1. Aus Hunger stehlen ist keine Sünde. – Eiselein, 334.
Böhm.: Dluh kormoutí, a hlad krade. (Čelakovsky, 188.)
Lat.: Viro esurienti necesse est furari. ( Eiselein, 334.)
2. Beim Hunger dient allzeit der beste Koch. – Winckler, XV, 88.
3. Das ist ein blinder Hunger, wenn genug Brot da ist (oder: wenn der Tisch voll ist).
4. De Hunger drifft (treibt) et herin, söd de Soldat, as he Speck up 't Botterbrot leggde. (Ostfries.) – Frommann, III, 429, 249; Eichwald, 1784; Hoefer, 992.
5. Dem Hunger dient auch wol eine Leberwurst, und ein gutes Mass Wein löscht den Durst.
6. Dem Hunger ist nicht wohl predigen. – Eiselein, 334.
Engl.: A hungry belly has no eras. (Eiselein, 334.)
7. Der Hunger bringt alles vnder die zän. – Zeytbuch, XLa.
8. Der Hunger ess e scharf Schwäht. (Köln.) – Firmenich, 475, 179; für Düren: Firmenich, I, 483, 83.
9. Der Hunger findet den Doctorhut. – Simrock, 5091; Reinsberg III, 86.
Ein hungriger Mann, sagen die Schotten, sieht weit. (Reinsberg III, 86.)
10. Der Hunger fôd bim Bâre1 u a. (Luzern.) – Stalder, I, 122.
1) Bâren = Krippe, Raufe. – Bei der Krüppe, im Stall, dann kommt er erst ins Haus.
11. Der Hunger gewinnt Ehr. – Petri, II, 94.
12. Der Hunger hält keine Fasten.
Dän.: Hunger holder inger faste. (Prov. dan., 314.)
13. Der Hunger hat kein schwarzes Brot. – Winckler, XIX, 55.
14. Der Hunger ist der beste koch, der durst der beste kellner och. – Henisch, 779, 10.
Lat.: Condimentum cibi est fames, potus sitis. (Henisch, 779, 12.)
15. Der Hunger ist die beste Brühe. – Reinsberg III, 83.
16. Der Hunger ist ein böser Mann, er greift mancherlei Sachen an. – Seybold, 231.
Engl.: Hunger will break through stone-walls. (Gaal, 936.)
Lat.: Imperiosa fames. (Seybold, 231.)
[908] 17. Der Hunger ist ein Gläubiger, dem man nicht ausweichen kann.
Böhm.: Hlad není soused, aby od nĕho ujití mohl. – Hlad není strýc, a břicho není úborek. (Čelakovsky, 188.)
18. Der hunger ist ein guter koch. – Agricola I, 147; Franck, I, 144; Egenolff, 67a u. 84a; Gruter, I, 49; Petri, II, 94; Lehmann, II, 269, 118; Luther, 158, 378 u. 419; Schottel, 1114a u. 1131a; Hollenberg, I, 99; Eiselein, 334; Blum, 166; Bremser, 6; Bücking 20 u. 105; Broma, II, 6; Lange, 242; Müller, 43, 6; Steiger, 378; Sailer, 77; Neus, 59; Simrock, 5082; Körte, 3063 u. 3804; Schwerin, 21; Ramann, Unterr., I, 20; Braun, I, 1578; Parömiakon, 2692; Reinsberg III, 83; Friedrich's Satirischer Zeitspiegel; ostfriesisch bei Bueren, 515.
»Der hunger ist der best koch geacht, dann von jm werdt kejn speyss voracht.« (Werdea, Aiiijj).) »Der Hunger ist der beste koch, der ward auff Erd vnd ist es noch.« (Henisch, 327, 24; Petri, II, 94.)
Mhd.: Der hunger ist der beste koch, der ie wart oder wirdet noch. (Freidank.) – Der hunger was ir beider koch. (Wigamur.) (Zingerle, 78.)
Böhm.: Hlad je nejlepší kuchař. (Čelakovsky, 189.)
Dän.: Hunger giør en god kek. (Prov. dan., 314.)
Engl.: A good stomach is the best sauce. (Eiselein, 334; Gaal, 935; Körte, 3063.)
Frz.: A bon appétit il ne faut point de sauce. (Eiselein, 334; Körte, 3063.) – A bon goût et faim n'y a mauvais pain.
Holl.: Honger is de beste kok. (Harrebomée, I, 323.)
It.: La fame è il miglior intingolo. (Cahier, 2914; Bohn I, 106.) – La fama hà sempre buon cuoco. (Pazzaglia, 119, 8.) – L'asino che a fame mangia d'ogni strame. (Eiselein, 334.)
Kroat.: Gladen želudec dober sokač. (Čelakovsky, 189.)
Lat.: Accipe quale datur si cupis esse satur. (Binder II, 39; Buchler, 121.) – Cibi condimentum est fames. (Eiselein, 354; Seybold, 675.) – Fames non est ambitiosa. (Seneca.) (Binder II, 1097.) – Fames optimus est coquus. (Eiselein, 354.) – Jejunus rare stomachus vulgaria temuit (spernit). (Horaz.) (Kruse, 469; Schonheim, I, 1; Binder I, 822; II, 1585; Philippi, I, 185.) – Optimum condimentum fames. (Binder I, 1301; II, 2432; Buchler, 120; Seybold, 419; Faselius, 49; Eiselein, 334.) – Praeter se ipsam caetera edulcat fames. (Eiselein, 334.)
Poln.: Głód stanie za kuchmistrza. (Čelakovsky, 189.)
Ung.: Legjobb szakács az éhség. (Gaal, 935.)
19. Der Hunger ist ein guter Koch, er lehrt Holzäpfel kauen. (Nassau.) – Kehrein, VII, 109.
20. Der Hunger ist ein guter Lehrmeister. – Binder II, 2406.
Lat.: Multa docet duris urgens in rebus egestas. (Virgil.) (Binder II, 1913.)
21. Der Hunger ist ein guter Redner. – Gaal, 938; Sailer, 78; Simrock, 5090.
Die Russen: Der Hunger führt eine eindringliche Sprache. (Altmann VI, 391.)
22. Der Hunger ist ein kühner Mann, der Fräulein Nichtshab freien kann.
Böhm.: Smĕlý jest ten, kdo se dvĕma se bije; ale smĕlejší, kdo se žení nie nemaje. (Čelakovsky, 383.)
Poln.: Šmiały, co się sę dwiema bije; ale śmielszy, co się žení a nic niema. (Čelakovsky, 383.)
23. Der hunger ist ein scharpff schwerdt. – Franck, II, 75a; Tappius, 93b; Lehmann, II, 269, 112; Petri, II, 94; Sailer, 78; Simrock, 5101; Körte, 3052; Hennig, 106; Frischbier, 350; Frischbier2, 1759; ostfriesisch im Hauskalender, I.
Dies Sprichwort wird im Erläuterten Preussen (I, 510) , besonders bei der Begebenheit angeführt, als der samländische Bischof Dietrich, den der Hochmeister Heinrich von Richtenberg im Jahre 1147 wegen mancherlei Frevelthaten aufs Schloss zu Tapiau hatte gefangen setzen lassen, endlich hat verhungern müssen, wobei man gefunden, dass er das Fleisch von seinen beiden Achseln, so weiter er es hatte erreichen können, abgenagt. Daher sagen die Italiener: Eine ausgehungerte Stadt wird leicht erstürmt. (Reinsberg III, 86.)
Mhd.: Der hungir ist ein scharfis schwert. (Ritterspiegel.) (Zingerle, 76.)
Holl.: Hongher is een scharp sweert. (Tunn., 14, 16; Harrebomée, I, 324.)
Lat.: Imperiosa fames. (Gaal, 940.) – Lepori esurienti etiam placentae fici. (Sutor, 276; Philippi, I, 223.) – Penalis gladius est magna fames et acutus. (Fallersleben, 390.)
24. Der hunger ist ein vngedultiger harrer. – Franck, II, 165b; Gruter, I, 15; Petri, II, 94.
Engl.: Fame is but the breath of the people, and that often unwholesome. (Bohn II, 353.)
[909] 25. Der hunger ist ein Vnger. – Eyering, I, 490; Gruter, I, 15; Petri, II, 94; Sutor, 156; Eiselein, 335; Simrock, 5105; Körte, 3051; Braun, I, 1567.
Ein schlimmer Feind, sagen die Wenden; niemals Freund, die Italiener. (Reinsberg III, 86.) – Grausam, wie ein ungarischer Kriegsmann ehemals war.
Böhm.: Hlad je nepřítel. (Čelakovsky, 187.)
Engl.: Fame is a thin shadow of eternity. (Bohn II, 353.)
Lat.: Quaevis miseria angit, sed fames maxime. (Gaal, 941.)
Ung.: Alkalmatlan vendég az éhség. (Gaal, 941.)
Wend.: Łód je njepśećel. (Čelakovsky, 187.)
26. Der Hunger ist eine gute Stundenuhr.
Die Italiener sagen: Der Hunger zeigt die Stunde, nicht die Stunde den Hunger an, um auszudrücken, dass man sich im Essen nach dem Appetite und nicht nach der Glocke richte.
Böhm.: Hladovému vždy poledne. (Čelakovsky, 188.)
It.: La fama mostra l'hora e non l'hora la fama. (Pazzaglia, 119, 9.)
Poln.: Głodnemu zawsze południe. (Čelakovsky, 188.)
27. Der Hunger ist leicht gestillt.
Dän.: Hunger er snart stillet. (Prov. dan., 314.)
28. Der Hunger ist Meister. – Lehmann, II, 63, 125; Körte, 3068.
29. Der Hunger ist niemands Freund. – Lehmann, II, 63, 126; Körte, 3054.
Und doch hungern alle. »Ist einer«, wie Abraham a Sancta Clara sagt, »ein Kapellan, so hungert er nach einer Pfarre; ist er ein Pfarrer, so hungert ihn nach einer Propstei; ist er Propst, so hungert ihn nach einem Bisthum« u.s.w.
30. Der Hunger ist sinnreich. – Sutor, 155.
Lat.: Paupertas excitat artes. (Sutor, 155.)
31. Der Hunger ist stärker als die Liebe.
32. Der Hunger ist vber alle Noth der schwerst vnd erbermlichste Todt. – Petri, II, 94.
Böhm.: Zlá smrt hladem umřítí. (Čelakovsky, 189.)
33. Der Hunger kocht rohe Bohnen süss. – Riehl, Novellen, 393.
34. Der Hunger kommt mit dem Essen.
35. Der hunger kost wenig, der vberdruss viel. – Franck, I, 62a; Gruter, I, 15; Petri, II, 94; Henisch, 760, 9; Körte, 3061.
Lat.: Parvo fames constat, magno fastidium. (Sutor, 155; Körte2, 3790.)
36. Der Hunger lässt sich mit wenig stillen, aber (Zungen-)Kitzel kostet viel.
Lat.: Parvo constat fames, magno fastidium. (Seybold, 428.)
37. Der Hunger lässt sich mit Worten nicht stillen.
Die Tataren: Wird der Kopf nach Blumen verlangen, während der Bauch nach Reis schreit? (Reinsberg III, 82.)
38. Der hunger lert mausen. – Franck, I, 75b; Egenolff, 327b u. 335a; Petri, II, 94; Gruter, I, 16; Latendorf II, 7; Sutor, 155; Simrock, 5095 u. 5104; Gaal, 938; Körte, 3069; Blum, 938; Reinsberg III, 86.
Das Bedürfniss, die Noth macht uns thätig, geschickt und erfinderisch.
Dän.: Hunger lærer katten at muse. (Prov. dan., 314.)
Holl.: De honger leert de katten muizen. – Honger maakt snopers. (Harrebomée, I, 323 u. 324.)
It.: La fama gran maestra, anche le bestie ad destra. (Gaal, 938.)
Lat.: Vero esurienti necesse est furari. (Faselius, 84.)
Böhm.: I patriarch hladový chleba ukradne. (Čelakovsky, 189.)
39. Der hunger macht ainen antig1. – Hauer, M2.
1) Oder äntig? Ich kann das in dem Exemplar, das ich aus der königlichen Bibliothek zu München hier habe, nicht unterscheiden.
40. Der Hunger macht alle Speiss süss, allein sich selbst nicht. – Lehmann, II, 5, 1; Simrock, 5088; Reinsberg III, 84.
41. Der Hunger macht aus rohen Bohnen süsse Mandeln.
42. Der hunger macht auss schlehen weinbeer, auss rohen bohnen gebratens. – Franck, II, 180a.
43. Der hunger macht hart brot zu lebkuchen. – Franck, II, 75a u. 180; Lehmann, II, 63, 127.
44. Der Hunger muss gross sein, weil die Katze mausen geht. – Parömiakon, 2380.
45. Der Hunger muss gross sein, wenn ein Hund (Wolf) den andern beisst.
Poln.: Już to głód, kiedy wilk wilka kąsa.
Ruth.: Jist pes psa koły sia jisty chocze. (Wurzbach I, 207.)
46. Der Hunger nach Geld bringt alle Sünden in die Welt. – Seybold, 128.
[910] 47. Der Hunger rafft weniger dahin als der Frass.
Span.: De hambre a nadie vi morir; de mucho comer, cien mil. (Cahier, 3312.)
48. Der Hunger räth nichts Gutes. – Seybold, 310.
49. Der Hunger regiert das Volk.
Engl.: Fame is in the keeping of the mob. (Bohn II, 353.)
50. Der Hunger sieht dem Esser mit Neid ins Maul. – Eiselein, 334.
Lat.: Edentulus vescentium dentibus invidet. (Eiselein, 334.)
51. Der Hunger sieht dem Fleissigen wol einmal zur Thür hinein, aber ins Haus darf er nicht kommen.
Frz.: La faim regarde à la porte de l'homme laborieux, mais elle n'ose pas entrer. (Bohn I, 28.)
Holl.: De honger kijkt bij den vlijtige wel eens de deur in, maar hij durft niet binnen komen. (Harrebomée, I, 323.)
52. Der Hunger sieht nicht auf die Schüssel, sondern hinein. (Wend. Lausitz.)
53. Der hunger treibt (jagt) den wolff auss dem busche (der Höhle, dem Holz, dem Walde). – Tappius, 93a; Henisch, 569, 21; Hollenberg, II, 56; Latendorf II, 8; Gerber, I, 766; Eiselein, 334; Simrock, 5096; Schlechta, 366; Braun, I, 1569; Reinsberg III, 87.
In Bedburg: Der Honger driev den Wolf us em Bösch.
Böhm.: Hlad je nestyda. – Hlad oči zaprodal. – Hlad vlka žene z lesa. – Hlad žene do svĕta. (Čelakovsky, 190 u. 191.)
Frz.: La faim chasse le loup du bois. (Čelakovsky, 190; Kritzinger, 300a; Starschedel, 174 u. 411; Lendroy, 171; Bohn I, 28; Cahier, 646.)
It.: La fame caccia il lupo fuor del bosco. (Bohn I, 106; Gaal, 939.)
Krot.: Glad oči nema. – Pri gladu sram za tram. (Čelakovsky, 191.)
Lat.: Esuriem patiens sylva lupus exit opaca. (Binder I, 441; II, 998; Buchler, 119; Gaal, 939; Seybold, 155; Eiselein, 334.)
Ung.: Ehség a farkast is kihajtja a bokorbúl. (Gaal, 939.)
54. Der hunger treibt den wolff ins dorff. – Franck, II, 75a; Körte, 5053; Reinsberg III, 86.
Frz.: La faim fait sortir le loup du bois. (Leroux, I, 117.)
Holl.: Hongher drijft den welf uten bos. (Tunn., 14, 18; Bohn I, 392; Harrebomée, I, 323.)
It.: La fama caccia il lupo dalla tana. (Fazzaglia, 119, 6.) – La fame caccia il lupo del bosco. (Bohn I, 106.)
Lat.: Fames pellit lupum e silvis. (Eiselein, 334.) – Quod lupus est fugiens nemus, hoc facit esuriens deus. (Fallersleben, 391.)
55. Der Hunger treibt den Wolff vber Schnee vnd Eyss. – Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 438; Simrock, 5097.
»Wenn sie der Hunger thut besthen, müssens wol vnser liedlein singen.« (H. Sachs, I, XII, 1.) Die Polen: Hunger treibt nach Haus. Die Russen: Hunger treibt in die Welt. (Reinsberg III, 86.)
56. Der Hunger versüsst jedes Gericht, nur sich selber nicht.
Dän.: Hunger giør alting sød uden sig selv. (Prov. dan., 314.)
Lat.: Jucunda praeter se omnia efficit fames. (Philippi, I, 215.)
57. Der Hunger vertreibt die Liebe. – Reinsberg I, 115.
58. Des Hungers Regiment macht aller Kraft ein End'.
59. Ehe einer Hungers sterben solt, esse einer so Kässe vnd Wecken. – Gruter, III, 25; Lehmann, II, 146, 6.
60. Es muss ein grosser hunger im busche sein, wann ein wolff den andern jsset. – Tappius, 25a.
61. Et äs laicht Hanger ligde, wun em e Lâm gefriessen huot. (Siebenbürg.-sächs.) – Schuster, 304.
62. Für den Hunger vnd Durst soll man essen vnd trincken vnd nicht zum wollust. – Henisch, 949, 10.
63. Hunger doit wei vor Minschen un Veih. – Schambach, II, 237.
Auch die Thiere soll man nicht Hunger leiden lassen.
64. Hunger erobert die stärkste Festung.
Engl.: Fame is the perfume of heroic deeds. (Bohn II, 353.)
It.: Dove regna la fame ivi si perde la fortezza. (Pazzaglia, 119, 3.)
[911] 65. Hunger frisst sich durch steinerne Mauern. – Reinsberg III, 84.
Holl.: Honger eet door steenen muren. (Harrebomée, I, 323; Bohn I, 329.)
66. Hunger fürchtet keinen Galgen.
Die Letten: Hunger kennt nur das Gebot: du sollst essen. Die Kleinrussen: Schuld betrübt, Hunger stiehlt. Hungrig wird auch der Patriarch stehlen. Die Italiener: Aus Hunger ist's erlaubt, das Gesetz zu umgehen. Die Basken: Der Hunger kennt niemand. (Reinsberg III, 87.)
Böhm.: Hlad se šibenice neboji. (Čelakovsky, 189.)
Engl.: From fame to infamy is a beaten road. (Bohn II, 359.)
Lat.: Asinus esuriens fustem negligit.
67. Hunger gebiert Neid.
Dän.: Hunger og liden mad giør had. – Naar krybben en tom slaaes hestene. (Prov. dan., 314.)
68. Hunger geht vor Scham. – Gruter, III, 51; Lehmann, II, 269, 113.
Dän.: Hunger haver ingen skam. (Prov. dan., 314.)
69. Hunger hat kein Ekel. – Lehmann, II, 270, 124.
Die Letten: Man lernt Lehm essen, ehe man Hungers stirbt. (Reinsberg III, 84.)
Böhm.: Hlad všechno ztráví. (Čelakovsky, 189.)
70. Hunger im Haus, und der Durst schaut zum Fenster hinaus.
71. Hunger isst das Brot mit ungewaschner Hand.
Die Holländer: Hungrige Hunde essen wol beschmuzte Würste. Die Engländer: Hunger isst schmuzige Puddings. (Reinsberg III, 84.)
72. Hunger isst Kleienbrot für Torte.
73. Hunger isst schimmlig Brot für Kuchen.
Aehnlich sagen die Russen: Hunger sieht am Brote den Schimmel nicht. (Altmann VI, 394.)
Holl.: Honger ziet wel struif voor taarten aan. (Harrebomée I, 324.)
74. Hunger ist das beste Mittel gegen das Liebesfieber.
Der thebensche Philosoph Krates pflegte zu sagen: »Hunger heilt die Liebekranken; hilft er nicht, so thut's die Zeit, und sind beide ohne Wirkung, so hilft der Strick.« (Einfälle, 95.)
75. Hunger ist der best koch. – Tappius, 93a; Franck, II, 75a; Lehmann, 269, 111; Gruter, III, 51; Hauer, M2; Latendorf II, 17; Mayer, I, 221; Lohrengel, I, 580; ostfriesisch im Hauskalender, I.
»Der Hunger ist der allerbeste Koch geacht, denn von ihm wird kein Speiss veracht.« (Sutor, 154.) Auch in der Liebe ist Hunger der beste Koch. (Welt und Zeit, V, 358, 237.) Die Isländer: Hunger, Arbeit und Schweiss sind die besten Kräuter. Afrikanische Neger: Wenn ein Fussgänger etwas isst, schmeckt es gut. Die Antilope sagt: Wenn du ohne Ermüdung issest, schmeckt es nicht. (Reinsberg III, 83.)
Lat.: Esuriens stomachus fertur cocus optimus esse. (Sutor, 154.)
76. Hunger ist der best orator. – Franck, II, 75a.
77. Hunger ist der beste Koch; mag er's nicht, so isst er's doch.
»Hat man im allgemeinen die Gewohnheit, die Wissenschaften durch das Hungertuch aufzumuntern, so ist insbesondere der Hunger als das beste Reizmittel für Dichter (und ich möchte hinzusetzen: für Lehrer) betrachtet worden. Man hat den Versuch gemacht, ob sie nicht endlich im Stande sein werden, vom himmlischen Nektar und Ambrosia zu leben und das gemeine Essen und Trinken ganz zu entbehren, an welcher Probe dann freilich viele früher gestorben sind, als sie die Kunst erlernt hatten.« (Welt und Zeit, IV, 4.)
78. Hunger ist der beste kriegsman. – Franck, II, 75a.
»Der Franzose wird mehr von einer Idee, der Engländer ganz und gar vom Hunger getrieben. Bei einem englischen Aufstande kreuzten die Männer erwartungsvoll die Arme und sprachen: ›Den Hunger müsst ihr todtschiessen, nicht uns.‹« (H. Heine, Vermischte Schriften, III, 52.)
79. Hunger ist der Künste Meister. – Reinsberg III, 86.
Er lehrt selbst die Thiere, sagen die Italiener. (Reinsberg III, 86.)
80. Hunger ist die best würtz. – Tappius, 93a; Petri, II, 386; Gruter, I, 308; Latendorf II, 17; Eiselein, 334; Sailer, 77; Simrock, 5083; Körte, 3067.
Böhm.: Hlad a práce výborné koření. (Čelakovsky, 133.)
Dän.: Hunger er den beste urt paa maden. (Prov. dan., 314.)
Engl.: A good hunger is the best sauce. (Gaal, 935.)
Frz.: Il n'est sauce que d'appétit. (Gaal, 935; Cahier, 111; Kritzinger, 31b; Starschedel, 411.)
Holl.: Honger is de beste saus. (Harrebomée, I, 324.)
It.: Appetito non vuol salsa. – La principal salsa è la fame. (Pazzaglia, 119, 10.)
[912] Lat.: Cibi condimentum est fames, potionis sitis. (Cicero.) Optimum cibi condimentum fames. (Erasm., 551; Tappius, 93a; Gaal, 935.)
Poln.: Przysmak wyborny głod i robota. (Čelakovsky, 133.)
81. Hunger ist ein guter Arzt.
»Alle weisen Diätetiker haben, da man den Hunger nicht als Koch gebrauchen will, ihn wenigstens als Arzt empfohlen.« (Dr. Mises, Schutzmittel für die Cholera, Leipzig 1831.)
82. Hunger ist ein guter Koch, will er's nicht, so mag er's doch. (Breslau.)
83. Hunger ist ein schlimmer Gast.
Ebenso russisch Altmann VI, 406.
84. Hunger ist ein schlimmer (harter) Rathgeber. – Frischbier, 351; Frischbier2, 1758; Hennig, 306.
Dän.: Hunger er en ond raadgiver. (Prov. dan., 314.)
Engl.: Fame is a magnifying glass. (Bohn II, 353.)
Holl.: Honger leert (zoekt) ranken. (Harrebomée, I, 324.)
85. Hunger ist ein Schwert, das durch Helm und Harnisch fährt.
86. Hunger ist eine schwere Krankheit; aber es ist eine noch schwerere, essen sehen und nichts bekommen. (Poln.)
87. Hunger ist für alt und jung ein Unger.
Holl.: De honger woont zoowel onder eene gevleeschde huid als onder een mager en gerimpeld vel. (Harrebomée, I, 323.)
88. Hunger ist nicht wählig.
89. Hunger ist ohne Scham. – Reinsberg III, 87.
90. Hunger kennt kein Gebot.
91. Hunger küsset das liebe Brot. – Petri, II, 386.
92. Hunger lässt sich mit schlechten Speisen begnügen.
Lat.: Feles esuriunt, dum panis frustula rodunt. (Gaal, 936.)
93. Hunger lehret brot kewen. – Henisch, 524, 19; Petri, II, 386; Gaal, 936.
Die Russen: Der Hunger lehrt nicht allein den Bauer die Grütze zum Munde führen, sondern er lehrt auch den Schmid den Löffel für den Bauer machen. (Altmann VI, 442.)
Frz.: A bonne faim il n'y a point de mauvais pain. (Gaal, 936.)
It.: A buona fame non vi è cattivo pane.
94. Hunger lehrt Brot finden.
Böhm.: Hlad k domu přihání. (Čelakovsky, 190.)
Poln.: Głod do domu przypędzi. (Čelakovsky, 190.)
95. Hunger lehrt das Maul aufthun.
96. Hunger lehrt den Hund (Wolf) Gras fressen. – Reinsberg III, 86.
97. Hunger lehrt den Lahmen tanzen.
Die Russen: Hunger ist Finger, der dem Blinden die Zweige zeigt, von welchem er sich Früchte pflücke. (Altmann VI, 498.)
98. Hunger lehrt Eierkuchen essen. –Für Preussen: Frischbier2, 1760.
99. Hunger lehrt gar viel.
Die Russen: Ist der Mensch hungrig, so lehrt ihn der Bauch, wie er Brot bekommen soll. Hunger lehrt sprechen. Die Esten: Der Bauch ist Herr, er wird schon nachtreiben (zur Arbeit).
Böhm.: Hlad učí dĕlati. – Hlad výmluvnosti učí. (Čelakovsky, 190.)
Kroat.: Glad vuči delati. (Čelakovsky, 190.)
100. Hunger lehrt geigen. – Eiselein, 335; Simrock, 5089; Braun, I, 1578; Reinsberg III, 86.
Lat.: Multa docet fames. (Eiselein, 334; Seybold, 316.)
101. Hunger lehrt Kohlen kauen.
102. Hunger lehrt viel Böses. – Blum, 614; Reinsberg III, 86.
Der Hunger, die Befriedigung der ersten unentbehrlichen Lebensbedürfnisse, treibt oft zu unerlaubten Handlungen.
Holl.: Om den honger te wederstaan, worden velerlei listen aangewend. (Harrebomée, I, 324.)
Lat.: Rara viget probitas, ubi regnat grandis egestas, et malesuada fames. (Gaal, 942.)
103. Hunger lehrt viel Künste. – Seybold, 316.
Die Russen: Der Hunger ist der Vater der Kunst. (Altmann VI, 442.)
Dän.: Hunger lærer kunster. – Hunger og nød lærer at søge. (Prov. dan., 314.)
Holl.: De honger leert kunsten (praktijken). (Harrebomée, I, 323.)
Lat.: Fames artium magistra. (Binder, I, 518; II, 1094; Buchler, 120; Gaal, 938; Philippi, I, 151; Seybold, 173.)
104. Hunger leid kein verzug. – Gruter, I, 49; Petri, II, 386; Schottel, 1123a; Blum, 593; Körte, 3050; Simrock, 5099; Reinsberg III, 85.
Die Empfindung des Hungers ist zu stark, als dass [913] sie durch andere noch auf eine Zeit zu unterdrücken oder zu beherrschen wäre.
Lat.: Fames et morabilem in nasum conjiciunt. (Gaal, 943.)
105. Hunger leiden ist kein Brot sparen.
Holl.: Honger lijden is geen brood sparen. (Harrebomée, I, 324.)
106. Hunger löscht offt den guten Nahmen auss. – Lehmann, II, 269, 121.
107. Hunger macht aus rohen Bohnen Honigkuchen. – Blum, 167.
Böhm.: Hladovému svatu i plaňata chutnají. (Čelakovsky, 189.)
Ung.: Ehező embernek a zab kenyér kéja is mézes falat. (Gaal, 936.)
108. Hunger macht auss wasser Malwasier vnd auss Brodt Honigkuchen. – Franck, Paradoxa, 54b.
109. Hunger macht die Kirchen wüste. – Petri, II, 386.
110. Hunger macht Haferstroh kauen.
Holl.: De honger maakt eene grage maag. (Harrebomée, I, 323.)
111. Hunger macht hart Brot zu Honigkuchen. – Simrock, 5086; Reinsberg III, 84.
Frz.: Qui a faim, mange tont pain. (Leroux, II, 289.)
112. Hunger macht hart Brot zu Lebkuchen oder zu mandeln. – Henisch, 522, 54; Petri, II, 386; Sailer, 77; Körte, 3064.
113. Hunger macht rohe bonen (oder: Saubohnen) süss. – Franck, II, 75a; Tappius, 93a; Lehmann, II, 269, 118; Waldis, IV, 10, 48; Blum, 167; Sailer, 77; Eiselein, 334; Simrock, 5084; Körte, 3065; Braun, I, 1577; Reinsberg III, 48; ostfriesisch bei Bueren, 517; Hauskalender, I.
Im Niederdeutschen: De Hunger mâkt rohe Bonen söte. (Dähnert 200a.) Die Letten: Der Hunger macht Wasserrüben zu Zuckerrüben. Die Serben: Dem hungrigen Menschen sind auch Holzbirnen süss. Alles, wenn's nur in den Mund hineingeht. Die Kassuben: Dem hungrigen Fürsten mundet auch wol Kartoffelbrei. Die Hindostaner: Hunger ist mit jeder Nahrung zufrieden und Schläfrigkeit mit jedem Bett. Die Russen: Gute Mühlsteine (Zähne) zermalmen alles.
Mhd.: Sô satez kint niht ezzen mac, sö bittert ime des honges mac swem aber wê der hunger tuot, den dunket sûriu spîse guot. (Freidank.) (Zingerle, 76.)
Dän.: Hunger giør og skov-kratter sød. (Prov. dan., 234.)
Engl.: Hunger makes hard beans sweet beans. (Gaal, 937.)
Holl.: Hongher maect ro bonen soet. (Tunn., 15, 10; Harrebomée, I, 324.)
It.: La fame muta le fave in mandole. (Bohn I, 106; Pazzaglia, 119, 5.)
Lat.: Fames malum panem tenerum et siligineum reddit. (Binder II, 1096.) – Jucunditas victus est in desiderio, non in satietate. (Philippi, I, 215.) – Mellificare fabas facit esuries tibi crudas. (Fallersleben, 389.) – Ore dulcescit faba frigida, quando famescit. (Sutor, 156.)
Ung.: A keserü babot is édessé teszi az éhség. (Gaal, 937.)
114. Hunger macht rohe bonen zu mandeln. – Franck, II, 75a; Petri, II, 386; Lehmann, II, 269, 119; Winckler, X, 54; Sutor, 156; Simrock, 5085; Körte, 3066 u. 3807; Reinsberg III, 84.
Die Russen: Der Hungrige isst Bohnen für Mandeln, der Satte Mandeln für Bohnen. (Altmann VI, 446.)
Holl.: Honger maakt raauwe boonen tot amandelen. (Harrebomée, I, 324.)
It.: La fame muta le fave in mandole. (Bohn I, 106.)
115. Hunger macht scharffe Köpffe. – Petri, II, 386.
Böhm.: Hlad důvtipný. – Když človĕk vyhladoví, jak chleba dostati, břicho mu poví. (Čelakovsky, 190.)
Poln.: Głod dowcipny. (Čelakovsky, 190.)
116. Hunger macht scharpffe köpff vnd gewint ehr. – Franck, II, 192b; Gruter, III, 51; Lehmann, II, 269, 114.
117. Hunger macht schlechte Saucen (Brühen) gut.
Dän.: Hunger er det bedste suul. (Bohn, I, 380.)
Frz.: A bon appétit il ne faut point de sauce. (Bohn, I, 1.)
Holl.: Honger is de beste saus. (Bohn I, 329.)
It.: La fame è il meglior intingolo. (Bohn I, 106.)
118. Hunger macht zahm.
Holl.: De honger leert vernuftig zijn. (Harrebomée, I, 323.)
Ung.: Jámbort is lopásra untat a' nagy éhség. – Nehéz az éhező embernek a várakozás. (Gaal, 942 u. 943.)
119. Hunger nach Geld bringt die Sünde in die Welt.
120. Hunger räth nichts Gutes.
121. Hunger stelt nach ehr. – Franck, II, 192b; Gruter, I, 49; Petri, II, 386; Henisch, 816, 21.
122. Hunger thut weh. – Blum, 237; Bücking, 105 u. 266; Struve, 25; Mayer, I, 221.
Die Polen: Schweres Wehe, wenn man essen möchte, noch schwereres, wenn man essen sieht und nichts bekommt. (Reinsberg III, 85.)
[914] Mhd.: Zwâr ez wart nie kein kristen sô guot, swenne er hungert, erst vil ungemuot. (Oswald.) (Zingerle, 76.)
It.: Ogni dolor è dolore, ma quello della tavola è il maggiore. (Gaal, 941.)
123. Hunger treibt Bratwürste hinein.
Ironisch.
124. Hunger treibt den Hund an die Kette.
Dän.: Hunger driver hunden i baand. (Prov. dan., 314.)
125. Hunger treibt den Wolff vber Schnee vnd vber Eyss. – Gruter, III, 51; Lehmann, II, 269, 117; Sailer, 77.
Die Russen: Hunger jagt den Hirsch über das Eis. (Altmann VI, 487.)
126. Hunger treibt's ein, und wenn's Schweinebraten ist. – Frischbier2, 1761.
Scherzhafte Antwort auf die Frage, ob es schmeckt. Die Finnen sagen: Der Hungrige isst sogar Hasenbraten. (Bertram, 67.) Die Russen: Wenn man gar grossen Hunger hat, schlachtet man auch wol seine Katze. (Altmann V, 132.)
127. Hunger und Durst singen keinen Alt. – Körte, 3055 u. 3794; Simrock, 5093; Braun, I, 1576.
Machen aber gewiss jemand eher alt als Unmässigkeit.
Holl.: Honger en dralen maken korzelig. (Harrebomée, I, 323.)
128. Hunger und Fleiss treiben über Schnee und Eis.
129. Hunger und Frost sind schlimme Gäste.
Lat.: Frigus et fames durisimi hostes. (Binder II, 1203.)
130. Hunger und Kält' sind arge Feind' in der Welt.
Span.: Hambre y frio entregan al hombre á su enemigo. (Bohn I, 224; Cahier, 3452.)
Port.: Fome, e frio mette a pessoa com seu inimigo. (Bohn I, 278.)
131. Hunger und Kälte besiegen die stärkste Natur.
132. Hunger und Kälte treiben den Wolf aus dem Busch. – Petri, II, 94.
133. Hunger und Langeweile macht Gähnen. – Welt und Zeit, V, 320, 56.
134. Hunger und Liebe machen weise Leute zu Narren.
Auch russisch Altmann VI, 500.
135. Hunger und Liebe wohnen nicht lange in Einem Haus.
»Was thu' ich mit der Liebe? Gib mir viel mit Hass, ich habe Hunger«, sagte jemand, als man ihn bat, mit dem Wenigen fürlieb zu nehmen, es werde mit Liebe gegeben.
Dän.: Hunger giør slet elskov. (Prov. dan., 408.)
136. Hunger und Ruhm sind Vettern.
»Ich bin vollkommen der Meinung, dass der Hunger und der Ruhm Geschwisterkinder sind.« (K. Gutzkow, Briefe aus Paris, I, 153.)
137. Hunger vberwindet Kält vnnd Frost, Stätte vnd Vestungen. – Lehmann, II, 269, 123.
138. Hunger versüsst jedes Gericht, sagte Peter Fressert, als er von Tische kam und biss in eine Honigschnitte hinein.
Holl.: Honger is een groot kruis, zei Tijs Tafelbezem, en hij kwam pas van tafel af. (Harrebomée, I, 324.)
139. Hunger vertreibt den Schlaf.
Die Serben: Hungriges Auge schläft nicht. Wenn der Hund hungrig ist, so liegen ihm im Schlaf alle Bissen vor Augen (die er gefressen hat oder fressen möchte). Die Venetier: Wer Hunger hat, hat keinen Schlaf. Die Kleinrussen: Ein hungriges Huhn träumt von Hirse. Die Kroaten: Hunger hat keine Augen. (Reinsberg III, 86.)
140. Hunger vnd ein (lediger) Bauch thun wehe; ein vberfüllter magen noch mehr. – Henisch, 208, 16; Petri, II, 386.
141. Hunger vnd harr1 reucht in die nasen gar. – Franck, II, 74b; Gruter, III, 51; Petri, II, 386; Eiselein, 335; Sailer, 77; Lange, 1067.
1) Verdreusst die Nase, heisst's bei Eyering, III, 147.
142. Hunger vnd harren stincken1 in der nasen. – Franck, II, 74b; Tappius, 92b; Lehmann, II, 269, 116.
1) Wortspiel mit Harr'n (Harren) und Harn.
143. Hunger zu stillen kostet nicht viel, aber den Wollüsten genug zu thun, ist kostbarlich vnd beschwerlich. – Lehmann, II, 269, 120.
144. Ist der Hunger echt, so ist kein Brot schlecht.
145. Je grösser der Hunger, je näher der Teufel.
146. Leide nicht Hunger, stille den Durst, leere den Leib, schlaf' ohne Weib, sorge nicht mehr wie ein Hund, so bleibst du gesund. – Winckler, XIV, 82.
[915] 147. Man muss nicht jeden Hunger in den Brotschrank und jeden Durst in die Schenke tragen.
Port.: Nem com toda a fóme á arca, nem com toda a sede ao cantaro. (Bohn I, 286.)
148. Nur bei scharfem Hunger frisst eine Spinne die andere. – Lohrengel, I, 551.
149. Ous dem Hanger miss em langen. – Schuster, 829.
150. Was es mit dem Hunger hat, weiss nicht, wer früh und abends satt.
151. Was man heut' aus Hunger isst, dass isst man morgen aus Appetit.
In Habesch heisst es ähnlich: Die Durraspeise, die dich vom Hungertode rettet, wirst du morgen zu deinen Lieblingsspeisen zählen. (Altmann II.) Durra oder Moorhirse ist das gewöhnliche Getreide Innerafrikas.
152. Wem der Hunger wehe thut, dem deucht alle Speise gut. – Petri, II, 622.
153. Wenn das nicht Hunger heisst, wenn ein Hund den andern beisst. (Ruth.)
154. Wenn de Hunger nach de Stubendöhr herinkümt, so geht de Lêw nah dat Finster 'rût. (Mecklenburg.) – Günther, II, 200, 38.
Nahrungsmangel zerstört das eheliche und häusliche Glück.
155. Wenn der Hunger bekommt Gewalt, verlässt der Wolf den Wald.
156. Wenn der Hunger den Igel drängt, so gäb' er sein Stachelfell hin für eine Mohrrübe. (Abyssinien.)
157. Wenn der Hunger kommt ins Haus, so geht die Liebe zum Fenster hinaus. – Reinsberg I, 115.
Dieselbe Erfahrung haben, wie es scheint, alle Völker gemacht, die Sprichwörter vieler sprechen ihn in ähnlicher Weise aus.
Böhm.: Zlá láska o hladu. (Čelakovsky, 242.)
Engl.: When poverty comes in at the doors, love leaps out at the windows. (Gaal, 1053.)
Poln.: Zła miłość o głodzie. (Čelakovsky, 242.)
Ung.: Ha a szükség bé köszön az ajtón, a szeretet akkor az ablakon ugrik ki. (Gaal, 1053.)
158. Wenn Hunger im Lande ist, werden es auch die Heiligen gewahr.
Frz.: Quand le champ n'est fertile pour les saints est stérile. (Leroux, I, 40.)
159. Wenn vor Hunger sterben ein Nonnenpater, eines Fischers Kater, eines Bäckers Schwein und Müllers Hahn, so wird die Welt ver gahn. – Welt und Zeit, V, 87, 61.
160. Wer Hunger hat, dem ist alles süss.
Dem, der hungert, ist alles Brot. (Reinsberg III, 85.)
It.: L'asino che ha fame, mangia d'ogni strame. (Körte, 3065; Gaal, 935.)
Lat.: Nihil contemnit esuriens. (Philippi, II, 22.)
161. Wer Hunger hat, dem schmeckt die Gabe, bringt sie ihm auch ein Rabe.
Wie dem Elias. Man nimmt das Gute an, wenn auch die Persönlichkeit, die es bietet, nicht zusagt.
162. Wer Hunger hat, dem schmeckt Schwarzbrot wie Zwieback.
Die Bulgaren: Der hungrige Mensch isst auch trockenes Brot. Die Czechen: Dem Hunger ist alles nach Geschmack. Der Hunger isst auch Teig auf. Zu weissem Brot Butter, zu schwarzem Hunger. Die Spanier: Zu Brot von vierzehn Tagen Hunger von drei Wochen. Die Tataren: Das Fleisch des alten Pelikans wird dir weich schmecken, wenn du zwei Tage hast hungern müssen. (Reinsberg III, 84.)
Frz.: A la faim il n'y a pas de mauvais pain. (Cahier, 645; Kritzinger, 300a.)
It.: A buona fame non vi è cattivo pane. (Gaal, 936.) – A fame, pane; e a sonno, panca. (Cahier, 2913.)
163. Wer Hunger hat, kocht den Kohl in der Hand, wenn der Topf fehlt. – Reinsberg III, 83.
164. Wer Hunger hat, macht aus dem Brot keinen Bartholomä.
Von dem man erzählt, er sei geschunden worden.
165. Wer keinen Hunger gelitten hat, weiss nicht, wie thewr vnd wehrt das liebe Brot ist. – Theatrum Diabolorum, 2b.
166. Wer keinen Hunger hat, lobt das Fasten.
Holl.: Die geen honger heeft, heeft goed van de vasten te spreken. (Harrebomée, I, 323.)
It.: Che non hà fame ben può predicar il digiuno. (Pazzaglia, 119, 2.)
167. Wer keinen Hunger hat, sagt: die Kokosnuss hat eine zu harte Schale. (Abyssinien.)
[916] 168. Wenn Hunger und Durst sich heirathen, gehen die Kinder betteln. – Schlechta, 9.
169. Wer ohne Hunger essen soll, dem schmeckt die Speise selten wohl.
170. Wer ohne Hunger kaut, dem schmeckt Braten wie Bohnenkraut.
171. Wo Hunger ist, da sticht auch eine zweizinkige Gabel.
172. Wo hunger regiert, die stärcke man verliert. – Gruter, III, 116; Lehmann, II, 884, 325; Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 408.
173. Wo man mit dem Hunger zu Feld muss ligen, kan man mit dem Feind nicht kriegen. – Gruter, III, 117; Lehmann, II, 884, 330; Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 408.
»Köndt doch der Hörnin Seyfried auff einmal nicht zween bestehn, viel weniger ich den Mars vnd Hunger.« (Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 408.)
174. Zum hunger dient auch wol ein Leberwurst, ein gut Mass Wein aber lescht den durst. – Gruter, III, 119; Lehmann, II, 905, 16.
*175. An'n Hanger hoan î schon, dass ih'n or'ntli siech vor meiner. (Steiermark.)
Personification eines heftigen Hungers.
*176. Da steht der Hunger Schildwacht und der Schmacht präsentirt das Gewehr. (Westf.)
Zur Bezeichung grosser Armuth.
*177. Das ist ein Hunger, welcher einen Panzer (Harnisch) bricht. – Burckhardt, 284.
Von unmässiger Begierde oder Habsucht.
Frz.: A bon goût et faim, n'y a mauvais bain. (Körte, 3066.)
It.: L'asino che ha fame, mangia d'ogni strame. (Gaal, 935.)
Lat.: Fames meliaea. (Erasm., 720; Philippi, I, 164.) – Saguntina fames.
*178. Dat is nig för den Hunger edder Döst. – Dähnert, 200a.
Um zu sagen: Das sind nicht eigentliche Nahrungsmittel, sondern Leckerbissen.
*179. Den Hunger mit Wind stillen.
Sich oder andere mit Idealen füttern.
*180. Der Hunger (jüdisch: Roow) esst'n uf. – Tendlau, 208.
*181. Der Hunger ist ihr Küchenmeister.
Holl.: Zij hebben den honger gebakken en den dorst gebrouwen. (Harrebomée, I, 324.)
*182. Der Hunger siehet (guckt, scheint) jhm zu den Augen (Fenster) herauss. – Herberger, I, 270; Eiselein, 335; Körte, 3051a; Braun, I, 1568.
Holl.: De honger ziet hem ten oogen uit. (Harrebomée, I, 323.)
*183. Der Hunger sihet ihm aus den Augen. – Pauli, Postilla, 36b.
*184. Der Hunger treibt jn aus dem bett. – Eyering, I, 125.
*185. Der Hunger treibt's nei. (Oberlausitz.)
*186. Der kann vor Hunger nicht sacht (langsam) gehen. (Ostpreuss.) – Frischbier, 221.
*187. Du musst auf den Hunger essen, der noch kommt. (Meiningen.)
Zu einem Besuch, der zu geniessen ablehnt, weil er keinen Hunger habe.
*188. Er darf nie Hunger leiden, er muss nur oft sehr lange aufs Essen warten.
*189. Er hat Hunger für zehn.
Die Russen sagen: Er hat Hunger für zehn Schwangere. (Altmann VI, 513.)
*190. Er hat Hunger wie ein Offizier und Tractament wie ein Gemeiner. (Ostpreuss.) – Frischbier2, 1762.
*191. Er hat Hunger wie ein Staar. (Nürtingen.)
*192. Er hat Hunger wie ein Wolf (Wehrwolf).
*193. Er hat Hunger wie eine Kirchenmaus. (Rottenburg.)
*194. Er kan sich des hungers kaum erweren. – Agricola I, 705; Tappius, 236b; Schottel, 1140a.
Holl.: Hij kan zich tegen den honger naauw verweren. (Harrebomée, I, 323.)
Lat.: Ad incitas redactus. (Tappius, 336a.)
*195. Er kann vor Hunger nicht aus den Augen heraussehen.
[917] *196. Er kann vor Hunger nicht kacken. (Rottenburg.)
*197. Er muss Hunger leiden, dass die Schwarte kracht. (Meiningen.)
*198. Er schreit Hunger und sitzt am vollen Tisch.
Frz.: Crier famine sur un tos de blé. (Lendroy, 148.)
*199. Hei heat Hunger äs en Wulw. (Büren.)
»Der Wolf ist gar ein begierig reissend Thier, das lange hungern kann, aber darnach frissts desto sehrer.« (Coler, 583.)
Holl.: Hij heeft een' honger als een paard. (Harrebomée, I, 323.)
Lat.: Saguntina famos. (Seybold, 536.)
*200. Honger hebben, as en Kerkenmûs. (Meurs.) – Firmenich, I, 462, 128.
*201. Hunger und Durst hei e-n-angere (einander) g'hürothet. (Solothurn.) – Schild, 86, 320.
*202. Hunger und Durst heirathen einander.
Als der in dürftigen Umständen lebende Dacier sich mit Fräulein Lefevre verheirathete, bemerkte der Herzog von Orleans: »Nun vermählt sich der Hunger mit dem Durst.« (Einfälle, 105.) Die Basken: Wenn beide Eheleute ohne Mittel sind, machen sie die Hochzeit der Arbeit oder der Noth. (Reinsberg I, 115.)
Frz.: C'est la faim qui épouse la soif. (Lendroy, 695.)
Holl.: Het is de honger, die met den dorst trouwt. (Harrebomée, I, 323.)
Poln.: Žženił się biedak z biedą. (Lompa, 27.)
*203. Hunger und Kummer leiden. – Mathesy, 13b; Chemnitius, II, 363; Sabbathsteuffel im Theatrum Diabolorum, 485a.
»Der Winter schleicht aber daher, mir wil lauffen ein spulen leer, dass ich muss leiden hungr vnd Kummer.« (H. Sachs, Fastnachtspiel, III, CCCLI, 1.)
*204. Sich selber vor Hunger fressen. – Körte, 3054a.
205. Den Hunger zu stillen, kostet nicht viel, aber sich den Magen zu verderben, braucht man viel Geld.
206. Der Hunger, den sie in England han, fängt an dem Troge der Pferde an.
It.: La fame in Inghilterra comincia dalla mangiatoia del cavallo. (Giani, 851.)
207. Der Hunger ist ein Schelm, lehret Mord und Diebstahl. – Arpagaus, 498.
208. Der Hunger ist wol ein guter Koch, er kocht aber nicht allezeit was Gutes. – Geiler von Kaisersberg.
209. Der stärkste Hunger drängt sich vor.
210. Es geht mancher ohne Hunger zu Tische, aber der Appetit kommt beim Essen. – Harssdörffer, 1659.
211. Grosser Hunger, grosses Ungemach.
Bei Tunnicius (689): Grot hunger, grôt unselicheit. (Cui diuturna fames infelicissimus ille.)
212. Hunger ist der beste Koch, aber nicht der billigste. – Fliegende Blätter, 1857, 39b.
213. Hunger lehrt das Schamhütlein abnehmen.
Holl.: Wat baat schaamte en schande, als er honger is in den lande. (Harrebomée, II, 237a.)
214. Hunger lehrt essen, wenn man in drei Wochen kein Brot gesehen hat. – G. Freytag, Bilder, III, 60.
215. Hunger und Durst braten die beste Wurst.
216. Hunger und Durst sind die schärfsten Mahner. – Wirth, I, 217.
217. Hunger und Liebe dringen überall durch. – Wirth, I, 216.
218. Hunger und Noth fürchten nicht den Tod.
Böhm.: Hlad a nouze šibenice se nebojí. (Rybička, 1041.)
219. Wer Hunger hat, dem schmeckt's an einem viereckigen Tische so gut wie an einem runden.
220. Wer Hunger hat, fragt erst nach Brot und dann nach Butter.
221. Wer Hunger hat, träumt von Kuchen.
222. Wer Hungers stirbt, dem wird das Maul mit Erde gestopft.
Dän.: Hvo son døer af trusel, skal bøder med skarn. (Prov. dan., 115.)
223. Wer mir den Hunger stillt, ist meine Mutter.
[1457] *224. Er hat einen Hunger wie des Müllers Hühner. – Klement, 43.
*225. Håst an Hunga, beiss in d' Zunga; håst an Duarscht, beiss in d' Wuarscht. (Wien.)
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