glaube an eine mora lische Weltordnung sein sollte. F. hatte demselben eine einleitende Abhandlung: »Über den Grund unsers Glaubens an eine göttliche Weltregierung«, vorausgeschickt, deren Grundgedanke war: »Unser sittliches Handeln sei unmittelbar Glaube an eine Ordnung der Dinge, in der das Gute nur aus dem Guten hervorgehen könne, d. h. an eine moralische Weltordnung, und diese sei das Göttliche selbst«. Bald nach dem Bekanntwerden jener Aufsätze erschien ein anonymes Schriftchen u. d. T.: »Schreiben eines Vaters an seinen Sohn über den Fichteschen und Forbergschen Atheismus«, infolgedessen die kursächsische Regierung zu Dresden das »Philosophische Journal« verbot und in einem Requisitionsschreiben an den weimarischen Hof die Bestrafung der Herausgeber des Journals verlangt e, zugleich aber drohte, andernfalls ihren Untertanen den Besuch der Universität Jena zu verbieten. F., überzeugt, der Angriff sei nicht so sehr gegen den Atheismus als vielmehr gegen den freien Menschengeist gerichtet, schrieb die »Appellation an das Publikum. Eine Schrift, die man erst zu lesen bittet, ehe man sie konfisziert« (Jena u. Leipz. 1799). Der Herzog von Weimar, dem F. diese Schrift überreichte, wollte F. schonen und die Sache damit abmachen, daß er F. einen Verweis durch den akademischen Senat erteilen lassen wollte. F., davon in Kenntnis gesetzt, erklärte in einem Brief an den Kurator der Universität, den Geheimrat Voigt in Weimar, den Verweis nicht hinnehmen zu können, indem er zugleich anzeigte, daß er einen solchen mit Einreichung seiner Dimission beantworten werde. Schon 29. März gelangte ein Reskript an den akademischen Senat, das diesen beauftragte, F. und Niethammer einen Verweis zu erteilen, und zugleich bemerkte, daß man Fichtes Dimission annehme. F., der diese Wendung nicht erwartet hatte, versuchte eine Zurücknahme der höchsten Entschließung zu veranlassen, erhielt aber eine abschlägige Antwort. Im Juni 1799 ging er nach Berlin, wo man ihn auf die Entscheidung des Königs hin duldete. In die Zeit dieses ersten Berliner Aufenthalts, während dessen er viel mit Friedr. Schlegel, Schleiermacher, Tieck verkehrte, fällt die Veröffentlichung der Schriften: »Über die Bestimmung des Menschen« (Berl. 1800), »Der geschlossene Handelsstaat«, worin er die Ausführung seiner allgemeinen Staatslehre darzutun suchte, und »Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters«, dargestellt in Vorlesungen, gehalten zu Berlin 18041805 (das. 1806), denen »Über das Wesen des Gelehrten« (das. 1806) folgte. Es waren dies öffentliche Vorlesungen, die er im Sommer 1805 in Erlangen (damals preußisch) gehalten hatte, wohin er als Professor berufen war, mit der Bestimmung, nur im Sommer daselbst zu lesen. Als bald darauf jene Katastrophe eintrat, die Preußens Macht ganz zu vernichten drohte, ging F., um nicht unter französische Herrschaft zu kommen, nach Königsberg und 1807 über Kopenhagen wieder nach Berlin. Als die Regierung den Entschluß faßte, in Berlin eine Universität zu errichten, wurde F. mit der Ausarbeitung eines Planes beauftragt, der später u. d. T.: »Deduzierter Plan einer zu Berlin zu errichtenden höhern Lehranstalt« (Stuttg. 1817) gedruckt erschien, aber auf W. v. Humboldts und Schleiermachers Rat als unpraktisch zurückgelegt ward. Höchst einflußreich dagegen wirkte F. durch seine »Reden an die deutsche Nation, gehalten im Winter 1807 bis 1808« (Berl. 1808), in denen er darauf hinwies, daß das gesunkene deutsche Volkstum nur durch eine ganz neue Erziehung wiederherzustellen sei. Seit 1810 hielt F. als Professor an der neuen Universität Vorträge, als deren Früchte die Schriften: »Die Wissenschaftslehre in ihrem ganzen Umfang« (Berl. 1810) und »Die Tatsachen des Bewußtseins« (Tübing. 1817) zu betrachten sind. Beim Beginn des Befreiungskrieges, in den ersten Monaten des Jahres 1813, erbot sich F., das Hauptquartier als religiöser Redner zu begleiten, wurde aber abschlägig beschieden. Im Wintersemester 1813/14 hatte er seine Vorlesungen wieder angefangen, als seine vortreffliche Frau nach fünfmonatiger aufopfernder Krankenpflege vom Lazarettfieber befallen wurde. Sie genas; aber F., von derselben Krankheit ergriffen, erlag ihr.
F. war ein fester, unbeugsamer Charakter von stärkster Willens- und Tatkraft, voll des edelsten Enthusiasmus, konsequent in seinen Ansichten, auf deren volle Einheit er drang, dabei nicht frei von Übertreibungen; damit hängt es zusammen, daß er eigenwillig und intolerant gegen fremde Überzeugungen, ja ohne Verständnis für solche war, auch die Tatsachen nicht genügend berücksichtigte. Sein Freund und Arzt Hufeland bezeichnete sein Wesen treffend mit den Worten: »Sein Grundcharakter war die Überkraft«. Kein andrer deutscher Philosoph hat für die nationale Größe und Wiedergeburt des deutschen Volkes eine so opfermutige Begeisterung selbst gehegt und bei andern geweckt wie F. Sein Bildnis s. Tafel »Deutsche Philosophen I«.
[Fichtes Philosophie] knüpfte an Kant, und zwar an dessen idealistischen Faktor an. Kant hatte die Erfahrung für ein Produkt aus zwei Faktoren, einem idealistischen und einem realistischen, erklärt. Jenen, das erkennende Subjekt, betrachtete er als den Urheber der Form, diesen, das sogen. Ding an sich, als die Ursache der Materie der Erfahrungserkenntnis. Ohne die a priori im Erkenntnisvermögen gelegenen reinen Anschauungsformen des Neben- und Nacheinander (des Raumes und der Zeit) würden wir Kant zufolge keine räumlich und zeitlich angeordneten Sinnesempfindungen, ohne das seiner Qualität nach übrigens [⇐539][540⇒] unbekannt bleibende Ding an sich überhaupt keine Empfindungen haben. Das Dasein desselben erkennen wir eben mittels des Daseins der Empfindungen in uns. Da wir uns nicht bewußt sind, diese selbst in uns hervorgebracht zu haben, so schließen wir nach dem Kausalgesetz, daß sie von irgend einer von uns selbst verschiedenen Ursache, einem Ding an sich, hervorgebracht seien, ein solches demnach wirklich existiere. F. bezeichnete diese Folgerung als einen Fehlschluß. Fällt aber so der von Kant festgehaltene realistische Faktor der Erfahrungserkenntnis weg, so bleibt nur der idealistische übrig, d. h. die Empfindungen (als Materie der Erfahrung) sind ebensogut subjektiven Ursprungs wie die Verknüpfung derselben im Neben- und Nacheinander (als Form und Erfahrung). Das einzige daher, aus dem die tatsächlich im Bewußtsein vorhandene Vorstellungswelt wirklich erklärt werden kann und daher auch muß, ist das Subjekt, das, da außer ihm nichts existiert, notwendig der Erzeuger seiner gesamten Vorstellungswelt sein muß. F. glaubte so Kants Ansichten in dessen eignem Sinne weiter zu bilden, daß die Unterscheidung zwischen Ding an sich und Erscheinung gewiß nur vorläufig gelte. Kant erklärte dies 1799 für einen Irrtum und Fichtes Wissenschaftslehre für ein ganz verfehltes System, worauf F. in seiner Selbstüberhebung erwiderte: »der heilige Geist in Kant habe wahrer als Kants individuelle Persönlichkeit gedacht«.
Die Aufgabe, die Kants Philosophie sich gesteckt hatte, die gegebene Erfahrung aus zwei Faktoren zu konstruieren, wurde von F. insofern beschränkt, als er sie aus einem einzigen, dem Subjekt oder dem Ich, konstruierte, zugleich aber dahin bestimmte, daß Philosophie in Wissenschaft, d. h. in ein konsequentes, auf einem durch sich selbst gewissen Fundament aufgebautes System, in dem ein Satz den andern und das Fundament alle trägt, zu verwandeln sei. Ersterer Umstand gab Fichtes Philosophie den idealistischen, letzterer den Charakter einer Wissenschaftslehre, d. h. einer Anweisung, wie ein durchaus und streng wissenschaftliches Wissen zustande zu bringen sei. Daß unter dem Subjekt, also dem Ich, sein eignes persönliches (das Ich des Individuums F.) gemeint sein sollte, als spiegele er selbst sich die Welt nur vor und sei eigentlich mit seiner Phantasmagorie allein im Weltraum vorhanden, erklärte F. selbst für einen »unsinnigen und bodenlosen Idealismus und Egoismus«, den ihm »beleidigte Höflinge und ärgerliche Philosophen« angedichtet hätten. Das Ich wird von ihm (wie das Erkenntnisvermögen von Kant) nicht im individuellen, sondern im allgemeinen Sinne gefaßt, um begreiflich zu machen, wie in einem solchen und durch ein solches ein Wissen überhaupt zustande komme; es ist das absolute Ich oder die Ichheit. Die Vorstellungen, von deren Erzeugung das Ich nichts weiß, sind ebensogut durch dasselbe selbst hervorgebracht wie diejenigen, bei denen es sich seines Hervorbringens bewußt ist. Es findet daher zwar nach wie vor ein Unterschied statt zwischen Vorstellungen, die im Bewußtsein angetroffen werden, aber scheinbar nicht vom Subjekt herrühren, und solchen, von denen das Subjekt sich bewußt ist, sie hervorgebracht zu haben; aber auch die scheinbar nicht vom Ich herrührenden Vorstellungen rühren von diesem ebensogut her wie die von ihm selbst als von ihm herrührend gewußten. Was überhaupt im Subjekt vorhanden ist, ist durch dieses gesetzt; dasjenige, bei dem das Subjekt (das Ich) dieser Setzung sich nicht bewußt ist, betrachtet es zwar als durch ein andres (ein Nicht-Subjekt, Nicht-Ich) gesetzt, aber nur, um es schließlich als seine Setzung (durch das Subjekt gesetzt) wieder zurückzunehmen. Die drei Stufen dieses Prozesses, das Setzen des Ichs, das Setzen des Nicht-Ichs und der gegenseitigen Einschränkung des Ichs und Nicht-Ichs, die F. als Thesis, Antithesis und Synthesis bezeichnet, bilden das Instrument, durch das F. die ganze Erfahrungswelt in Taten des Ichs und die sogen. Transzendentalphilosophie, als Wissen von dem Zustandekommen der Erfahrung, in Selbstbewußtsein des Ichs, als Wissen von diesen Taten als den seinigen, auflöst. Wie Raum und Zeit, die Formen der Empfindungen, müssen diese selbst als Taten des Ichs aufgezeigt werden. Für F. war es die eigentümliche Aufgabe der Wissenschaftslehre, zu zeigen, wie die unwillkürlichen Vorstellungen, das Sehen, Hören etc., aus eigner, zwar nicht gesetzloser, aber durch nichts andres als durch die Natur des tätigen Subjekts selbst gebundener Tätigkeit hervorgehen. Diese, die handelnde Intelligenz, findet sich bei ihrer Produktion zwar in »unbegreifliche Schranken« eingeschlossen; dieselben sind aber nichts weiter als die Folgen ihres eignen Wesens, Gesetze der Intelligenz, und indem diese die Nötigung, von der ihre bestimmten Vorstellungen begleitet sind, fühlt, empfindet sie nicht einen Eindruck von außen, sondern ihr eignes Gesetz.
Durch diese Gesetze ist die Gestalt dieser Welt als das notwendige Produkt des in »unbegreifliche Schranken« ihres Wesens eingeschlossenen Handelns der Intelligenz begründet, d. h. die Welt unsrer Vorstellungen kann keine andre sein, als die Natur der Intelligenz es gestattet. Keineswegs aber sind dadurch jene Schranken selbst und das in ihnen sich bewegende Handeln der Intelligenz begreiflich gemacht. Soll dieses kein zweckloses und die hervorgebrachte Welt kein unbegreifliches und trügerisches Spiel sein, so muß ihm und dadurch auch der sinnlichen Erscheinungswelt irgend ein Zweck, eine vernünftige Absicht, allerdings nicht außerhalb des Subjekts, da außer dem Ich nichts existiert, sondern innerhalb desselben, zugrunde liegen. Dieser Zweck, dessen Erweis F. in der Sittenlehre versucht, liegt darin, daß das Ich Selbstzweck und die Erscheinung einer Welt das einzige Mittel, d. h. die Bedingung zur Erreichung desselben ist. Handeln, das Wesen des Ichs, ist zugleich dessen absolute Bestimmung, und da es ohne Erscheinung einer bestimmten Welt zu einem bestimmten Handeln nicht kommen könnte, so liegt die Produktion der Erscheinungswelt auf dem Wege zwischen dem Ich, wie es (potentialiter, der Möglichkeit nach) an sich und (actualiter, der Wirklichkeit nach) infolge seiner eignen Selbstverwirklichung für sich ist. Kann Wirksamkeit überhaupt, also auch jene des Ichs, gar nicht gedacht werden ohne den Gegensatz von Innen und Außen, Subjekt und Objekt, von etwas, wovon sie ausgehen, und etwas, auf das sie hingehen muß: so bildet der absolut durch das Ich selbst gesetzte Zweck das eine, der rohe Stoff der Welt das andre Ende; die Setzung und Bewältigung des letztern zur Realisierung und Bewährung des erstern macht die Bestimmung des Ichs aus. »Unsre Welt«, lehrt F., »ist das versinnlichte Material unsrer Pflicht; dies ist das eigentliche Reelle in den Dingen, der wahre Grundstoff aller Erscheinung.« Die Realität der Welt beruht nicht auf einem Wissen, sondern (ähnlich wie nach Kants Postulierungsmethode der praktischen Vernunft für diese das Dasein Gottes und die Unsterblichkeit der Seele) auf einem bloßen Glauben, der seinerseits in der Notwendigkeit wurzelt, das Pflichtgebot zu realisieren, das sich ohne eine Welt nicht realisieren läßt. [⇐540][541⇒] Die aus der ursprünglichen Einrichtung unsrer (subjektiven) Natur ausgeborne (idealistische) Welt ist daher zwar nur das Spiegelbild dieser, die Offenbarung unsrer selbst; das Ganze aber ist eine durchaus moralische Anordnung und dient moralischen Zwecken. »Diese lebendige moralische Ordnung ist Gott«; eines andern bedürfen wir nicht und können keinen andern fassen, denn der Schluß, daß, wo Ordnung sich kundgebe, ein Ordner vorauszusetzen sei, »wird durch den Verstand gemacht und gilt nur auf dem Gebiet der sinnlichen Erfahrung«. Ihm Bewußtsein zuschreiben, hieße ihn in Schranken einschließen, d. h. vermenschlichen; ein Bewußtsein ohne Schranken wäre ein »für uns ganz unbegreifliches Wissen«; »jeder Begriff von der Gottheit würde ein Abgott«. Das einzige wahrhaft Absolute, das erste und einzige An-sich, das dem Menschen gegeben ist, ist »das Postulat einer übersinnlichen Weltordnung«.
In der ersten Periode Fichtes, der die Schriften bis zum Jahr 1800 angehören, bildet das Postulat der übersinnlichen Weltordnung den Endpunkt, in den Schriften der zweiten Periode (18001814), namentlich in der Schrift von der Bestimmung des Menschen, den Ausgang. Wird jene, »d as einzige wahre Absolute«, »Gott«, von den unbegreiflichen Schranken, in denen das menschliche Ich als handelnde Intelligenz sich »gefangen« findet, aufsteigend nur erreicht, wenn die Schranke von diesem schlechthin weggedacht, die endliche Intelligenz zur unendlichen (ebendarum »für uns unbegreiflichen«) erweitert wird, so kann umgekehrt, vom Absoluten ausgehend, zum Menschlichen nur herabgestiegen werden, wenn das an sich Schrankenlose in die Schranken des menschlichen Bewußtseins gefaßt, das unendliche Ich zum endlichen (ebendarum »begriffenen«) verengert wird. Damit ist zugleich ausgesprochen, daß das unendliche Ich nicht in einem, sondern nur in einer unendlichen Menge endlicher Ichs Verwirklichung finden kann, deren jedes für sich ebensosehr ein (in sich beschlossenes) Ich wie im Verhältnis zu den übrigen ein (für diese abgeschlossenes) Nicht-Ich darstellt und durch Erfüllung seiner besondern den auf dasselbe entfallenden Teil der allgemeinen Bestimmung, der Selbstverwirklichung des Absoluten (der moralischen Ordnung, Gottes), realisiert und dadurch (auf seinem Standpunkt) die »übersinnliche Welt«, das »einzige Absolute«, mit verwirklicht. Wie auf dem Standpunkt der Sittenlehre zwischen dem Ich als Selbstzweck und dessen Verwirklichung die sinnliche Scheinwelt als Mittel und Bedingung zu dieser, so liegt zwischen dem Absoluten (der zu realisierenden moralischen Ordnung) und dessen Verwirklichung die Welt der endlichen Ichs, d. h. die in einer Vielheit leiblich getrennter Vernunftwesen vollzogene Versinnlichung der Übersinnlichen als Mittel und Bedingung seiner Selbstrealisierung. Die Phasen, welche die letztere nacheinander durchläuft, gaben F. den Anhaltspunkt zu einer ebenso großartigen wie tief ethischen Philosophie der Geschichte, deren Grundlage die Einheit des Menschengeschlechts in Gott, deren Endziel die Wiedervereinigung desselben in diesem ist. In der »Anweisung zum seligen Leben« (vom Jahr 1806) werden von ihm drei Perioden unterschieden. Daß diese seine spätere Philosophie, die Hegel verhöhnte, von seiner anfänglichen nur dem Ausdruck nach verschieden sei, hat F. ausdrücklich (gegen Schelling) behauptet. Eine eigentliche Schule hat F. nicht gebildet, sondern es haben nur einzelne, namentlich Schad, Mehmel, Cramer, Schmidt, Michaelis u. a., seine Lehre adoptiert. Gleichwohl ist Fichtes Einfluß auf die folgende Entwickelung der deutschen Philosophie so bedeutend, daß in ihm allein der Schlüssel zu allem Verständnis der Neuern liegt, indem nicht nur Schelling und Hegel auf der von ihm zuerst eingeschlagenen Bahn der Spekulation weiterschritten, sondern selbst deren Antipode Herbart durch das im Fichteschen »Ich« liegende Problem auf die Grundaufgabe seiner Metaphysik hingeleitet worden zu sein selbst bekennt, Schopenhauer aber in der ersten Hälfte seiner Weltanschauung, in der »Welt als Vorstellung«, ganz mit F. übereinstimmt. Auch neuerdings gewinnt Fichtes Lehre wieder Einfluß.
Fichtes »Sämtliche Werke« wurden von seinem einzigen Sohn, Imm. Herm. F. (s. unten), herausgegeben (Berl. 184546, 8 Bde.), der auch »J. G. Fichtes Leben und literarischen Briefwechsel« (Sulzb. 1830, 2 Bde.; 2. Aufl., Leipz. 1862) veröffentlichte und in seiner »Charakteristik der neuern Philosophie« (2. Aufl., Sulzb. 1841) Fichtes System klar darstellte. Sehr ausführlich ist F. behandelt in K. Fischers »Geschichte der neuern Philosophie«, Bd. 6 (3. Aufl., Heidelb. 1900). Vgl. außerdem Busse, F. und seine Beziehungen zur Gegenwart des deutschen Volkes (Halle 184849, 2 Bde.); Löwe, Die Philosophie Fichtes nach dem Gesamtergebnis ihrer Entwickelung und in ihrem Verhältnis zu Kant und Spinoza (Stuttg. 1862); Noack, J. G. F. nach seinem Leben, Lehren und Wirken (Leipz. 1862); F. Zimmer, J. G. Fichtes Religionsphilosophie (Berl. 1878); Adamson, J. G. F. (Lond. 1881); Färber, J. G. F. (Bd. 12 der »Klassiker der Pädagogik«, Langensalza 1891); Kabitz, Studien zur Entwickelungsgeschichte der Fichteschen Wissenschaftslehre aus der Kantischen Philosophie (Berl. 1902); Lask, Fichtes Idealismus und die Geschichte (Tübing. 1902).
2) Immanuel Hermann von, theistischer Philosoph, Sohn des vorigen, geb. 18. Juli 1797 in Jena, gest. 8. Aug. 1879 in Stuttgart, war seit 1822 Gymnasialprofessor, zuerst in Saarbrücken, hierauf in Düsseldorf, seit 1836 außerordentlicher, seit 1840 ordentlicher Professor der Philosophie an der Universität zu Bonn, folgte 1842 einem Ruf in gleicher Eigenschaft nach Tübingen und ließ sich, nachdem er 1867 geadelt worden und in den Ruhestand getreten war, in Stuttgart nieder. Seine hauptsächlichsten Schriften sind: »Sätze zur Vorschule zur Theologie« (Stuttg. 1826); »Beiträge zur Charakteristik der neuern Philosophie« (Sulzb. 1829,2. vollständig umgearbeitete Aufl. 1841); »Über Gegensatz, Wendepunkt und Ziel heutiger Philosophie« (Heidelb. 183236, 3 Tle.); »Religion und Philosophie in ihrem gegenwärtigen Verhältnis« (das. 1834); »Die Idee der Persönlichkeit und der individuellen Fortdauer« (Elberf. 1834; 2. Aufl., Leipz. 1855); »Die spekulative Theologie« (Heidelb. 184647, 3 Tle.): »System der Ethik« (das. 185053, 2 Bde.); »Anthropologie« (das. 1856, 3. Aufl. 1876); »Psychologie« (das. 186473, 2 Bde.); »Vermischte Schriften« (das. 1869, 2 Bde.); »Die theistische Weltansicht und ihre Berechtigung« (das. 1873); »Der neuere Spiritualismus« (das. 1878); außerdem zahlreiche Abhandlungen in der von ihm seit 1837 herausgegebenen »Zeitschrift für Philosophie und spekulative Theologie« (Tübing. 183748, 20 Bde.; fortgesetzt mit Ulrici und Wirth, Halle 1852ff.). Auch gab er die Werke seines Vaters und dessen Biographie und Briefwechsel (s. oben) heraus. In der Philosophie nimmt F. eine Vermittlerstellung zwischen entgegengesetzten Richtungen ein, daher auch der Vorschlag [⇐541][542⇒] regelmäßig wiederkehrender Philosophenversammlungen zum Zwecke gegenseitiger Verständigung von ihm ausgegangen, und die erste 1847 in Gotha auch wirklich zustande gebracht und mit einem Vortrag: »Über die Zukunft der Philosophie« (Stuttg. 1847), begrüßt worden ist. Er betrachtet als solche Gegensätze die streng monistische Metaphysik, die nur Ein Seiendes, und die streng individualistische, die nur viele Seiende kennt; als deren Repräsentanten erscheinen ihm unter den Neuern Hegel und Herbart, die den Pantheismus und den Deismus vertreten. Ihnen setzt er Leibniz' Theismus als Repräsentanten der Einheit in der Vielheit und der Vielheit in der Einheit (Urmonas und Monaden) entgegen. Während er in seinen frühern Schriften das Hauptproblem dieses seines vermittelnden Standpunktes, die Erhaltung des Endlichen dem Unendlichen und dieses jenem gegenüber, auf spekulativem Wege zu lösen suchte, betrat er in seinen spätern, vorzugsweise psychologischen Schriften den empirischen Weg. Die Existenz des Göttlichen soll als dem menschlichen Geist immanent und transzendent (in ihm und über ihm seiend) erwiesen werden durch die »Tatsache« eines »Überempirischen im Empirischen«, einer »höhern«, geistigen Individualität im Menschen neben dessen niederer, irdischer, die von ihm als »Genius« bezeichnet und als das unmittelbare Bindeglied zwischen Gott und dem Menschen betrachtet wird. Das metaphysische Problem, wie die Gesamtheit dieser »Genien« sich zu Gott als der Urpersönlichkeit verhalte, wird damit in die höhere übersinnliche Welt, in das Geisterreich, verlegt, die Existenz des Genius im sinnlichen Menschen aber durch »Tatsachen« einer höhern Erfahrung, durch die Erscheinungen des Hellsehens, der Erleuchtung erwiesen. Die Berufung auf nicht zu erweisende Tatsachen hat Fichtes Philosophie in den Ruf der Mystik und der Theosophie, seine Vermittlerrolle bei beiden Parteien in den Ruf der Halbheit gebracht, dagegen sind die Wahrheitsliebe und die makellose Reinheit seines Charakters, wodurch er an seinen Vater erinnert, auch von seinen Gegnern anerkannt worden. [⇐542]
[256⇒] Fichte, 1) Joh. Gottl., geb. 19. Mai 1762 zu Rammenau in der Oberlausitz, ging, nachdem er mit Hülfe eines Gönners, des Freiherrn von Miltitz, in Jena, Leipzig u. Wittenberg Theologie studirt hatte, als Hauslehrer nach Zürich, wo er mit Pestalozzi befreundet wurde, von dort nach Königsberg, u. erhielt 1793 einen Ruf als Professor der Philosophie in Jena. Hier entwickelte er sein eigenthümliches philosophisches System (s. unt.) u. gab mit Niethammer das Philosophische Journal heraus. Wegen eines Aufsatzes in diesem Journal über den Grund unseres Glaubens an eine götliche Weltordnung vom kurfürstlich sächsischen Consistorium des Atheismus angeklagt, nahm er 1799 seine Entlassung u. veröffentlichte zu seiner Vertheidigung die Appellation an das Publikum wegen ihm beigemessener atheistischer Äußerungen (Tüb. 1799). Er wandte sich darauf nach Preußen, nahm bis zum Ausbruch des Fran. zösisch-preußischen Krieges in Berlin seinen Aufenthalt u. wurde 1806 Professor in Erlangen. Nach der Schlacht bei Jena ging er nach Königsberg, um dort Vorlesungen zu halten, u. nach dem Frieden zu Tilsit kehrte er nach Berlin zurück. Von großer Vaterlands- u. Freiheitsliebe beseelt, scheute er [⇐256][257⇒] sich nicht in der von den Franzosen besetzten Residenz 1808 seine berühmten Reden an die deutsche Nation zu halten, mit denen er das deutsche Nationalgefühl wieder aufzurichten strebte. Mit regem Eifer unterstützte er die Bemühungen der Patrioten, der Fremdherrschaft ein Ende zu machen, u. suchte 1813 durch seine Vorlesungen über den wahrhaften Krieg den Muth des Volkes im Kampfe gegen die Napoleonische Herrschaft zu entflammen. Er hatte die Freude, den Sturz Napoleons zu erleben, starb aber bald darauf am 27. Jan. 1814. Wichtigste Schriften: Versuch einer Kritikder Offenbarung, Königsb. 1792, 2. A. 1793; Grundriß der gesammten Wissenschaftslehre, Jena 1794, 3. Aufl. 1802; Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten, ebd. 1794; Grundlage des Naturrechts, ebd. 179697,2 Thle.; System der Sittenlehre, ebd. 1798; Anweisung zum seligen Leben (Religionslehre), Berl. 1806; Die Bestimmung des Menschen, ebd. 1800, u. Aufl. 1838; Vorlesungen über das Wesen des Gelehrten, ebd. 1806; Reden an die deutsche Nation, ebd. 1808; Die Wissenschaftslehre in ihrem ganzen Umfange, ebd. 1810; Die Thatsachen des Bewußtseins, Stuttgart 1817; Die Staatslehre 1820; Nachgelassene Werke, herausgeg. von I. H. Fichte, Bonn 183436, 3 Bde.; Sämmtliche Werke von I. H. Fichte, herausgeg Berl. 1845 ff., 8 Bde.; Populärphilosophische Schriften, herausgeg. von I. H. Fichte, Berl. 1847, 7 Bde.; Religionsphilosophische Schriften, herausgeg. von I. H. Fichte, Berl. 1847; Briefwechsel mit Schelling, herausgeg. von I. H. Fichte u. B. F. A. Schelling, Stuttg. 1856. Vgl. Fichtes Leben, herausgeg. von I. H. Fichte, Sulzb. 1830; Hase, Jenaisches Fichtebüchlein, Lpz 1856._ Die von F. vorgetragene Wissenschaftslehre machte in deutschen philosophischen Schulen eine Zeit lang Epoche, indem sie darauf ausging, an die Stelle des in den beiden letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrh. vorwaltend sich geltend machenden Kantschen kritischen Systems zu treten, die darin vermißte Einheit herzustellen u. die Vernunft in Hinsicht des schwierigsten Problems, wie unsere Vorstellungen mit den Gegenständen zusammenhängen, zu befriedigen. F. ging von einer ursprünglichen Thathandlung des Subjects aus, wodurch das Bewußtsein selbst construirt wird. Wissenschaft ist nach F-s System die Erkenntniß durch einen oberen Grundjatz, welcher den Gehalt u. die Form des Wissens ausdrückt, bestimmt: Wissenschaftslehre die Wissenschaft, welche die Möglichkeit u. Gültigkeit alles Wissens darlegt u. die Möglichkeit der Grundsätze, der Form u. dem Gehalte nach, die Grundsätze selbst u. dadurch den Zusammenhang alles Wissens nachweist. Das ganze System beruht auf folgenden Grundsätzen: a) A = A; den Zusammenhang bezeichnet X. Da A u. X im Ich gesetzt sind, so kann man substituiren: Ich bin Ich (Satz der Einstimmung, des Satzes); b) das Ich ist nicht Nichtich (Satz des Gegensatzes); c) das Ich setzt dem theilbaren Ich ein theilbares Nichtich entgegen Grundsatz des Grundes. Beide sind in dem absoluten Ich u. durch dasselbe, als durcheinander gegenseitig bestimmbar, gesetzt: hierin liegen folgende 2 Sätze: das Ich setzt sich als bestimmt durch ein Nichtich, als Schranke der absoluten Thätigkeit (intelligentes Ich); das Ich setzt sich als bestimmend das Nichtich. Dies führt zum praktischen Theil der Wissenschaftslehre. Das Absolute, das Nichtich bestimmende Ich ist frei, unendlich, unabhängig, die einzige wahre Reglität, da hingegen das Ich als Intelligenz, durch ein Nichtich determinirt, endlich, beschränkt ist. Der Hauptgedanke des Systems ist: Das Ich ist absolute Thätigkeit, Alles, was außer dem Ich wirklich ist, ist ein Product des Ichs durch Setzen, Entgegensetzen u. Gleichsetzen (Beschränkung); das Ich ist Subject-Object Dieses System, welches also auf einen transscendentalen Idealismus hinauskommt, zeichnet sich nun zwar durch Scharfsinn, strengste Einheit u. Consequenz aus; es hebt viele Schwierigkeiten, aber erzeugt auch neue; bes. setzt es an die Stelle einer Unbegreiflichkeit eine andere, noch größere, u. macht diese zum Erklärungsgrund. Nach den Grundsätzen der Wissenschaftslehre suchte F. nun auch einzelne philosophische Disciplinen zu begründen. In der Moral suchte er durch das Gewissen den Glauben an die Wirklichkeit der Sinnenwelt, an eine von der ersteren unabhängige intelligible Welt u. eine übersinnliche Ordnung derselben. sowie die Möglichkeit des Handelns für einen, durch die That zu realisirenden Zweck zu begründen. Das Princip der Moral besteht hiernach in dem nothwendigen Gedanken der Intelligenz, ihre Freiheit nach dein Begriffe der Selbständigkeit unbedingt zu bestimmen, d.i. dem Gewissen unbedingt zu folgen. Es bestimmt das Sollen. Die Tugend besteht in der völligen Übereinstimmung mit sich selbst. Das Naturrecht erklärt das Rechtsverhältniß, od. die Wechselwirkung freier Wesen u. deducirt dasselbe als nothwendige Bedingung des Selbstbewußtseins. Ein Urrecht wird geläugnet; alles Recht bezieht sich nur auf Gemeinschaft; daher müssen vernünftige Wesen in einen Staat zusammentreten. Die Bestimmung des Staates ist die Verwirklichung des Vernunftrechts. In seiner späteren Darstellung nennt F. das Ideal des Staates die Verwirklichung des Reiches Gottes auf Erden, eine Gottherrschaft, gegründet auf die klare Einsicht, daß Gott erschienen ist u. erscheinen soll in der Menschheit. Überhaupt ist es Aufgabe der Gegenwart, der Einsicht des Vernunftbegriffes Alles zu unterwerfen; daher die Forderung einer allgemeinen Volkserziehung u. einer stehenden Gelehrtenschule. Das meiste Aufsehen erregte F-s Religionsphilosophie, indem er Gott unmittelbar für die moralische Weltordnung erklärte, zu deren Annahme das Ich durch das Bewußtsein komme, daß es in seiner freien Thätigkeit durch den Begriff der Pflicht gebunden sei. In dieser moralischen Ordnung werde durch Sittlichkeit auch Seligkeit (nicht aber Glückseligkeit) bewirkt. Durch mehrere hieraus, nicht ohne Anstrich von Paradoxie, abgeleitete Sätze zog F. sich den Vorwurf des Atheismus zu. Doch weichen seine späteren Darstellungen wesentlich von jenen früheren ab, u. es erscheint die Wissenschaftslehre in ihrer neuen Gestalt mehr realistisch als idealistisch, indem F. darin, statt von der Thätigkeit des Ichs, von dem absoluten Sein Gottes ausgeht, was schlechthin durch sich selbst u. lauter Leben, u. dessen Bild od. Schema die Welt u. das Bewußtsein sei, so daß also die objective Natur die absolute Schranke für das göttliche Leben bilde. Zu den vorzüglichsten Anhängern der Fichteschen Philosophie (Fichtianer) gehören Forberg, Niethammer, Reinhold, Schad, Abicht, Mehmel u. A.; doch fand sie auch vielen Widerspruch, bes. von den Kantignern. 2) Imanuel Hermann, Sohn des Vorigen, geb. [⇐257][258⇒] 18. Juli 1797 in Jena, studirte in Berlin Philologie, machte aber die Philosophie zu seinem Hauptstudium. Indeß bestimmte ihn seine Abneigung gegen das in Preußen herrschende philosophische System Hegels zum Schulfach überzugehen. Er wurde 1822 Lehrer am Gymnasium in Saarbrücken, dann Director am Gymnasium in Düsseldorf, 1836 Professor der Philosophie in Bonn u. seit 1842 in Tübingen. Er schr.: Sätze zur Vorschule der Theologie, Stuttgart 1826; Beitrag zur Charakteristik der neueren Philosophie, Sulzb. 1829; Fichtes (seines Vaters) Leben u. literarischer Briefwechsel, ebd. 183031; Über Gegensatz, Wendepunkt u. Ziel heutiger Philosophie, Heidelb. 183236, 3 Thle.; Die Idee der Persönlichkeit u. der individuellen Fortdauer, Elberf. 1834, 2. Aufl. Lpz. 1855; Die Ontologie, Heidelb. 1836; Die speculative Theologie, ebd. 184647, 3 Thle.; System der Ethik, Lpz. 185053, 2 Bde.; Anthropologie, ebd. 1856. Außerdem schr. er mehrere kleinere Abhandlungen, darunter: Die Republik im Monarchismus, Halle 1848; Grundsätze für die Philosophie der Zukunft, Stuttg. 1848, u.a., meist abgedruckt in der von ihm begründeten Zeitschrift für Philosophie u. speculative Theologie, Bonn 183748, 20 Bde., fortgesetzt mit Ulrici u. Wirth 1848 ff. Sein religiös-philosophisches System nennt er den concreten Theismus, welchen er dem Hegelschen Pantheismus gegenüber stellt. [⇐258]
[698⇒] Fichte, Joh. Gottlieb, geb. 1762 zu Rammenau in der Oberlausitz, studierte seit 1780 in Jena Theologie, doch eifriger Philosophie, und konnte wegen seiner religiösen Denkweise 1787 keine Landpredigerstelle in Sachsen erhalten. Nachdem er in Zürich, Leipzig und Warschau gelebt, überreichte er in Königsberg seine »Kritik aller Offenbarung« 1791 an Kant, der sich aber engherzig gegen ihn benahm. F. hatte die Schrift in 8 Tagen geschrieben, sie machte großes Aufsehen. Zogen die anonymen »Beiträge zur Berichtigung der Ansichten über die franz. Revolution« das Mißfallen der Regierungen auf sich, so gewann er durch andere Schriften Ruhm u. 1794 die Professur der Philosophie in dem damals sehr besuchten Jena. Ein von ihm eingeleiteter Aufsatz im »philosoph. Journal« mit offenbar antichristl. Tendenz und noch mehr sein Trotz gegen die weimarʼsche Regierung brachten ihn 1798 um seine Stelle. F. wirkte nun in Berlin eifrig für Gründung der Hochschule, hielt trotz der Anwesenheit der Franzosen seine »Reden an die deutsche Nation«, wurde Professor, 1810 Rector der Berliner Universität und st. 1814 mitten im Wirken für eine Wiedergeburt Deutschlands in seinem Sinne. Die Philosophie war ihm Wissenschaftslehre, diese aber die Wissenschaft, welche die Möglichkeit u. Giltigkeit alles Wissens sowie die Möglichkeit von Grundsätzen, diese selbst und dadurch den Zusammenhang alles Wissens nachweist. Von Kant ausgehend schuf er eine Ichphilosophie, die nach Jakobis Urtheil auf einen umgekehrten, idealistischen Spinozismus hinauslief. Das Ich ist ihm die einzige Substanz, ist Alles in Allem, die Welt nichts Selbstständiges, sondern nur der Wiederschein der eigenen Thätigkeit des denkenden Ich. Als [⇐698][699⇒] unmittelbare Thatsachen des Bewußtseins nimmt er an: 1) das Ich setzt sich selbst (absolutes Ich, Thesis); 2) das Ich setzt das Nicht-Ich (Welt, Antithesis), u. 3) das Ich setzt sich selbst als bestimmt od. beschränkt durch das Nicht-Ich (empirisches Ich, die einzelnen Dinge, Synthesis). Daß ein persönlicher Gott in diesem pantheistischen Systeme keinen Platz findet, bliebe einleuchtend, wenn F. in seiner »Religion des freudigen Rechtthuns« u.s.f. Gott auch nicht ausdrücklich als die »moralische Weltordnung« aufgefaßt hätte. Wie bei Kant geht bei F. die Religion ganz in einer Moral auf, deren wenigsagender Hauptgrundsatz heißt »handle nach deinem Gewissen!« Der Satz: das Ich setzt das Nicht-Ich als beschränkt durch das Ich (handelndes Ich), soll den praktischen Theil der Wissenschaftslehre begründen. In der Moral wie in der Rechtsphilosophie entscheidet das Ich Alles; die Rechtslehre setzt einen rousseauischen »Staatsbürgervertrag« voraus und die Hauptaufgabe der Politik ist, das Bestehende dem Vernunftstaat gemäß einzurichten. Zumeist äußere Verhältnisse und Schellings Naturphilosophie bewirkten, daß F. in Berlin seinen Pantheismus hinter mystischen u. bildlichen Ausdrücken versteckte, sich dem Neuplatonismus näherte und sogar behauptete, seine Philosophie stimme vollkommen mit dem Evangelium Johannis überein. Er schrieb populärer als früher, namentlich eine »Anweisung zum seligen Leben«, dann »Die Bestimmung des Menschen« (neue Aufl. Berlin 1838) u.s.f. Sein Sohn Imman. Hermann gab F.s »Nachgelassene Werke« (Bonn 183435, 3 Bde.) u. »Sämmtliche Werke« (Berlin 184546, 8 Bde.) heraus. [⇐699]
[35⇒] Fichte (Joh. Gottlieb), einer der größten Philosophen, die es gegeben, war geb. den 19. Mai 1762 zu Rammenau in der Lausitz und starb 1814 zu Berlin.
Nachdem seine Erziehung in Schulpforte vollendet war, studirte er in Jena, Leipzig und Wittenberg, begab sich darauf als Hauslehrer nach Zürich, wo er Pestalozzi, und dann nach Königsberg, wo er Kant kennen lernte. Hier gab er 1792 eine Schrift: »Versuch einer Kritik aller Offenbarungen« heraus, welche mit solchem Beifall aufgenommen wurde, daß ihn schon im darauffolgenden Jahre die Universität Jena zum außerordentlichen Professor der Philosophie berief. Misverständnisse mit der weimar. Regierung, welche durch F.'s Mistrauen herbeigeführt wurden, man wolle ihm in der freien Äußerung seiner wissenschaftlichen Überzeugung hinderlich sein, bewirkten 1799 seine Entlassung. Er begab sich nun nach Berlin, wo man ihn mit Auszeichnung empfing. 1805 wurde er zum Professor der Philosophie [⇐35][36⇒] bei der damals preuß. Universität Erlangen ernannt. Als jedoch der Krieg mit Frankreich ausbrach, begab sich F. nach Königsberg und hielt dort 1806 und 1807 Vorlesungen, kehrte aber im folgenden Jahre nach Berlin zurück und hielt hier seine begeisterten »Reden an die deutsche Nation«, in denen er sein in Knechtschaft versunkenes Vaterland zur Ermannung mit glühenden Worten aufregte und zwar, während die Franzosen Berlin besetzt hielten. Als 1810 die Universität zu Berlin errichtet wurde, ward F. zum Professor der Philosophie an derselben ernannt, und je großartiger sein Wirken hier sein mußte, um so mehr war es zu bedauern, daß der Mann, welcher bei dem gebildetsten Theile seiner Zeit- und Landesgenossen so viel zur sittlichen Erkräftigung beigetragen hatte, welche eine politische zur Folge haben mußte, nur die ersten Äußerungen des in Deutschland neu erwachenden Lebens sah. Er erkrankte nach seiner Gattin, die sich der Pflege der Verwundeten und Kranken in den Hospitälern zu Berlin unterzogen und dort angesteckt worden war, am Hospitalfieber, und wurde ein Raub dieser pestartigen Krankheit. In seinen zahlreichen philosophischen Werken zeigt sich F. als ein Schüler Kant's (s.d.), der aber das große Werk seines Vorgängers mit Selbständigkeit weiter führt. Wie der seinen die Kant'sche, so liegt seine eigne Philosophie der neuesten zu Grunde, die durch Schelling und Hegel (s.d.) gelehrt worden ist. Seine in zahlreichen Schriften niedergelegte Philosophie bildet so einen der wichtigsten Übergänge, den würdig zu repräsentiren, die ganze sittliche Kraft eines F. erfoderlich war, und wegen dieser sittlichen Größe wird F. stets ein Gegenstand der Bewunderung und Nachahmung sein. [⇐36]
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