Deutschland

Deutschland

[534] Deutschland oder das gegen 11,600 ! M. mit mehr als 35 Mill. Einw. umfassende Gesammtgebiet der gegenwärtig zum deutschen Bunde vereinigten 34 unabhängigen Staaten und 4 freien Städte, liegt in der Mitte von Europa und ist hinsichtlich der Erzeugnisse seines Bodens und der Geschichte und des Charakters seiner Bewohner das ausgezeichnetste Land dieses Erdtheils. Seine nördl. Grenzen sind die Ostsee oder das baltische Meer auf einer Küstenstrecke von mehr als 80 M., Dänemark und die Nordsee oder das deutsche Meer in einer Ausdehnung von etwa 36 M.; gegen W. wird es von den Niederlanden, von Belgien und Frankreich, im S. von der Schweiz, vom lombard.-venetian. Königreiche, 40 M. weit vom adriatischen Meere, von Dalmatien, gegen O. von Kroatien, Ungarn, Krakau, Galizien, Polen und den kön. preuß. Provinzen Posen und Preußen umschlossen. Die Ausdehnung der ganzen Grenzlinie beträgt gegen 600 M. und der nördlichste Punkt derselben ist das Vorgebirge Arkona (s.d.) auf der Insel Rügen; der südlichste liegt bei Pola am adriat. Meere. Seinen natürlichen Bodenverhältnissen nach wird D. gewöhnlich in Ober- oder Süddeutschland, in Mitteldeutschland und Nord- oder Niederdeutschland abgetheilt. Der S. ist der am höchsten gelegene, am meisten gebirgige und waldige Theil des Landes, daher auch, mit Ausnahme der Donau, alle Hauptströme D.'s nach N. fließen. Von der schweizer Grenze östl. durchziehen ihn die verschiedenen Fortsetzungen und Verzweigungen der Alpen (s.d.); der über 12,000 F. hohe Orteles in Tirol, der 12,000 F. hohe Großglockner in Salzburg sind die höchsten Gipfel D.'s, und die Donau kann als allgemeine nördl. Grenze dieser Gebirgsregion gelten. Wo der Rhein, die Schweiz verlassend, sich nördl. wendet, dehnt sich in gleicher Richtung bis zum Neckar der nadelholzreiche Schwarzwald aus, von dem ein nördöstl. ausgehender Zweig die rauhe oder schwäb. Alp heißt. Jenseit des Neckar bis zum Main folgt der Odenwald mit seinen herrlichen Laubhölzern, dem gegenüber auf dem linken Rheinufer das nördl. Ende der Vogesen mit dem romantischen Hardtgebirge in Rheinbaiern sich verbreitet. Nördl. vom Odenwalde folgt das angenehme Waldgebirge Taunus oder die Höhe, und zwischen Rhein, Lahn und Sieg der Westerwald; gegenüber am linken Rheinufer breitet sich über alles Land zwischen der Mosel und Nahe der Hundsrück aus, der nordöstlichste Ausläufer der Vogesen, dessen höchster Punkt der Walderbsenkopf (2526 F.) ist, am linken Moselufer aber liegt, mit Basaltkegeln und alter Lava bedeckt und ein Boden ehemaliger vulkanischer Thätigkeit, die westl. mit den Ardennen zusammenhängende öde und rauhe hohe Eifel, welche nordwestl. zwischen Roer und Ourthe in die gegen 4 M. lange und breite, zwischen 1500–2000 F. sich erhebende, mit Torfmooren, Riedgras und Morästen bedeckte Hochfläche, die hohe Veen genannt, ausläuft. Im Mittelpunkte D.'s an den Grenzen von Baiern, Böhmen und Sachsen erhebt sich das Fichtelgebirge, dessen höchster Gipfel der Schneeberg (3400 F.) ist, verzweigt sich nordwestl. mit dem Thüringerwaldgebirge, an das sich im Südw. die Rhön anschließt, von der wieder südl. der Spessart sich zum Odenwalde hinzieht und nordwestl. das an Spuren vulkanischen Ursprungs reiche Vogelsgebirge durch Oberhessen zum Westerwalde hin sich ausdehnt. Vom Thüringerwalde nordwestl. und am linken Weserufer liegt das vielfach benannte Wesergebirge, welches sich zwischen Rhein und Weser in viele Verzweigungen ausbreitet und auch im Allgemeinen die Sauerländischen Gebirge heißt. Südöstl. vom Fichtelgebirge streicht der finstere Böhmerwald 24 M. lang unter verschiedenen Namen auf der Grenze zwischen Baiern und Böhmen hinunter bis Linz an der Donau und verzweigt sich hier östl. mit dem mähr. Gebirge, welches auf der Grenze zwischen Mähren und Böhmen nordöstl. zu den Sudeten hinzieht. Diese dehnen sich in einer Länge von 50 M. zwischen Mähren, Preußen, Böhmen und Sachsen bis zum rechten Elbufer aus und ihr höchster Theil ist das 11 M. lange Riesen- und Isergebirge, wo sich die Schneekoppe 5000 F. erhebt; am linken Elbufer bildet ein 20 M. langer und 6–7 M. breiter Gebirgszug, seines Metallreichthums wegen das sächs. Erzgebirge genannt, die Verbindung mit dem Fichtelgebirge. Nördl. vom Thüringerwalde und durch ein ansehnliches Thal davon geschieden, erhebt sich das nördlichste deutsche Gebirge, der Harz, mit dem 3500 F. hohen Brocken (s.d.) und endigt nordl. im Deister- und Süntelgebirge, westl. im Sollinger- und Teutoburgerwalde und dem durch das Fürstenthum Waldeck ziehenden Eggegebirge. Nördl. und nordöstl. von diesen Gebirgen breitet sich das über 2900 ! M. umfassende [534] norddeutsche Flachland mit starkem Abhange nach der Ostsee, mit noch stärkerm aber nach der Nordsee aus, deren Küstenländer weite Sümpfe und Torfmoore enthalten und zum Theil durch 10–20 F. hohe Dämme gegen den Andrang der Fluten geschirmt werden müssen; den Ostseeländern sind dagegen zahlreiche Landseen eigen.

D. gehört zu den von Natur am reichlichsten bewässerten Ländern, zählt über 500 Flüsse, unter denen 60 schiffbar und der Rhein, die Weser, Elbe, Oder und Donau (s.d.) die Hauptströme sind, und hat gegen 600 Seen, welche sich vorzugsweise in den südl. und nördl. Gegenden befinden. Zu den ausgezeichnetsten im S. gehören: der Boden see (s.d.), das bairische Meer oder der Chiemsee, der Königs- oder Bartholomäisee, der Wurm-, Ammer-, Kochelsee und andere in Baiern; der Czirknitzersee (s.d.), der Traun-, Alter-, Wörth- und Hallstädtersee im Östreichischen. Viele derselben sind von bedeutender Tiefe und gleich den Schweizerseen, krystallhell und smaragdgrün und von herrlichen Berg- und Felsenufern umgeben; die Seen des nördl. D.'s dagegen sind mehr stehende, dunkle Gewässer, denen die Flachheit des Landes nur geringen Abfluß gestattet, die aber dennoch die Einförmigkeit des ebenen Landes oft sehr angenehm unterbrechen. Zu den bemerkenswerthesten gehören: der Plöner- und der Ratzeburgersee in Holstein und Lauenburg; der Müritz-, Schweriner-, Malchinersee in Mecklenburg; der Madue-, Enzig-, Papenzinersee in Pommern; die Templiner- und Uckerseen, der Ruppiner-, Mügel-, Prenzlower- und Dolgensee in Brandenburg; westl. von der Elbe sind nur das steinhuder Meer in Lippe-Schaumburg; der Dümmersee in Hanover, der Laachersee in Rheinland zu bemerken. Die den nördl. Küsten zufließenden Flüsse erweitern sich ihres trägen Laufes wegen außerordentlich an den Mündungen und bilden zum Theil große Busen und Seen, wie den Dollart an der Mündung der Ems und das große Haff am Ausflusse der Oder. Von den wenigen Kanälen sind die wichtigsten: der Eiderkanal und der die Steckenitz mit der Trave bei Lübeck verbindende Kanal in Holstein; der plauensche, Finow-, Friedrich-Wilhelms- oder Müllroserkanal im Preußischen; der die Isar und Ammer verbindende Kanal in Baiern; die in die Ems gezogenen papenburger Kanäle im Hanöverschen.

Von den oben geschilderten Verhältnissen werden natürlich Klima und Anbau vielfach bedingt. Das erstere ist zwar im Durchschnitt gemäßigt zu nennen und wird in den nach S. offenen Thälern von Tirol und am adriat. Meere, wo der gelinde Winter nur zwei Monate dauert, so mild, daß Südfrüchte im Freien gedeihen; allein schon in den nahen Alpenländern ist es theilweise sehr rauh und viele Gipfel deckt hier ewiger Schnee. Mitteldeutschland erfreut sich dagegen wieder eines angenehmen, gemäßigten Himmelstrichs, an den Gestaden der Ostsee aber herrscht der Winter gegen sechs Monate und es gedeiht nur wenig Obst. Überhaupt ist das Klima im ganzen nördl. Flachlande verhältnißmäßig rauh und feucht, indem es den Seewinden von N. und W. und den kalten Ostwinden offen liegt; darum sind aber diese Gegenden keineswegs ungesund zu nennen. Der S. ist reicher bewaldet als der N. und der W., hat mehr Laub-, der O. mehr Nadelholz, die gesegnetsten Gegenden unsers Vaterlandes liegen aber in der Mitte derselben. Ein Theil von Baiern, Hessen, Schwaben, die Main-, Rhein-, Neckar-, Wetter- und Lahngegenden, Thüringen, Sachsen, auch zum Theil Mähren und Böhmen bilden den eigentlichen Garten; allein auch das nördl. Flachland, wo dürrer Sandboden vorherrschend ist, hat deutscher Fleiß ergiebig zu machen gewußt, und da, wo es sich, wie in den Stromthälern und an den Ufern der Nordsee, in fetten Marschboden verwandelt, trägt es üppige Getreidefluren, fette Wiesen und Viehtriften, wie z.B. in den Oder-, Warthe- und Netzbrüchen, im Havellande, Spreewalde, an der Weser im Herzogthume Oldenburg u.s.w.

Von den zahlreichen Landesproducten D.'s gehören zu den vorzüglichsten: Gold, von dem gegen 180 Mark jährlich im Salzburgischen, am Harz und im Sande einiger Flüsse gefunden werden; Silber (123,000 Mark) besonders im Erzgebirge und auf dem Harz; Kobalt (s. Blaufarbenwerke); Blei in Menge; Kupfer; Zinn (8000 Ctr.) und Quecksilber (6000 Ctr.) in Idria und Rheinbaiern; Zink; Eisen; Arsenik; Wasserblei; Graphit (s. Bleistifte); Marmor; Vitriol; Porzellanerde; Schwefel; Braun- und viele Steinkohlen und Torf; Stein- und Quellsalz; mehr als 1000 Mineralquellen; auch finden sich in Salzburg, Böhmen, Sachsen und Schlesien einige Edelsteine, namentlich Topasen, Granaten, Karneol, Amethyste, Smaragde u.s.w. Der Feld- und Gartenbau erzeugt zum Theil reichlich alle in Europa gewöhnliche Getreidearten und Feld- und Gartenfrüchte, das feinere Obst ist jedoch im S. vorzüglich häufig, der Weinbau besonders auf die westl. und südl. Gegenden beschränkt; auch werden Flachs, Taback, Krapp, Hopfen, Cichorien, Waid und viele Arzneipflanzen gebaut. Vortreffliche Pferde werden in Holstein und Mecklenburg gezogen; die Rindviehzucht ist höchst bedeutend und die milchreichen, stämmigen Kühe der Marschgegenden an der Nordsee, namentlich in Ostfriesland, sowie das voigtländische Rindvieh werden nur dem schönern Schweizerschlage nachgesetzt. Am meisten fortgeschritten ist in neuester Zeit die Schafzucht durch die Veredlung des Viehes mittels span. Böcke, sodaß Spanien selbst seine Herden durch sächs. und schles. Zuchtvieh zu verbessern sucht. Die Schweinezucht ist in Baiern und Westfalen vorzüglich bedeutend, die Bienenzucht wird aber nur in wenig Gegenden, z.B. in der lüneburger Haide, in einiger Ausdehnung betrieben. Von dem allgemein verbreiteten Federvieh sind die Gänse für die Ostseeländer besonders wichtig, deren Spulen, Daunen und geräucherte Brüste einträgliche Handelsartikel sind. Seidenbau wird im S., neuerdings auch im Preußischen mit neuem Eifer betrieben. Fische (Störe, Haufen, Hechte, Lachse, Karpfen, Aale, Forellen u.s.w.) sind im nördl. und südl. D. vorzüglich häufig und die Fischerei ein wichtiger Erwerbszweig; Schildkröten gibt es in einigen Seen in Brandenburg und im S.; Wildpret ist in mehren Gegenden noch reichlich vorhanden, und wildes Geflügel, darunter Fasanen, Schnee-, Auer- und Birkhühner namentlich in Böhmen und Östreich häufig. Adler, Geier, Falken und andere Raubvögel nisten auf den Gebirgen und in den größern Waldungen, größere Raubsäugethiere aber sind selten. Nur dann und wann verirrt sich ein Bär in die südl. Gebirgswaldungen, selten wird ein Luchs, Wölfe aber werden westl. vom Rhein und östl. von der Oder schon häufiger gespürt; außerdem gibt es Gemsen, Murmelthiere, einzelne Steinböcke auf den Alpen, Füchse, Marder, wenige wilde Katzen, Fischottern und selten Biber. [535] Von den Bewohnern D.'s sind gegen 28 Mill. deutscher und 5,300,000 slawischer Abkunft; letztere sind Sorben und Wenden in Sachsen, Schlesien, Brandenburg und Steiermark, Czechen in Böhmen, Kassuben in Pommern, Slowaken in Mähren, Kroaten im südl. Östreich, und reden zum Theil noch Mundarten einer Sprache, die mit der der Polen und Russen und anderer slaw. Stämme sehr verwandt ist. Außerdem leben noch in D. über 300,000 Juden; im südl. Tirol und Königreich Illyrien über 200,000 Italiener; 300,000 Franzosen und Wallonen am linken Rheinufer; 5000 Griechen und Armenier und eine kleine Anzahl noch umherziehender Zigeuner. In Bezug auf Religion ist im S. die katholische vorwaltend, zu der sich 19 Mill., sowie 15 Mill. zu der im N. vorherrschenden evangelischen oder protestantischen Kirche bekennen, wozu noch etwa 10,000 Herrnhuter (s. Brüdergemeine), 5000 Mennoniten und Wiedertäufer kommen, auch gibt es im Östreichischen einige Tausend griech. Christen. In der äußern Erscheinung sind höherer Wuchs, hellfarbiges, besonders blondes Haar, blaue und hellgraue Augen bei der Bevölkerung Norddeutschlands vorherrschend, während der des S. kürzere, meist untersetzte Statur, dunkelfarbiges Haar, graue und braune Augen eigen sind. Zu den rühmlichsten Grundzügen des deutschen Charakters gehören Redlichkeit und Treue, hohes Rechtsgefühl, unverdrossene Betriebsamkeit, Besonnenheit, die aber oft in übergroße Bedächtigkeit und in nachtheiliges Festhalten am Herkommen ausartet. Der Deutsche ist ferner weit empfänglicher für das häusliche als für das öffentliche Leben; anspruchslos und bescheiden hinsichtlich eigner Verdienste, überschätzt er häufig das Fremde und wahrer Nationalstolz geht ihm leider ab. Als hauptsächliche Erwerbsquellen sind anzuführen: die Landwirthschaft, in welcher D. im Allgemeinen nur von England übertroffen wird, dagegen aber in der Forstwirthschaft und im Bergbau, der auf dem Harz seit dem 10., im sächs. Erzgebirge seit Mitte des 12. Jahrh. besteht, die Lehrerin aller Nationen ist.

Das deutsche Gewerb- und Fabrikwesen braucht kaum den Vergleich mit England und Frankreich zu scheuen und hat sich von jeher in der Verarbeitung mancher Landesproducte ausgezeichnet. Die schles. und sächs. Leinen- und Damastwebereien thun es noch immer allen zuvor; deutsche Spiel- und Holzwaaren werden nach allen Erdtheilen ausgeführt; an innerm Gehalt ist das sächs. Porzellan, hinsichtlich der Malerei das berliner unübertroffen. Viele wollene Waaren werden von ausgezeichneter Güte hergestellt, und nur in der Tuchfabrikation leisten Engländer und Franzosen Vorzüglicheres. Eisen- und Stahlwaaren liefern Westfalen, Rheinland, Böhmen und Steiermark von großer Güte; Berlin zeichnet sich durch seine seinen gußeisernen Artikel aus; böhm. Glaswaaren sind von jeher berühmt. Außerdem nehmen Spiegel-, Fayence-, Leder-, Taback-, Papier-, Tapetenfabriken, die Verfertigung von Strohhüten, künstlichen Blumen, musikalischen Instrumenten und vielen andern zum Theil sehr wichtigen Handelsgegenständen die vaterländische Gewerbsthätigkeit vielfach in Anspruch, und die Verarbeitung ausländischer Producte wie der Seide und Baumwolle wird in immer zunehmendem Umfange und wachsender Vollkommenheit, namentlich in Preußen und Sachsen, betrieben, sodaß manche deutsche Artikel auf außereurop. Märkten sogar die engl. verdrängt haben. Diese vielseitige Gewerbsthätigkeit muß nothwendig einen lebhaften Verkehr nach außen und im Innern hervorbringen, welcher letztere durch die neuerdings stattgefundene Vereinigung der größern Hälfte D.'s zu einem Zollverbande wesentlich erleichtert worden ist, einer gleichen Vereinigung über Münzen, Maß und Gewichte aber noch entgegensieht, indem selbst das einzige allgemein anerkannte deutsche Längenmaß, die deutsche Meile, im gemeinen Leben nirgend Anwendung findet. Die wichtigsten Ausfuhrartikel sind: Getreide, Holz, Leinwand, Wein, Eisen-, Stahl- und nürnberger Waaren, Porzellan, Glas, Spiegel, Smalte, Blei, Wachs, Leder, Woll- und Baumwollenwaaren, Spitzen, Wolle, Salz, Obst, Vieh, namentlich Zugpferde, geräuchertes und gesalzenes Fleisch u.s.w. Eingeführt werden: Taback, Weine, Liqueur, Südfrüchte, Specereien, Zucker, Kaffee, Thee, Seide, Baumwolle, seine wollene, baumwollene und seidene Zeuche, baumwollene Garne, Mode- und Galanteriewaaren, russ. Leinsaat, Häute, gesalzene und getrocknete Fische u.s.w. Die wichtigsten Seehandelsplätze sind: Hamburg, Altona, Bremen und Emden an der Nordsee; Lübeck, Wismar, Stralsund, Rostock, Stettin am baltischen und Triest am adriatischen Meere; die wichtigsten Handelsplätze im Binnenlande: Braunschweig, Breslau, Frankfurt an der Oder, Magdeburg, Köln, Leipzig im nördl. D.; Augsburg, Botzen, Frankfurt am Main, Mainz, Nürnberg, Prag und Wien im südl. D. Wichtige Messen werden in Leipzig, Frankfurt am Main und Frankfurt an der Oder, Braunschweig, Naumburg und Botzen gehalten; auch besitzt D. viele Banken, Versicherungsgesellschaften und andere den Verkehr befördernde Anstalten.

In Bezug auf allgemeine Bildung und auf Wissenschaft und Kunst im engern Sinne steht D. keinem andern Lande nach. Die erstere befördert namentlich der den untern Volksclassen nirgends in solcher Ausdehnung zu Theil werdende Schulunterricht und der jedes andere Land übertreffende Vorrath von Bildungsmitteln aller Art, die andere pflegen vorzugsweise 23 Universitäten in Berlin, Bonn, Breslau, Erlangen, Freiburg, Gießen, Göttingen, Grätz, Greifswald, Halle, Heidelberg, Jena, Innsbruck, Kiel, Leipzig, Marburg, München, Münster, Prag, Rostock, Tübingen, Würzburg und Wien, von denen 7 katholisch, 3 gemischt und 13 evangelisch sind; sowie viele Gymnasien, gelehrte Schulen, Akademien, gelehrte Gesellschaften und Künstlervereine. Öffentliche Bibliotheken haben 150 Orte; mehr als 40 derselben zählen 25,000 Bände und darüber und zu den ausgezeichnetsten gehören die Centralhofbibliothek in München, die kais. zu Wien, die kön. Bibliotheken zu Berlin und Dresden, die Bibliotheken zu Göttingen, Hamburg, Wolfenbüttel u.s.w. Die Gemäldesammlungen in Dresden, Wien, München, Berlin und Kassel zählt man zu den berühmtesten; ausgezeichnet sind die Antiken- und andern Kunstsammlungen zu Dresden, Wien, München und Berlin; die Naturaliencabinete in Wien, Berlin, Göttingen, München, Hamburg und Neuwied; die berg- und forstwissenschaftlichen Lehranstalten zu Freiberg, Tharandt, Mariabrunn, Dreißigacker und andere werden von Zöglingen aus allen Erdtheilen besucht. Die Zahl der deutschen Schriftsteller wird auf 10,000 angeschlagen; Bücher erscheinen gegenwärtig zwischen 4–5000jährlich, desgleichen an 600 Zeitschriften und den Vertrieb der literarischen Erzeugnisse besorgen gegen 1000 Buchhandlungen; stehende Theater befinden sich in mehr als 50 Städten. [536] Die jetzige Verfassung D.'s beruht auf der zu Wien während des Congresses der europ. Fürsten am 8. Jun. 1815 abgeschlossenen deutschen Bundesacte und auf der Schlußacte der wiener Ministerialconferenzen vom 15. Mai 1820, welche beide als Grundgesetze für den dadurch gebildeten deutschen Staatenbund gelten, sodaß keine Bestimmung der Verfassung eines deutschen Landes mit den dort ausgesprochenen Grundsätzen in Widerspruch stehen darf. Den deutschen Bund bilden gegenwärtig, wie ursprünglich, 34 unabhängige Staaten und vier freie Städte, indem die 1817 durch nachträgliche Aufnahme von Hessen-Homburg eingetretene Vermehrung der Mitglieder durch das Erlöschen des herzogl. Hauses Sachsen-Gotha im J. 1825 wieder ausgeglichen wurde. Diese Mitglieder sind: 1) Östreich wegen des Erzherzogthums Östreich, wegen Steiermark, Tirol mit den vorarlbergischen Herrschaften, Böhmen, Mähren, seinem Antheile von Schlesien und Kärnten, Krain, Triest und Friaul; 2) Preußen mit seinen deutschen Provinzen Brandenburg, Pommern, Schlesien, Sachsen, Westfalen und Rheinland; 3) Baiern; 4) Sachsen; 5) Hanover; 6) Würtemberg; 7) Baden; 8) Kurhessen; 9) Großherzogthum Hessen-Darmstadt; 10) Dänemark wegen Holstein und Lauenburg; 11) die Niederlande wegen Luxemburg; 12) Sachsen-Weimar; 13) Sachsen-Meiningen; 14).Sachsen-Altenburg; 15) Sachsen-Koburg-Gotha; 16) Braunschweig; 17) Mecklenburg-Schwerin; 18) Mecklenburg-Strelitz; 19) Oldenburg; 20) Nassau; 21) Anhalt-Dessau; 22) Anhalt-Bernburg; 23) Anhalt-Köthen; 24) Schwarzburg-Sondershausen; 25) Schwarzburg-Rudolstadt; 26) Hohenzollern-Hechingen; 27) Hohenzollern-Sigmaringen; 28) Liechtenstein; 29) Reuß ältere und 30) Reuß jüngere Linie; 31) Lippe-Detmold; 32) Schaumburg-Lippe; 33) Waldeck; 34) Hessen-Homburg; die freien Städte 35) Lübeck; 36) Frankfurt am Main; 37) Bremen; 38) Hamburg. Da der deutsche Bund kein Bundesstaat, sondern ein Staatenbund ist, so haben alle Bundesglieder als solche gleiche vertragsmäßige Rechte und Pflichten. Die gemeinsamen Angelegenheiten dieses unauflöslichen Staatenbundes, dessen Zweck die Bewahrung der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten und die Erhaltung der innern und äußern Sicherheit Deutschlands ist, werden durch eine beständige Bundesversammlung besorgt, welche ihren Sitz in Frankfurt am Main hat, wo am 5. Nov. 1816 ihre Sitzung oder der Bundestag eröffnet worden ist. Die Bundesversammlung, bei der Östreich den Vorsitz hat, ist aus den Bevollmächtigten sämmtlicher Mitglieder des Bundes gebildet und hält ihre förmlichen Sitzungen in doppelter Form, nämlich als engerer Rath und als allgemeine Versammlung, voller Rath oder Plenum, in denen alle Mitglieder theils mehre, theils einzelne und Gesammtstimmen führen. Im engern Rathe werden in der Regel die zur Besorgung der Bundesangelegenheiten nöthigen Beschlüsse, insofern sie nur Anwendung bereits feststehender Gesetze und Grundsätze und keine durch die Bundesacte und spätere Beschlüsse davon ausgenommene Gegenstände betreffen, durch unbedingte Mehrheit der Stimmen gefaßt, deren sämmtliche 38 Bundesmitglieder hier 17 abzugeben haben; nämlich die 11 Staaten Östreich, Preußen, Baiern, Sachsen, Hanover, Würtemberg, Baden, Kurhessen, Großherzogthum Hessen mit Hessen- Homburg, Holstein, Luxemburg jedes eine Einzelstimme, die 12. aber wird von den großherzoglich und herzoglich sächs. Häusern, die 13. von Braunschweig und Nassau, die 14. von Mecklenburg-Schwerin und Strelitz, die 15. von Oldenburg, den drei anhalt. und zwei schwarzburg. Häusern, die 16. von Hohenzollern-Hechingen und Sigmaringen, Liechtenstein, Reuß, Lippe und Waldeck, die 17. von den vier freien Städten gemeinschaftlich geführt. Der engere Rath hat in zweifelhaften Fällen auch darüber zu entscheiden, ob sich Gegenstände zur Beschlußnahme im Plenum eignen, auch bereitet er die der Entscheidung desselben zu unterziehenden Gegenstände so weit vor, daß nur die Abstimmung darüber übrigbleibt, da im Plenum keine Erörterungen und Berathungen stattfinden. Das Plenum versammelt sich nur, wenn Beschlüsse über Annahme neuer Grundgesetze des Bundes oder Abänderung der geltenden, über organische Einrichtungen oder bleibende Anstalten als Mittel zur Erfüllung der ausgesprochenen Bundeszwecke, über Aufnahme neuer Mitglieder, über eine Kriegserklärung oder Friedensschlußbestätigung und andere in der Bundesacte angeführte Gegenstände gefaßt werden sollen, worüber hier 70 Stimmen entscheiden, indem mit Rücksicht auf die verschiedene Größe der Bundesstaaten Östreich, Preußen, Sachsen, Baiern, Hanover und Würtemberg jedes vier; Baden, Kurhessen, Großherzogthum Hessen, Holstein und Luxemburg jedes drei; Braunschweig, Mecklenburg-Schwerin und Nassau jedes zwei; die 24 übrigen Bundesglieder jedes eine; die drei herzogl. sächs. Häuser aber noch eine Gesammtstimme für die 1825 erloschene Linie Sachsen-Gotha abzugeben haben. Ein gültiger Beschluß im Plenum kann nur von wenigstens zwei Drittheilen der Stimmen und in manchen Fällen, z.B. über Annahme neuer oder Abänderung bestehender Grundgesetze, über organische Einrichtungen, Aufnahme neuer Mitglieder und Religionsangelegenheiten, blos durch Stimmeneinhelligkeit gefaßt werden. Außer den förmlichen Sitzungen hält die Bundesversammlung auch vertrauliche, in welchen vorläufige Besprechungen stattfinden; Protokolle werden nur in der erstern aufgenommen und bis ins Jahr 1824 sind die meisten derselben veröffentlicht worden, was seitdem nur mit wenigen geschah.

Da der Bundesversammlung auch die Vermittelung etwaiger Streitigkeiten zwischen einzelnen Bundesstaaten obliegt, so hat sie, wenn eine Beilegung derselben durch einen dazu bestellten Ausschuß nicht zu Stande kommt, eine richterliche Entscheidung derselben durch ein Austrägalgericht (s.d.) zu bewirken. Es können bei ihr ferner Beschwerden wegen erlittener Rechtsverweigerung angebracht werden, sowie wegen solcher Foderungen von Privatpersonen, deren Erfüllung zwischen mehren Bundesgliedern zweifelhaft oder bestritten ist. Unter die für die Verfassung des deutschen Bundes wesentlichen Bestimmungen der Bundesacte gehören ferner die im 13. Artikel angeordneten landständischen Verfassungen für alle Bundesstaaten, die auch jetzt fast in allen Bundesstaaten bestehen. Die Fürsten dürfen aber durch dieselben in der Erfüllung ihrer Pflichten gegen den Bund nicht behindert, namentlich dürfen ihnen zufolge der nähern Bestimmung der Bundesbeschlüsse vom 28. Jun. 1832 die Stände nicht die Mittel zu Führung einer den Bundeszwecken [537] und der Verfassung des Landes gemäßen Regierung verweigern, oder deren Bewilligung von der Gewährung anderweitiger Wünsche abhängig machen. Da die Gesetzgebung der einzelnen Bundesstaaten den Bundesgesetzen nicht entgegen sein darf und um dem vorzubeugen und den Gang der landständischen Verhandlungen im Allgemeinen zu beobachten, ordneten dieselben Beschlüsse die Einsetzung einer Commission von Bundestagsgesandten an, welche über etwaige bundeswidrige Fälle Anträge an die Bundesversammlung zu machen hat. Dagegen wurde durch Bundesbeschluß vom 11. Nov. 1834 die Bildung eines Schiedsgerichts zur Beseitigung der zwischen Regierungen und Ständen oder in den freien Städten zwischen Senat und bürgerlichen Behörden etwa entstehenden, auf gewöhnlichem Wege nicht zu erledigenden Irrungen verordnet, zu dem jede der 17 Stimmen des engern Rathes von drei zu drei Jahren zwei geeignete Männer zu ernennen hat. Aus diesen 34 Schiedsmännern werden in vorkommenden Fällen zwei bis acht, die Hälfte von der Regierung, die Hälfte von den Ständen gewählt, die dann unter Vorsitz eines von ihnen aus den übrigen Schiedsmännern gewählten Obmannes den streitigen Fall durch Stimmenmehrheit zu entscheiden haben, welche Entscheidung nöthigenfalls von der Bundesversammlung in Kraft gesetzt wird. Schon in der Bundesacte wurde ausgesprochen, daß die Verschiedenheit der christlichen Religionsparteien in den Bundeslanden keinen Unterschied im Genuß bürgerlicher und politischer Rechte begründe, und den Unterthanen die Auswanderungsfreiheit, der Besitz von Grundeigenthum in jedem deutschen Staate, Befreiung von Abzugsgeldern und die Befugniß zugesichert, in Civil- und Militairdienste jedes Bundesstaates zu treten, wenn keine Verbindlichkeit zum Militairdienst gegen das bisherige Heimatland entgegensteht. Die militairischen Angelegenheiten ordnet am Sitze der Bundesversammlung eine Militaircommission, das Bundesheer selbst aber zählt ohne die Reserve fast 300,000 Mann und 600 Geschütze; es besteht aus 10 Armeecorps und wird von den Contingenten der Bundesstaaten gebildet, zu denen ein Mann vom Hundert der Einwohnerzahl gestellt werden und deren Ausrüstung so weit vollendet sein muß, daß jedes Corps binnen vier Wochen ins Feld rücken kann. Ostreich stellt die drei ersten Corps, 94,822 M., Preußen die drei nächsten, 79,234 M., das siebente Corps wird von Baiern mit 35,000 M., das achte von Sachsen, Kurhessen und Nassau mit 25,000 M., das neunte von Würtemberg, Baden und Hessen-Darmstadt mit 37,346 M., das zehnte von Hanover, Holstein, den beiden Mecklenburg, Oldenburg, Braunschweig, Bremen, Hamburg und Lübeck mit 34,741 M. gestellt. Dazu kommt als elftes eine Reservedivision von 11,366 M. Infanterie, welche aus den Contingenten der herzogl. sächs., der anhalt. und schwarzburg. Häuser, der beiden Hohenzollern, von Liechtenstein, Waldeck, der beiden Reuß und beiden Lippe, von Hessen-Homburg und Frankfurt bestehen, und ein von Luxemburg gestelltes Reservecorps von 2556 M. zur Besetzung der Bundesfestung Luxemburg, welche nebst den beiden andern Bundesfesten Mainz und Landau freilich blos die westl. Grenze D.'s schützen hilft. Die jährlichen Geldbeiträge der Bundesstaaten zur Unterhaltung der Bundeskanzlei in Frankfurt, welche durchschnittlich über 22,000 Gulden erfodert, werden ebenfalls nach Maßgabe der Einwohnerzahl geleistet.

Von den frühesten Zuständen D.'s und seiner in der Schreibekunst mindestens noch höchst unerfahrenen Bewohner enthalten griech., vornehmlich aber röm. Schriftsteller einzelne Nachrichten, von den letztern widmete jedoch in der zweiten Hälfte des 1. Jahrh. n. Chr. der Geschichtschreiber C. Cornelius Tacitus demselben ein eignes, glücklicherweise erhaltenes Werk. D. heißt darin Germanien und seine Bewohner werden Germanen genannt, was man mit Wehrmänner für gleichbedeutend hält, der Gesammtname Deutsche wird aber von dem Gott Tuisko oder Teut abgeleitet, und wenn er vielleicht auch in den ältesten Zeiten schon Gemeingut der zahlreichen deutschen Völkerschaften war, gerieth er wenigstens mehre Jahrhunderte über die Einzelnamen derselben in Vergessenheit und kam erst bei der Vereinigung derselben zu einem Volke im 9. Jahrh. wieder allgemein in Gebrauch. Zum erstenmal traten die Deutschen in den Stämmen der Teutonen und Cimbern (s.d.) 114 v. Chr. kämpfend gegen die Römer auf und der Schrecken, welcher damals vor ihnen herging, mochte durch spätere Erfahrungen nicht sehr vermindert worden sein, denn noch in I. Cäsar's (s.d.) Legionen machte man Testamente, wenn eine Schlacht mit den Deutschen bevorstand. Wol mochte der seines schönen Italiens gewohnte Römer nicht ohne Grauen an ein Land denken, das er von Jugend auf das große, das barbarische Germanien hatte nennen hören, das nach der gangbaren Schilderung 9 Tagereisen breit war und das 60 Tagereisen lange Sümpfe und Wälder bedeckten, in dessen geheimnißvollem Dunkel ihm an Körperkraft und Größe weit überlegene Menschen, ausgezeichnet durch blondes Haar und blaue Augen, und ihm zum Theil ungewohnte wilde Thiere, Auerochsen, Bäre, Wölfe, Rennthiere, Elenthiere und andere hausten, die jetzt nur in den dichtesten östl. Waldungen und in den nordischen Ländern unsers Erdtheils zu finden sind. Die Grenzen dieses Germaniens waren für die Römer im S. die Donau, westl. der Rhein, nördl. die Nord- und Ostsee, östl. ungefähr die Weichsel und das Karpatengebirge, auch wurden Dänemark, Norwegen und Schweden nicht davon geschieden, da die Bewohner aller dieser Länder, soweit sie den Römern bekannt geworden, in Gestalt, Sprache und Sitte gemeinsamen Ursprungs schienen. Während wir, durch sprachliche Verwandtschaft und uralte Sagen bewogen, in den ältesten Deutschen Einwanderer aus Asien sehen, hielten die Römer sie für Urbewohner des Landes, weil nach ihrer Meinung wol schwerlich Fremdlinge von einem so kalten, rauhen, von Morästen durchschnittenen Lande angezogen werden konnten, dessen Boden freiwillig blos kaum genießbares wildes Obst, Waldbeeren, Pastinakwurzeln, Rettige und einige andere Wurzeln hervorbrachte. Dessenungeachtet befanden sich aber die Deutschen, als sie den Römern bekannt wurden, keineswegs auf der niedrigsten Stufe der Cultur, obgleich diese je nach Lage und Beschaffenheit der Wohnsitze der fast 100 deutschen Völkerschaften höchst verschieden gewesen sein mag. Feste Wohnsitze hatten wol die meisten, waren es auch nur einzelne Höfe; die Anwohner der nördl. Meeresküste, der Seen und großen Flüsse wendeten sich natürlich zu Fischerei und Schiffahrt und von den erstern tauschten schon die Phönizier Bernstein und vielleicht Pelzwerk ein. Andere lebten vorzugsweise von der Jagd, noch andere von der Viehzucht, denn die Deutschen besaßen Pferde, Rinder [538] und Schafe, obgleich unansehnlich von Gestalt, sowie Schweine und Gänse, auch trieben sie nebenbei etwas Ackerbau, dessen Haupterzeugnisse Gerste und Hafer, wenig Roggen und Weizen und außerdem Hanf und Flachs waren, und kannten die Bereitung einer Art Bier und der Butter. Von Handwerken und Künsten übte Jeder, was er fürs Haus brauchte, namentlich verfertigte der Mann seine Waffen selbst und die Frauen webten die neben den Pelzen für den Winter zu ihrer und der Männer Bekleidung nöthige Leinwand. Mit Staunen rühmen die Römer die Einfachheit und Reinheit german. Sitten, die Keuschheit der Frauen, für deren Preisgebung es keine Sühne gab; die Heilighaltung der Ehe, die hohe Achtung, in der das weibliche Geschlecht bei den Germanen stand, die etwas Geheimnißvolles, Heiliges in der Natur der Frauen sahen, deren viele als Weissagerinnen weit und breit geehrt wurden. Außerdem waren sie ihren Männern wahre Gefährtinnen in Freud und Leid, folgten ihnen mit ihren Kindern sogar in den Krieg, ermuthigten sie durch ihre Gegenwart und ihren Zuruf, pflegten die Verwundeten nach dem Siege, und im Fall einer Niederlage tödteten sie oft sich und ihre Kinder, um nicht mit ihnen in Feindeshände zu fallen. Überhaupt war Liebe zur Freiheit und Unabhängigkeit ein Hauptzug im Charakter der Deutschen, der selbst von ihren Feinden als treu, bieder, arglos und wohlwollend gegen Freunde, gastfreundlich im höchsten Grade, muthvoll und tapfer gegen Feinde geschildert wird. Daneben war aber der Deutsche, wenn nicht Jagd und Krieg ihn anregten, auch ungemein träge, dem Trunke und Würfelspiele so leidenschaftlich ergeben, daß er mitunter sein höchstes Gut, die Freiheit, eingesetzt und wenn er sie verloren, sich willig der Knechtschaft hingegeben haben soll, die außerdem nur das Loos der Kriegsgefangenen war. Außer der Bewaffnung, ohne die kein Freier öffentlich erschien, waltete jedoch im Äußern kein Unterschied zwischen Herrn und Diener, aber der letztere gehörte nicht zur Gemeinde, in die auch der freie Jüngling erst dadurch aufgenommen wurde, daß er Spieß und Schild in öffentlicher Versammlung empfing. Diese war entweder eine Gauversammlung und bestand dann aus allen freien Männern eines Gaues, d.h. eines durch Flüsse, Berge oder Wälder begrenzten Landstrichs, dessen Bewohner im Kriege zunächst zusammenhielten und im Frieden unter dem Vorsitze eines durch Alter und Erfahrung ausgezeichneten Aufsehers das Gemeinbeste wahrnahmen und Streitigkeiten Einzelner schlichteten. Mehre Gauen, deren Bewohner einander besonders nahe verwandt in Sitte und Lebensweise waren, bildeten eine Völkerschaft, die zu Schutz und Trutz verbunden, in allgemeiner Volksversammlung über Krieg, Frieden und Bundesgenossenschaft mit andern und über Wahl der Anführer im Kriege entschied, wobei jedoch die Freiheit der einzelnen Gauen ungeschmälert blieb In den Volksversammlungen machte sich von selbst das Ansehen geltend, welches Alter, Kriegserfahrung, Klugheit und erworbene Verdienste um das Gemeinbeste verliehen und das die Dankbarkeit auch auf die solcher Männer nicht unwürdigen Söhne übertrug. Dadurch entstanden angesehenere, später adelige Geschlechter, aus denen die Fürsten oder Könige gewählt wurden, deren Würde meist, jedoch nur durch Wahl des Volkes, auf ihre Söhne überging. Geschriebene Gesetze gab es nicht und die wenigen allgemein gültigen betrafen meist richterliche, Kriegs, und Religionsgebräuche und gingen von den Priestern aus, die allein im Namen der Götter einem Freien körperliche Strafen auferlegen konnten. Das Leben ward nur durch Feigheit und Verrath verwirkt, außerdem konnte jede Beleidigung durch eine Strafe an Vieh und dergl. und selbst der Todtschlag noch durch eine Entschädigung an die Verwandten gesühnt werden.

Ungemein dürftig sind die Nachrichten, welche von der Religion der alten Deutschen sich erhalten haben, auch mag das Nähere ihres Götterdienstes bei den verschiedenen Stämmen sich sehr abweichend voneinander dargestellt haben. Im Allgemeinen erhellt jedoch, daß sie ihren Göttern die höchste Güte, Schönheit, Tapferkeit und Kraft und keineswegs menschliche Schwachheiten beilegten, auch nicht an bildliche Darstellung derselben dachten, also weit erhabenere Vorstellungen von ihnen hegten, als die Römer von den ihrigen. Auch verehrten sie dieselben nicht in Tempeln, sondern sie errichteten ihnen Altäre und Opferstätten in heiligen Hainen die nur die geweihten Priester betreten durften. Dort wurden die Fahnen und Feldzeichen aufbewahrt, den Göttern das Beste, in Kriegszeiten freilich auch Menschen geopfert, daneben sprach sich indessen doch auch die Idee eines höchsten Wesens, Wodan und Allvater, sowie der allgemeine Glaube an eine Fortdauer nach dem Tode aus. Freilich mußten aber bei einem solchen Volke kriegerisches Leben und der Heldentod am ersten dazu befähigen, eine seinen Begriffen angemessene Seligkeit in Walhalla, seinem Heldenhimmel, zu genießen, wo es nur Kämpfe, Jagd und frohe Mahle gab. Auch den Gestirnen und dem Feuer ward göttliche Verehrung erwiesen, und Weissagungen und Zeichendeuterei, z.B. des Fluges der Vögel, des Wieherns der Pferde, standen in großem Ansehen. Die Todten wurden verbrannt, Vornehmere mit besonderm Holze von heiligen Bäumen und den Kriegshelden wurden Roß und Waffen, den Frauen ihre Rocken mitgegeben. Asche und Überreste sammelte man in Aschenkrüge, umstellte diese mit Steinen und über ihnen wurden, je verdienstvoller die Verstorbenen gewesen, desto höher die Grabhügel errichtet, deren sich sehr viele bis auf die Gegenwart erhalten haben.

Das ganze deutsche Volk wurde in drei Hauptstämme, die Ingävonen, Istävonen und Hermionen getheilt, welchen Namen man die Bedeutungen Meeranwohner, Westlich- oder Niedrigwohnende und Hochwohnende unterlegt, und die der Sage nach von den drei Söhnen des Mann, einem Sohne Tuisko's, hergeleitet werden. Ingävonen hausten vorzüglich an der Nordsee und zu ihnen werden Friesen, Cimbern, Angeln, Sachsen und Chaucen gezählt; die Istävonen sind am Rhein entlang zu suchen und zu ihnen gehörten Sigambrer, Bructerer, die wegen ihrer Reiterei berühmten Tencterer, Marsen und andere; den Süden und die Mitte des Landes nahmen die Hermionen, wahrscheinlich der Hauptstamm und auch Semnonen und Teutonen genannt, ein, denen die Cherusker (s.d.), die Sueven, die Chatten im heutigen Hessen, südöstl. die Hermunduren und Markomannen, die Quaden im heutigen Mähren, die Gothinen und Burier etwa in Schlesien, die Longobarden an der Elbe beigezählt werden; an der Ostsee wohnten Variner, Rugier und Veneder, als die östlichsten Deutschen werden aber die Peuciner [539] und Bastarner genannt, deren Sitze bis zu den Donaumündungen gereicht haben mögen. Die kleinern Stämme hielten sich immer zu den mächtigern, verbündeten sich mit ihnen zu gemeinschaftlicher Vertheidigung, und die Römer hatten mit mehren solchen Völkerbünden zu kämpfen, als sie darauf ausgingen, die Grenzen Italiens und der gallischen Provinzen durch Unterwerfung der zunächst nördl. von den Alpen und östl. vom Rheine wohnenden Völker zu sichern. Als Anfang der darum fast vier Jahrh. lang geführten Kriege ist der Kampf zu betrachten, welchen der im südl. Gallien befehligende I. Cäsar (s.d.) mit den unter Anführung des Ariovist den Sequanern wider die Äduer über den Rhein zu Hülfe gezogenen Deutschen bestand, die aus den Bundesgenossen die Gebieter der Sequaner und benachbarten keltischen Völkerschaften werden wollten. Diese foderten nämlich den I. Cäsar auf, sie von den Deutschen zu befreien, der auch unweit der heutigen Stadt Besançon den Ariovist besiegte (58 v. Chr.) und dann über den Rhein zurücktrieb. Als er hierauf ganz Gallien eroberte, gerieth er dadurch wiederholt in Krieg mit den Deutschen am Rheine, den er auch zweimal überschritt, um jene von ihren oft wiederholten Unternehmungen auf Gallien abzuschrecken, jedoch immer nur kurze Zeit am rechten Rheinufer verweilte. Auf dem letzten Zuge unterstützten ihn sogar die Ubier, eine am linken Rheingestade hausende deutsche Völkerschaft, und dies war das erste Beispiel, daß Deutsche mit Fremden verbündet wider Deutsche fochten; auch traten seitdem viele in röm. Dienste und wurden so mit Sitte und Kriegskunst der Römer vertraut, die erst nach Beendigung der Rom damals zerrüttenden innern Kämpfe auf neue Unternehmungen wider D. sannen. Nachdem aber Cajus Octavius Augustus (s.d.) Herr des röm. Reichs geworden, gerieth bis 15 v. Chr. Süddeutschland bis zur Donau unter röm. Botmäßigkeit und ward in die Provinzen, Noricum östl., Vindelicien westl., Rhätien südl., eingetheilt. Nun erst drangen von 12–9 v. Chr. die Römer vom Rhein her unter August's Stiefsohne, Nero Claudius Drusus, auch ins nordwestl. D. vor und kamen im vierten Feldzuge bis zur Elbe. Drusus ließ am rechten Rheinufer viele feste Plätze, sowie Heerstraßen und selbst einen Kanal aus dem Rhein in die Yssel zur Erleichterung der Verbindungen anlegen, starb aber mitten in diesen Vorbereitungen zur dauernden Behauptung des Landes, welche die häufige Uneinigkeit der deutschen Völkerschaften erleichtern half. Des Drusus Bruder und Nachfolger im Heerbefehl am Rhein, Tiberius, gewann mehr durch List und Verhandlungen als durch Gewalt und die Römer näherten sich mit kluger Berücksichtigung der Eigenthümlichkeit der Deutschen immer mehr ihrem Ziele, als diese plötzlich durch das gewaltthätige und habsüchtige Benehmen des röm. Feldherrn Quintilius Varus über die ihnen nahe Unterjochung aufgeklärt wurden und von Hermann (s.d.), dem Fürsten der Cherusker, zum Kampfe angespornt und geführt, die zur Unterdrückung eines Aufstandes aus ihrem festen Lager mit Varus ausgerückten röm. Legionen im teutoburger Walde im heutigen Fürstenthume Lippe-Detmold von allen Seiten angriffen und nach dreitägigem Streite bis auf wenige Flüchtlinge vernichteten (9 n. Chr.), sodaß der verzweifelnde Varus sich selbst den Tod gab. Schrecken erfüllte Rom bei der Nachricht von diesem Unglücke und neue Legionen wurden eilig gerüstet und an den Rhein gesandt, um die gefürchtete Rache der Deutschen abzuwenden, die sich je, doch mit Zerstörung der röm. Festen im Lande begnügten und der wiedergewonnenen Freiheit freuten. Auch ward diese nicht dadurch geschmälert, daß der röm. Feldherr Germanicus, des Drusus Sohn, nicht ohne Unterstützung deutscher Stämme in drei Feldzügen während der Jahre 14–16 die Cherusker mehrmals besiegte, denn er wagte dessenungeachtet nicht, sich an der Weser wieder festzusetzen und trat seinen Rückzug zur See an, wobei er durch Stürme fast die ganze Flotte verlor.

Bald störten aber Bruderkriege den innern Frieden D.'s, zuerst zwischen den Cheruskern und ihren Bundesgenossen, und den Markomannen, deren in Rom gebildeter König Marbod im heutigen Böhmen ein Reich gestiftet hatte und von da aus auf Unterwerfung der Nachbarn ausging. Dem widersetzten sich aber die Cherusker unter Hermann's Führung und die 19 n. Chr. am nördl. Abhange des Erzgebirges von Beiden gelieferte Schlacht ward durch den Abfall der Longobarden zum Nachtheil Marbod's entschieden, den bald nachher sein eignes Volk nöthigte, eine Zuflucht bei den Römern zu suchen. Solche Kriege zwischen deutschen Völkerschaften waren im 1. Jahrh. nicht selten und fanden willige Beförderer in den Römern, gegen die jedoch fortwährend unterworfene deutsche Stämme von Neuem die Waffen ergriffen, wie z.B. die Friesen im I. 20, und die frühzeitig am linken Rheinufer angesiedelten Bataver im I. 70 unter dem Cohortenführer Claudius Civilis. Überhaupt war jetzt das Streben der Römer fast ausschließlich auf Behauptung ihrer westl. und südl. Grenzen gerichtet und Kaiser Hadrian (117–138) ließ deshalb von der Donau an in der Nähe der Mündung der Altmühl einen großen Wall mit Thürmen und Graben bis zum Main anlegen, dessen Spuren noch vorhanden sind und der später den Namen Teufelsmauer erhielt. Hinter solchen Schutzwehren fußte denn auch schnell röm. Cultur; Heerstraßen und Städte entstanden, Handel, Verkehr und röm. Luxus verbreiteten sich, daher unermeßliche Beute gemacht wurde, als während der Regierung des Kaisers Mark Aurel, 161–180, die verbündeten deutschen Nachbarvölker plötzlich über die Donau losbrachen und zum Theil bis nach Italien vordrangen. Von dem Hauptvolke der Bundesgenossenschaft heißt dieser Krieg der markomannische und nur mit der äußersten Anstrengung und mit großen Summen gelang es Rom, den Frieden und die Behauptung seiner alten Grenzen zu erkaufen. Durch dergleichen nun häufiger und dauernder werdende Bündnisse verschwinden die Namen vieler deutscher Stämme, deren auch während der innern Kriege mancher untergegangen sein mag, von jetzt an aus der Geschichte, indem natürlich das angesehenste oder mächtigste Volk dem Bunde den Namen gab. Insbesondere waren es die vier großen Bündnisse der Alemannen und Sueven im südwestl., der Franken im nordwestl., der Sachsen im nördl. D. und der östl. bis ans schwarze Meer reichende Bund der Gothen, die zuletzt den Untergang des abendländischen röm. Reichs herbeiführten.

Die Einfälle deutscher Völker in das röm. Gebiet wiederholten sich immer häufiger; von den Küsten Galliens und Britanniens waren die Seeraub treibenden Sachsen kaum abzuwehren und am Rhein und an der Donau wurden die Eindringenden nur mit großer Mühe und oft durch Anwendung von Wortbruch und Verrath und in röm. Solde stehende [540] Deutsche wieder auf ihre alten Sitze beschränkt, bis gegen Ende des 4. Jahrh. das Vordringen der Hunnen von Mittelasien aus nach W. die Lage der Dinge gänzlich veränderte. Im heutigen Südrußland wurden von ihnen die Alanen, dann die Ostgothen überwunden, was, ohne daß die Hunnen jetzt weiter vordrangen, die benachbarten Westgothen so besorgt machte, daß sie bei den Römern um Aufnahme am rechten Donauufer anhielten, die ihnen nur unter so schmählichen Bedingungen gewährt wurde, daß die Vollziehung derselben die bittend Gekommenen in Feinde verwandelte. Später wendeten sie sich unter Alarich (s.d.) nach Italien und von da nach dem südl. Gallien und Spanien, wo sie ein westgothisches Reich stifteten. Um dieselbe Zeit strömten auch in gewaltigen Zügen Vandalen, Sueven, Quaden, Alanen und Gothen über den Rhein nach Gallien und nach dessen Ausplünderung über die Pyrenäen nach Spanien, wo sie sich niederließen und von wo aus die Vandalen (s.d.) sogar auf der Nordküste von Afrika (435) ein Reich gründeten. Die Burgundionen ertrotzten sich von den Römern Wohnsitze im südöstl. Gallien (s. Burgund), Angeln und Sachsen eroberten den größten Theil des heutigen Englands, die Franken bemächtigten sich der Länder am Niederrhein und der Schelde. Endlich drangen auch die Hunnen unter Attila (s.d.) verheerend durch das südl. und mittlere D., und durch deutsche Stämme verstärkt, nach Gallien, wo sie jedoch durch ein Heer von Römern und noch mehren Deutschen bei Chalons an der Marne 451 geschlagen und nach dem erfolgten Tode Attila's von den ihrer Herrschaft sich schnell entledigenden deutschen Völkerschaften bis ans schwarze Meer zurückgetrieben wurden. Die Sieger wählten sich dann Wohnplätze an den röm. Grenzen, so die Gepiden, Ostgothen, Heruler, Rugier u.a. im jetzigen Siebenbürgen, Ungarn und Östreich. Endlich machte in Rom selbst Odoaker, der Oberbefehlshaber der deutschen Truppen, denen man die verlangten Ländereien in Italien abschlug, dem abendländischen Reiche ein Ende, indem er 476 den letzten Kaiser entthronte und sich zum Könige von Italien aufwarf.

Während die Deutschen auf diese Weise neue Reiche außerhalb ihrer bisherigen Wohnsitze gründeten, wurden diese zum Theil von slawischen Stämmen eingenommen, die in das heutige Böhmen und die Gegenden an der Oder entlang bis zum baltischen Meere einwanderten. Im übrigen D. finden sich zu Anfange des 6. Jahrh. nur die Friesen nach wie vor in ihren alten Sitzen an der Nordsee; die Sachsen hatten den größern Theil des nördl. D.'s inne; südl. von ihnen bestand zwischen Elbe, Harz und Main das Königreich Thüringen (s.d.), in den Donauländern aber wohnten bis zum Lech Bojoarier (s. Baiern), und jenseit des Lech Sueven und Alemannen. Die wichtigste Rolle in der Geschichte war jedoch zunächst den Franken am Niederrhein und im nördl. Gallien vorbehalten, von wo aus König Clodwig (s.d.) Stifter des großen Frankenreichs wurde, dem seit 496 die Alemannen, seit 530 die Thüringer sich unterwarfen und an dessen Spitze nach langen innern Zerrüttungen endlich Karl der Große, 768–814, trat. Ihm gelang nach dreißigjährigen blutigen Kämpfen die von seinen Vorgängern bisher vergeblich versuchte Unterwerfung und Bekehrung der Sachsen zum Christenthume, des letzten deutschen Stammes, welcher Unabhängigkeit und uralte freie Verfassung noch bewahrt hatte. Auch fanden während seiner Regierung viele Kriege mit den slawischen Nachbarn der Deutschen und mit den räuberischen Avaren (s.d.) statt, von denen das südl. D. eine Zeit lang verheert wurde. Von Karl's Nachfolgern besaß aber keiner Talent genug, das weite Reich mit Kraft und Würde zu beherrschen, und nachdem seine drei Enkel mit ihrem Vater, Ludwig dem Frommen, gest. 840, erst um die Theilung, dann unter sich um den Besitz der Erbschaft seines Reichs gestritten, kam endlich 843 zu Verdun jener berühmte Theilungsvertrag zwischen ihnen zu Stande, zufolge dessen Ludwig, genannt der Deutsche, alles östl. vom Rheine unter fränk. Botmäßigkeit stehende Land und außerdem, damit es dem Reiche auch an Weinbergen nicht fehle, die Städte und Gauen Mainz, Worms und Speier am linken Rheinufer erhielt und erster König der Deutschen wurde. Mit ihm beginnt daher im engern Sinne die Geschichte des deutschen Reichs, dessen damalige Grenzen ungefähr mit denen des heutigen D. übereinstimmten. Bis dahin waren in der ursprünglichen Landesverfassung und in den Zuständen der Bewohner D.'s höchst wichtige Veränderungen eingetreten, welche natürlich von dem herrschenden Volke, den Franken, ausgingen, die in dem eroberten Gallien bald das dort vorgefundene Christenthum annahmen, auch von den röm Regierungsformen viel beibehielten. Dabei wurden jedoch Leute gebraucht, welche geläufig schreiben, lesen und rechnen konnten, mit welchen Fertigkeiten vorzugsweise der geistliche Stand vertraut war, und daher schnell zu wichtigem Einflusse gelangte. Die fränk. Könige strebten daneben, sich zu unbeschränktern Gebietern zu machen, als sie zeither waren und benutzten die ihnen durch Eroberung zugefallenen Ländereien und die Einführung neuer, den röm. nachgeahmter Hofämter, um viele und besonders die einflußreichsten Männer an ihr Interesse zu fesseln, indem sie dieselben damit gegen Angelobung von Gehorsam und Treue gegen den König beliehen, mit Verletzung dieser unbedingten Pflichten aber Verlust von Gut und Würden und Strafen verbanden. Wie sehr sich in Folge dessen Alles gegen früher veränderte, erhellt daraus, daß unter Karl und Ludwig selbst die großen Vasallen, wenn sie den König anredeten, ihm die Füße küssen mußten. Das Christenthum hatte bei den Gothen unter allen deutschen Völkern zuerst und schon im 4. Jahrh. Eingang gefunden und vielleicht auch in den an das röm. Gebiet grenzenden Gegenden manchen Bekenner erworben, bevor es im Laufe des 7. und 8. Jahrh. durch die frommen Bemühungen vorzüglich engl. Geistlicher, unter denen Bonifacius (s.d.) der wichtigste war und von denen so mancher zum Märtyrer wurde, im S. und in Mitteldeutschland allgemeiner verbreitet und später im N. durch Karl's des Großen Waffen eingeführt ward. Mitunter mag auch der fromme Eifer der Apostel der Annahme der neuen Religion nachtheilig geworden sein, wie z.B. bei den Friesen, deren Herzog Radbod schon mit einem Fuße im Wasser stand, um die Taufe zu empfangen und seinem Volke dadurch ein Beispiel zu geben, als ihm aber die Frage: wo sich seine ungetauften Vorfahren befänden, mit »in der Hölle« erwidert wurde, mit der Erklärung zurücktrat: er wolle bei den übrigen Fürsten seines Volks sein. Auch waren die Abgaben keine Empfehlung derselben, welche an die zur Befestigung des Christenthums neugestifteten Bisthümer und Klöster entrichtet [541] werden mußten, die übrigens zugleich Stützen der kön. Gewalt abgaben. Freilich wurden sie auch die Träger milderer Sitten, allgemeinerer Cultur, allein wie langsam es damit ging, dafür spricht, daß noch der solche Zwecke eifrig befördernde Karl der Große selbst in der Schreibekunst unerfahren war; wie sehr man sich aber mehr an den Wortglauben als an das Leben im Geist und in der Wahrheit hielt, lassen die wegen Mord und anderer schwerer Verbrechen zahlreich vorkommenden kirchlichen Stiftungen, durch die Alles abgebüßt wurde, und Karl's des Großen geschärfte Verordnungen wider den immer häufiger werdenden Meineid vermuthen. Hörigkeit und Leibeigenschaft griffen dabei immer mehr um sich und Sklaven hatten noch nicht aufgehört, ein Gegenstand des Handels nach dem Auslande zu sein.

Das bei Ludwig's des Deutschen Regierungsantritte durch die langen Unruhen geschwächte Reich war an den Ost- und Nordgrenzen den Angriffen der Slawen, Dänen und Normänner ausgesetzt, mit denen daher fast ununterbrochene, jedoch meist glückliche Kriege geführt und gegen die zuletzt vom adriatischen Meere bis an die Eider eine Reihe von Grenzmarken unter streitbaren Markgrafen errichtet wurden. Allein auch zwei von Ludwig's Söhnen, Karlmann und Ludwig der Jüngere, empörten sich wider ihren Vater, der sich indessen zu fest benahm, um sie nicht zu baldiger Unterwerfung zu nöthigen, dann aber mit Nachsicht behandelte, ihre Anhänger jedoch desto strenger strafte. Er vergrößerte D. durch Köln, Trier, Aachen, Utrecht, Metz, Strasburg und andere Gebiete am linken Rheinufer, welche ihm aus der Erbschaft seines 869 ohne rechtmäßige Erben gestorbenen Neffen, Lothar II., zufielen. Bevor aber nach Ludwig des Deutschen Ableben, 876, seine Söhne sich in das Reich theilen konnten, mußten sie mit ihrem Oheim, Karl dem Kahlen von Frankreich, kämpfen, der davon an sich zu reißen suchte, was er konnte, jedoch bei Andernach entscheidend besiegt wurde. Karlmann nahm hierauf Baiern, Kärnten mit den dazu gezogenen slaw. Ländern, Ludwig der Jüngere Franken, Sachsen, Thüringen und Deutsch-Lothringen, Karl der Dicke Elsaß und Alemannien oder Schwaben, mit der nachmaligen Schweiz bis zum Jura in Besitz. Die Theilung war indeß von kurzer Dauer, denn Karlmann starb 880 und hatte nur einen unehelichen Sohn, Arnulf, der blos das Herzogthum Kärnten erhielt, und der Tod des ebenfalls erbenlosen Ludwig des Jüngern machte 882 Karl den Dicken, den geistlosesten der drei Brüder, der auch 880 die Kaiserwürde in Rom erworben hatte, zum Gebieter von ganz D., und da ihn auch die Franzosen mit Übergehung des fünfjährigen rechtmäßigen Thronerben 884 zu ihrem Könige wählten, war Karl des Großen Reich beinahe gänzlich wieder unter einem Scepter vereinigt. Der einsichtslose Karl verstand aber seine Macht nicht zu brauchen, konnte nicht einmal die räuberischen Einfälle der Normannen abwehren, denen er schmählichen Tribut zahlte, und machte sich aller Achtung bald so verlustig, daß die Franzosen so wenig länger mit ihm zu thun haben wollten, wie die Deutschen, welche an seiner Statt auf dem Reichstage zu Tribur am Rheine 886 den als weise und tapfer bekannten Arnulf von Kärnten zu ihrem Könige wählten. Nur einige Güter zum Unterhalt bat sich der feige Karl von ihm aus, die er auch erhielt, jedoch schon 888 starb. Arnulf demüthigte die Normannen und den von ihm selbst erst mächtig gemachten, dadurch aber bis zur Empörung übermüthig gewordenen Mährenfürsten Zwentibold, gegen den er sich leider auch mit den räuberischen Ungarn verband, die aus O. in die Niederdonauländer eingewandert waren und denen er dadurch den Weg nach D. zeigte. Sodann zog er nach Italien, mußte aber Rom mit Sturm nehmen, bevor ihm 895 dort die Kaiserkrone zu Theil wurde. Krankheit bewog Arnulf zur schleunigen Heimkehr, was die Römer zu schnellem Verrath an der ihm gelobten Treue ungestraft benutzten, da der Kaiser keinen Zug mehr wider sie thun konnte und 899 mit Hinterlassung eines rechtmäßigen Sohnes, des sechsjährigen Ludwig, genannt das Kind, starb. Zwar wurde dieser als deutscher König anerkannt und Otto der Erlauchte, Herzog von Sachsen, mit dem Erzbischof Hatto von Mainz, der freilich als ein herrschsüchtiger und hinterlistiger Mann geschildert wird, übernahmen in seinem Namen die Reichsverwaltung, vermochten aber weder Frieden und Recht im Innern zu schützen, wo die Großen ihre Macht während des Königs Unmündigkeit und mit Hintenansetzung ihrer Pflichten gegen das Reich auf jede Weise zu erweitern suchten, noch den wiederholten Einfällen der Ungarn zu begegnen, welche Baiern, Franken, Thüringen, einen Theil von Sachsen und Schwaben aufs Unmenschlichste verwüsteten. Bei diesem allgemeinen Elende ging auch das Meiste der aufkeimenden Bildung wieder unter und die Trostlosigkeit und Entmuthigung stieg zuletzt so weit, daß Besitz und Leben dem gepeinigten Volke fast werthlos schienen. So war der Zustand des Vaterlandes, als König Ludwig im 19. Jahre unvermählt und plötzlich starb (911) und die Reihe der deutschen Nachkommen Karl's des Großen beschloß.

Während jetzt mehre deutsche Fürsten nach Gewinnung von Unabhängigkeit trachteten, traten Sachsen und Franken zur Wahl eines neuen Königs zusammen, die nach erfolgter Ablehnung der Krone von Seiten des Sachsenherzogs Otto des Erlauchten, auf den mächtigen fränk. Grafen Konrad fiel. Vergeblich trachtete dieser als König Konrad I. danach, die übermüthigen Großen dem Reichsoberhaupte wieder gehorsam zu machen, da nur mit vereinter Kraft etwas zu gründlicher Besserung der allgemeinen Noth auszurichten war. Allein zur Behauptung seines Ansehens wider die meisten und auch noch zum Kampfe mit den Ungarn und Slawen reichte seine Macht nicht hin, sein redlicher Wille ließ ihn aber noch bei seinem Tode (918) dafür sorgen, daß Heinrich von Sachsen, obgleich einer seiner mächtigsten Widersacher, sein Nachfolger werde, der auch durch Wahl der Franken und Sachsen als Heinrich I. deutscher König wurde und weil ihn die Boten mit seiner Ernennung beim Vogelherd getroffen haben sollen, die Beinamen der Vogler oder Finkler erhalten hat. Seiner Klugheit und einsichtsvoll angewendeten Macht gelang es, die ungehorsamen Reichsvasallen wieder unter den kön. Willen zu beugen, die benachbarten slawischen Völker zu bezwingen und durch neugestiftete Markgrafschaften dauernd zu unterwerfen. Die Normänner bekämpfte er in ihrer Heimat und nachdem er sich gegen Freilassung eines gefangenen Ungarnfürsten und einigen Tribut von den Ungarn eine neunjährige Waffenruhe verschafft hatte die er zur Befestigung vieler Ortschaften und zweckmäßiger Ausbildung seines Heers gewissenhaft verwendete, besiegte er die wiederkehrenden Feinde 934 unweit Merseburg so, daß sie bis an seinen Tod (936) D. verschonten. Durch Heinrich[542] war das deutsche Reich gleichsam zum andern Male gestiftet worden, und sein erwählter Nachfolger und Sohn, Otto I., der weise vollendete, was der Vater begann, erwarb sich noch dadurch den Beinamen des Großen. Von ihm wurden die Ungarn am Lech 955 so geschlagen, daß sie keine Raubzüge nach D. mehr wagten; seine Siege über die Wenden, welche er durch Anlegung der Bisthümer Brandenburg und Havelberg befestigte, unterwarfen ihm das Land bis zur Oder; ebenso erfuhr Böhmen wegen verweigerter Lehnspflicht das Übergewicht seiner Waffen. Nicht unbedeutende Streitigkeiten mit seiner Familie und den ihr sich anschließenden Unzufriedenen schlichtete er bald im Guten, bald durch Gewalt, allein immer mit Würde und meist gerecht, trachtete jedoch zu sehr danach, alle bedeutende Herzogthümer an seine Familie zu bringen. In drei Zügen nach Italien erwarb er die longobard. und die Kaiserkrone, welche seitdem nur deutsche Könige, obgleich nicht alle, trugen, daher die Stiftung des h. röm. Reiches deutscher Nation sein Werk war. Wiederholt strafte er die Untreue der übermüthigen Römer und verfügte selbst über den päpstlichen Stuhl; in D. aber nahmen unter seiner Obhut der allgemeine Wohlstand und mit ihm Künste, Gewerbe und Wissenschaften einen neuen Aufschwung und das ihm günstige Glück ließ auch zu seiner Zeit die ergiebigen Silberbergwerke im Harze entdecken. Otto I., gest. 973, hinterließ D. geachtet und geehrt, und unter seinen Nachfolgern Otto II., 973–983, Otto III. 983–1002, stiegen und befestigten sich diese glücklichen Verhältnisse; die Vermählung Otto II. mit der griech. Prinzessin Theophania wurde Veranlassung zur Übersiedelung griech. und röm. Bildung und Sitte an den kais. Hof, doch hielt vielleicht nur der Tod Otto III. ab, den von der gewonnenen Vorliebe für höhere Cultur und einem milden Himmel eingegebenen Wunsch auszuführen, seine Residenz nach Italien zu verlegen. Dieser erfreuliche Zustand dauerte auch unter dem letzten, seinen großen Vorgängern nachstehenden Kaiser aus sächs. Stamme, Heinrich II. 1002–24, fort, der den Beinamen der Lahme erhielt, weil er hinkte, seit er in Pavia sich durch einen Sprung aus dem Fenster vor dem aufrührischen Volke retten mußte. Maßlose Freigebigkeit gegen die Kirche und überspannte Frömmigkeit, welche ihn und seine Gemahlin Kunigunde sogar zur Verzichtleistung auf leibliche Kinder verleitete, erwarben ihm auch noch die Zunamen des Vaters der Mönche und des Heiligen, dem nach seinem Tode die Heiligsprechung durch den Papst folgte.

Unter den sächs. Kaisern hatte sich demnach D. aus dem tiefsten Elende, aus Schmach und Dienstbarkeit zu Wohlstand und großem Ansehen emporgearbeitet. Im Innern blieb indessen noch viel zu ordnen und zu bessern übrig, und namentlich hatte die Raub-und Fehdelust des Adels in den letzten Jahren sich eher gemehrt als gemindert. Ein glücklicher Umstand war es daher, daß durch die Wahl der auf der Ebene zwischen Worms und Mainz versammelten deutschen Stände in dem fränk. Grafen Konrad ein Mann die Krone empfing, der als Konrad II., 1024–39, weise, gerecht und kraftvoll regierte und die mit ihm beginnende Reihe der fränk. Kaiser würdig eröffnete. Er trachtete überall nach zweckmäßiger Befestigung des Königthums, ordnete das Lehnswesen durch das berühmte Grundgesetz, das die Erblichkeit der kleinen Lehen herstellte, vollzog den von seinem Vorgänger eingeleiteten Anfall eines Theils von Burgund (s.d.) an D. und that dem rohen Faustrechte zuerst durch Einführung des Gottesfriedens (s.d.) Einhalt. Der Zustand des Landes hob sich daher fortwährend, noch mehr aber unter seinem Sohne und Nachfolger Heinrich III., 1039–56, der den Glanz des röm.-deutschen Reiches ausnehmend vermehrte, wiederholt über die Besetzung des päpstlichen Stuhles verfügte und den übermüthigen Großen die ihnen geziemende Stellung von Reichsbeamten anzuweisen verstand. Seine vielen auswärtigen Kriege, bei denen er als Feldherr und durch persönliche Tapferkeit seinem Heere vorleuchtete, berührten D. wenig, wo er die Raubritter verfolgte, ihre Burgen zerstörte und einen bisher unerhörten Landfrieden herstellte. Der Handel kam daher immer mehr in Aufnahme, Künste und Wissenschaften gewannen mehr Boden und neben den Dom- und Klosterschulen wurden in den Reichsstädten damals schon ansehnliche Stadtschulen errichtet. Das waren die Segnungen einer charakterfesten, ihren sichern Gang verfolgenden Regierung, mit der zwar viele Große höchst unzufrieden waren, allein nicht wagen durften, gegen den obersten Lenker derselben sich zu regen, von dem nur Gutes im Munde des Volkes war. Leider schied Heinrich III. viel zu früh für D. und seine Familie schon im 39. Lebensjahre plötzlich von dieser Welt und mit der Regierung seines damals sechsjährigen Sohnes und Nachfolgers Heinrich IV., 1056–1106, brach wieder eine Zeit des Unglücks für das Vaterland an. Begierig suchten die mit der Macht seiner großen Vorgänger misvergnügten Fürsten unter dem unmündigen Könige ihre Vorrechte wieder zu erweitern, und was das Schlimmste war, Heinrich IV. ward von dem seinen leichtsinnigen und sinnlichen Neigungen schmeichelnden Bischofe Adalbert von Bremen, der dem Bischofe Anno (s.d.) die Vormundschaft über ihn entriß, keineswegs seinem hohen Berufe gemäß erzogen, weil er mehr auf Behauptung seines Einflusses im Reiche als auf seines Mündels Bestes bedacht war. Die ganze Zeit seiner Regierung war daher eine Reihe von Unruhen; Raub, Fehde und Bürgerkriege, namentlich mit den vom Kaiser vorzugsweise bedrückten Sachsen, verheerten das platte Land und eigentliche Sicherheit war nur in den festen Städten zu finden, deren Bevölkerung dadurch sehr zunahm. Aufs Höchste stieg die Verwirrung, als die Päpste, den Zwiespalt im Reiche benutzend, die Investitur (s. Belehnung) als Vorrecht des päpstlichen Stuhls und überhaupt den Grundsatz geltend machten, daß alle weltliche Macht der geistlichen und dem röm. Stuhle untergeordnet sei. Da Heinrich sich dem widersetzte, sprach Papst Gregor VII. den Bann über ihn aus und der von den meisten deutschen Fürsten Verlassene wußte diesen nicht anders zu lösen, als daß er barfuß und im Büßerhemd mitten im Winter drei Tage (26.–28. Jan. 1077) im Vorhofe der ital. Burg Canossa harrte, bevor ihn der daselbst anwesende Papst vor sich kommen und des Bannes doch nur mit der Bedingung entließ, daß er die Streitigkeiten mit den Deutschen der päpstlichen Entscheidung unterwerfe. Heinrich sah aber bald ein, daß seine unerhörte Herabwürdigung der kais. Würde vergebens gewesen sei, griff daher von Neuem zum Schwerte und behauptete sich wider zwei Gegenkönige, Rudolf von Schwaben und Hermann von Luxemburg. Der Anfang der Kreuzzüge (s.d.) im J. 1096 erhöhte auch[543] noch die Verwirrung in D., indem er hier zunächst eine allgemeine Judenverfolgung nach sich zog; endlich empörten sich aber auch des Kaisers eigne Söhne und nachdem er den ältern, Konrad, überwunden und der Nachfolge für verlustig erklärt hatte, raubte ihm der zweite, Heinrich, doch noch Krone und Reich und Heinrich IV. starb als Flüchtling in Lüttich bei dem ihm treuen Bischof Olbert, allein da er noch mit dem päpstlichen Banne belastet war, erlaubte der Papst erst nach fünf Jahren seine kais. Bestattung. Heinrich V., 1106–25, gedachte indessen nicht die Rechte der durch schwere Schuld gewonnenen Krone beschränken zu lassen, that zur Behauptung der Lehnsherrlichkeit mehre glückliche Feldzüge wider Ungarn, Polen und Böhmen, von denen jedoch nur letzteres wieder zu dem alten Tribut gezwungen wurde. Obgleich er sich dem Papste zum größten Gehorsam verpflichtet hatte, gerieth er doch mit ihm in den alten Streit und schon glaubte er denselben während seiner Anwesenheit in Italien, 1110–11, vortheilhaft beigelegt, als der Papst alles Bewilligte für erzwungen und ungültig erklärte. Die deutschen Fürsten ließen sich zum Theil um so leichter von ihm wider den Kaiser aufregen, als dieser von denselben viele Reichsgüter und Rechte, die sich mehre von ihnen während der Wirren der frühern Regierung angeeignet hatten, zurückfoderte. Diese wiederholten sich nun mit allen ihren Verheerungen und endigten erst, nachdem die fehdemüden Großen 1121 zu Würzburg einen allgemeinen Landfrieden zu Stande kommen ließen, worauf das 1122 zu Worms geschlossene Concordat auch den Streit mit dem Papste beendigte. Mitten unter Plänen, die Macht der Krone zu erweitern, und durch Vereinigung der großen Lehn mit derselben die Einheit des Reichs zu mehren, raffte der Tod mit Heinrich V. den letzten der vier fränk. Kaiser hinweg und da er keinen Sohn hinterließ, so konnte das von den Volksversammlungen jetzt auf die Fürsten übergegangene Wahlrecht desto ungehinderter ausgeübt werden. Die meiste Hoffnung auf die Königswürde machten sich die nächsten Verwandten Heinrich V., zwei Brüder aus dem mächtigen schwäb. Hause der Hohenstaufen, von denen aber Konrad, Herzog von Franken, auf einem Kreuzzuge abwesend war, und Friedrich, Herzog von Schwaben, sich den Anmuthungen der Fürsten zu wenig nachgiebig zeigte, daher der ihnen feindliche Erzbischof Adelbert von Mainz die Wahl des Herzogs Lothar von Sachsen durchsetzte, welcher den Thron halbgezwungen als Lothar II. 1125–37 bestieg, dem es aber an hinreichender Kraft und Umsicht gebrach, um Alles zu behaupten, was seine Vorgänger errungen hatten. Durch Aufgeben der Vortheile des wormser Concordats gab er die nächste Veranlassung zu den spätern Streitigkeiten mit dem päpstlichen Stuhle und das unvollkommen gelungene Bestreben, mit Hülfe seines Eidams, Herzog Heinrich des Stolzen von Sachsen und Baiern aus dem früher in Italien mächtigen Hause der Welfen, die Hohenstaufen zu demüthigen, die von einem ihrer Stammgüter auch Waiblinger hießen, entzündete jenen berühmten Streit der Welfen und Waiblinger in D., oder wie man in Italien sagte, der Guelfen und Ghibellinen. Im Ganzen war jedoch unter Lothar's Regierung, die noch dadurch merkwürdig ist, daß die großen Reichslehen, den Bestrebungen der fränk. Kaiser entgegen, in den Geschlechtern erblich wurden, die sie damals besaßen, das Ansehen D.'s keineswegs gesunken, als auch er ohne männliche Erben starb.

Vergebens hegte jetzt Heinrich der Stolze sichere Hoffnungen auf den erledigten Thron, denn seine Macht und sein Übermuth schienen weder den Fürsten noch der Geistlichkeit an dem künftigen Reichsoberhaupte wünschenswerth, und bevor er es hindern konnte, wurde Konrad von Franken, wiewol ziemlich ungesetzlich, zu Koblenz zum Könige gewählt. Mit ihm als Konrad III., 1138–52, bestiegen die Hohenstaufen (s.d.) den deutschen Thron, auf dem sie sich bis 1254 behaupteten, und während dieses Zeitraums, in den die Blütezeit des Mittelalters fällt, dem Reiche in Friedrich I., 1152–90, Barbarossa oder Rothbart, und Friedrich II., 1212–50, zwei der größten Regenten gaben. Allein schon unter Konrad III. störte der erneuerte Streit mit Heinrich dem Stolzen den Frieden D.'s, ruhte nur kurze Zeit zwischen dessen Sohne Heinrich dem Löwen (s.d.) und Friedrich I., und ward auch von dessen Nachfolger, dem tyrannischen Heinrich VI., 1190–97, eine Versöhnung mit den Welfen gestiftet, so erfolgte doch erst die völlige Beilegung des Streits 1235 durch Friedrich II., der auf dem berühmten Reichstage zu Mainz das Erbgut der Familie in ein Lehen und Herzogthum verwandelte. (S. Braunschweig.) Daß Heinrich VI. durch seine Gemahlin die Königreiche Neapel und Sicilien erbte, ward nur eine Veranlassung mehr, die hohenstauf. Kaiser in Italien fest zu halten, wo sie gleichwol nur mit deutschen Streitern ihr Ansehen wider die lombard. Städte und feindlichen Päpste zu behaupten vermochten, welche auch die Kreuzzüge gewandt benutzten, die ihnen gefährlichen Fürsten von sich und von dem eigentlichen Sitze ihrer Macht, von D., zu entfernen. Hier hatten die Großen während der Abwesenheit der Kaiser desto freiere Hand, auch wurden ihnen, jedoch auch den immer mehr aufblühenden Städten, vielerlei Vorrechte eingeräumt, um sie zu den fast ununterbrochenen Leistungen für kriegerische Unternehmungen geneigter zu machen. Die Lage der Städte brachte mit sich, daß sie meist treu zum Kaiser hielten, von dem sie Schutz wider die auf ihre entstehende Macht eifersüchtigen Großen erwarten konnten, die Letztern aber gaben nicht selten den Intriguen der Päpste und dem Parteigeiste Gehör, daher auch in diesem Zeitraume Empörungen und Bürgerkriege nicht selten sind. So hatte König Philipp, 1197–1208, der vom Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach ermordet wurde, mit dem Gegenkönige Otto IV., einem Sohne Heinrich des Löwen, zu streiten, der aber, obgleich er erst 1218 starb, von dem mit ihm unzufriedenen Papste verlassen wurde, welcher nun die Thronbesteigung Friedrich II. aus allen Kräften begünstigte. Diesem versuchte später der eigne Sohn, Heinrich, die deutsche Krone zu entreißen und starb dafür 1242 als Gefangener in einer ital. Feste, seit 1246 aber traten mit päpstlicher Unterstützung der Landgraf Heinrich Raspe von Thüringen und nach dessen Tode im J. 1247, der junge Graf Wilhelm von Holland als Gegenkönige wider ihn auf. Allein nichts konnte Friedrich II. wieder aus Italien entfernen, wo er seit 1237 in unaufhörliche Kämpfe verwickelt war, und selbst das Vordringen der Mongolen bis Schlesien (1211), welche D. mit Erneuerung der Zeiten der Hunnen und Ungarn bedrohten, wendete seine Aufmerksamkeit nicht dem zur Abwehr derselben unvorbereiteten Reiche zu. Friedrich's Sohn und Nachfolger, [544] Konrad IV., führte schon bei Lebzeiten des Vaters die Reichsverwaltung, vermochte aber im Ganzen wenig wider Wilhelm auszurichten. Sobald er aber selbst zum Throne gelangte, eilte er nach Italien, um sich den Besitz des ihm wichtigern Neapels und Siciliens zu sichern, was ihm auch gelang; allein im Begriff, sich auch die Krone von Oberitalien zu erwerben, starb er im Mai 1254, vermuthlich an Gift, eines plötzlichen Todes, und da auch Wilhelm von Holland 1256 im Kriege wider die Friesen umkam, so war der Thron erledigt, zugleich aber die Verwirrung in unserm Vaterlande so groß, daß am Ende eines Zeitraums, in dem D. so wichtige Fortschritte gethan, kein deutscher Fürst danach verlangte. Die Dichtkunst feierte während desselben durch die Minnesänger ihre mittelalterliche Vollendung, half Sitte und Gesinnung zunächst der höhern Stände veredeln und das Ritterwesen erreichte seine würdigste, der damaligen Zeit nützliche Ausbildung. Wissenschaften und Künste fanden nicht blos an den Höfen, sondern auch in den Städten Beförderung, deren Handelsverbindungen durch die Kreuzzüge an Umfang und Lebhaftigkeit ungemein gewonnen hatten und wo, geschirmt von den Mauern und Waffen der Bürger und unter dem damals gedeihlichen Einflusse der Zünfte, Innungen und Gilden, die Gewerbe blühten und ein von Sittenreinheit und Einfachheit ausgezeichnetes Familienleben herrschte, welches der oft große Reichthum der Bürger, da er sich nur durch gediegene Pracht äußerte, nicht benachtheiligte. Auch den Nothstand der Landleute milderte vielfältig die Macht der Städte, in deren Schutz Viele als sogenannte Pfahlbürger sich begaben, sowie Andere der Leibeigenschaft durch die davon befreiende Theilnahme an den Kreuzzügen entgingen. Freilich entstanden in derselben Zeit auch zahllose Klöster, und die Reichthümer, welche sie durch Schenkungen und mitunter angemaßte Erbschaften erwarben, begünstigten das heilige Leben der Bewohner derselben keineswegs. Auch das dem Geiste deutscher Verfassung fremde röm. Recht fand damals Eingang in D., was gleichzeitig begonnene Sammlungen einheimischer Rechte (s. Deutsches Recht) nicht verhinderten und auch die Femgerichte (s.d.) begannen während der in den letzten Jahren dieses Zeitraums durch die selbstverderbliche Parteiung der Großen einreißenden Verwirrung, wo unter gewöhnlichen Umständen nur der Stärkere Recht behielt. Da Kaiser und Reich sonach keine Bürgschaft der öffentlichen Sicherheit gewährten, verbündeten sich endlich nothgedrungen die Städte zum Schutz ihres Handels, zur Abwehr der Raubritter und ungesetzlichen Zölle und so entstand 1254 ein rheinischer Städtebund und aus einer seit 1239 von Hamburg eingeleiteten Verbindung die Hanse (s.d.).

Zwei Ausländer, Alfons X. (s.d.) von Castilien und Richard, Bruder des Königs Heinrich III. von England, bewarben sich nach dem Tode Wilhelm's von Holland um die deutsche Königswürde und wurden auch Beide von durch Geschenke und Versprechungen gewonnenen Parteien gewählt. Alfons kam gar nicht nach D., Richard, gest. 1272, nur höchst selten und sein Einfluß ging mit seinem Gelde zu Ende. Niemand gehorchte, außer wenn Gnadenbeweise zu empfangen waren und während der fortwährend zunehmenden Zerrüttung, die noch der thüringische Erbfolgekrieg, 1254–64, mehren half, machte die allgemeine Bildung große Rückschritte. Die unheilvollen 16 Jahre, während der jene fremden Fürsten deutsche Könige hießen, werden gewöhnlich das große Interregnum oder Zwischenreich genannt, weil thatsächlich betrachtet kein Regent des gänzlich zerrütteten Reiches vorhanden war, das endlich in dem klugen und kräftigen Rudolf I., Grafen von Habsburg. welcher nach Richard's Tode, mit Übergehung des castil. Alfons, zum deutschen Könige, 1273–91, gewählt wurde, den ersehnten Wiederhersteller von Ordnung und Gesetz und dadurch auch des kön. Ansehens begrüßte. Weislich blieb er den ital. Angelegenheiten möglichst fern, verfolgte aber seine Zwecke in D. desto nachdrücklicher, wo er durch Landfriedensgesetze die Fehden so viel wie möglich beschränkte und viele Raubburgen zerstören ließ. Eine erwünschte Gelegenheit zur Vermehrung seiner Hausmacht war die Verweigerung der Huldigung von Seiten König Ottokar's von Böhmen, der sich nach dem Aussterben der Markgrafen von Östreich (1246) während des Zwischenreichs der Länder derselben bemächtigt hatte. Ottokar ward besiegt und fiel in der Schlacht, Rudolf aber vergab nun Östreich, Steiermark und Krain an seinen Sohn Albrecht und wurde dadurch Gründer des östr. Staates. Den Unruhen, welche 1285 in den Rheingegenden der Betrüger Thile Kolup anstiftete, der unter dem Vorgeben Anhang fand, er sei der lange verborgen gewesene Kaiser Friedrich II., setzte Rudolf durch Hinrichtung desselben ein schnelles Ziel, konnte aber die Nachfolge im Reiche seinem Sohne Albrecht nicht sichern, dessen unbegrenzte, rücksichtslose Habsucht die Fürsten fürchteten. Daher gelang es dem listigen Gerhard von Eppstein, Erzbischof von Mainz, die Krone 1291 seinem unbemittelten Neffen, Adolf, Grafen von Nassau, gegen große Versprechungen zu verschaffen; als er diese aber nicht erfüllte und sich so ländergierig wie Einer bezeigte, half Gerhard selbst ihn wieder stürzen und ernannte mit einem Theile der Wahlfürsten nun doch Albrecht von Östreich zum deutschen Könige, der Adolf in der Schlacht bei Germersheim (2. Jul. 1298) selbst getödtet haben soll. Obgleich er sich nach diesem Siege als rechtmäßigen König der Deutschen ansah, unterwarf er sich doch einer nochmaligen Wahl aller Kurfürsten, deren Stimmen, namentlich die der geistlichen, er mit großen Opfern gewann. Den Übermuth der letztern demüthigte er indessen später, regierte überhaupt mit großer Kraft, gab aber oft dem Eigennutz vor der Gerechtigkeit Gehör und veranlaßte dadurch den Freiheitsbund der Schweiz, sowie seine Ermordung (1. Mai 1308) durch die Hand seines Mündels und Neffen, Johann von Schwaben, dem er sein väterliches Erbe vorenthielt. Ohne große Streitigkeiten wurde der als einsichtsvoll, tapfer und gerechtigkeitsliebend bekannte Graf von Luxemburg als Heinrich VII., 1308–15, zu Albrecht I. Nachfolger gewählt, dessen unbedeutende Hausmacht sehr schnell durch die Erwerbung der böhm. Krone für seinen Sohn Johann vergrößert wurde, dem die böhm. Stände selbst sie antrugen. Daß Heinrich VII. wegen Wiederherstellung der Rechte des Reichs und um die Kaiserkrone zu erwerben, nach Italien zog, empfand D. schmerzlich, wo der Landfriede während seiner Abwesenheit vielfältig beeinträchtigt ward, und da Heinrich VII. in Italien starb, seinem Nachfolger die Herstellung der Ordnung vererbt wurde. Statt dessen hatte aber die getheilte Wahl Ludwig' s von [545] Baiern und Friedrich's des Schönen von Östreich zu deutschen Königen blos neue Bürgerkriege und Verwüstungen zur Folge, bis nach siebenjährigem Kampfe der ehemaligen Jugendfreunde Ludwig in der Schlacht bei Mühldorf am Inn (1322) seinen Gegner besiegte und gefangen nahm, worauf eine edelmüthige Versöhnung Beider folgte, die Friedrich bis an seinen Tod (1330) Antheil an der Reichsregierung verschaffte. Das Aussterben des askanischen (anhalt.) Fürstenstammes in der Mark Brandenburg benutzte Ludwig, um mit Übergehung der Ansprüche Anderer seinem Sohne dieses Land zuzuwenden, unternahm auch einen Zug nach Italien, wo er den ihm feindlichen Papst Johann XXII. vertrieb, in Rom durch einen von ihm selbst eingesetzten Papst die Kaiserkrönung empfing, allein das Gewonnene nicht behaupten konnte. Nach seiner Rückkehr gerieth er von Neuem in Zwiespalt mit dem päpstlichen Stuhle, in dessen Folge ganz D. mit dem Interdict (s.d.) belegt ward; Ludwig fand jedoch sogar an den Franziskanern Vertheidiger und endlich schlossen 1338 sechs Kurfürsten, mit Ausnahme des böhm., den berühmten Kurverein zu Rense, und erklärten, daß die kais. Gewalt nicht vom Papste, sondern von Gott komme, sowie, daß wer von ihnen einstimmig oder durch die Mehrzahl gewählt worden, dadurch wahrer röm. König oder Kaiser sei und keiner Bestätigung des Papstes bedürfe; auch ward die Aufhebung des Interdicts verfügt. Daß Ludwig mit dem päpstlichen Bann belegt wurde, wäre erfolglos gewesen, wenn er sich nicht durch eigenmächtig fortgesetzte Vergrößerung seiner Hauslande viele Fürsten zu Feinden gemacht hätte, die ihn endlich 1346 für abgesetzt erklärten und einen Enkel Heinrich VII., den Markgrafen von Mähren und nachherigen König Karl von Böhmen, als König Karl IV. zu seinem Nachfolger wählten, gegen den sich aber Ludwig bis an seinen plötzlichen Tod (1347) siegreich behauptete. Zu den Folgen der im Innern D.'s noch immer fortdauernden Unruhen gesellten sich damals noch Hungersnoth und anderes Unglück, indem Erdbeben (1348) einen großen Theil Süddeutschlands verheerten und zahllose Menschen durch eine aus dem Morgenlande von Handelsschiffen zuerst nach Italien eingeschleppte gräßliche Seuche hingerafft wurden, welche von den schwarzen Beulen und Flecken, die sie hervorbrachte, der schwarze Tod genannt wurde. Karl IV. trat daher die Regierung unter ungünstigen Verhältnissen an, auch hatte er die Versuche der Gegner des luxemburg. Hauses, einem Andern die Krone zuzuwenden, zu beseitigen, und erst nachdem ihm das durch Geld und Unterhandlung auch mit dem 1349 als Gegenkönig aufgetretenen Grafen Günther von Schwarzburg gelungen, der gleich nachher starb, gelangte er zum ungestörten Besitz des Thrones. Karl IV. war in Frankreich erzogen, kein streitbarer, aber ein kluger und gelehrter Fürst, der Künste und Wissenschaften ehrte und in Prag die erste Universität im deutschen Reiche stiftete (1348), dem er auch das erste Reichsgrundgesetz in der goldenen Bulle (s.d.) ertheilte. Er war aber auch höchst eigennützig und suchte daher das auf seine Königswahl verwendete Geld auf alle Weise, durch Einführung des Briefadels, Verpfändung der Reichsstädte u.s.w. von D. wieder. zu erhalten; auch benutzte er jede vortheilhafte Gelegenheit zu Ländererwerbung. Die Hanse erreichte gegen das Ende seiner Regierung ihre höchste Blüte, auch wurden während derselben das Schießpulver und der Branntwein in D. bekannt und 1372 die erste Stückgießerei in Augsburg angelegt.

Hatte Karl IV. über sein Böhmen D. vernachlässigt, so geschah das noch weit mehr von seinem Sohne und Nachfolger, dem 17jährigen König Wenzel (1378–1410), dessen Wahl er durch Bewilligungen und Geld von den Kurfürsten erlangt hatte. Unter der Regierung dieses der rohesten Sinnlichkeit ergebenen Fürsten nahm die Verwirrung im Lande wieder furchtbar überhand; die Verbindungen der Städte, zu denen seit 1376 der schwäb. Städtebund gekommen war, und die wider dieselben errichteten Bünde der Ritter und Fürsten, z.B. der Löwenbund am Rhein entlang, die Ritter zum h. Georg in Schwaben und andere, befehdeten einander und da Wenzel nach einigen misglückten Versuchen zur Herstellung des Landfriedens sich nach Böhmen zurückzog und an den Unruhen der böhm. Stände genug hatte, daher sich nicht mehr um D. kümmerte, so setzten ihn 1400 die rhein. Kurfürsten ab und wählten Ruprecht von der Pfalz zu seinem Nachfolger (1400–10). Dieser konnte sich indessen nur bei Wenzel's Unthätigkeit halten, da ihm viele Reichsstände die Anerkennung verweigerten und er wol viel guten Willen, allein nicht die Macht hatte, seine Würde geltend zu machen. Sein Tod drohte die Verwirrung noch zu mehren, indem die Zwietracht der Kurfürsten den Markgrafen Jodocus oder Jobst von Mähren und den ungar. König Sigismund, den Bruder Wenzel's, zu deutschen Königen ernannte; noch verhinderte aber der schnelle Tod des Markgrafen Jobst die Erneuerung des Bürgerkriegs, und Sigismund (1411–37) kam nach erneuter Wahl in unbestrittenen Besitz des Throns, um den Wenzel sich nicht mehr kümmerte, allein Böhmen behielt, bis er 1419 vor Zorn und Schreck über den Ausbruch der hussitischen Unruhen starb. Diese und der mit greuelvoller Erbitterung in Böhmen, Baiern, Franken, Meißen und Brandenburg geführte Hussitenkrieg (1419–31) wurden durch die Verbrennung des Joh. Huß (s.d.) veranlaßt, der nach dem Vorgange Wiklef's (s.d.) gegen kirchliche Misbräuche gepredigt hatte und zur Verantwortung vor die Kirchenversammlung nach Kostnitz (1414–18) geladen worden war, die zwar der seit 1378 anfangs durch zwei, später durch drei gleichzeitige und einander verwerfende Päpste bestandenen Kirchenspaltung (Schisma) durch Entsetzung derselben und Wahl eines neuen Papstes, Martin V., ein Ende machte, allein dann auch die gehoffte Reform der Kirche an Haupt und Gliedern nicht zu Stande bringen konnte. Der Kirchenversammlung zu Basel (1431–48) gelang dies nicht besser; sie that jedoch durch die prager Compactaten (s.d.) einen wichtigen Schritt zur Beruhigung Böhmens, von dem Sigismund noch ein Jahr vor seinem Tode als König anerkannt wurde. Wol nur der selbständigen Macht der größern Reichsfürsten und der Städte, sowie der Tüchtigkeit des Bürgerstandes ist es zu danken, daß Industrie und Wissenschaft sich fortwährend hoben, was sich jedoch von den Künsten weniger rühmen läßt. Noch gehören zu den folgenreichen Ereignissen der Regierung des zwar talentvollen, aber wankelmüthigen, ausschweifenden und verschwenderischen Sigismund, dessen Entschließungen nicht selten durch Geld bestimmt wurden, daß der Burggraf Friedrich von Nürnberg von ihm die Mark Brandenburg (s.d.) und die Kurwürde, sowie der Markgraf Friedrich der Streitbare [546] von Meißen die sächs. Kurlande mit der Kurwürde erwarben.

Sigismund beschloß den Mannsstamm der Luxemburger, und in seinem Schwiegersohne und Nachfolger Albrecht II. von Östreich (1438–39) kam die deutsche Krone wieder an dieses Haus. Seine kurze Regierung erlaubte nicht die Ausführung des von ihm erwarteten und beabsichtigten Guten, nur Übel ärger machte aber die nun folgende lange Regierung seines Vetters Friedrich III. (1440–93), dessen unentschlossener, die Ruhe liebender Charakter weder zur Selbstthätigkeit noch zur Vereinigung der vielsinnigen Reichsstände für gemeinsame Zwecke geeignet war, bei denen er Vertrauen und Ansehen endlich fast ganz verlor. Die Greuel des Faustrechts (s.d.) lebten unter ihm wieder auf, kein Theil D.'s blieb von Bürgerkrieg, Raub und Gewaltthaten verschont und das Fehdewesen erreichte ein vorher unbekanntes, mitunter lächerliches Übermaß, indem selbst großer Herren Köche und Bediente einander, auch wol Städten und Herren, oder z.B. die Schuhknechte zu Leipzig der Universität (1471) Fehde ansagten. Als die Eroberung von Konstantinopel durch die Türken (1453) ganz Europa in Schrecken gesetzt hatte, konnte sich der Reichstag nicht über Aufstellung eines Heers zur Unterstützung der Ungarn einigen, während der Franziskaner Capistrano (s.d.) ihnen Tausende von Freiwilligen zuführte, und die südöstl. deutschen Grenzlande blieben seit 1469 wiederholten türk. Einfällen preisgegeben. Auch als 1485 Friedrich III. aus Östreich durch Matthias Corvinus von Ungarn vertrieben ward, ließ ihn das Reich hülflos; glücklich verschaffte ihm aber der Tod seines Gegners seine Erblande wieder und die Vermählung seines 1486 zum röm. König erwählten Sohnes Maximilian mit Marie von Burgund bereitete die Macht seines Hauses vor. Wichtig ist ferner der Zeitraum von Friedrich III. Regierung, freilich ohne sein Zuthun, durch Erfindung der Buchdruckerkunst (s.d.), der die 100 Jahr ältere des Papiers aus Lumpen sehr zu statten kam; durch den Einfluß der zahlreich gewordenen Universitäten und das Wiedererwachen des Studiums der alten Literatur; durch die vom Feuergewehr bewirkte Umgestaltung des Kriegswesens und die Entdeckung von Amerika, der die des Seewegs nach Ostindien bald folgte, welche dem bisher blühenden Handel der süddeutschen Städte im 16. Jahrh. so verderblich wurde.

In Maximilian I., 1493–1519, der sich zuerst den Titel röm. Kaiser beilegte, gelangte ein thatkräftiger, sehr unterrichteter und tapferer Regent auf den Thron, den Lust an ritterlichen Abenteuern zwar zu manchem nachtheiligen Unternehmen verführte, unter dem aber auch viel Heilsames für D. zu Stande kam. Dahin gehört namentlich der von den Reichsständen auf dem 1495 nach Worms berufenen Reichstage gestiftete ewige Landfriede, welcher dem Faustrechte ein Ziel setzte und zu dessen Durchführung der 1488 errichtete große schwäb. Bund wesentlich beitrug, welchem sich die meisten Adelsverbindungen, der Markgraf von Brandenburg und andere Fürsten anschlossen; auch ward das Kammergericht gegründet, welches die Streitigkeiten der Fürsten schlichten und die Rechte der Unterthanen wider die Mächtigen schützen sollte. Überhaupt erhielt die Rechtspflege bestimmtere Formen und nachdem schon 1500 D. in 6 Kreise getheilt kam 1512 die Eintheilung in 10 Kreise, nämlich in den fränk., bair., schwäb., kurrheinischen, westfäl., östr., rheinländischen, ober- und niedersächs und burgund. zu Stande; auch die Erfindung der Taschenuhren und der Anfang einer regelmäßigen Postverbindung gehören in diese Zeit. Das wichtigste Ereigniß unter Maximilian's Regierung war aber die 1517 durch Luther begonnene Reformation (s.d.), welche unter dem folgenden Kaiser Karl V., 1519–58, Enkel Maximilian's und König von Spanien, vorzüglich begünstigt durch die sächs. Kurfürsten und von vielen erleuchteten Männern unterstützt, obgleich gehindert durch den großen Bauernkrieg (s.d.), den Unfug der Wiedertäufer (s.d.) und viele andere Unruhen, so schnelle Fortschritte machte, daß bereits 1529 auf dem Reichstage zu Speier viele der evangelischen Lehre zugewendete Fürsten und Städte gegen das Verbot der weitern Verbreitung der Reformation feierlich protestirten, woher der Name Protestanten rührt, und dann auf dem Reichstage zu Augsburg 1530 ihr Glaubensbekenntniß, die sogenannte Augsburgische Confession (s.d.) übergaben. Die gewaltsamen Absichten der Gegner bewogen 1531 die evangelischen Stände zur Bildung des schmalkaldischen Bundes (s.d.), gegen den vor der Hand nur auswärtige Händel den Kaiser von Gewaltmaßregeln abhielten, ja ihn sogar 1532 zu einem Religionsvergleiche bewogen, welcher die Entscheidung des Streits einer allgemeinen Kirchenversammlung vorbehielt und die Ruhe herstellen sollte, was aber nicht erreicht wurde. Indessen kam erst 1546 der schmalkald. Krieg zum Ausbruch, und die mangelnde Eintracht und Unentschlossenheit der protestantischen Fürsten führte beinahe die gänzliche Niederlage derselben herbei, hätte nicht Kurfürst Moritz von Sachsen die günstige Gelegenheit zur Erlangung des passauer Vertrags (1552) benutzt, welcher den Protestanten freie Religionsübung und den Besitz der eingezogenen geistlichen Güter zusicherte und durch den 1555 auf dem Reichstage zu Augsburg geschlossenen Religionsfrieden bestätigt wurde, welcher die Lutheraner in Allem den Katholiken gleichstellte. Bald nachher legte Karl V., einer der umsichtigsten, mächtigsten und unternehmendsten Fürsten, seine Regierung nieder, welche auch unter Anderm in Bezug auf Policei und Rechtspflege durch die von ihm ertheilte peinliche Halsgerichtsordnung, eine Reichspolicei- und eine Reichsexecutionsordnung zur Vollziehung der Beschlüsse des von ihm neueingerichteten Reichskammergerichts, merkwürdig ist; auch war er der erste deutsche Kaiser, welcher eine schriftliche Capitulation (s.d.) bei seiner Wahl beschwören und unterzeichnen mußte.

Die Versöhnung der Parteien in D. war aber nur eine scheinbare, und weder die durch kluge Mäßigung bezeichnete Regierung von Karl V. Bruder und Nachfolger, Ferdinand I., 1558–64, während der noch ein letztes Auftauchen des Faustrechts in den Grumbach' schen Händeln, die Einführung der Jesuiten und die Einbürgerung eines neuen Industriezweigs, des Spitzenklöppelns in Sachsen, bemerkenswerth ist, sowie die noch mehr eine weise Vermittelung erzielende seines Sohnes, Kaiser Maximilian II., 1564–76, waren vermögend, die sich immer feindseliger gestaltenden innern Verhältnisse zu versöhnen. Das Mistrauen zwischen Katholiken und Protestanten war nicht zu tilgen und Klagen über Anmaßung und Bedrückung von beiden [547] Seiten mehrten täglich die Erbitterung. Dazu kamen noch die heftigen Anfeindungen der Lutheraner und Reformirten unter sich, welche 1580 die Abfassung der Concordienformel (s.d.) veranlaßten, die unter der Regierung des zwar sehr gelehrten, allein über seine wissenschaftlichen Forschungen die Reichsangelegenheiten ganz hintenansetzenden Rudolf II., 1576–1612, den Katholischen einen Vorwand gab, sich nicht mehr an den Religionsfrieden zu halten, weil die Lutheraner, die freilich auch oft weiter griffen, als die bestehenden Verträge erlaubten, von der augsburg. Confession abgegangen wären. Endlich traten die Parteien in öffentlichen Verbindungen, der protestantischen Union (1608) unter Kurfürst Friedrich von der Pfalz, und der katholischen Ligue (1609) unter Herzog Maximilian von Baiern, zusammen, und die bestrittene Erbfolge der Besitzungen des 1609 im Mannsstamme erloschenen Hauses von Jülich, Kleve und Berg führte sie zuerst in Waffen einander gegenüber. Kaiser Matthias, 1612–19, war noch viel weniger der Mann, den sich überall aussprechenden Parteihaß zu beherrschen, und die Besorgniß der Böhmen, den ihnen freie Religionsübung zugestehenden, von Rudolf II. ertheilten sogenannten Majestätsbrief vernichtet zu sehen, führte noch 1618 den Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs (s.d.) herbei, der unter dem eifrig katholischen Kaiser Ferdinand II., 1619–37, und seinem Sohne Ferdinand III., 1637–57, D. in einen über alle Beschreibung elenden Zustand versetzte. Viele Ortschaften wurden damals für immer zerstört und ganze Landschaften in Einöden verwandelt; die Bevölkerung schmolz beinahe um die Hälfte zusammen, Handel und Gewerbe verfielen und gingen in fremde Hände über, die geistige Bildung machte unerhörte Rückschritte, selbst die Sprache verlor durch ausländische Floskeln ihren selbständigen, kräftigen Charakter; die Sitten waren außerordentlich verwildert. Die in dem endlich den Krieg 1648 beschließenden westfäl. Frieden für D. errungene kirchliche Freiheit foderte aber noch mehre Opfer; es mußten das Elsaß an Frankreich überlassen und ihm der Besitz der früher abgerissenen lothring. Bisthümer Metz, Toul und Verdun bestätigt, der beste Theil von Pommern, Wismar, die ehemaligen Bisthümer Bremen und Verden an Schweden abgetreten, außerdem Entschädigungssummen gezahlt und fremde Kriegsvölker noch mehre Jahre verpflegt werden. Durch die zugleich erfolgte Erweiterung der Hoheitsrechte der deutschen Reichsfürsten ward im Interesse des Auslandes der ohnedies nur zu einflußreichen Eifersucht und den eigennützigen Absichten derselben ein weiterer Spielraum gegeben, die kais. Macht aber gebrochen. Seit diesem Frieden endlich trat jene der volksthümlichen Entwickelung so nachtheilige Zeit ein, in der an den Höfen und in den höhern Ständen die vaterländische Sprache und Sitte verachtet und durch ausländische, namentlich franz. Rede- und Denkweise, durch franz. Tracht und alle Erbärmlichkeiten und Laster des franz. Hoflebens verdrängt wurden.

Wie sehr das deutsche Reich an innerer Macht und dadurch an Achtung im Auslande verloren hatte, sprach sich gleich unter Kaiser Leopold I., 1658–1705, aus, über dessen Wahl man erst ein Jahr nach Ferdinand IV. Tode einig wurde. Des nachdrücklichen Beistandes von Seiten des Reichs ungeachtet wurde der 1663 begonnene Türkenkrieg durch einen nachtheiligen Frieden 1664 beendet, und trotz der im westfäl. Frieden festgesetzten Sicherheit gegen gewaltthätige gegenseitige Eingriffe deutscher Reichsstände kommen wiederholte ungestrafte Versuche der Mächtigern zur Unterwerfung der Schwächern vor und die Reichsstädte Erfurt, Münster, Braunschweig, Magdeburg verloren auf diese Art ihre Reichsunmittelbarkeit. Immer zu ihrem Nachtheile wurden deutsche Fürsten und das Reich in die Eroberungskriege Ludwig XIV. verwickelt, der es selbst wagen durfte, sogenannte Reunions- (Vereinigungs-) Kammern niederzusetzen, welche mitten im Frieden ganze Bezirke am Rheine und in Lothringen als Frankreich zustehende, zu andern an dasselbe abgetretenen Provinzen gehörende Gebiete in Besitz nahmen und sich 1681 sogar der freien Reichsstadt Strasburg bemächtigten. Den Kaiser hinderte der erneute Andrang der Türken am Widerstande, von denen 1683 selbst Wien belagert, durch König Johann Sobieski von Polen, die Kurfürsten von Sachsen, Baiern und andere deutsche Fürsten aber entsetzt wurde, und erst als nach dem Tode des letzten Kurfürsten von der Pfalz (1685) aus der Linie Simmern, Ludwig XIV. dessen Lande als ein der Schwester desselben und vermählten Herzogin von Orleans gebührendes Erbe in Anspruch nahm, kam es zum Reichskriege. Die Franzosen brandmarkten sich damals durch ihre Verheerung der unglücklichen Pfalz, behielten aber im Frieden von Ryswijk 1697 Alles, was sie am linken Rheinufer an sich gerissen hatten; ungestraft ließ das Reich auch Karl XII. von Schweden während des großen nordischen Krieges durch Schlesien in Sachsen eindringen. Folgenreich ist die in der letzten Hälfte des 17. Jahrh. unter Friedrich Wilhelm, dem großen Kurfürsten (gest. 1688), erlangte Selbständigkeit des brandenburg.-preuß. Staats geworden, in wissenschaftlicher und industrieller Hinsicht aber ist dieser Zeitraum durch Erfindung der Luftpumpe, Wiederbelebung der Gelehrsamkeit, Aufkommen der Baumwollenmanufactur, das Bekanntwerden der Kartoffeln, des Kaffees und anderer Erzeugnisse der Colonien wichtig.

Zu den vielerlei Erbfolgestreiten, welche D. unter Leopold I. beunruhigten, gesellte der Tod (1700) des letzten Königs von Spanien aus dem östr. Hause, Karl II., welcher durch Testament einem franz. Prinzen sein Reich vermachte, das er vorher dem Erzherzoge Karl, Leopold's zweitem Sohne, zugedacht hatte, welcher deshalb als Thronerbe auftrat, die Theilnahme am span. Erbfolgekriege (seit 1707), der unter Leopold's Sohne, Kaiser Joseph I., 1705–11, mit Glück fortgeführt ward. Die auf Frankreichs Seite getretenen Kurfürsten von Baiern und Köln wurden deshalb mit der Acht belegt und Baiern ward durch Östreich in Besitz genommen; als jedoch nach Joseph I. Ableben dessen Bruder Karl, derselbe, welcher um die span. Krone focht, als Karl VI. zum deutschen Kaiser, 1711–40, gewählt worden war, veränderte das die Ansichten der verbündeten Engländer und Holländer, welche die Erneuerung der Macht Karl V. nicht wünschten, und so wurde trotz vieler Siege und der Bedrängnisse Ludwig XIV. der nachtheilige Friede zu Rastadt und Baden (1714) geschlossen, welcher Frankreich wie vorher im Besitz der von D. abgerissenen Gebiete ließ, den geächteten Kurfürsten ihre Länder wiedergab und Karl's Absichten auf Spanien ein Ziel setzte. Häufige Kriege mit der Türkei und Frank reich, an denen jedoch nur einzelne Reichsfürsten Theil nahmen, machten [548] seine Regierung zu einer sehr unruhigen, und seine Einmischung in die poln. Angelegenheiten nach König August II. Tode (1733) hatte einen Reichskrieg zur Folge, welchen 1738 der Friede zu Wien beschloß, in dem ganz Lothringen an Frankreich kam; der Herzog Franz Stephan von Lothringen erhielt dafür Toscana. Das Innere D.'s beunruhigten mancherlei Erbfolgestreitigkeiten der Fürsten, darunter auch die Erneuerung des jülich-kleve'schen Erbschaftsstreits, sowie in religiöser Beziehung die Anmaßungen der Jesuiten und die erneuten Bedrückungen, denen die Protestanten besonders in den Gebieten des Kurfürsten Karl Philipp von der Pfalz und des Erzbischofs von Salzburg ausgesetzt waren und die viele Tausende zur Übersiedelung in aufgeklärtere deutsche und fremde Länder bewogen. Die Stiftung der Brüdergemeine (s.d.) und die Erfindung des Porzellans in Europa gehören ebenfalls zu den denkwürdigen Ereignissen der Regierung Karl VI., mit dem der Mannsstamm des Hauses Habsburg-Östreich erlosch, daher er durch die sogenannte pragmatische Sanction seiner weiblichen Nachkommenschaft die Erbfolge in allen seinen Staaten zu sichern suchte. Kaum hatte jedoch seine Erbin und Tochter Maria Theresia, vermählt an den vorhingenannten Herzog von Lothringen-Toscana, die Erbschaft angetreten, als Baiern, Sachsen, Spanien und Sardinien Ansprüche darauf erhoben, und während sie dieselben noch zu beweisen suchten, Friedrich II. von Preußen seine Rechte auf einige schles. Fürstenthümer sogleich mit den Waffen geltend machte, was den ersten schles. Krieg, 1740–42, herbeiführte, in dem Preußen den größten Theil von Schlesien erwarb und im zweiten schles. Kriege, 1744–45, behauptete. Diesem Beispiele folgend, eröffnete der Kurfürst Karl Albrecht von Baiern 1741 den östr. Successions- oder Erbfolgekrieg hauptsächlich mit Frankreichs Beistande, dessen Einfluß auch seine Wahl zum deutschen Kaiser als Karl VII., 1742–45, bewirkte. Die anfänglich von ihm errungenen großen Vortheile gingen aber bald wieder verloren und sogar seine Erblande dazu, welche erst sein Nachfolger, Kurfürst Max Joseph, von Östreich wiedererhielt, nachdem er in dem 1745 zu Füssen geschlossenen Frieden allen bisherigen Ansprüchen an Östreich entsagt hatte, das mit Frankreich und seinen Bundesgenossen den Krieg noch fortführte, bis 1748 der aachener Friede fast Alles in den frühern Zustand setzte. Zum Nachfolger Karl VII. war Maria Theresia's Gemahl schon 1745 als Kaiser Franz I. gewählt worden.

Der längst ersehnte und scheinbar nun hergestellte Friede sollte D. aber noch nicht zu Theil werden, denn Östreich, welches den Verlust Schlesiens nicht verschmerzt hatte, warb im Geheimen mächtige Bundesgenossen wider Preußen, und kaum glaubte König Friedrich II. die Pläne seiner Widersacher zu durchschauen, als er ihnen mit den Waffen in der Hand zuvorkam und 1756 den höchst verderblichen siebenjährigen Krieg (s.d.) begann. Müde des vielen Blutvergießens, schlossen die Kämpfenden endlich 1763 den hubertsburger Frieden, der im Allgemeinen die Lage der Sachen vor dem Kriege herstellte. Zwei Jahre darauf starb Franz I., dem auf dem Kaiserthrone sein Sohn Joseph II., 1765–90, folgte, welcher sich zunächst die Verbesserung des Justizwesens im Reiche angelegen sein ließ, und nachdem ihm Maria Theresia's Tod (1780) freie Hand in der Regierung seiner Erblande gegeben, gleich Friedrich II. von Preußen der Schöpfer einer neuen Zeit für seine Staaten zu werden strebte. Er wollte den Tod des Kurfürsten Max Joseph von Baiern (s.d.) unter Zustimmung von dessen Nachfolger, des Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz, benutzen, um kraft alter Ansprüche auf Niederbaiern einen großen Theil des Landes für Östreich zu erwerben. Dem widersetzte sich aber Preußen im Interesse des deutschen Reichs und des Herzogs von Pfalz-Zweibrücken, des künftigen Erben der bair. Staaten, und der darüber ausgebrochene bair. Erbfolgekrieg, 1778–79, endigte, ohne daß es zu einer Hauptschlacht gekommen, mit dem Frieden zu Teschen, welcher Östreichs Ansprüche auf Erwerbung des Innviertels beschränkte. Auch den spätern Plan, Baiern gegen die östr. Niederlande einzutauschen, vereitelte Friedrich II., indem er 1785 mit mehren Fürsten den deutschen Fürstenbund zur Aufrechthaltung des Reichs und des Besitzstandes seiner Glieder errichtete.

Mit der nun endlich eingetretenen Ruhe begann für D. das Zeitalter einer neuen Blüte, dessen von Krieg und andern eingetretenen Hindernissen zwar gehemmten, doch nicht unterbrochenen Fortganges wir uns noch erfreuen. Ackerbau, Gewerbe und alle Zweige menschlicher Kenntnisse und Fertigkeiten machten, unterstützt von vielen neuen Erfindungen, schnelle Fortschritte, in wissenschaftlicher Hinsicht aber traten jetzt auch wohlthätige Folgen von D.'s Trennung unter viele Regenten ans Licht, welche den für Aufklärung und freie Geistesbildung wirkenden, darum aber oft bedrängten Männern doch stets eine sichere Zuflucht hatten finden lassen. Groß ist die Zahl Derer, welche seit der Mitte des 18. Jahrh. durch ihre Schriften nach allen Seiten vorbildend und anregend wirkten und die neue Selbständigkeit deutscher Geistesbildung vorbereiteten, welcher sich in unsern Tagen die Anerkennung der gesammten civilisirten Welt zuwendet. Die deutsche Sprache fand neue Bearbeiter im volksthümlichen Geiste, große Dichter läuterten und veredelten die Nation, in der Tonkunst überflügelten die Deutschen alle Zeitgenossen, der Geist freier Forschung verdrängte Wahn und Vorurtheil immer mehr, edlere Ansichten von der Bestimmung des Menschen machten die Gesetze menschlicher und die Tortur und eine Menge barbarischer Strafen singen an außer Gebrauch zu kommen. Die Trennung D.'s innerer Verhältnisse bewirkte aber auch wieder, daß nur einzelne dieser Fortschritte gleichzeitig allgemeinere waren, ja daß sie sogar Widerstand fanden, wo die dazu noch nicht reife Bevölkerung plötzlich mit hineingezogen werden sollte. Dies erfuhr auch Joseph II. am Ende seiner Tage und hinterließ seine Erblande in einem davon höchst aufgeregten Zustande; sein Bruder und Nachfolger, auch auf dem Kaiserthrone, Leopold II., 1790–92, stellte jedoch durch Aufgeben der begonnenen Neuerungen die Ruhe wieder her. Zunächst erregte nun seine und des Reichs gerechte Besorgniß der Ausbruch der franz. Revolution, deren Einfluß selbst in D. vorübergehende Volksbewegungen hervorrief, wie z.B. den Aufstand der freilich sehr gedrückten Landleute in Sachsen, die Unruhen in Mainz und an mehren andern Orten, und Leopold II. verbündete sich deshalb zu Pillnitz 1791 mit Preußen zur Aufrechthaltung des Reichs, allein auch zur Unterstützung der kön. Rechte in Frankreich. Die dort herrschende Partei hielt sich dadurch aber für so gefährdet, daß sie nach Leopold II. frühem Tode den Krieg an Östreich erklärte (Apr. 1792), wo ihm, sowie auch als röm. [549] Kaiser, sein Sohn Franz II. nachfolgte. Das ohnedies von Frankreich beeinträchtigte deutsche Reich schloß sich dem Kriege an, der glücklich begonnen wurde, in dessen Fortgange aber der Vortheil immer entschiedener auf die Seite des inzwischen zur Republik gewordenen Frankreichs sich neigte, welches die Niederlande und die deutschen Gebiete am linken Rheinufer besetzt hielt, als Preußen 1795 zu Basel einen besondern Frieden schloß und für das nördl. D. Neutralität ausmachte. Östreich bot dagegen Alles zu kräftiger Fortführung des ihm fast allein zur Last fallenden Kriegs auf, da sich die meisten Reichsstände ebenfalls zurückzogen, und schloß erst 1797 für sich den Frieden von Campo Formio (s.d.), mit dem Reiche aber sollte er auf einem besondern, im Jan. 1798 zu Rastadt eröffneten Congresse verhandelt werden. Frankreichs absichtliches Zögern und übertriebene Foderungen verhinderten aber jede Vereinigung und der Krieg begann 1799 von Neuem, wobei Östreich, von Rußland kräftig unterstützt, anfangs große Vortheile errang, allein nach dem Abzuge der russ. Hülfstruppen (1800) und den Schlachten bei Marengo (14. Jun.) und bei Hohenlinden (5. Dec.) sich zum Frieden von Luneville (7. März 1801) genöthigt sah, dem das Reich beitrat, welches alle Besitzungen am linken Rheinufer, über 1200 ! M. mit beinahe 4 Mill. Einw., an Frankreich überließ. Die dabei verlierenden Reichsstände wurden mit geistlichen Gebieten in D. entschädigt, deren allgemeine Einziehung erfolgte, sodaß kein geistlicher Fürst mit Landbesitz im Reiche blieb, den anstatt des Kurfürsten von Mainz ernannten Kurerzkanzler ausgenommen, der das Fürstenthum Aschaffenburg, Bisthum und Stadt Regensburg und Wetzlar erhielt. Auch sämmtliche freie Reichsstädte bis auf sechs, Augsburg, Nürnberg, Frankfurt, Hamburg, Lübeck und Bremen, wurden als Entschädigung mit vertheilt, wobei mehr die Gunst Frankreichs als der erlittene Verlust entschied. Ruhig ließ es das Reich, ließen es Östreich und Preußen geschehen, als in Folge des erneuten Krieges zwischen Frankreich und England das von letzterm für neutral erklärte Hanover von den Franzosen 1803 besetzt wurde, allein das zunehmend rücksichtslose Schalten des seit 1804 über Frankreich gebietenden Kaisers Napoleon nöthigte Östreich doch schon 1805 von Neuem zum Kriege, den aber das Glück der franz. Waffen durch den Sieg bei Austerlitz (s.d.) und den Frieden von Preßburg (26. Dec. 1805) so schnell beendete, daß Preußen sein schon vorbereitetes Auftreten gegen Napoleon nicht mehr rathsam fand und vielmehr einen Vertrag mit ihm einging, durch den es gegen Anspach, Neufchatel und Kleve Hanover eintauschte, dadurch aber Englands Feindschaft sich zuzog. Besonders angelegen ließ sich Napoleon die Entschädigung der deutschen Fürsten sein, welche die Umstände zu seinen Bundesgenossen wider Östreich gemacht hatten, und mit Gebietserweiterungen wurden Baiern und Würtemberg zu Königreichen erhoben. Die Auflösung des deutschen Reiches zu vollenden, stiftete endlich Napoleon am 12. Jul. 1806 den Rheinbund, welchem anfänglich 15 und später mehre Fürsten beitraten und dessen Protector oder vielmehr Oberhaupt er war; Baden, das dem Prinzen Murat überlassene Berg und Hessen-Darmstadt erhielten nun den großherzoglichen Titel und der Kurerzkanzler wurde zum souverainen Fürst Primas ernannt. Der allgemeinen Reichsversammlung zu Regensburg ließ aber Napoleon am 1. Aug. 1806 erklären, daß er kein deutsches Reich mehr anerkenne, wol aber die unumschränkte Souverainetät aller Fürsten, deren Staaten das damalige D. ausmachten, mit denen er in dieselben Verbindungen treten wolle, wie mit andern europ. Fürsten. Nunmehro verzichtete Franz II., der schon 1804 den Titel eines östr. Erbkaisers angenommen hatte, auf die ihrer Rechte und ihres Glanzes beraubte röm.-deutsche Kaiserkrone und verließ den Thron, welcher seit 1000 Jahren die höchste Würde in der abendländ. Christenheit verliehen hatte.

Zertrümmert war die politische Einheit D.'s und als der rasche Versuch Preußens, dem Rheinbunde einen nordischen Bund und dadurch der einreißenden Fremdherrschaft einen Damm entgegenzustellen, mislungen war, wagte es zu spät in Verbindung mit Sachsen und in der Hoffnung auf Rußlands Beistand den Kampf mit Frankreich und seinen Bundesgenossen. Allein die einzige Schlacht bei Jena und Auerstädt (14. Oct. 1806) gab alle deutschen Lande Preußens in franz. Gewalt und der Friede zu Tilsit (9. Jul. 1807) kostete ihm alle westl. von der Elbe liegenden Besitzungen, welche Napoleon theils an seine in Holland und dem Großherzogthume Berg regierenden Verwandten vertheilte, theils mit Beiziehung der braunschweig. und hessen-kass. Besitzungen, deren Fürsten er wegen ihres Benehmens gegen ihn entsetzt hatte, für seinen Bruder Hieronymus Bonaparte zu einem neuen Königreiche Westfalen gestaltete. Dieses trat dem Rheinbunde bei, wie die übrigen im Besitz gebliebenen Fürsten, von denen der Kurfürst von Sachsen die kön. Würde und das auf Preußens Kosten neugebildete Großherzogthum Warschau erhalten hatte. D. war jetzt in zwei Hälften geschieden, von denen die westl. und größte, zwar dem Namen nach von unabhängigen Fürsten regiert, nichtsdestoweniger von Napoleon's Willen abhing, und die gänzlich abgesonderte östl. in ansehnlichen Gebietstheilen Preußens und Östreichs bestand. Letzteres hatte im Stillen neue Kräfte gesammelt und hielt zum Wiedergewinn des Verlorenen den Zeitpunkt günstig, wo der edle Kampf Spaniens gegen die franz. Herrschaft Napoleon's beste Truppen beschäftigte. Auf die Unterstützung des übrigen D. rechnend, griff es 1809 zu den Waffen, allein die Truppen des Rheinbundes zogen in schnöder Dienstbarkeit mit den Franzosen und nur in Tirol ließ die Liebe für Vaterland und angestammtes Fürstenhaus unter Hofer's (s.d.) Anführung das Volk mit Erfolg zu den Waffen greifen, im übrigen D. aber blieben die einzeln versuchten Aufstände des westfäl. Obersten der Gardejäger, Freiherrn von Dörnberg, des preuß. Obersten Schill, die Volksbewegungen bei Marburg, Mergentheim und Nürnberg ohne Theilnahme. Östreich aber unterlag auch diesmal Napoleon's überwiegenden Talenten und sah sich des hartnäckigsten Widerstandes ungeachtet durch die Schlacht von Wagram (6. Jul. 1809) zum wiener Frieden (14. Oct.) und zu neuen Abtretungen auch in D. genöthigt. Vollständig erschien der Deutschen Schmach und Unterjochung, der sich im Jul. noch der vertriebene Herzog Friedrich Wilhelm von Braunschweig (s.d.) durch seinen kühnen Marsch aus Böhmen zur Nordsee entzog, wo er sich nach England einschiffte, und die den schwachen Arm des jungen Fr. Stapß aus Naumburg mit dem Dolche wider Napoleon bewaffnete. Schonungslos bewies dieser jetzt aller Welt, daß er wenigstens Herr des nördl. D.'s sei, vertrieb das Haus Oldenburg aus seinem Erbe und vereinigte 1810 alle Küstenländer [550] bis jenseit Lübeck mit dem franz. Reiche, während die Truppen der kleinern deutschen Fürsten in Spanien für den Eroberer aufgeopfert, viele deutsche Kunstschätze nach Paris entführt wurden und selbst Leben und Freiheit der franz. Willkür preisgegeben war, wie das unglückliche Loos des schon 1806 auf franz. Befehl erschossenen nürnberger Buchhändlers Joh. Philipp Palm und des Hofraths Rud. Zachar. Becker (s.d.) darthut. In den 1812 gegen Rußland begonnenen Krieg mußten Napoleon nicht blos die Truppen des Rheinbundes, sondern auch ein preuß. und ein östr. Hülfscorps folgen und der russ. Winter bereitete auch 100000 Deutschen ein weites Grab. Wol hielten jetzt die vaterländisch Gesinnten den Zeitpunkt nahe, wo die verlorene Unabhängigkeit durch eine gemeinsame Anstrengung wiedergewonnen werden könne; allein noch waren fast alle feste Plätze in franz. Gewalt und die Verzagtheit der Mehrzahl des Volkes hinderte entscheidende Schritte, obgleich nicht die Vorbereitung dazu. Da gab endlich Preußen, begünstigt durch die Nähe der ihm jetzt verbündeten russ. Heere, im Febr. 1813 das Zeichen zur Erhebung und das Beispiel der seltensten Hingebung, das auch im übrigen D. die lebhafteste Theilnahme fand. Allein auch Napoleon stand bald wieder mit überlegener Macht in Sachsen und das Glück der Schlachten entschied, des hartnäckigsten Widerstandes der Verbündeten ungeachtet, bei Lützen (2. Mai) und Bautzen (s.d.) (20. Mai) für ihn. Schon befanden seine Heere sich wieder im Herzen von Schlesien, als ein beiden Theilen erwünschter Waffenstillstand zu Pläswitz (vom 4. Jun. bis 10. Aug.) zu Stande kam, nach dessen Ablauf und da die in Prag begonnenen Friedensverhandlungen ohne Erfolg blieben, auch Östreich den Verbündeten sich anschloß. Bald nöthigten nun die Siege bei Großbeeren, an der Katzbach und die das unglückliche Treffen bei Dresden vergessen machenden Triumphe der Verbündeten bei Kulm, Nollendorf und Dennewitz die Franzosen zum Rückzug nach Leipzig, wo in der Völkerschlacht am 16., 18. und 19. Oct. die franz. Herrschaft in D. vernichtet wurde. Baiern hatte sich kurz vorher den Verbündeten angeschlossen und seine Truppen maßen sich bei Hanau (30. Oct) noch mit dem über den Rhein zurückeilenden Feinde; die übrigen Rheinbundfürsten folgten dem gegebenen Beispiele und nur einige Festungen befanden sich noch in franz. Gewalt. Die unter der Franzosenherrschaft gebildeten Staaten wurden aufgelöst, die vertriebenen deutschen Fürsten kehrten zum Theil in ihre Staaten zurück und eine seit den Kreuzzügen unerhörte allgemeine Begeisterung vermehrte die Armee der Verbündeten mit muthigen Streitern, Viele aber, die nicht selbst zum Schwert zu greifen vermochten, opferten bereitwillig Hab und Gut der deutschen Sache. Am Rhein war einige Waffenruhe eingetreten, aber am 1. Jan. 1814 überschritten die Verbündeten den Strom und den Siegen bei Brienne (1. und 2. Febr.), Laon (9. März), Fere-Champenoise (25. März) folgte die Einnahme von Paris (31. März), und da die zu Chatillon (s.d.) mit Napoleon gepflogene Unterhandlung fruchtlos geblieben, seine Entthronung und die Wiederherstellung der deutschen Grenzen von 1792 in dem am 30. Mai geschlossenen ersten pariser Frieden.

In diesem wurde wegen der innern Verhältnisse D.'s bestimmt, daß die deutschen Staaten unabhängig, aber durch ein föderatives Band verknüpft sein sollten, was auf dem im Nov. 1814 eröffneten Wiener Congresse (s.d.) durch Stiftung des unauflöslichen deutschen Bundes bewirkt ward, auf dem die heutige, oben dargestellte Verfassung D.'s beruht. Die von Frankreich zurückgenommenen Gebiete wurden indessen nur zum Theil wieder mit D. vereinigt und z.B. der ganze frühere burgund. Kreis mit dem ehemaligen Hochstifte Lüttich mußte zur Vergrößerung des neugeschaffenen Königreichs der Niederlande dienen. Bei der Ausgleichung im Innern führten die sich vielfältig durchkreuzenden Ansprüche und Interessen auch Verletzungen herbei, und während Hanover damals mit erweitertem Besitz zum Königreiche erwuchs, erfolgte zum Besten Preußens die Theilung von Sachsen. Bevor man aber in Wien mit dem verwickelten Geschäfte dieser Ausgleichung zu Stande war, rief Napoleon's Rückkehr von Elba auch die Deutschen von Neuem zu den Waffen und gleich bei Eröffnung des Kampfes fand ein deutscher Fürst, der Herzog von Braunschweig, bei Quatre-Bras den Heldentod. Preußen, Hanoveraner und Engländer setzten jedoch durch die Schlacht bei Waterloo dem Kriege ein schnelles Ziel und zum andern Male nahmen die Verbündeten die Hauptstadt Frankreichs in Besitz, das in dem zweiten pariser Frieden (20. Nov. 1815) noch das Meiste der bis 1790 bei D. gewesenen Gebiete, sowie die geraubten Kunstschätze zurückgeben, auch eine große Kriegssteuer bezahlen und mehre Jahre seine östl. Grenzfestungen in den Händen der Sieger lassen mußte.

Jetzt trat endlich ein Dauer versprechender Friede ein und die Regierungen konnten den innern Verhältnissen ihre ungetheilte Aufmerksamkeit widmen. Große Hoffnungen wurden gehegt von dem Segen der mit Aufwand der letzten Kraft wiedergewonnenen Unabhängigkeit und namentlich herrschte der dringende Wunsch, den bürgerlichen Rechtszustand durch ständische oder stellvertretende Verfassungen angemessen gesichert zu sehen. Nun erfolgte zwar hier und da die Herstellung der alten Landstände und die Einführung neuer Verfassungen, allein meist entsprachen die gemachten Bedingungen ebenso wenig dem Erwarteten, wie das weise Zögern anderer Staaten, welche erst ein Verschmelzen widerstrebender Elemente abwarten zu müssen glaubten. Zu diesen und andern Beweggründen des Mismuths gesellte sich noch nach aufgehobenem Continentalsystem die Überführung D.'s mit allen Erzeugnissen engl. Industrie, welche die deutschen Producte vom Markte verdrängten, der Miswachs von 1816 und die Theurung des folgenden Jahres, daher denn trotz so manches ins Leben getretenen Guten die Stimmung des Volkes keine frohe war. Lange Züge Auswanderer verließen 1818 wie in den jüngsten Jahren die südl. Gegenden, um in Amerika ein sorgenfreieres Dasein zu suchen, und die Schriftsteller sprachen bei der bedingungsweisen Preßfreiheit mit großer Freimüthigkeit über die deutschen Zustände. Dadurch, sowie durch Verdächtigungen von außen her und einige auffallende Handlungen der studirenden Jugend, endlich durch Kotzebue's Ermordung durch den Schwärmer Sand (s.d.) ward die Aufmerksamkeit der Fürsten vorzugsweise auf die Universitäten und auf die Presse gerichtet und es vereinigte sich 1819 ein Congreß der Gesandten der deutschen Höfe in Karlsbad, welcher die Verschärfung der Censur und Bildung einer Centraluntersuchungscommission in Mainz anordnete, der alle Untersuchungen über demagogische Umtriebe in D. zugewiesen werden sollten und die erst [551] 1828 aufgehoben wurde. Daß Preußen 1819 seine Industrie durch Errichtung einer strengen Zolllinie an seinen Grenzen und hohe Besteuerung aller fremden Waaren zu heben suchte, erregte auch großen Widerspruch, allein die Erfolge haben damit ausgesöhnt und seit 1833 ist für zwei Drittel von D. durch einen großen Zollverein nach preuß. Systeme der freie Verkehr im Innern hergestellt. Von der größten Wichtigkeit ist ferner, was seit dem Frieden für allgemeine Volksbildung besonders im nördl. D. geschah, das darin dem Auslande zum Muster dient. In kirchlichen Angelegenheiten ist die in vielen Ländern bewirkte Vereinigung der reformirten und lutherischen Glaubensgenossen bemerkenswerth, sowie der Abschluß von Concordaten (s. Concordia) der einzelnen Bundesstaaten zur Regulirung der katholischen Angelegenheiten. Leider darf aber dabei auch das Wiedererstehen der Klöster in Baiern und das in mehren Theilen D.'s bedauerliche Überhandnehmen eines wahrer Religiosität wie der Aufklärung des Zeitalters gleich unwürdigen Mysticismus nicht unerwähnt bleiben, welcher schon die schrecklichsten Verirrungen veranlaßt hat.

Außerordentlichen Einfluß auf D.'s innere Verhältnisse, sowol was den deutschen Bund als die Verfassung einzelner Staaten betrifft, übte das Jahr 1830. Die Umgestaltung Frankreichs in den Julitagen rief gleichzeitig alle längst gehegten Wünsche nach Verbesserungen mit einem Ungestüm ins Gedächtniß zurück, das da, wo man zu weit hinter den Foderungen der Zeit zurückgeblieben war oder wo das Volk unter Bedrückungen seufzte, zu förmlichen, indeß nur örtlichen Aufständen erwuchs. Das Königreich Sachsen, beide Hessen, Braunschweig, Sachsen-Altenburg, Hanover waren zunächst der Schauplatz dieser, zum Theil schnell vorübergehenden Volksbewegungen, an welche sich aber wichtige Umgestaltungen der Verfassungen dieser Länder anschlossen. Dadurch aber, sowie durch die in den Ständeversammlungen süddeutscher Länder ausgesprochenen Foderungen und die 1832 im S., besonders in Rheinbaiern herrschende Aufregung, welche bei der Feier des Constitutionsfestes zu Hambach am 27. Mai sich am drohendsten aussprach, endlich durch den Ausbruch von Unruhen in Frankfurt am Main selbst (3. Apr. 1833) wurde das wiederholte nachdrückliche Einschreiten des Bundestags durch die seit 1830 erlassenen Beschlüsse veranlaßt, welche im Allgemeinen Verschärfung der Censur, die Verbote vieler Zeitschriften und Bücher, die Zurücknahme des 1831 in Baden (s.d.) erlassenen Preßgesetzes, das Verbot politischer Versammlungen, Halten politischer Reden und des Tragens anderer als landesüblicher politischer Abzeichen, den militairischen gegenseitigen Beistand der Bundesstaaten bei ausbrechenden Unruhen, neue Anordnung der Universitätsverhältnisse und Beschränkungen des Buchhandels, besonders in Folge des zu Ende 1833 in Wien versammelten Ministercongresses der Bundesstaaten, verfügten; auch begannen von Neuem vielseitige Untersuchungen wegen gefährlicher Verbindungen der Studirenden, die schon hie und da zahlreiche Verurtheilungen zur Folge gehabt haben. Allein nur wenn sich mit ihnen, wie in manchen Staaten theilweise geschehen, die Gewährung billiger Wünsche vereinigt, dürfte bei Fortdauer des in Bezug auf Handel und Gewerbe im Allgemeinen günstigen Zustandes D.'s die Zukunft unsers gemeinsamen Vaterlandes zu den frohesten Hoffnungen berechtigen.

Unter den ausführlichen neuern Bearbeitungen der deutschen Geschichte ist vor allen I. Ch. von Pfister's »Geschichte der Deutschen« (5 Bde., Hamb. 1829–35) anzuführen; von denen auf beschränkterm Raume verdienen aber W. Menzel's »Geschichte der Deutschen« (neue umgearbeitete Aufl. in einem Bande, Stuttg. 1835), und K. W. Böttiger's »Geschichte des deutschen Volkes« (2 Bde., mit 8 Stahlstichen, Stuttg. 1835) ausgezeichnet zu werden; scharfgezeichnete Schilderungen deutscher Zustände enthalten die »Briefe eines in D. reisenden Deutschen« (4 Bde., Stuttg. 1828), ein allseitiges Bild D.'s aber gibt K. Fr. Vollrath Hoffmann's »D. und seine Bewohner, Handbuch der Vaterlandskunde für alle Stände« (bis jetzt 3 Bde., mit Stahlstichen und Lithographien, Stuttg. 1835–36).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 534-552.
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