[618] Griechischer Freiheitskampf. I. Ursachen u. Vorbereitung desselben. Die politische Lage der von den Türken unterworfenen Griechen (s. Griechenland [Gesch.] VII.) war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. immer drückender geworden. Nicht genug, daß die Pforte die den Griechen früher gegebenen Versprechungen bei Anlaß der verschiedenen griechischen Aufstände längst wieder zurückgenommen hatte u. die ihnen gegen ein Kopfgeld (Charadsch, daher ihr Name Rajahs, d.i. Zinspflichtige) gewährten Freiheiten immer mehr beschränkte, sparten ihnen die Türken auch keine Demüthigung, welche sie der griechischen Nationalitätn. Kirche zufügen konnten. Jeder Pascha od. sonstige Oberbeamte der Pforte schaltete in seinem Bezirke als unumschränkter Despot. Am besten befanden sich noch die Inselbewohner, welche, milder regiert, durch Schifffahrt u. Handel wohlhabend wurden. Die Versuche Rußlands in den Jahren 1770 u. 1790, Griechenland zu insurgiren, die Empörung einzelner Paschas u. der Serbier, 180407, reizten zur Nachahmung, da sie die Schwäche des Türkischen Reichs enthüllt hatten. Einzelne junge Griechen, welche von europäischen Universitäten nach der Heimath zurückkehrten, bildeten im Verein mit[618] einer Anzahl wissenschaftlich gebildeter u. patriotischer Landsleute Gesellschaften, welche scheinbar wissenschaftliche Zwecke verfolgten, in der That aber keinen anderen hatten, als eine zukünftige Erhebung Griechenlands vorzubereiten. Es wurden von ihnen Schulen, ja in Kuru-Tschesme, in Smyrna u. in Chios Anstalten gestiftet, welche Universitäten glichen. Dazu kamen die kaum verkennbaren Absichten Napoleons auf den Orient u. die Thätigkeit Napoleonischer Emissäre in Griechenland 180912. Ferner bildete sich 1809, unter Napoleons Schutz, eine Verbindung in Paris, sowie in Athen, die Philomusen, während 1814 unter dem Grafen Capo d'Istrias in Wien die Hetäria (Bund der Freunde) entstand u. 1815 von Nik. Skupa, Galaty aus Korfu u. sieben Anderen in Moskau weiter ausgebildet wurde. Allein diese Vereine verfolgten, gleich den früheren, unter dem Vorwand wissenschaftlicher Bestrebungen, lediglich politische Zwecke. Zwar wurde das Bestehen der Hetäria verrathen, Galaty verhaftet u. aus Rußland verwiesen; auch die übrigen Glieder zerstreuten sich nach Morea, Constantinopel, der Moldau u. Walachei, ohne jedoch dadurch die Verbindung zu lösen. Da sich Graf Capo d'Istrias, russischer Minister, aber geborener Grieche, weigerte, an der Spitze dieser politischen Verbindung zu bleiben, so wurde die Leitung derselben dem russischen Generalmajor Fürst Alex. Ypsilantis übertragen. Derselbe versprach, angeblich ohne Vorwissen des russischen Cabinets, der Hetäria den Schutz Rußlands u. vermehrte dadurch den Anhang der Verbindung wesentlich.
II. Ausbruch des Aufstandes u. Fortgang des Kampfes 1821. Ende 1820 starb der Hospodar der Moldau u. Walachei, Alex. Sutzo, u. da man von seinem Nachfolger, Fürst Karl Kalimachi, erneute Bedrückungen fürchtete, so erhob Theodor Wladimiresko, ehemals russischer Offizier, dann Besitzer eines Bauerhofes in der Walachei, ohne Kenntniß von dem Plane der Hetäria zu haben, mit 160 Panduren im Jan. 1821, von Bukarest aus, die Fahne des Aufruhrs; bald wnchs seine Schaar auf 45000 Mann, mit denen er die Kleine Walachei insurgirte. Der Hetäria schien der Augenblick günstig, da Ali Pascha von Janina u. Mehemed Ali von Ägypten in offenem Aufstand waren u. Persien der Pforte feindlich gesinnt schien, man auch auf einen allgemein griechischen Aufstand u. auf Rußlands Hülfe rechnete. Fürst Alex. Ypsilantis überschritt daher mit seinen Brüdern, Nikolaus u. Georg, dem Fürsten Kautaknzenos u. etwa 20 Personen den Pruth, kam im März nach Jassy u. erließ hier einen Aufruf an alle Griechen, das Joch der türkischen Herrschaft zu brechen. In Galacz u. Jassy erhob sich das Volk u. ermordete einige hundert, Türken, während etwa 1400 Mann u. die von den deutschen Universitäten heimkehrenden Griechen zu Ypsilantis stießen. Letztere bildeten die Heilige Schaar (fälschlich Hetäristen genannt) von etwa 180 Mann Fußgängern u. 70 Reitern. Im Ganzen zählten die griechischen Insurgenten etwa 5500 Streiter. Da voraus zu sehen war, daß diese geringe Macht bald erdrückt werden würde, bat Ypsilantis den Kaiser Alexander von Rußland, welcher sich bei dem Congreß zu Laibach befand, um Hülfe; der Kaiser sah aber den Aufstand Ypsilantis als eine, durch das Beispiel der Aufstände in Neapel u. Piemont, welche zu unterdrücken man eben versammelt war, veranlaßte Begebenheit an, mißbilligte ihn deshalb gänzlich u. ließ Ypsilantis aus der Liste der russischen Offiziere streichen, während der russische u. österreichische Gesandte in Constantinopel erklärten, daß ihren Höfen jene Aufstände durchaus fremd wären. Uneinigkeit u. Verrath zeigten sich nun unter den griechischen Anführern; Ypsilantis ließ den ehrsüchtigen Wladimiresko in Trigavista hinrichten, die Arnauten verließen beim. Anrücken der Türken die griechische Sache, das Gefecht bei Dragaschan (19. Juni 1821) opferte die Heilige Schaar, Jordaki, in das Kloster bei Seco eingeschlossen, sprengte sich nach verzweifelter Gegenwehr in die Luft, u. auch zwei Treffen bei Skutari endeten unglücklich. Alex. Ypsilantis wollte für seine Person über Triest nach. Griechenland fliehen, wurde jedoch in Hermannstadt durch die österreichische Regierung verhaftet u. auf die Festung Munkatsch gebracht.
Unterdessen hatte sich der Aufstand von der Walachei aus auch über das eigentliche Griechenland verbreitet. Im Peloponnes hatten die Türken die griechischen Bischöfe u. andere Notablen, unter dem Vorwand, sich über ihre gemeinschaftlichen Interessen zu berathen, nach Tripolitza gerufen u. in den Kerker geworfen. Nur Germanos, Erzbischof von Patras, hatte dem Rufe keine Folge geleistet u. berief nun die Griechen zum Kampfe. Ende März 1821 erhob sich Kalaurita in Achaja, dann Kolokotronis, welcher die Arkadier, u. Petros Mauromichalis, welcher die Mainoten insurgirte. Im ganzen Peloponnes wurden die Türken gezwungen, sich in die Citadellen zurückzuziehen; nur in Patras entsetzte Jussuf Selim, Pascha von Lepanto, die Eingeschlossenen u. plünderte u. verbrannte die Stadt. Der Mönch Gregorios nahm Korinth. Von da verpflanzte sich der Aufstand jenseit des Isthmus auch über Attika, Euböa, Böotien, Ätolien (durch Rhangos), Phokis u. Akarnanien (durch die Brüder Hiskos) u. über Thessalien (durch Odysseus), wo die Türken verjagt, ermordet od. in die Festungen eingeschlossen wurden. Im April erhoben sich auch die Inseln des Archipelagus, zuerst Hydra, Spezzia u. Ipsara, dann Tino u. Samos, wodurch die Griechen eine Flotte von trefflich bemannten 180 Briggs gewannen. Bei den Türken erregte der griechische Aufstand die höchste Erbitterung. Zunächst richtete sich diese gegen die Fanarioten, reiche Kaufleute u. Bankiers. in Constantinopel, welche aus Eigennutz Anhänger der Pforte waren u. deshalb wenig Antheil an der Revolution hatten. Dessenungeachtet wurden vom Mai bis Juni 1821 viele von ihnen hingerichtet u. ihre Schätze eingezogen. Ein Hatti-Scherif des Padischah rief alle Muselmanen unter die Waffen, u. wüthend stürzte sich nun der türkische Pöbel über die griechischen Bewohner Constantinopels u. anderer türkischer Städte, mordete die Männer, schändete die Frauen od. schleppte sie u. die Kinder in die Gefangenschaft. Am meisten wurden die griechischen Geistlichen verfolgt, da man sie in Verdacht hatte, wesentlich zum Ausbruch des Aufstandes beigetragen zu haben, u. selbst der Bannstrahl, welchen die Patriarchen von Constantinopel u. Jerusalem gegen die insurgirten Griechen schleuderten, vermochte diesen Verdacht nicht zu entfernen. Am Osterfeste wurde der griechische Patriarch Gregor (s.d. 39), als er eben den [619] Gottesdienst in einer Kirche Constantinopels gehalten hatte, ergriffen u. nebst anderen Geistlichen an der Thür der Kirche aufgehängt. Ähnliches Schicksal traf den in Adrianopel in Zurückgezogenheit lebenden Patriarchen Kyrillos u. den dortigen Erzbischof Proisos. An 200 Kirchen (16 in Constantinopel) wurden, aller Protestationen der christlichen Gesandten ungeachtet, zerstört u. diese Gesandten selbst von der Pforte mit argwöhnischen Blicken betrachtet; der russische Gesandte, Stroganow, den man am meisten in Verdacht hatte, sogar offen insultirt, die Wohnung eines Gesandtschaftsraths von dem Pöbel demolirt u. der Bosporus den Russen geschlossen. Als Stroganow weder Genugthuung, noch auf ein von ihm eingereichtes Ultimatum Antwort erhielt, brach er die diplomatische Verbindung mit der Pforte am 18. Juli ab u. schiffte sich am 31. Juli nach Odessa ein. Mahmud IV., der bisher vollständig unter dem Einfluß Haled-Effendis gestanden u. auf dessen Rath am 1. Mai den Großwessir hatte absetzen u. hinrichten lassen, u. drei Offiziere des Janitscharencorps in den Diwan berufen hatte, ließ sich endlich am 27. Juni u. 2. Juli, als die von dem neuen Großwessir aus Asien herüber geführten Horden die größten Ausschweifungen in Constantinopel begingen, von den europäischen Gesandten, bes. von dem Englands, Lord Strangford, dahin bewegen, daß er die allgemeine Bewaffnung der Muselmanen zurücknahm u. dem russischen Gesandten eine Antwort auf sein Ultimatum nach Petersburg nachsandte. Später (den 20. Septbr. 1821) erließ jedoch der Sultan einen neuen Hatti-Scherif, wodurch er die Muselmanen wieder unter die Waffen rief, veröffentlichte denselben mit Ausnahme Constantinopels in allen Theilen des Reichs u. rief dadurch neue Gräuel, bes. in Smyrna, auf Kandia u. Cypern, hervor. Unterdeß waren die Griechen bemühtgewesen, durch verfassungsmäßig geordnete Zustände ihren Unternehmungen mehr Kraft u. Einheit zu verleihen, u. wirklich war in Kalamata u. in Hydra ein Senat zu Stande gekommen; später bildete Westgriechenland in Missolunghi, Ostgriechenland in Salona einen Areopag u. der Peloponnes u. die Inseln eine Gerusia (Regierung). Im Juni 1821 kam der Fürst Demetrios Ypsilantis in Hydra an u. präsentirte eine Vollmacht seines Bruders Alexander, an seiner Stelle zu handeln, u. wurde im Juli im Lager vor Tripolitza als Archistrateg (commandirender General) des Peloponneses anerkannt; dessenungeachtet verweigerten ihm die Capitani den Gehorsam. Später erhielt auch Odysseus für Thessalien u. Maurokordatos für Albanien den Oberbefehl.
Im Peloponnes hielten im ersten Feldzug die Griechen Tripolitza, die Akropolis von Korinth, Modon, Koron, Patras, Napoli di Malvasia etc. eingeschlossen u. versuchten dieselben durch Hunger zu bezwingen, da ihnen Waffen u. namentlich Geschütz fehlten, um sie mit Gewalt zu nehmen. Um diesen Plätzen zu Hülfe zu kommen, ließen die Türken im Mai eine Flotte aus den Dardanellen auslaufen; aber sogleich sammelten sich die griechischen Briggs um sie u. folgten ihr, ein ernstliches Treffen vermeidend, stets in geringer Entfernung. Ein türkisches Linienschiff gerieth bei Tenedos auf den Strand u. wurde (nach türkischen Berichten vom türkischen Capitän, nach griechischen Angaben von griechischen Brandern) in Brand gesteckt, worauf die türkische Flotte nach den Dardanellen zurückkehrte, wogegen die Griechen bei der griechischen Stadt Aywali (Kydonia) landeten; doch steckten die Türken dieselbe noch vor ihrem Abzug in Brand. Am 3. August fiel Napoli di Malvasia durch Kantakuzenos, bald darauf Navarino durch Ypsilantis, u. schon war das wichtige Tripolitza im Begriff, sich zu ergeben: als das Erscheinen der großen türkischen Flotte in den Gewässern von Morea der Besatzung neuen Muth gab u. der Befehlshaber derselben 60 griechische dort gefangene Edle hinrichten ließ. Die Griechen, dadurch empört, stürmten am 5. Octbr die Festung u. machten die Besatzung (8000 Mann) nieder. Hier erhielten die Griechen ihr erstes schweres Geschütz. Die Eroberung von Akrokorinth (26. Jan. 1822) endete diesen Feldzug. Die meisten anderen Festungen hatte der Kapudan Pascha mit Besatzung u. Lebensmitteln versehen, u. kehrte am 22. Oct. 1821 wieder nach den Dardanellen zurück. Jenseit des Isthmus wüthete der Kampf fast noch mehr, als auf dem Peloponnes, da der Seraskier Churschid Pascha, welcher Ali Pascha in Janina eingeschlossen hielt, schon im März Omer Vrione nach Livadien gesandt hatte. Dieser gab Athen Besatzung u. entsetzte am 30. Juli die Akropolis. Das von den Ätoliern u. Akarnaniern unter Rhangos u. den Gebrüdern Hiskos belagerte Arta war im November bis auf die Citadelle genommen worden. Dagegen entsetzte der Pascha von Salonichi das hart bedrängte Larissa, während Omer Vrione im Decbr. Arta wiedernahm. Im Septbr. versuchte ein türkisches Heer, von Epiros aus, in das eigentliche Griechenland vorzudringen. Odysseus erwartete jedoch dasselbe an den Thermopylen u. trieb es zurück. Dagegen nahm der Pascha von Salonichi im Novbr. die Halbinsel Kassandra u. machte dort 3000 Griechen nieder.
III. Feldzug von 1822. Die Streitkräfte der Pforte waren durch den Krieg gegen Persien u. durch das Beobachtungsheer gegen Rußland zu sehr getheilt, als daß sie ihre Macht gegen die Griechen hätte concentriren können; sie ließ daher diesen Zeit, ihren Congreß zu Epidauros u. später zu Korinth u. Argos (s. Griechenland [Gesch.] VIII.) zu ordnen u. ihre Streitkräfte zu verstärken. Ebenso schenkte sie auch den Mahnungen der europäischen Gesandten Gehör, verständigte sich mit Rußland wieder, baute mehrere griechische Kirchen in Constantinopel wieder auf, ließ nach üblicher Art einen neuen Patriarchen, Athymos, Bischof von Chalcedon, wählen, bot den Griechen Amnestie an, zog die asiatischen Horden, welche Jassy noch beim Abzug in Brand steckten, aus der Moldau u. Walachei zurück u. setzte neue u. eingeborene Hospodare, welche jedoch unter dem Seraskier standen, in diese Provinzen ein. Als die Griechen die Amnestie nicht annahmen, traf die Pforte aufs Neue ernstliche Anstalten zu ihrer Unterwerfung. Churschid Pascha, welcher Ali Pascha gänzlich bezwungen, gefangen u. hatte hinrichten lassen, sollte mit dem Landheer nach Livadien u. Morea vordringen, u. der Kapudan Pascha, Hali Bei, ihn zur See unterstützen od. doch wenigstens die türkischen Plätze daselbst mit Besatzungen u. Kriegsbedürfnissen versehen. Der Widerstand der Sulioten hielt indessen Churschid Pascha auf, die in [620] Morea gelandeten türkischen Truppen wurden von Kolokotrinis in Patras eingeschlossen u. andere Griechen nach Akarnanien dem Churschid Pascha entgegen gesendet. Der Kapudan Pascha landete unterdessen auf der Insel Scio (Chios), welche sich Ende März empört hatte, mit 15,000 Asiaten, die alle Männer tödteten u. 41,000 Frauen u. Kinder in die Gefangenschaft schleppten. Auch die Mastixdörfer (s.u. Skio) wurden zerstört. Gleiches Schicksal sollte Ipsara, Tenedos u. Samos treffen. Allein die Flotte dieser Inseln, 70 kleine Schiffe, umzingelte die türkische Flotte, u. Georg Miaulis segelte bei Nacht mit mehreren Brandern in dieselbe hinein u. sprengte das Admiralschiff mit dem Kapudan Pascha u. 2286 Mann in die Luft. Dieses Ereigniß erhöhte die Erbitterung der Türken gegen die gefangenen od. bis jetzt ruhig gebliebenen Griechen noch mehr; die Grausamkeiten der asiatischen Horden brachten bald auch die macedonischen Bergbewohner in Aufstand, u. diese eroberten Kara Veria, wurden aber durch den Pascha von Salonichi, Abbolubut, bezwungen, 150 Dörfer zerstört u. 5000 Familien niedergehauen od. in die Gefangenschaft geschleppt. Dem Proëdros Manrokordatos war die Oberleitung des Zugs gegen Westgriechenland übergeben worden; allein Odysseus, Kolokotronis u. andere griechische Häuptlinge verweigerten ihm den Gehorsam, u. mit Mühe konnte Maurokordatos sich mit dem suliotischen Chiliarchen, Marco Bozzaris, vereinigen, um Missolunghi zu entsetzen u. Arta zu nehmen. Ihm gegenüber stand der neue Pascha von Janina, Omer Vrione, u. der von Arta, Reschid Pascha, da Churschid Pascha, nachdem er im Mai die Thermopylen zu stürmen mehrmals vergeblich versucht hatte, gegen Larissa gezogen war. Suli wurde von den Griechen entsetzt, allein den 16. Juli ging, durch den Verrath des Capitan Gozzo, die Schlacht bei Peta verloren, u. die Griechen wurden gezwungen, sich in das Gebirge zurückzuziehen. Ein an ganz Griechenland erlassenes allgemeines Aufgebot blieb ohne Erfolg, Varnakiotis ging zu den Türken über, Suli wurde (20. Sept) übergeben u. Maurokordatos in Missolunghi durch Omer Vrione u. Reschid Pascha eingeschlossen. Dagegen hatten die Griechen am 19. Juni die Akropolis von Athen durch Hunger bezwungen. Allein im October zog das Hauptheer Churschid Paschas durch die Thermopylen, welche der, wegen der Uneinigkeit der Griechen unthätige Odysseus unbesetzt gelassen hatte, nach dem Isthmus, überraschte Korinth u. drang mit 5000 Mann, unter Jussuf Pascha, Befehlshaber von Lepanto u. Patras, vereinigt nach Argos, dem Sitz der griechischen Centralregierung, vor. Die dringende Gefahr söhnte die griechischen Anführer aus; Odysseus schlug Churschid Pascha, der in Person seine Reserve dem Hauptheere nachführen wollte, in den Thermopylen; Nikitas verließ die Blockade von Nauplia u. eilte herbei; Gleiches thaten dann Ypsilantis, Mauromichalis u. Kolokotronis, welcher bisher Patras blockirte; Ypsilantis vertheidigte die verfallene Citadelle von Argos tapfer, Odysseus nahm die Pässe von Geranion u. die Türken unter Dram Ali wurden eingeschlossen, von Nikitas im Passe von Tretes bei Nacht überfallen u. die Überbleibsel von Ypsilantis auf dem Isthmus von Korinth, von Kolokotronis bei Patras u. von den Mainoten bei Nauplia geschlagen u. fast ganz aufgerieben. Am 1. Sept. verließ in Folge dieser Ereignisse die türkische Flotte, welche Missolunghi blockirt hatte, ihre Station, suchte vergebens die griechische Flotte, welche Nauplia blockirt hielt, zu durchbrechen u. stationirte sich bei Tenedos vor den Dardanellen. Hier kamen am 10. Nov. zwei griechische Brander unter Georg Miaulis u. Kanaris mitten unter die türkische Flotte, verbrannten das Admiralschiff mit 1800 Mann, von welchem sich jedoch der Kapudan Pascha, Kara Mehemed, an das Land rettete, u. sprengten die ganze türkische Flotte; drei Fregatten scheiterten an der asiatischen Küste, ein Kriegsschiff wurde genommen u. von 36 Schiffen entkamen nur 18. Auch auf Epirus hatten diese Erfolge eine günstige Wirkung; Missolunghi wurde zu Lande ebenfalls entsetzt, Omer Vrione nach Vonitza gedrängt, während auf Morea Nauplia am 30. Novbr. erstürmt wurde. Durch diese Erfolge erwarben die Griechen die Achtung Europas, Freiwillige aller Nationen (Philhellenen) strömten von allen Seiten herbei, England, wo ein Wechsel des Ministeriums stattgefunden hatte, zeigte sich den Griechen günstiger u. erkannte, wie Frankreich, deren Blockaden factisch an, wie sich denn überhaupt die Stimmung der Cabinete zu Gunsten der Griechen umzuwandeln anfing. In Constantinopel dagegen erzeugte das Unglück des Feldzugs Janitscharenaufstände, welche. Mahmud IV. nöthigten, den Großwessir, sowie seinen Günstling, Halet Effendi, hinrichten zu lassen u. einen Anhänger der Janitscharen, Abdullah, zum Großwessir zu ernennen.
IV. Feldzug von 1823. Kaum war die dringendste Gefahr für die Griechen vorüber, als sich auch wieder Uneinigkeit unter den Führern zeigte: namentlich widerstrebte Kolokotronis der Regierung u. suchte sich die Alleinherrschaft über den Peloponnes anzueignen. Indessen die Rüstungen der Pforte, die Nichtannahme des Grafen Metaxas als griechischer Bevollmächtigter auf dem Congreß zu Verona u. die Erklärung dieser Versammlung, daß sich die Griechen den Türken unterwerfen müßten, sowie das Hinziehen der Unterhandlungen Rußlands mit der Pforte, bei welchen nur der Räumung der Moldau u. Walachei von türkischen Truppen u. des türkischen Durchsuchungsrechts russischer Schiffe nach dem Schwarzen Meere, aber niemals der griechischen Angelegenheiten Erwähnung geschah, brachten doch eine zweite Nationalversammlung in dem Dorfe Astros zu Stande, welche bis zum 29. April dauerte u. eine Regierung in Tripolitza mit Maurokordatos als Präsident u. Kolokotronis als Vicepräsident beschloß. Zwei große, von den unzufriedenen Janitscharen angesteckte Brände in Constantinopel, hatten die Wiederabsetzung des Großwessirs Abdullah u. die Erhebung eines neuen, des den Janitscharen abgeneigten Ali Bei, zur Folge, u. lähmten die Rüstungen, so daß die große türkische Flotte erst im Juli 1823 segelfertig wurde. Die Griechen benutzten diese Zwischenzeit zur Ausbildung ihrer Militärmacht u. ihrer Finanzen, doch vermochte die Bildung des ersten griechischen Regiments aus dem bisherigen Philhellenencorps u. die eines griechischen Verdienstordens, die Griechen nicht an europäische Kriegsform zu gewöhnen; sie fochten nach wie vor bandenweis u. einzeln hinter Gemäuer u. Gebüsch, schossen in großen Entfernungen u. vermieden jeden offenen Angriff mit dem Bayonnet. Reiterei u. Artillerie waren in noch schlechterem Zustande; doch suchten sie diesen Mangel durch[621] schnelles Laufen über die Ebenen zu ersetzen. Die Seemacht, welche der Hydriot Orlandi ordnete, bestand aus 40 mit Kanonen versehenen Fahrzeugen, wovon das größte, der Herakles, jedoch nur 26 Kanonen führte. Chef der griechischen Heeresmacht war Maurokordatos, unter ihm Kolokotronis in Morea, Odysseus in Ost- u. Bozzaris in Westgriechenland. Die Operationen begannen durch den Aufstand von Ostthessalien; die Halbinsel Kassandra wurde wieder genommen u. selbst Salonichi durch Diamanti bedroht. Im Juli setzte sich das türkische, 25,000 Mann starke, bei Larissa u. in Rumelien gesammelte Heer, in zwei Colonnen in Bewegung, während der Kapudan Pascha Negroponte u. Karisto auf Euböa u. Patras, Koron, Modon u. Lepanto verproviantirte. Die Griechen concentrirten sich bei Megara u. Platää unter Kolokotronis; Odysseus schlug die Türken in den Thermopylen u. mit Kolokotronis den 7. Juli bei dem Kloster St. Lukas, unweit Theben, u. auf der Verfolgung bei Chäronea nochmals. Doch rückte der Seraskier Mehmed Pascha, aufs Neue verstärkt, wieder vor, u. gleichzeitig drangen Jussuf Pascha u. Omer Vrione, von der Flotte des Kapudan Pascha cottoyirt, in Westgriechenland gegen Missolunghi u. Morea an. Allein am 30. Aug. überfiel Marco Bozzaris bei Karpinissi die Vorhut des Paschas von Skutari u. rieb dieselbe fast gänzlich auf, fand jedoch dabei selbst den Tod. Auch die Angriffe des Seraskiers auf Velos u. die Halbinsel Trikari mißlangen, u. die große Flotte kehrte im August, nachdem sie Salonichi zur See entsetzt hatte, wieder nach den Dardanellen zurück. Das bisher noch von den Türken besetzte Akrokorinth fiel im November, u. auch Missolunghi wurde durch Maurokordatos zur See entsetzt.
V. Feldzug 1824. Der Friede der Türkei mit Persien, die Räumung der Moldau u. Walachei von türkischen Truppen u. das allgemeine Aufgebot aller Muselmanen von 1660 Jahren vom Juli 1823, vermehrten die Streitkräfte der Türken für diesen Feldzug ungemein, u. die Ernennung des gemäßigten Ghaleb Pascha zum Großwessir ließ erwarten, daß man mit mehr Umsicht handeln werde, als bisher. Die Hoffnung, daß Rußland sich für die Griechen erklären werde, war, seit Mincjacky im Januar 1824 als interimistischer Geschäftsträger in Constantinopel accreditirt war, verschwunden; englische Offiziere in griechischen Diensten wurden von der britischen Regierung, wegen Beschwerden der Pforte, zurückberufen, u. diese u. andere Anzeichen schienen anzudeuten, daß die europäischen Großmächte die griechische Sache ganz aufgäben. Mehr noch schadete den Griechen aber ihreeigene Uneinigkeit, welche Anfangs 1824 in offenen Bürgerkrieg ausbrach. Die Capitani, bes. Kolokotronis u. Odysseus, kamen mit der Regierung u. namentlich mit Maurokordatos in. Conflict, u. in Folge davon wollte diese ihren Sitz nach Nauplia verlegen, allein Panos, der Sohn Kolokotronis, welcher diese Stadt besetzt hielt, weigerte sich, sie einzulassen, u. wurde nun von den Regierungstruppen belagert. In Missolunghi brach im April eine Verschwörung aus, durch welche Karaiskakis sich mit den Sulioten eines Forts bemächtigte; doch wurde dieselbe bald unterdrückt. Dort starb auch am 24. April Lord Byron, welcher an der Spitze der englischen Unterstützungscommission stand u. sich überhaupt der griechischen Sache als Philhellene thätig angenommen hatte; sein Tod vermehrte die Verwirrung noch mehr. Hierzu kam noch das Ausbleiben der in England gemachten Anleihe. Glücklicher Weise unterwarfen sich indessen Nikitas u. andere Häuptlinge der Regierung, Akrokorinth erkannte die Regierung an, u. auch Kolokotronis schloß unter Zusicherung völliger Amnestie einen Vertrag mit derselben, wonach sein Sohn Panos die Citadelle von Nauplia, Palamidi, am 19. Juni übergab. Die Regierung wurde nun nach Nauplia verlegt. Streitigkeiten zwischen Omer Vrione u. dem Seraskier Derwisch Pascha verzögerten die Eröffnung der Feindseligkeiten von türkischer Seite, u. erst Anfang Juli drang der Seraskier, ungeachtet einer seiner Unterfeldherrn, Bekir Pascha, bei Zeituni von Odysseus geschlagen worden war, nach Attika vor u. schloß Guras auf der Akropolis von Athen ein, während ihn Omer Vrione im Osten, der Pascha von Negroponte im Westen unterstützte. Unterdessen setzte die ägyptische Flotte des Vicekönigs Mehemed Ali, welcher endlich dem Großherrn die versprochene Hülfe sendete, unter Ismael Gibraltar Truppen in Kandia aus Land, die Ägyptier überwältigten, wie es bereits im vorigen Jahre mit Cypern der Fall gewesen war, die Griechen dort fast ganz u. nahmen am 10. Juni die Insel Kasos. Der Kapudan Pascha Khosrew, dem ein Angriff auf die thessalische Insel Skiathos mißlungen war u. der in die Festungen von Negroponte frische Besatzungen geworfen hatte, nahm am 4. Juli mit 20,000 Mann Asiaten u. 14,000 Mann Albanesen die Insel Ipsara. Ein Theil der Ipsarioten rettete sich auf Schiffen nach Hydra, die übrigen wehrten sich tapfer u. sprengten sich u. viele nachdringende Türken mit dem Fort Tabia in die Luft. Dieser Unfall, anstatt die Griechen zu entmuthigen, diente dazu, ihre Anstrengungen zu steigern; Miaulis nahm Ipsara am 15. Juli wieder; Samos u. Kos schlugen die Angriffe des Kapudan Pascha ab; Guras siegte bei Marathon; der Seraskier Derwisch Pascha wurde im August u. September bei Gravia u. Amplani geschlagen u. nach Larissa zurückgeworfen, u. in Westgriechenland drangen die Griechen bis Arta vor. Die türkische u. ägyptische Flotte vereinigte sich während dessen am 4. September in der Bai von Budrun, allein schon am 10. September griffen sie die Griechen unter Kanaris bei Naxos an, verbrannten eine ägyptische Fregatte u. eine Brigg u. nahmen mehrere Transportschiffe. Am 21. September kehrte die Flotte nach Mitylene zurück, von wo der Kapudan Pascha nach den Dardanellen u. Ibrahim Pascha nach der Bai von Budrun u. von da nach Rhodos segelte. Auf dem Wege dahin griff Miaulis die Ägyptier am 25. November wieder an u. nahm ihnen 10 kleine Kriegsschiffe u. 15 Transportschiffe.
Aber kaum waren die äußeren Gefahren beseitigt, so begannen auch wieder Zwistigkeiten unter den Capitani u. die inneren Unruhen. Bei den im October erfolgten Wahlen waren Kolokotronis u. seine Anhänger nicht berücksichtigt worden, u. an Stelle des abtretenden Maurokordatos hatte Notaras die Präsidentschaft des Senats erhalten. Kolokotronis erhob daher im Novem ber die Fahne des Aufstandes, zog mehrere Capitani, welche die ihnen aufgetragene Blockade von Patras aufhoben,[622] an sich u. concentrirte seine Macht bei Tripolitza. Die Regierung berief indessen Guras aus Attika, Tassos aus Korinth u. stellte Kolettis an die Spitze ihrer Macht, der im December die Insurrection unterdrückte. Kolokotronis wurde verhaftet u. vor ein Kriegsgericht gestellt; Odysseus, welcher von Guras geschlagen u. gefangen genommen wurde, kam bei einem Versuche, aus einem Thurme zu entkommen, ums Leben. Nach Unterdrückung des Aufstandes that die griechische Regierung alles Mögliche, um Ordnung u. Gesetzlichkeit wiederherzustellen, nahm auch auf den Antrieb des Lord Obercommissars der Ionischen Inseln ihre im Juni 1824 gegebene Erklärung zurück, die neutrale europäische Flagge auf den, von den Türken als Transportschiffe gemietheten Schiffen nicht mehr anerkennen zu wollen. Doch hatten die von der griechischen Regierung bei dem englischen Cabinet deshalb gemachten Vorstellungen die Folge, daß den Capitäns europäischer Schiffe von ihren Consuln untersagt wurde, ihre Fahrzeuge zu Transporten türkischen Kriegsbedarfs u. türkischer Soldaten herzugeben. Hierbei kam noch der Seeraub, den die griechischen Inselbewohner aus Mangel an Unterhalt, gegen die Schiffe aller Nationen übten, zur Sprache u. wurde der Gegenstand lebhafter Rügen u. Beschwerden der europäischen Seemächte. In Constantinopel hatte der unglückliche Ausgang des Feldzuges wieder fanatische Maßregeln u. die Absetzung des gemäßigten Großwessirs, Ghaleb Pascha, bewirkt. Der neue Großwessir, Muhamed Selim, ein Anhänger der alten fanatischen Partei, verwarf jede Intervention der europäischen Mächte; daher rückten, trotz der Mahnungen der europäischen Gesandten, wieder Truppen in die Moldau u. Walachei ein, 5 Millionen Thaler wurde diesen Provinzen Contribution aufgelegt, u. die dagegen erfolgenden Vorstellungen des russischen Bevollmächtigten erhielten eine abschlägige Antwort.
VI. Feldzug von 1825. Am 22. Febr. 1825 landete Ibrahim Pascha mit der ägyptischen Flotte u. 4500 Mann regulärer Truppen, welche sich bald bis auf 12,000 Mann verstärkten, zwischen Modon u. Koron auf Morea. Ibrahim nahm zuerst Navarin, ungeachtet der Anstrengung Miaulis, welcher den Ägyptiern 1 Fregatte, 2 Corvetten u. 3 Briggs verbrannte, u. trotz Maurokordatos' tapferer Vertheidigung u. Konduriotis' Entsatzversuche, am 18. Mai mit Capitulation u. drang nun gegen Tripolitza u. Kalamata vor. In dieser Bedrängniß entließ die griechische Regierung Kolokotronis seiner Hast u. übergab ihm den Oberbefehl in Morea. Ibrahim durchzog darauf den Peloponnes, nahm Argos u. bedrohte selbst. Nauplia, wurde aber zwei Stunden davon, bei den Mühlen, durch ein glückliches Gefecht von Kolokotronis aufgehalten u. nach Tripolitza zurückgeworfen, sammelte sich jedoch bald wieder u. durchzog dann ungestört den Peloponnes in allen Richtungen. Nur eine gegen Korinth entsandte Colonne wurde von Nikitas geschlagen. Der Kapudan Pascha vereinigte sich im August mit der ägyptischen Flotte im Hafen von Alexandrien, segelte Ende October von dort ab, setzte den 5. November bei Navarin Truppen ans Land u. segelte nach Missolunghi, um dasselbe auch von der Seeseite einzuschließen. Reschid Pascha hatte bereits im Frühjahr Missolounghi zu Lande eingeschlossen u. am 22. April die dritte Belagerung dieser Festung begonnen, war aber in mehreren Stürmen, u.a. am 2. August, mit 9000 Mann Verlust zurückgeschlagen worden; am 12. Octbr. wurde die Belagerung einstweilen aufgehoben u. in eine Blockade verwandelt. Eine vierte Belagerung begann kurz zuvor, als der Kapudan Pascha anlangte, allein das Belagerungsheer wurde durch Guras beunruhigt u. die Festung durch die griechische Flotte unter Miaulis mit Lebensmitteln u. Truppen versehen.
VII. Feldzug 1826. Die griechischen Angelegenheiten singen jetzt an, im übrigen Europa eine größere Theilnahme zu erregen, als früher. Zwar wies England, dem Griechenland am 24. Juli 1825 sich als Schutzstaat zu unterwerfen angetragen hatte, diesen Antrag entschieden zurück, dagegen nahmen die Griechenvereine, die bes. unter Eynard in Genf den Griechen Unterstützung an Geld u. Waffen zukommen ließen, an Zahl u. Thätigkeit zu, u. selbst in den Cabinetten, bes. im englischen (Canning) u. russischen, wurden Stimmen zu Gunsten der Griechen laut. Namentlich dachte man ernstlich daran, dieselben zu unterstützen, als der Winterfeldzug Ibrahims in Morea u. seine Anstrengungen, Missolunghi zu erobern, die Absicht verrieth, das griechische Volk zu vernichten, bevor noch die europäische Vermittlung einträfe. Ende Januar kam der neue englische Gesandte, Stratford Canning, auf dem Wege nach Constantinopel, nach Hydra, hatte dort eine Unterredung mit Maurokordatos u. strebte von da an in Constantinopel unablässig dahin, vermittelnd den Griechen Hülfe zu schaffen. Auch die Anwesenheit Wellingtons im März 1826 in Petersburg hatte den Zweck, einen geheimen Vertrag zu schließen, um die Griechen von der Türkei unabhängig zu machen, u. dies im äußersten Falle durch die Waffen zu erzwingen. Diese Bemühungen des englischen Cabinets vermehrten den Einfluß, welchen Großbritannien schon durch die Anwesenheit englischer Offiziere, durch die britischen Griechenvereine u. Anleihen auf die griechische Regierung übte, wesentlich u. erregten dadurch die Eifersucht der französischen Offiziere, welche sich in Griechenland befanden. Die Thätigkeit der Letzteren lähmte die Anstrengung der Griechen, Missolunghi zu retten, dessen Eroberung das Hauptobject war, welches Türken u. Ägyptier gemeinsam erstrebten. Ohne weiteren Erfolg waren mehrere Angriffe der griechischen Flotte im Januar. in deren einem Kanaris dem Kapudan Pascha eine Fregatte u. mehrere kleine Fahrzeuge verbrannte u. in einem anderen Missolunghi auf mehrere Wochen verproviantirt wurde, ebenso auch ein Angriff Guras im Rücken Reschid Paschas;.Ibrahim setzte die Belagerung mit 9000 regulären Ägyptiern fort, ließ die Festung mit 24 Geschützen, unter dem französischen Generallieutenant Boyer, beschießen, nahm die vor Missolunghi gelegene Insel Wafiladi am 9. März, Anatolico am. 13. März u. schloß sie zuletzt so eng ein, daß es unmöglich wurde, Lebensmittel hineinzubringen. Am 23. April versuchte die Besatzung, durch Hunger genöthigt, einen Ausfall, um sich durchzuschlagen. Aber kaum 1000 Mann von ihnen, unter Notho Bozzaris, konnten einen Weg durch die Türken in die Gebirge u. von da nach Salona u. auf den Isthmus von Korinth erkämpfen; der größere Theil, mit ihnen die Greise, Weiber u. Kinder, wurden niedergehauen od. sprengten sich, als die Türken unvorsichtig eindrangen, mit diesen in die Luft. Etwa 4000 Weiber u. Kinder wurden[623] gefangen weggeschleppt. Ibrahim Pascha zog sich nun wieder in den Peloponnes, der zu dem Gouvernement seines Vaters geschlagen worden war, zurück, verwüstete denselben, entsetzte das von Kolokotronis belagerte Tripolitza u. unternahm von da aus Streifzüge nach der Maina, gegen Korinth u. Nauplia, ohne dieselben jedoch zu bezwingen. Schon Anfangs April war die Unternehmung eines griechischen Corps unter Oberst Fabvier auf Negroponte durch die Griechen selbst vereitelt worden. Zwar gelang es ihm, Karysto zunehmen, allein beim weiteren Vordringen wurde er von den Türken umzingelt u. rettete sich nur mit Mühe. Nach dem Fall von Missolunghi drang Reschid Pascha gegen Guras vor, verdrängte die Griechen aus Salona u. Westgriechenland, wandte sich dann gegen Osten, nahm am 17. August Athen mit Sturm u. belagerte die Akropolis, in welche sich Guras zurückgezogen hatte. Beim Beginn der Einschließung wurde Guras durch einen der Seinigen, weil man ihn in Verdacht hatte, mit den Türken zu unterhandeln, ermordet. Die Entsatzversuche, welche namentlich Karaiskakis machte, mißlangen, u. schon fehlte es an Pulver, als sich Oberst Fabvier mit mehreren 100 Mann u. einigem Pulvervorrath Ende December glücklich in die Akropolis warf. Ende 1826 gelang es Karaiskakis, Westgriechenland von Neuem zu insurgiren u. mehrere von den Türken besetzte Punkte zu überfallen, so wurden namentlich im December etwa 1300 Türken zu Rachova überrumpelt, die Proviantmagazine zu Vonitza erobert u. selbst die Trümmer von Missolunghi wieder genommen. Im November kehrte auch der Kapudan Pascha, sich von der ägyptischen Flotte trennend, nach den Dardanellen zurück, nachdem er seit dem Fall von Missolunghi nichts mehr von Bedeutung unternommen hatte. Mittlerweile war die Nationalversammlung zu Epidauros (s. Griechenland, VIII.) thätig gewesen, der immer mehr um sich greifenden inneren Zerrüttung Griechenlands nach Kräften zu steuern u. die europäischen Mächte für die Unabhängigkeitsbestrebungen der Nation zu gewinnen. Das Letztere gelang wenigstens theilweis; man gestattete in vielen Staaten Deutschlands für die Griechen zu sammeln, Hülfsvereine für Griechenland bildeten sich, bedeutende Geldkräfte flossen dem Pariser Griechenvereine zu, der dadurch, sowie durch sehr große Beiträge der Franzosen, in den Stand gesetzt wurde, Lebensmittel u. Kriegsbedürfnisse aller Art nach Griechenland zu senden. Von England gingen ähnliche Ausrüstungen unter allerhand Vorwänden eben dahin ab, auch Dampfschiffe wurden dort für die griechische Marine gebaut, ihre Absendung aber noch verzögert. Der König Ludwig von Baiern gab mehreren Militärs Urlaub, um sich in Griechenland im Kriege zu üben, u. der Oberstlieutenant Heidegger, mit noch mehreren Offizieren u. Unteroffizieren, segelte dahin ab; englische u. französische Offiziere fuhren fort unter den Griechen zu dienen. Auch Nordamerika rüstete die Fregatte Hellas aus u. schenkte sie den Griechen. Abgesehen von diesen Privatbestrebungen zu Gunsten Griechenlands bemühten sich auch die Regierungen, den Frieden zu vermitteln. Allein die Anstrengungen Stratford Cannings in Constantinopel, unterstützt von den Gesandten Frankreichs, Österreichs u. Preußens, scheiterten an der Hartnäckigkeit der Pforte. Ebenso konnte dieselbe weder durch die am 4. April 1826 zwischen englischen u. russischen Bevollmächtigten gepflogene Conferenz in Petersburg, welche mit bewaffneten Zwangsmaßregeln drohte, noch durch den Aufstand der Janitscharen, zur Nachgiebigkeit gebracht werden, trotzdem daß sie Anfang 1827 kaum 6000 Mann neugeübter Truppen nach Larissa abzusenden im Stande war.
VIII. Feldzug von 1827. Die Belagerung der Akropolis von Athen war von den Türken ununterbrochen fortgesetzt worden. Vergebens suchten die Griechen dieselbe von den im Februar eroberten Häfen, Piräos u. Phalereos, aus zu retten, u. bei einem Versuche, welchen im Februar Burhaki, Nikitas u. Vaso zu Lande u. der englische Oberst Gordon zur See unternahm, blieb Erster. Auch Karaiskakis, welcher Omer Pascha im Februar bei Distomo geschlagen hatte u. im März mit 5000 Mann im Phalereos ankam, konnte den Entsatz nicht wagen; ebenso mißlang eine Diversion des Obersten Heidegger mit 500 Mann gegen Oropos, wo das Belagerungscorps Magazine hatte. In dieser schwierigen Lage kam im März der längst erwartete Lord Cochrane in Griechenlgud an, u. zugleich landete der englische General Church, der ein leichtes griechisches Regiment auf Zante errichtet hatte, in Hydra u. bot den Griechen seine Dienste an. Beide versöhnten die feindlich getrennten Nationalversammlungen zu Ägina u. Castri, so daß sie zu Damala (dem alten Trözene) später auf der Insel Poros zu einer gemeinschaftlichen Versammlung zusammentraten (s. Griechenland, VIII.). Diese wählte den ehemaligen russischen Minister Capo d'Istrias auf sieben Jahre zu ihrem Präsidenten, ernannte Cochrane zum Großadmiral der Flotte, Church zum Oberbefehlshaber der Landmacht u. übergab die Regierung interimistisch, bis zur Ankunft Capo d'Istrias, an eine aus Georg Mauromichalis, Marko Milacti u. Jannuli Nako bestehende Commission. Die erste Sorge der neuen Behörden war der Entsatz der Akropolis. Im April wurden alle disponiblen Truppen unter Church, sowie die Flotte unter Cochrane nach Attika dirigirt, u. wirklich bemächtigten sich die Griechen Ende April des bei dem Piräos gelegenen, von den Türken besetzten Klosters Spiridion, machten jedoch, der Capitulation entgegen, die Besatzung nieder. Am 4. Mai entspann sich bei den Verschanzungen ein kleines Gefecht, bei welchem Karaiskakisblieb. Ein am 6. November mit dem rechten, etwa 3000 Mann stärken, am Cap Kolios ausgeschifften Flügel versuchter Entsatz mißlang gänzlich; dieses Corps wurde von türkischer Reiterei angegriffen u. erlitt eine völlige Niederlage. Gegen 700 Mann von den besten Truppen blieben, 250 Mann wurden gefangen u. später erschossen. Da nun die letzte Hoffnung auf Entsatz geschwunden war, so capitulirte am 5. Juni die Akropolis nebst dem Piräos u. Phalereos unter europäischer Vermittlung, u. die Besatzung der ersteren, noch etwa 1500 Mann stark, wurde mit 3000 Weibern u. Kindern auf europäischen Schiffen eingeschifft. Während dieser Vorfälle hatte der englische Gesandte, Stratford Canning, vom russischen, österreichischen u. preußischen Gesandten eifrigst unterstützt, die Pforte zur endlichen Pacification aufgefordert, aber zuletzt im April die Antwort erhalten, daß dieselbe keine Vermittlung in Sachen der Griechen annehmen könne. Da aber die Menschlichkeit[624] eine Intervention gebot u. das Handelsinteresse der Schifffahrt treibenden Nationen ein Aufhören der, durch den Krieg u. die Noth veranlaßten Seeräuberei nöthig machte, so schlossen die drei Hauptseemächte, England, Frankreich u. Rußland, am 6. Juli den Vertrag zu London, nach welchem die Pforte ersucht wurde, innerhalb eines Monats mit den Griechen Waffenstillstand zu schließen u. den Frieden auf der Grundlage zu vereinbaren, daß die Griechen den Sultan als ihren Oberherrn (Seigneur Suzerain) anerkennen, der Pforte tributpflichtig bleiben, aber sich durch eigene, selbst gewählte Behörden (an deren Ernennung die Pforte allerdings Theil zu nehmen hätte) regieren sollten. Das von den Gesandten der drei Mächte am 16. August der Pforte überreichte Ultimatum blieb unbeantwortet, dagegen wußte es Reschid Pascha auf dem Festlande Griechenlands dahin zu bringen, daß viele Capitani u. sonstige Behörden Bittschriften an den Patriarchen nach Constantinopel schickten u. diesen ersuchten, ihr Fürsprecher bei dem Sultan zu sein. Am 18. September überreichte der Patriarch die Bittschriften, u. schon am folgenden Tage wurde vom Großherrn eine Amnestie für die Griechen verkündet u. mehrere griechische Bischöfe u. Priester aus dem Gefängnisse entlassen. Um der Intervention der europäischen Mächte gegenüber dem Kriege durch einen Hauptschlag ein Ende zu machen, war eine neue ägyptische Flotte schon am 1. August, 89 Segel stark, mit 5000 Mann Truppen am Bord, aus Alexandrien ausgelaufen u. am 8. September zu Navarin u. Modon eingetroffen. Dagegen hatten auch die drei Mächte ihre im Mittelmeer stationirten Flotten (den britischen Admiral Codrington mit 3 Linienschiffen, 4 Fregatten, 13 kleineren Schiffen, den französischen Admiral de Rigny mit 3 Linienschiffen u. mehreren Fregatten, den russischen Admiral Heiden mit 3 Linienschiffen u. 4 Fregatten) nach dem Archipel beordert, um sich jeder Truppensendung aus Ägypten zu widersetzen, Feindseligkeiten jedoch nur in dem Falle zu eröffnen, daß die Türken den Durchgang erzwingen wollten. Am 19. September versuchte der Kapudan Bey mit einer Schiffsdivision aus dem Hafen von Navarin auszulaufen, wurde aber von den englischen Kreuzern zurückgewiesen; am 25. d. M. begaben sich die Admirale Codrington u. de Rigny zu Ibrahim u. erklärten ihm, daß sie Befehl hätten, dem Blutvergießen in Griechenland um jeden Preis, selbst mit Gewalt der Waffen, ein Ende zu machen. Ibrahim versprach bis zur Rückkehr der nach Alexandrien u. Constantinopel gesendeten Boten nichts zu unternehmen. Die Flotten der Verbündeten verließen hierauf die Rhede von Navarin, Ibrahim aber entsendete in der Nacht vom 2.3. October 54 Schiffe mit Lebensmitteln u. Munition nach Patras u. Missolunghi, um diese Festungen zu verproviantiren. Codrington erhielt durch seine Kreuzer davon Nachricht u. zwang den Kapudan Pascha wieder in den Hafen von Navarin einzulaufen; ebenso am 7. October Ibrahim selbst, welcher den Versuch wiederholte. Letzterer beorderte darauf am 8. October von Modon aus drei Colonnen ins Innere des Landes (die eine 34000 Mann stark nach Arkadien, die zweite, welche 6800 Mann zählte, u. welche er selbst befehligte, nach der Maina, die dritte aber 6000 Mann stark, unter Kiaga Bey nach Kalamata), um das Land zu verwüsten u. Alles, was sich nicht unbedingt unterwerfen würde, zu ermorden. Auf die Nachricht von diesen neuen Raubzügen vereinigten die drei Admirale ihre Escadren am 18. October bei Zante u. erschienen am 20. October im Angesicht des Hafens von Navarin. Um 2 Uhr Nachmittags segelte die alliirte Flotte in den Hafen von Navarin ein u. passirte die türkischen Batterien, ohne daß diese schossen. Die türkische Flotte hatte sich in Hufeisenform in zwei Linien aufgestellt, in erster Linie die Linienschiffe u. Fregatten, in zweiter Linie die Briggs u. Corvetten u. zu beiden Seiten die Brander. Die Türken lagen in der ersten Linie einander so nahe, daß sie sich selbst am Wenden u. Monövriren hinderten, die kleinen Schiffe aber waren auch durch ihre Position in zweiter Linie für das Gefecht paralysirt. Die alliirte Flotte stellte sich der türkischen gegenüber auf. Bis um 3 Uhr war Alles ruhig, da feuerte ein türkischer Brander auf ein englisches Boot u. fast gleichzeitig eine ägyptische Fregatte auf die französische Fregatte Sirene, auf welcher de Rigny sich befand. Nun begann das Feuer von allen Seiten; die russischen Schiffe, welche soeben in den Hafen einliefen, wurden von den türkischen Landbatterien auf der Insel Sphakteria beschossen, aber bald waren diese zum Schweigen gebracht, u. mehrere türkische Schiffe, die an jener Insel vor Anker lagen, in Brand gesetzt. Binnen wenigen Stunden war die türkisch-ägyptische Flotte zerstört; sie zählte 110 Schiffe, darunter 51 Kriegsschiffe u. 6 Brander, welche entweder strandeten, verbrannt, in den Grund gebohrt od. von den Türken in die Luft gesprengt wurden, die Flagge hatte keins gestrichen; den Türken blieben nur noch 1 Linienschiff, 4 Fregatten, 8 Corvetten u. eine Anzahl kleinerer Fahrzeuge u. Transportschiffe. Ihr Verlust an Mannschaft betrug 78000. Aber auch die Verbündeten hatten bedeutenden Verlust erlitten, mehrere englische Schiffe wurden nach Malta u. 2 französische Schiffe als dienstuntüchtig nach Toulon gesendet.
Gleich nach der Schlacht gingen Couriere nach Constantinopel ab, um die europäischen Gesandten von dem Vorgefallenen zu unterrichten u. sie Vorkehrungen für die Sicherheit der dortigen Europäer treffen, zu lassen, wogegen am 23. Oct. die Admirale die griechische Regierung aufforderten, den Seeräubereien ein Ende zu machen, widrigenfalls sie die Raubflotten ebenso zerstören würden wie die türkische; auch erklärten sie, daß sie nicht dulden würden, daß die Griechen einen Aufstand in Albanien u. Skio anstifteten. Die griechische Regierung, welche erst im Juli durch einen mühsam erstickten Aufstand gegen General Church in Nauplia ihre Schwäche bewiesen hatte, vermochte aber nicht, den griechischen Kapern ihr Handwerk zu legen; auch wurde bereits im November Obrist Fabvier mit 3000 Mann zur Wiedereroberung von Skio abgeschickt, jedoch bei der Belagerung des Schlosses von dem im März 1828 gelandeten Pascha von Smyrna angegriffen, von den Armatolen verlassen u. mußte sich nach den Mastixdörfern zurückziehen u. schiffte sich dort mit 300 Mann Taktikern nach Syra ein. In Constantinopel erregte der unglückliche Ausgang der Schlacht von Navarin die höchste Erbitterung, u. kaum konnte der preußische u. österreichische Gesandte eine Ermordung aller Christen abwenden. Auf die gegenseitige Eifersucht der drei Seemächte bauend, nahm die Pforte, trotz ihres[625] großen Verlustes, einen hohen Ton an, verlangte die Unterwerfung Moreas u. ließ die Gesandten der drei Mächte, als sie auf Unterhandlungen einzugehen verweigerten, ruhig abreisen; s.u. Türken (Gesch.). In der That hatte die Vernichtung der türkischen Flotte in England ernstliche Besorgnisse hervorgerufen, denn man konnte sich nicht verhehlen, durch Mitwirkung an diesem Siege, den Russen selbst die Macht in die Hände gegeben zu haben, die Türkei auf Kosten des europäischen Gleichgewichts noch mehr zu schwächen.
IX. Feldzug 1828. Am 18. Jan. kam Capo d'Istrias auf einem englischen Kriegsschiff im Hafen von Nauplia an, landete am 20. Jan. daselbst u. erreichte am 23. Jan. Ägina, den Sitz der stellvertretenden Regierungscommission, wurde dort mit Vertrauen empfangen u. legte am 4. Februar den Eid in die Hände des Senats ab. Die in Feindschaft lebenden Parteihäupter versöhnten sich, u. Grivas, obgleich mit Kolokotronis in Fehde, überlieferte ihm das Fort Palamidi, die Citadelle von Nauplia, u. so den Schlüssel zu Morea. Capo d'Istrias sammelte schon im Februar sämmtliche zerstreuten, gegen 8000 Mann zählenden regelmäßigen u. unregelmäßigen Corps (s. Griechenland [Gesch.]) bei Damala u. erließ ein, ganz nach europäischen Mustern eingerichtetes Reglement über Eintheilung, Sold, Verpflegung u. Disciplin. Allein Mangel an Geld hinderte die Ausführung desselben, u. die Truppen blieben in dem bisherigen Stand; nur sollten die Taktiker vermehrt u. deshalb von 100 Köpfen ein Mann durch das Loos ausgehoben u. dadurch 6000 Mann gewonnen werden. An die Stelle des Mitte 1828 nach Frankreich zurückkehrenden Obersten Fabvier sollte sie der baierische Oberstlieutenant Heidegger befehligen. Noch mehr Mühe machte die Organisation der Flotte. Die Regierung besaß blos 1 Fregatte, 1 Corvette, 1 Dampfboot u. einige von Heidegger erbaute Kanonierschaluppen; die übrigen Kriegsschiffe waren früher Handelsschiffe gewesen u. noch Privateigenthum u. wenn auch die Hydrioten dem Präsidenten ihre Schiffe anboten, so geschah dies doch unter Bedingungen, die er nicht annehmen konnte. Zudem fehlte es namentlich an Geld, u. es konnte mithin für Errichtung einer Marine wenig geschehen. Capo d'Istrias mußte sich daher begnügen, eine strengere Hafen- u. Schiffspolizei einzuführen u. den Admiral Miaulis mit der Fregatte Hellas u. einigen kleineren Schiffen gegen die Seeräuber im Ägäischen Meere kreuzen zu lassen. Aber auch andere Reorganisationspläne in Beziehung auf Steuer-, Zoll- u. Postwesen störte die Finanznoth; die Annullirung der früheren Pachtcontracte reichte nicht hin, dem zerrütteten Finanzwesen aufzuhelfen u. nur die von England u. Frankreich auf unbestimmte Zeit bewilligte Subsidie von 1 Mill. Fr. gab Griechenland die Mittel zu existiren. Der ausbrechende Krieg der Pforte mit Rußland begünstigte den Feldzug der Griechen von 1828 wesentlich, u. die Griechen hätten nur nöthig gehabt, den Peloponnes streng zur See blockiren u. Reschid Pascha u. Omer Vrione durch General Church beunruhigen zu lassen, um Ibrahim auf Morea auszuhungern u. zum Abzug zu zwingen. Statt dessen wurden die Kräfte der Griechen in zwecklosen Unternehmungen zersplittert. Wie die Expedition Fabviers nach Skio, eben so unglücklich endete die von einer griechischen Flotille unter Obrist Passam unterstützte Expedition unter Church mit 8000 M. gegen Prevesa. Demetr. Ypsilantis sollte mit 2500 M. aus Ostgriechenland bis an die Engpässe von Thessalien vorrücken, weigerte sich aber u. wurde deshalb im Mai durch Viaro Capo d'Istrias, den Bruder des Präsidenten, ersetzt. Auf Kandia hatten sich die Gebirgsbewohner (Sphakioten) im Frühjahr 1828 erhoben u. von den Griechen durch 1000 Mann Fußvolk u. 100 Reiter unter Miaulis unterstützt, sich des Forts Francocastello bemächtigt, allein Suleiman Pascha u. unter ihm Mustapha Pascha schlugen im Mai unweit Francocastello die Griechen, nahmen das Fort wieder u. sprengten die Sphakioten. Auf der Rückkehr nach seiner Station Retimo wurde er von den Sphakioten jedoch wieder angegriffen; der Aufruhr brach aufs Neue aus, u. nach einem Gefecht bei Kanea im August wurden die Türken in die festen Städte geworfen, während sich die Griechen zu Herren des flachen Landes machten. Unterdessen wurde die Lage Ibrahim Paschas, der mit 30,000 M. in Morea stand, immer bedenklicher. Die Zufuhr zur See war schwierig; Mangel an Geld u. die Pest rieben seine Truppen auf u. Aufstände brachen aus; 600 Albanesen empörten sich förmlich, bemächtigten sich der Festung Koron, drohten diese den Griechen zu übergeben, wenn Ibrahim nicht alle ihre Forderungen erfüllte, u. kehrten später sämmtlich nach Hause zurück, worauf Ibrahim Koron wieder besetzte. Unter diesen Umständen trug Ibrahim Pascha den Admiral der verbündeten Seemächte selbst die Räumung Moreas an. Zwar schienen sich die Unterhandlungen zu zerschlagen, als aber Codrington nach Alexandrien ging u. Mehmed Ali drohte, Ägypten streng zu blockiren; so wurde ein Vertrag zu Alexandrien wegen Moreas Räumung abgeschlossen, in demselben aber festgesetzt, daß die festen Plätze Modon, Navarin, Patras u. Castel-Tornese auch nach Abzug des Heeres, von ägyptischen Truppen besetzt bleiben sollten. Mehemed-Ali entsendete sogleich 41 ägyptische Fahrzeuge zum Transport der Truppen aus Morea, u. am 28. Aug. warfen die englischen u. französischen Escadren im Hafen von Navarin Anker, um jene Flotte zu erwarten. Mit diesen Transportschiffen fast zugleich erschien die erste Abtheilung der französischen Expedition unter Maison, bestehend aus drei Brigaden unter Sebastiani, Higonet u. Schneider (9 Regimenter Infanterie, 1 Regiment Cavallerie u. die nöthige Artillerie), etwa 1415,000 Mann zusammen. Maison landete am 28. u. 29. August in dem Golf von Koron bei Petalidi, erklärte den Punkt der Convention von Alexandrien, der die Besetzung der Festungen in Morea den Ägyptiern vorbehielt, für ungültig, ließ Modon u. Navarin durch 4000 Mann einschließen u. entsendete 5000 Mann gegen Patras. Ibrahim Pascha außer Stand, sich länger zu halten, schiffte sich mit seinem bis auf 20,000 Mann geschmolzenen Heere am 16. Sept. u. am 4. Oct. nach Alexandrien ein, ob er gleich nach Absendung des ersten Convois von Constantinopel den Befehl erhielt, Morea nicht zu räumen. Navarin, Modon, Koron u. selbst Patras capitulirten u. öffneten vom 6. bis 9. Oct. die Thore; das nordöstlich von Patras in der Bai von Lepanto gelegene Schloß von Morea ergab sich erst am 30. Oct., nachdem das französische Geschütz eine Bresche geschossen hatte. Die Garnisonen wurden[626] nach Ägypten od. der Türkei gebracht, Morea u. die Kykladen aber unter die Garantie der drei Mächte gestellt.
X. Griechenland im Jahre 1829. Ende Dec. 1828 erhielt Maison Befehl, Griechenland wieder zu verlassen, führte denselben im Mai 1829 aus u. ließ nur vier Infanterieregimenter mit Artillerie unter dem General Schneider zurück. Auch Oberst Fabvier, der im Jan. 1829 nach Griechenland zurückgekehrt war, ging mit Maison nach Frankreich u. Oberst Heidegger, der nach Fabviers früherer Abreise die Taktiker organisirt hatte, im August nach Deutschland zurück. Der kleine Krieg hatte während des Winters von 182829 nicht geruht; in Ostgriechenland hatte Demetr. Ypsilantis, der wieder ein Commando erhalten hatte, Livadia, Salona, Petra Talendi u. Martino, in Westgriechenland Church Carperissis erobert, u. als Mahmud, Pascha von Livadien, mit Omer Vrione im Februar vordringen wollte, wurde er am 9. Febr. bei Martino von dem Chiliarchen Vasso geschlagen. Am 17. März ergab sich Vonitza, am 27. Lepanto u. am 17. Mai Missolunghi u. Anatoliko den Griechen. Im Juni wurde bei Theben hartnäckig gefochten, u. am 14. Omer Pascha bei Aniforiti geschlagen. Auch spätere Versuche, die Griechen von dort zu vertreiben, mißlangen, da am 22. bei Piri ein türkisches Corps abermals besiegt wurde. Das fernere Vordringen der Griechen wurde jedoch durch den Seliktar Pascha u. dessen Neffen, die sich in Attika ernstlich widersetzten, aufgehalten. Glücklicher war einige Monate später Demetr. Ypsilantis in Livadien. Er hatte die Festung Petra besetzt u. dabei ein festes Lager bezogen, als am 22. Sept. 7000 Türken unter dem neuen Pascha von Livadien ihn angriffen, aber gänzlich geschlagen wurden; der Pascha floh u. seine Unterbefehlshaber Azak-Aga u. Aspleni-Bey capitulirten u. räumten Livadien. In Kandia leitete ein Deutscher, Baron Reineck, in Capo d'Istrias' Namen den Aufstand, doch kamen die Kandioten durch die von England gebotene Aufhebung der griechischen Blockade (denn die Alliirten hatten beschlossen, daß Kandia türkisch bleiben sollte) in große Verlegenheit, da die Türken von Ägypten aus Unterstützung erhielten. In London hatten indessen die Bevollmächtigten der drei Mächte, Aberdeen, Lieven u. Polignac, am 22. März ein Protokoll unterzeichnat, nach welchem, um die Pforte nicht allzusehr zu entkräften, Griechenland auf den Continentaltheil südlich einer vom Busen von Volo bis zu dem von Arta gezogenen Linie, auf Morea, Negropont u. die Kykladen beschränkt u. gegen einen jährlichen Tribut von 14 Mill. türkische Piaster unter Oberherrlichkeit (Suzeraineté) der Pforte bleiben sollte. Ein christlicher Fürst von Griechenland sollte dasselbe von dem Großherrn als Lehn bekommen u. die erste Wahl im Einverständniß zwischen den drei Mächten u. der Pforte zu Stande gebracht werden, Darauf erging durch den englischen Residenten auf Morea an Capo d'Istrias die Aufforderung, alle griechischen Blockaden außer dem Bereich von Morea u. den Kykladen aufzuheben, die Feindseligkeiten einzustellen u. die griechischen Corps aus Livadien, Epiros u. Attika zurückzuziehen. Capo d'Istrias erklärte, daß er nicht die Macht habe, dieser Maßregel Folge zu leisten; ebenso protestirte die Nationalversammlung durch ein Manifest dagegen. Die Pforte ertheilte ihre ausdrückliche Zustimmung erst im Frieden von Adrianopel (14. Sept. 1829) u. erklärte, daß sie sich allen Bestimmungen der Londoner Conferenz unterwerfen werde. Namentlich auf Rußlands Antrag beschloß diese Conferenz im December 1829, daß Griechenland einen unabhängigen Staat unter einem souveränen Fürsten bilden sollte, als solcher anerkannt u. seine Nordgrenze so bestimmt werde, daß sie westlich vom Ausflusse des Aspropotamo anfangen u. über Vrachoni bis zum Golf von Zeitun hinlaufen sollte; Negropont, die Kykladen, die Teufelsinseln u. die Insel Skyro sollten ebenfalls dazu gehören.
XI. Das Jahr 1830. Am 3. Februar 1830 wurde dieser Beschluß publicirt u. zugleich dem Prinzen Leopold von Sachsen-Koburg die Krone des neuen Königreichs Griechenland angetragen, welche dieser auch am 11. Februar annahm, aber nach den erhaltenen Nachrichten von der schwierigen Lage Griechenlands am 21. Mai 1830 wieder ablehnte, worauf Capo d'Istrias ersucht wurde, die Regierung einstweilen fortzuführen, s. Griechenland (Gesch.) VIII. Es war demnach ein factischer Waffenstillstand eingetreten, nur in Kandia währte der Kampf zwischen den Türken in den Festungen u. den Sphakioten in den Gebirgen u. dem Rathe von Milopotamos noch fort. Dieser letztere gebot über das flache Land von Kandia u. über die von Russen u. Franzosen gemeinschaftlich besetzte Insel Kaxabusa, an seiner Spitze stand Regnieri. Da nach den Londoner Protokollen Kandia unter türkischer Botmäßigkeit bleiben sollte, u. die Pforte auf dessen Besitz großen Werth legte, so landete am 26. Sept. eine ägyptische Flotte mit 4000 Mann Truppen nach kurzem Kampfe bei Suda, u. zu Ende des Jahres war die ganze Insel bis auf einige kleine Landstriche unterworfen. Auf Samos waren am 10. Mai 1830 türkische Bevollmächtigte in Begleitung einiger Truppen eingetroffen u. hatten in Koro von dem griechischen Provinzialgouverneur, gewäß den Beschlüssen der Londoner Conferenz, die Anerkennung der türkischen Oberherrschaft verlangt, waren aber durch einen Volksaufstand zur Flucht nach Asien genöthigt worden. Lykurg Logotheti forderte die Einwohner auf, sich mit aller Kraft der Unterwerfung zu widersetzen; die Generalversammlung zu Samos beschloß, sich nie freiwillig von dem griechischen Staate zu trennen, u. stellte Lykurg Logotheil an die Spitze der provisorischen Regierung. Die Hoffnung der Samier durch ihre Entschlossenheit ihre Unabhängigkeit zu retten, war vergeblich, auch sie mußten sich 1831 unterwerfen. Die Ermordung Capo d'Istrias' am 9. Oct. störte zwar die innere Ruhe Griechenlands wieder, hatten indessen die Folge, daß die Großmächte ernstlich an die Einsetzung eines europäischen Fürsten dachten. Im März 1832 wurde daher der Prinz Otto von Baiern zum König von Griechenland bestimmt u. hiermit dem interimistischen Zustand ein Ende gemacht, s. Griechenland (Gesch.). Vgl. Alex. Sutzo, Hist. de la révolution grecque, Par. 1829; Gordon, History of the Greek Revolution, Lond. 1832, 2 Bde.; Philemon, Ἰστορία τῆς Ἑταιρίας, Nauplia 1833; Th. Kind, Geschichte der griechischen Revolution, Lpz. 1833, 2 Bde.; Klüber, Pragmatische Geschichte der nationalen u. politischen Wiedergeburt Griechenlands, Frankf. 1835: Zinkeisen, Geschichte der griechischen Revolution (3. u. 4. Theil seiner Geschichte Griechenlands),[627] nach Gordon, Lpz. 1840; Trikupis, Ἱστορία τῆς ἑλληνικῆς ἐπαναστάσεως, Lond, 185357.
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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro