Erdkunde

[4] Erdkunde (Geographie, Länderkunde; hierzu die Porträttafel »Geographen«). Wesen und Aufgaben der E. lassen sich nicht, wie bei den meisten andern Wissenschaften, in wenigen Worten bestimmt bezeichnen. Denn sie haben sich im Laufe der Zeit wesentlich geändert, und noch heute gehen die Meinungen auseinander. Wird doch von manchen die Berechtigung der E. als einer besondern Wissenschaft bestritten! Es genügt daher nicht, eine bestimmte Auffassung vorzutragen, sondern es müssen die verschiedenen Richtungen namhaft gemacht werden. Eine Anzahl geographischer Methodiker hält sich an den ursprünglichen Begriff der E., der auch noch in ihrem Namen zur Geltung kommt, und stellt sie als die Wissenschaft von der Erde und ihren Bewohnern sowohl im Ganzen als nach ihren Teilen hin. Dagegen läßt sich einwenden, daß die E. danach keine besondere Wissenschaft, sondern ein Komplex vieler Wissenschaften sei, daß sie ganz Ungleichartiges vereinige und sich ganz verschiedener Forschungsmethoden bediene, daß[4] sie daher notwendig zur Verflachung führe. Die meisten Geographen sind deshalb bestrebt, Begriff und Aufgaben der E. enger zu fassen. Dafür bieten sich nach dem Entwickelungsgange der E., die man heute meist als eine naturwissenschaftliche Disziplin mit einem ihr innewohnenden geschichtlichen Element bezeichnet, zwei verschiedene Ausgangspunkte dar.

Man kann vom Begriff der allgemeinen E. ausgehen, wie sie von Varenius (1650) begründet worden ist. Die E. ist danach die Wissenschaft von der Erde als Ganzem, gleichsam als einem planetarischen Individuum, und zerfällt in zwei Hauptteile: 1) Die mathematische Geographie (s.d.) beschäftigt sich mit den räumlichen Eigenschaften der Erde, also mit ihrer Stellung im Planetensystem und mit ihrer Gestalt und Größe. 2) Die physikalische (physische) Geographie (s.d.) oder Geophysik wendet die Physik auf die Erscheinungen der Erde an; sie betrachtet aus diesem Gesichtspunkt zuerst die Erde als Ganzes, ihre Schwere, Wärme, Zusammensetzung, ihre magnetischen Eigenschaften, dann ihre einzelnen Teile, feste Erdoberfläche, Meer, Gewässer des Festlandes und die atmosphärische Luft, so daß sie außer der Erdoberfläche selbst alle diejenigen Erscheinungen umfaßt, die ursächlich mit ihr verbunden sind, und die dynamische Geologie (s.d.), Hydrographie (s.d.) und Meteorologie (s.d.) als Teile in sich begreift. Die biologische Geographie oder Geographie der Organismen, d. h. der Pflanzen, der Tiere und des Menschen nach seinen leiblichen Eigenschaften, kann nur anhangsweise behandelt werden, weil ihre Methode von der der mathematischen und physikalischen Geographie verschieden ist. Auch die Kunde der einzelnen Erdräume wird von dieser allgemeinen E. nicht berücksichtigt oder dient doch unter dem Namen einer beschreibenden Geographie nur als Materialsammlung. Eben deshalb verhalten sich die meisten Geographen dieser Richtung gegenüber ablehnend. Sie sprechen der allgemeinen E. nicht an sich die Berechtigung ab, aber sie leugnen, daß sie das Wesen der E. erschöpfe. Voraussichtlich wird sich die allgemeine E. als mathematisch-physikalische Geographie zu einer besondern Wissenschaft neben der eigentlichen Geographie entwickeln.

Die Geographie ist seit alters in erster Linie Länderkunde (d. h. Kenntnis der verschiedenen Erdräume) gewesen. Das ist auch heute mehr denn je der Begriff, den man mit dem Worte Geographie verbindet, da man ihren Schwerpunkt in der allseitigen Erkenntnis der verschiedenen Erdräume, mithin in der Länderkunde, sucht. Ritters »Erdkunde« war durchaus Länderkunde (denn der Name »allgemeine E.« soll bei ihm nur die Abwesenheit eines besondern Zweckes, wie etwa die Anwendung auf den Handel oder den Krieg ausdrücken), und auch die neuern Geographen fassen die Geographie hauptsächlich als Länderkunde auf. Denn darauf kommt es hinaus, wenn F. v. Richthofen sie als die Wissenschaft von der Erdoberfläche und ihren Wirkungen auf Klima, Pflanzen, Tiere und Menschen bezeichnet, oder wenn Marthe sie als die Wissenschaft vom Wo der Dinge oder von der örtlich verschiedenen Wechselwirkung der tellurischen Faktoren erklärt. Die Geographie ist daher eigentlich nicht die Wissenschaft von der Erde, sondern von den Erscheinungen der Erdoberfläche (Ortswissenschaft); deshalb vermeidet man neuerdings lieber das Wort E. und sagt Geographie oder Länderkunde. Freilich machen sich auch innerhalb der Behandlung der Länderkunde verschiedene Richtungen geltend. Im Altertum standen sich eine wesentlich geometrische Behandlungsweise, der es hauptsächlich auf die genaue räumliche Festlegung der Örtlichkeiten ankam, und eine schildernde, auch den Menschen und seine Werke einbegreifende Betrachtungsweise gegenüber; für eine Darstellung des Naturcharakters der Länder war die Zeit noch nicht reif. Auch in der Neuzeit legten die einen besonders auf die geometrische Genauigkeit, die andern auf die Schilderung oder später immer mehr nur auf die Angabe von Merkwürdigkeiten und topographischen Einzelheiten Wert; die Länderbeschreibung ward immer mehr zur statistischen Materialsammlung, die nur einzelne, wie Büsching, durch höhere statistische Gesichtspunkte zu befruchten wußten. Aber an diese statistischen Länderbeschreibungen knüpft in Karl Ritter die moderne wissenschaftliche Geographie an. Ritter stellte, wie schon der zweite Titel seines großen Werkes: »E. im Verhältnis zur Natur und Geschichte des Menschen«, zeigt, der Geographie die Aufgabe, die Erdoberfläche und ihre Wirkungen sowohl auf Klima, Pflanzen und Tierwelt als auf den Menschen und seine Werke darzustellen. Tatsächlich hat er allerdings, und im Fortgang der Arbeit immer mehr, die Natur nur nebensächlich behandelt und fast alles Interesse dem Menschen zugewendet, dessen Verhältnisse bei jedem Erdraum auf das eingehendste durch alle Zeiten hindurch verfolgt werden. Seine Geographie ist also im Laufe der Zeit gegen seine eignen methodischen Absichten hauptsächlich historische Geographie und eine Hilfswissenschaft der Geschichte geworden. Auch seine Schüler, unter denen sich viele Historiker befanden, haben die historische Geographie oder wenigstens die geographische Betrachtung des Menschen in den Vordergrund gestellt. – Die naturwissenschaftliche Länderbeschreibung stand außerhalb der eigentlichen Geographie. Sie war im Zeitalter der Entdeckungen erwacht, als man fremde Länder mit ganz andrer Natur als die heimische kennen lernte, sie hatte in Alexander v. Humboldt ihren glänzendsten Vertreter gehabt; sein Vorbild lockte alle Reisenden mit weitem Blick zur Nachahmung, so daß sie alle in diesem Sinne Geographen gewesen sind. Eine Anzahl hervorragender Länderbeschreibungen sind aus der Feder naturwissenschaftlicher Reisender hervorgegangen. Aber erst als Peschel in seinen »Neuen Problemen der vergleichenden E.« die Erforschung der Erdoberfläche für die Geographie in Anspruch genommen hatte, fand die naturwissenschaftliche Länderkunde ihren Platz in der Wissenschaft. Nur wenige halten jetzt noch an der Ansicht fest, daß die Darstellung eines Erdraumes lediglich auf den Menschen zuzuspitzen sei, die meisten stellen als erste Aufgabe die Darstellung der gesamten Naturverhältnisse des Landes hin und begreifen den Menschen nur so weit ein, als er von der Natur abhängig ist oder sie umändert. Dabei ist die geographische Betrachtung im ganzen auf die Gegenwart gerichtet und zieht die Vergangenheit nur herbei, insoweit es zum Verständnis der Gegenwart nötig ist. Die Verhältnisse der Vergangenheit an sich auf ähnliche Weise zu betrachten, wie es die gewöhnliche Geographie für die Gegenwart tut, ist Aufgabe der historischen Geographie (s.d.), die ihren Anschluß mit Recht immer mehr bei der Geschichte sucht, weil sie sich zur Feststellung der Tatsachen historischer Methoden bedient und ihre Ergebnisse auch wesentlich historisches Interesse haben.

Im einzelnen läßt sich natürlich kein allgemein gültiges System der Länderkunde aufstellen. Die[5] Auswahl und Anordnung des Stoffes ist vielmehr je nach dem Standpunkt des Verfassers, je nach dem Gebiet der Darstellung und auch je nach deren Zweck verschieden, wenngleich sich für die Darstellung eines Erdraumes einige allgemeine Regeln angeben lassen. Der leitende Grundsatz ist, möglichst von den Ursachen zu den Wirkungen fortzuschreiten, wenn auch die Durchführung dieses Grundsatzes bei der Wechselwirkung aller geographischen Erscheinungen nur ganz im allgemeinen möglich ist. Als Einleitung wird, besonders bei fremden Ländern, häufig eine Geschichte der Entdeckung und Erforschung gegeben, die als geographische Quellenkunde dient. Den Ausgangspunkt der eigentlichen Darstellung bildet fast immer die feste Erdoberfläche, weil sie zwar auch eine Wirkung der übrigen geographischen Erscheinungen, aber doch in viel höherm Grad ihre Ursache ist. Für die Geographen der Ritterschen Schule ist sie, was sich auch aus der geringen Entwickelung der damaligen Geologie begreift, nur ein Gegenstand der Beschreibung gewesen, und manche Geographen bleiben noch heute dabei stehen. Die meisten aber halten hier, wie bei jeder andern geographischen Erscheinung, auch die Erklärung für ihre Aufgabe. Sie stellen sich dabei auf die Schultern der Geologie; denn nur in einem vorübergegangenen krankhaften Entwickelungszustand hat man diese Probleme bloß durch vergleichendes Kartenstudium lösen zu können geglaubt. Sie gehen deshalb vom innern Bau der Erdrinde aus und suchen Küstenbildung, Oberflächenformen und Bodenbeschaffenheit aus der Einwirkung der an jedem Orte verschiedenen Verwitterung und Erosion auf den innern Bau zu verstehen. Diese Betrachtung leitet von selbst zur Betrachtung von Quellen und Grundwasser, Flüssen und Seen, Schnee und Eis, also des Wassers in jeder Form, über, obwohl ein volles Verständnis dafür erst durch das Studium des Klimas erreicht wird. Das Klima (Wärme, Niederschläge, Witterungscharakter, Luftdruck und Winde) ist, außer von der geographischen Breite, auch von der Verteilung von Land und Meer und der Bodengestalt abhängig und wirkt auf diese zurück. Nach dem Klima läßt man gewöhnlich die Darstellung der Pflanzenwelt folgen, bei der es mehr auf die Vegetationsformen, d. h. die Ausbildungsweise der vegetativen Organe, der Stengel, Blätter und Wurzeln, und ihr geselliges, das landschaftliche (physiognomische) Bild beeinflussendes Auftreten in Vegetationsformationen (z. B. Wälder, Grasfluren etc.), als auf die systematische Zusammensetzung (Flora) ankommt. In den Vegetationsformen und -Formationen drückt sich unmittelbar die Anpassung an die umgebende Natur, besonders das Klima, aus; die systematische Zusammensetzung dagegen läßt sich nur aus der geologischen Entwickelungsgeschichte der Länder etwa seit der Tertiärzeit verstehen, so daß wir auch von hier aus auf die Notwendigkeit eines geologischen Verständnisses der Erdoberfläche zurückgeführt werden. Die Pflanzenwelt hat aber heute nur noch in verhältnismäßig kleinen Gebieten ihre ursprüngliche Natur bewahrt, meist ist sie vom Menschen umgestaltet oder wenigstens beeinflußt worden, an Stelle der Wildnis ist eine Kulturlandschaft getreten, manche Pflanzen sind weiter verbreitet, andre sind ausgerottet worden, und diese Veränderungen bilden ebenfalls einen wichtigen Gegenstand der Geographie. An die geographische Betrachtung der Pflanzenwelt schließt sich die der Tierwelt an, nur daß es hier mehr auf die einzelnen Arten ankommt und demgemäß auch die geologische Entwickelung gegenüber der Anpassung (hauptsächlich an die Pflanzenwelt) noch mehr hervortritt. Auch hier sind neben der natürlichen Tierwelt die durch den Menschen bewirkten Veränderungen, die Ausrottung wilder Tiere und die Züchtung und Verbreitung von Haustieren, zu berücksichtigen. Über die geographische Behandlung des Menschen selbst, die von Ratzel neubegründete Anthropogeographie, auch Kulturgeographie genannt, herrscht jetzt ebenfalls ziemliche Übereinstimmung, indem allgemein anerkannt wird, daß auch der Mensch einen wesentlichen Gegenstand der E. bildet. Im allgemeinen pflegt man die ethnographische Zusammensetzung der Bevölkerung, ihre größere oder geringere Dichte, die Lage und Art der Ansiedelungen, die Richtung und Beschaffenheit der Verkehrswege, Volkswirtschaft und Handel, Lebensweise und Stand der Kultur als geographisch bedingte Tatsachen anzusehen und deshalb innerhalb der Länderkunde zu besprechen (Siedelungskunde, Verkehrs-, Wirtschafts-, politische Geographie). So sind es sehr verschiedenerlei Tatsachen, deren Betrachtung man in der Länderkunde vereinigt, und oft ist von solchen, die der Geographie fernstehen, ja auch von manchen Geographen die Meinung ausgesprochen worden, daß eine einheitliche wissenschaftliche Behandlung derselben unmöglich sei. Aber man übersieht dabei den innigen ursächlichen Zusammenhang, der zwischen allen aufgeführten Erscheinungen besteht und eine zusammenfassende Betrachtung nicht nur zu einem Bedürfnis der Wissenschaft, sondern auch zu einer praktischen Notwendigkeit macht.

Das Studium der verschiedenartigen Natur der Erdoberfläche kann nun auf zweierlei Weise geschehen, nämlich entweder durch die unmittelbare Betrachtung der einzelnen Erdräume oder durch einen vergleichenden Überblick über die Erde. Die beiden Betrachtungsweisen schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich; die eine ist die Aufgabe der speziellen Geographie oder eigentlichen Länderkunde, die andre die Aufgabe der allgemeinen Geographie, die zwar bisher meist mit der allgemeinen E. (s. oben) zusammengefaßt worden ist, aber tatsächlich andre Ziele verfolgt und deshalb etwa als allgemeine vergleichende Länderkunde von ihr unterschieden werden kann. Während jene z. B. die Atmosphäre im ganzen betrachtet und die örtlichen Verschiedenheiten als Störungserscheinungen möglichst ausscheidet, um allgemein gültige Gesetze zu gewinnen, hat diese es gerade mit den örtlichen Verschiedenheiten, mit dem Einfluß der Verteilung von Land und Meer, der Gebirge etc. zu tun. Während die Meteorologie also einen Teil der allgemeinen E. bildet, umfaßt die allgemeine Länderkunde nur die Klimatologie und betrachtet die Meteorologie als Hilfswissenschaft. Ähnlich verhält es sich in den andern Teilen. Den oben aufgeführten Gesichtspunkten entsprechend sind die Geographie der festen Erdoberfläche, die Geographie des Meeres und der Gewässer des Festlandes, die Klimatologie, die Pflanzen- und die Tiergeographie und die Geographie des Menschen oder Anthropogeographie die Hauptteile der allgemeinen Geographie, wozu noch die geographische Ortsbestimmung und Kartenlehre und die Geschichte der Geographie als Hilfswissenschaften hinzutreten.

Die wissenschaftliche Geographie hat sich in unserm Jahrhundert besonders in Deutschland entwickelt und sich deshalb hier zuerst einen Platz auf den Hochschulen erobert. Lange Zeit ist allerdings Ritter in Berlin ihr einziger akademischer Vertreter gewesen. Erst 1871 begann mit der Berufung Peschels nach Leipzig[6] eine neue Periode, in der mit Ausnahme Rostocks alle deutschen und österreichisch-ungarischen Universitäten geographische Professuren erhalten haben. Das Vorgehen Deutschlands hat an den Universitäten andrer europäischer Länder, neuerdings auch Englands, Nachfolge gefunden. – Die Bildnisse hervorragender neuerer Geographen zeigt beifolgende Tafel.

Vgl. Lüdde, Geschichte der Methodologie der E. (Leipz. 1849); Oberländer, Der geographische Unterricht (6. Aufl., das. 1900); F. v. Richthofen, Aufgabe und Methoden der heutigen Geographie (das. 1883); Marthe in der »Zeitschrift der Gesellschaft für E. zu Berlin« (1877); Gerlands Einleitung zu den »Beiträgen für Geophysik«, Bd. 1 (Stuttg. 1887); Matzat, Methodik des geographischen Unterrichts (Berl. 1885); Hettner, Geographische Forschung und Bildung (in der »Geographischen Zeitschrift«, 1895); Derselbe, Entwickelung der Geographie im 19. Jahrhundert (ebenda, 1898); Supan, Über die Aufgaben der Spezialgeographie und ihre gegenwärtige Stellung in der geographischen Literatur (Verhandlungen des 11. deutschen Geographentages, Brem. 1895); Gruber, Über Geographie und geographischen Unterricht an höhern Lehranstalten (Münch. 1901); E. Richter, Die Grenzen der Geographie (Graz 1899); Porena, Sistema scientifico e sistema scolastico della geografia, Boll. Soc. Geogr. (Rom 1900); H. Wagners Berichte über die Entwickelung der Methodik und des Studiums der E. im »Geographischen Jahrbuch«.

Geschichte der Erdkunde.

(Hierzu die »Karten zur Geschichte der Erdkunde I u. II«)

[Altertum] Bei den orientalischen Völkern hat sich eine wissenschaftliche E. noch nicht herausgebildet. Doch läßt sich aus den Denkmälern, Inschriften und spätern Nachrichten die Ausdehnung des geographischen Horizonts der alten Ägypter, Babylonier und Assyrer annähernd feststellen. Die Völkertafel in der Genesis, Kap. 10, gibt in klarer Weise die Kenntnisse der Hebräer von der geographischen Lage der um Palästina liegenden Länder wieder. Sehr bedeutend muß das geographische Wissen der Phöniker gewesen sein, die das ganze Mittelländische Meer zu Handelszwecken befuhren und bereits die atlantischen Küsten Europas und Afrikas kennen gelernt hatten.

Die Länderkunde der Griechen und Römer läßt sich in ihrer historischen Entwickelung bis in die ältesten Zeiten zurückverfolgen. Bereits die Homerischen Gedichte »Ilias« und »Odyssee« lassen erkennen, daß man sich bestimmte Vorstellungen von der Erde gebildet hatte, obgleich die damaligen Kenntnisse kaum über das östliche Mittelmeerbecken hinausreichten. – Die von den ionischen Städten Kleinasiens ausgehende und über das ganze Mittelmeergebiet sich erstreckende griechische Kolonisation bewirkte eine Erweiterung des geographischen Horizonts, zu der auch Phöniker, Ägypter und Perser beitrugen. Die Expedition König Nechos von Ägypten, der Afrika durch phönikische Seeleute umfahren ließ, die Fahrt des Karthagers Hanno längs der Westküste Afrikas bis Sierra Leone und die Reise des Skylax von Karyanda von der Indusmündung bis in den Arabischen Meerbusen lieferten den Beweis, daß die Erdscheibe dort im Süden ihren bestimmten Abschluß habe. Vereinzelte Nachrichten von den Zinninseln im hohen Norden und dem Bernsteinfluß Eridanus ließen einen Schluß auf die gleichfalls ozeanische Begrenzung nach Norden hin zu. So schien den ersten wissenschaftlichen Geographen, als die wir die ionischen Philosophen anzusehen haben, die insulare Beschaffenheit der Festlandsoberfläche erfahrungsmäßig erwiesen zu sein. Die Karten des Anaximandros und Hekatäos (6. Jahrh.) gaben diese Vorstellungen wieder. Als Gegner der ionischen Schule unterwarf Herodot von Halikarnassos (484 bis 424 v. Chr., vgl. Karte I, Fig. 1), gestützt auf eigne Beobachtungen und Erkundigungen, die alten Lehrmeinungen einer kritischen Sichtung und lieferte uns in seinem Geschichtswerk zwar kein neues System der E., wohl aber eine unendliche Fülle von Nachrichten über die alte Länder- und Völkerkunde. Im 4. Jahrh. gewannen die Kenntnisse von den östlichen Gegenden der Erde einen größern Umfang durch die Eroberungszüge Alexanders d. Gr. In dieselbe Zeit fällt die Entdeckungsreise von Pytheas aus Massilia nach Britannien und dem mystischen Thule (Shetlandinseln). Durch die plötzliche Erweiterung des geographischen Gesichtsfeldes wurde auch der Sinn zu einer systematischen, wissenschaftlichen Bearbeitung des gewonnenen Tatsachenmaterials mächtig angeregt. Neben Aristoteles wirkte nach dieser Richtung hin besonders sein Schüler Dikäarchos (um 310 v. Chr.), der die zahlreichen Einzelmitteilungen zu einem einheitlichen Kartenbild verarbeitete. In ein neues Stadium der Entwickelung aber trat die wissenschaftliche E. durch Eratosthenes (276–196), den gelehrten Vorsteher der alexandrinischen Bibliothek, der ein großes geographisches Werk, das erste systematische Lehrgebäude der E., verfaßte. Sein großer Gegner, Hipparchos von Nikäa (165–125), konnte in seiner hyperkritischen Stellungnahme nur wenige brauchbare Neuerungen einführen, während die stoische Exegetenschule in ihrer übertriebenen Vorliebe für Homer einen durchaus veralteten Standpunkt vertrat. Zu ihr gehörten Krates von Mallos (erster Erdglobus) und Strabon von Amasia (66 v. Chr. bis 24 n. Chr.), dessen großes Werk für uns freilich die wichtigste Quelle für die alte Geographie bildet. Während die römischen Geographen (Pomponius Mela, Plinius) weniger durch eigne Forschungen als durch Exzerpieren älterer Werke sich hervortaten, wurde die Länderkenntnis seit dem 1. Jahrh. v. Chr. durch die römischen Eroberungskriege (Cäsar in Gallien, Augustus in den Donauländern, Drusus, Germanicus in Germanien) erheblich bereichert; Augustus und Agrippa schritten sogar zu einer Vermessung und Kartierung des römischen Weltreiches, deren Ergebnisse uns in einer spätern Nachbildung, der sogen. Peutingerschen Karte, noch erhalten sind. Einen glänzenden Abschluß fand die antike E. in der Geographie des Claudius Ptolemäus (2. Jahrh. n. Chr., vgl. Karte I, Fig. 2), der, gestützt auf die Vorarbeiten des Marinus von Tyrus, den Stand der damaligen Länderkunde in methodischer Weise uns vorführt, wenn auch einige Hypothesen (z. B. Geschlossenheit des Indischen Ozeans durch ein Afrika und Asien verbindendes Australland) trotz seiner sonst kritischen Maßnahmen in sein Werk mit hineingeraten sind.

Auch die mathematisch-physische E. hat bei den Alten eine lebhafte Pflege gefunden. Während die ionischen Geographen und Herodot an der Annahme einer Erdscheibe noch festhielten, haben zu ihrer Zeit die Pythagoreer die Lehre von der Erdkugel bereits aufgestellt, die sich dann das ganze Altertum hindurch behauptet hat. Den Erdumfang schätzte Aristoteles auf 400,000, Archimedes auf 300,000 Stadien; erst Eratosthenes erfand eine rationelle Methode, die Erdgröße zu bestimmen, so daß sich danach ein Umfang von 250,000 Stadien ergab. In derselben Weise bestimmte später Posidonios[7] die Erdgröße zu 180,000 Stadien, und diese Zahl, die auch Ptolemäos annahm, hat bis in das Mittelalter hinein Bestand gehabt. – Einen breiten Raum nahm ferner die Zonenlehre in Anspruch. Schon Parmenides hatte auf Grund der klimatischen Verschiedenheiten fünf Zonen angenommen; drei unbewohnbare: die beiden kalten Zonen an den Polen und die heiße am Äquator, und zwei bewohnbare: die beiden gemäßigten. Bei zunehmender Kenntnis der Äquatorialgegenden mußte die Annahme der Unbewohnbarkeit der heißen Zone immer mehr eingeschränkt werden und schließlich ganz fallen. Die Orographie ist über die bescheidensten Anfänge nicht hinausgekommen. Die Frage nach der Entstehung der Gebirge hat niemals eine tiefergehende Behandlung gefunden, während man anderseits für die Veränderungen und Entwickelungsverhältnisse des Landes, besonders an den Küsten, stets ein offenes Auge hatte. Die durch die Flußsedimente hervorgerufenen Landbildungen (Nil-, Po-, Hermusdelta) wie die Versenkungen ganzer Küstenlinien unter das Meer infolge von Erdbeben ließen die Annahme eines periodisch wechselnden Oberflächenzustandes der Erde entstehen. Platons »Atlantis« und Theopomps »Meropis« sind phantastische Ausgestaltungen dieser Lehrmeinung. – Eingehender haben die Alten die hydrographischen Verhältnisse erforscht; nicht nur Tiefe, Farbe, Temperatur und Salzgehalt des Meeres wurden erörtert, auch die horizontale Gliederung des Meeres und somit auch des Landes war ein vielbehandeltes Problem (die sogen. Ozeanfrage). Während die Meeresströmungen naturgemäß weniger bekannt waren, hatte man das Ebbe- und Flutphänomen in seinen Wechselbeziehungen zum Mondlauf schon richtig aufgefaßt. Auch den Flüssen hatte man seine Aufmerksamkeit zugewendet. Die in Kalkgebirgen sich mehrfach findenden unterirdischen Flußläufe und Seenabflüsse (Katabothren) hatten zu der irrigen Annahme eines submarinen Zusammenhanges einzelner Flüsse geführt. Veränderungen des Flußlaufs, vermeintliche Bifurkationen (Donau mit zwei Abflüssen ins Adriatische und Schwarze Meer) und Deltabildungen waren gleichfalls schon in den Kreis der Untersuchungen gezogen worden.

[Mittelalter.] Die Länderkunde nahm im Laufe des Mittelalters einen bedeutenden Umfang an, wenn sie auch die drei Kontinente der Alten Welt noch nicht ganz umfaßte. Dennoch liegen uns gesicherte Nachrichten vor, daß man in der frühern Hälfte des Mittelalters bereits eine vorübergehende Kenntnis von dem Vorhandensein einer Neuen Welt erlangt hatte und zwar durch 'die Normannen (Wikinger). 876 entdeckte ein Seeräuber, Gunnbjörn, westlich von Island ein neues Land, das 50 Jahre später (982) Erik der Rote von neuem aufsuchte und wegen des spärlichen Graswuchses das Grüne Land (Grönland) benannte. Sein Sohn Leif wurde um das Jahr 1000 auf seiner Fahrt nach Grönland weiter südwärts verschlagen an ein ihm unbekanntes Gestade (Winland). Doch gerieten diese Normannenentdeckungen späterhin vollständig in Vergessenheit und haben daher auf die kosmographischen Vorstellungen des Mittelalters keinen Einfluß auszuüben vermocht. Der Norden Europas wurde nur sehr allmählich bekannt; doch hatte schon im 9. Jahrh. der Normanne Othere das Nordkap umsegelt, und auch die Halbinselnatur Skandinaviens war richtig erkannt worden. Weiter reichten die Kenntnisse nach Osten, seitdem die mongolischen Großchane mit den abendländischen Fürsten in nähere Beziehungen getreten waren und ihre Reiche den Reisenden offen standen. Piano di Carpini (1245), Wilhelm Rubruck (1253) und allen andern voran Marco Polo (1254 bis 1323) brachten überraschende Nachrichten aus den ostasiatischen Reichen und Indien heim. Odorico von Pordenone (1316), Johann von Marignolli (1339–53), Josafat Barbaro (1436–52), Nicolo de' Conti setzten die Forschungen fort und förderten besonders die Kenntnisse von Südasien und der Sundainselwelt. – Gleichzeitig hatten die Araber der E. ein lebhaftes Interesse abgewonnen. Mit der Ausbreitung des Islams vom Indus bis Spanien, vom Aralsee bis zu den Negerländern Innerafrikas mußte auch das Streben hervortreten, die Größe und Bevölkerung aller dieser Länder, ihre Handels- und Verkehrsverhältnisse näher kennen zu lernen. Massudi (986), Ibn al Wardi (1232), Abulfeda (1321), Edrisi, der nubische Geograph genannt, Ibn Batuta (1324–54) haben vornehmlich die Länderkunde gefördert. Auch um die mathematische Geographie haben die Araber durch die Einführung des Ptolemäos (Almagest) sich große Verdienste erworben; durch sie gelangte er in das Abendland.

Gegenüber dieser regsamen Tätigkeit hatten die christlichen Kosmographen die wissenschaftliche E. nur wenig gefördert. Ihre mathematisch-physischen Kenntnisse vom Erdkörper lehnten sich vollständig an die kosmographischen Kompendien der spätrömischen Zeit an; Plinius, Solinus, Seneca, Marcianus Capella bildeten die Hauptquellen, die sie unermüdlich von neuem exzerpierten. Zudem machte sich der Einfluß der Bibel auf die abendländische Wissenschaft nicht in vorteilhafter Weise geltend. Fromme Buchstabengläubigkeit führte zu der irrigen Annahme, daß es Gott wohlgefälliger wäre, wenn man sein Wissen ganz auf das in der Bibel Gebotene beschränkte, und so waren die kosmographischen Vorstellungen der Bibel lange Zeit die herrschenden, wurden aber durch die verschiedenen Exegetenschulen in mannigfacher Weise ausgelegt. So stellten sich die syrischen Kirchenväter das Weltall als ein etagenförmig abgeteiltes Haus vor, und eine gleiche Anschauung vertrat auch Kosmas Indikopleustes. Einen wissenschaftlichern Standpunkt nahmen die kapadokischen Kirchenväter im 4. Jahrh. ein (Basilius d. Gr., Gregor von Nyssa), bei denen sich sogar Aristotelischer Einfluß nachweisen läßt. Während sich die große Mehrzahl der Bibelexegeten der Annahme einer scheibenförmigen Erde zuneigte, verfochten sie mit großem Eifer die Lehre von der Kugelgestalt. Die Lehrmeinungen über die physischen Verhältnisse des Erdkörpers (Ozeanlehre, unterirdische Flüsse, Zonenlehre) waren ebenfalls vorzugsweise den Alten entnommen und nur selten weiter ausgebildet worden. Hatte man aber bis zum 12. Jahrh. sich ausschließlich auf die lateinische Exzerptenliteratur beschränkt, so kam durch die erneute Kenntnisnahme des Aristoteles ein befruchtendes Element in die mittelalterliche Wissenschaft. Der Dominikaner und Regensburger Erzbischof Albertus Magnus (1193–1280) hat allen andern voran die Aristotelische Naturphilosophie und Kosmophysik durch seine umfangreichen Kommentare wieder in Aufnahme gebracht. War in Aristoteles zunächst auch nur eine neue Quelle der traditionellen Wissenschaft entdeckt worden, so wirkte sie doch anregend auf eine tiefere Auffassung des Naturganzen hin. Besonders der Franziskaner Roger Bacon (1214–94) hat sich, gestützt auf Aristoteles und seine arabischen[8] Kommentatoren, an eine Lösung der mathematischen und geophysischen Probleme gewagt und zum erstenmal auf die experimentelle Forschung hingewiesen.

Eine bedeutende Förderung hat aber die Kartographie des Mittelalters erfahren. In den ältesten Zeiten kam man freilich über eine schematische Darstellung des Weltganzen nicht hinaus. Neben der viereckigen Weltkarte des Kosmas Indikopleustes, die auch im Abendland bis zum 10. Jahrh. sich nachweisen läßt, hat fast ausschließlich die sogen. Radkarte geherrscht, auf der die Erde (Asien, Afrika, Europa) in Gestalt eines Kreises wiedergegeben war, der vom Ozean umspült wurde.

Radkarte des Mittelalters.
Radkarte des Mittelalters.

Gleichwie diese Vorstellung einer kreisförmigen Erde, so war auch die weitere Einteilung derselben in Erdteile den Alten entlehnt; denn von Norden nach Süden teilte ein Durchmesser, repräsentiert durch Tanais (Don) und Nil, die Erde in zwei gleiche Hälften, von denen die östliche Asien umfaßte, die westliche aber durch das im allgemeinen westöstlich verlaufende Mittelmeer in zwei Quadranten, Europa und Afrika, geschieden wurde (vgl. Abbildung). Eine charakteristische Eigentümlichkeit aller dieser Karten bestand darin, daß nicht der Norden am obern Rande der Karte sich befindet, sondern entweder der Süden (nach dem Vorbild arabischer Weltkarten, die alle so orientiert waren) oder, wie es vorherrschend zu finden ist, der Osten. Diese letztgenannte Himmelsgegend als Ausgangsort des Leben und Wärme spendenden Tagesgestirns galt als die zu bevorzugende um so mehr, als vom Standpunkt der Abendländer aus dort im Osten die Wiege des Christentums, das Gelobte Land, sich befindet und auch das irdische Paradies nach den Angaben der Bibel im äußersten Osten zu suchen wäre. Der Einfluß der Heiligen Schrift machte sich ferner darin geltend, daß auch der Mittelpunkt der Radkarte durch eine bemerkenswerte Örtlichkeit der biblischen Geschichte ausgezeichnet wurde, indem man dorthin die Stadt Jerusalem verlegte.

Dieses Schema der Weltkarte hat sich das ganze Mittelalter hindurch erhalten, denn in allen Weltbildern läßt sich dieser Grundtypus noch herauserkennen, wenngleich die Einzelheiten eine weitere Ausgestaltung erfuhren, die Küstenlinie nicht schematisch kreisförmig, sondern schon stark individualisiert erscheint und zahlreiche Legenden, Städteansichten, fremde Völker, fabelhafte Ungeheuer u. dgl. das Ganze beleben. Besonders inhaltreich sind die sogen. Ebstorfer Weltkarte und die Hereforder Karte des Richard von Haldingham. Auch das 14. und das 15. Jahrh. lieferten noch zahlreiche Karten dieser Art, wie die Weltkarte des Petrus Visconti (1320, vgl. Karte I, Fig. 3), die Genuesische Weltkarte von 1447 in Florenz (von elliptischer Gestalt) und jene des Fra Mauro im Dogenpalast zu Venedig. Diesen z. T. noch recht phantastisch gehaltenen Werken stehen nun die auf exakter Grundlage ausgeführten Schiffe r- oder Kompaßkarten gegenüber, die freilich nur die Küsten des Mittelmeeres und Teile der atlantischen Küsten Europas und Afrikas zur Darstellung brachten. Die Verwendung des Kompasses für die praktischen Zwecke der Schiffahrt (frühestens am Ende des 12. Jahrh.) führte auch zum Entwurf von Karten, die das durch Kompaßaufnahmen gewonnene Beobachtungsmaterial graphisch zum Ausdruck brachten. Die älteste datierte Karte dieser Art ist die des Pietro Visconti von 1311 in Florenz, der später auch einen ganzen Atlas solcher Karten entwarf, der dem Geschichtswerk des Marino Sanudo beigegeben ist, und in dem sich auch die obenerwähnte Weltkarte findet. Hierhin gehört ferner der Mediceische Seeatlas von 1351 und die berühmte Catalanische Weltkarte von 1375, die freilich neben der exakt gezeichneten Mittelmeerküste noch die skizzenhaft gehaltenen Teile der übrigen Länder zur Anschauung bringt.

[Zeitalter der Entdeckungen.] Eine neue Periode in der Geschichte der E. hob an, als Prinz Heinrich der Seefahrer die Leitung der nautischen Unternehmungen der Portugiesen an der Westküste Afrikas mit Erfolg in die Hand nahm. Hatten schon im 14. Jahrh. die Genuesen die Azoren, Madeira und die Kanarischen Inseln wieder entdeckt, so war es doch noch nicht gelungen, über das Kap Bojador hinaus nach Süden vorzudringen. Prinz Heinrich, der sich freilich niemals persönlich an einer Fahrt beteiligte, förderte das Entdeckungswerk bis zur Sierra Leone-Küste. Unter ihm entdeckte Cadamosto die Kapverdischen Inseln, den Senegal und Gambia. Auch nach dem Tode des Prinzen (1460) setzten die Portugiesen ihre Fahrten zur Auffindung eines Seeweges nach Indien fort, und 1486 gelang es Bartholomäus Diaz, den südlichsten Punkt Afrikas, das Cabo Tormentoso, zu erreichen, das später der glücklichen Vorbedeutung halber das Kap der Guten Hoffnung genannt wurde. Denn in der Tat, was so lange erhofft war, die Erreichung Indiens auf dem südlichen Seewege, glückte 1498 Vasco da Gama.

Aber schon sechs Jahre früher glaubten die Spanier das vermeintliche Indien auf dem westlichen Seewege gefunden zu haben. Beeinflußt durch die Ansichten des Florentiner Mathematikers Toscanelli, der den Seeweg zwischen Spanien und Indien auf ein Drittel des Parallelkreisumfanges von Lissabon berechnet hatte, war Kolumbus an das Wagnis geschritten und hatte den Atlantischen Ozean an seiner breitesten Stelle durchquert. Am 12. Okt. 1492 landete er auf der Bahamainsel Guanahani (Watlingsinsel). Nachdem der erste kühne Schritt getan war, folgten alsbald andre Entdecker, und fast jedes Jahr enthüllte neue Küsten und Inseln. Während Kolumbus auf zwei weitern Reisen (1494,1498) einen großen Teil der Antillen und der Nordküste Südamerikas (Venezuela) entdeckte, hatten auch andre Entdeckungsreisende, wie Hojeda, Juan de la Cosa, Amerigo Vespucci, Pinzon, dort ihre Tätigkeit entfaltet. 1500 entdeckte Pedro Cabral die Küste von Brasilien, die [9] Vespucci, Pinzon und Diego de Lepe schon drei Monate früher an einer andern Stelle erreicht hatten, und die Vespucci im folgenden Jahre weiter nach Süden verfolgte, ohne aber die gehoffte Durchfahrt zu finden. Erst Magalhães glückte es (1520), die nach ihm benannte Straße zu entdecken und bis nach den Molukken vorzudringen. Langsamer schritten die Entdeckungen in Nordamerika vor. 1497 war John Cabot des Festlandes (Labrador?) zuerst (also noch vor Kolumbus, 1498) ansichtig geworden; bald darauf finden wir neben ihm die Gebrüder Cortereal tätig (Labrador, Neufundland). Ayllon (1520), Verrazano (1524) und Gomez (1524) vollendeten die Entdeckung der nordamerikanischen Küste bis nach Florida hin. Ocampo (1508), Ponce de Leon (1513), Cordova (1517), Grijalva (1518) und Pineda (1519) schlossen die Entdeckung des Mexikanischen Golfes ab. Unterdessen war aber auch die Südseeküste Amerikas in den geographischen Gesichtskreis getreten, da Balboa 1513 die Landenge von Panama überschritten hatte. Die Eroberung des Inkareiches durch Franz Pizarro und Almagro (1524) führte zu weitern Entdeckungen an der südamerikanischen Westküste, deren südlichster Teil bis zur Magalhãesstraße 1540 durch Camargo bekannt wurde. Die Südspitze aber, das Kap Hoorn, das schon von de Hoces (1526) und Francis Drake (1578) gesichtet worden war, wurde erst durch die Wiederentdeckung Schoutens (1616) dauernd bekannt. Auch nach Norden hin war die Südseeküste verfolgt worden. Besonders Cortez und seine Offiziere hatten sich die Erforschung der mexikanischen Küste bis hinauf nach Kalifornien angelegen sein lassen; doch war man über den 43.° nördl. Br. im 16. Jahrh. nicht hinausgelangt.

Durch die Entdeckung Amerikas trat ein vollständiger Umschwung der Vorstellungen von der Beschaffenheit der Erdoberfläche und der Verteilung von Wasser und Land ein, die besonders auch in den Karten zum Ausdruck kam. Anfangs war man der Meinung, tatsächlich die Küsten des östlichen Asien (Kathai, Indien, Molukken) gefunden zu haben, da noch immer die Vorstellung von der hufeisenförmig um die Erdkugel herumgreifenden Kontinentalinsel, wie sie 1492 noch Martin Behaim auf seinem Globus dargestellt hat, Geltung hatte (vgl. Karte I, Fig. 4). Die Mehrzahl der Karten verhält sich dieser Frage gegenüber indifferent. Meist geben sie den Verlauf der neuentdeckten Festlandsküste am linken Rande des Kartenblattes, ohne ihn mit der ostasiatischen Küste am rechten Kartenrand in Beziehungen zu setzen; so die Karte des Juan de la Cosa 1500, des Cantino und Canerio 1502. Der Fortschritt der Entdeckungen ließ zunächst die Kontinentalität Südamerikas hervortreten. Auch die entdeckten nordamerikanischen Küstenteile wurden zu einem selbständigen Ganzen abgegliedert, ohne daß sie aber mit Südamerika in Verbindung gebracht sind, wie wir dies auf dem Nürnberger Globus Schöners finden (1520, vgl. Karte I, Fig. 5). Man hoffte noch immer zwischen diesen Landkomplexen hindurch die chinesisch-indische Küste leicht erreichen zu können. Amerika wurde daher als ein selbständiger, vierter Weltteil anerkannt. Die irrigen Deutungen der Entdeckungen des Magalhães und Cortez führten in der Mitte des 16. Jahrh. zu der frühern Vermutung zurück, daß Amerika doch nur ein sehr großer, halbinselartiger Ansatz an den asiatischen Kontinentalrumpf wäre, eine Annahme, die Schöner auf seinem Globus von 1533 wieder vertritt. Sowenig man auch ein auf Beobachtungen sich gründendes Beweismaterial in der Hand hatte, so kehrte man doch sehr bald wieder zu der Annahme der selbständigen Stellung Amerikas zurück, und den Stretto von Anian (die spätere Beringstraße) finden wir bereits auf den Karten des 16. Jahrh. vor, ehe sie tatsächlich entdeckt war. – In eben jener Zeit hatte auch die Annahme eines großen Südpolarkontinents Geltung gehabt, dessen Nordrand die südliche Küste der Magalhãesstraße bildet (vgl. Schöners »Globen«), und der stellenweise bis über den Wendekreis hinausreichen sollte. Doch erst 1606 gelang es den Holländern, im Südosten Asiens die Festlandsküste des Australlandes zu erreichen. Durch Abel Tasman aber wurde auf seiner Fahrt an der Südküste von Vandiemensland 1643 dieses Dogma zerstört, und seit jener Zeit figuriert Australien oder Neuholland, wie es die ersten holländischen Entdecker genannt hatten, neben den übrigen Festländern als fünfter Kontinent.

Während so in überraschender Weise die räumliche Kenntnis unsrer Erde gefördert wurde, entwickelte sich auch die wissenschaftliche E. gewaltig, zumal in Deutschland, das an den räumlichen Entdeckungen keinen direkten Anteil hatte. Kopernikus und Kepler gestalteten die Astronomie um; aber nur langsam brachen die neuen Wahrheiten sich Bahn. Die Breiten- und Längenbestimmungen wurden in dieser Periode schärfer ausgeführt, und Willebrord Snellius maß zwischen Bergen op Zoom und Alkmaar den ersten Erdbogen mittels Dreiecken, welche Messung nur um 2/57 zu kurz ausfiel. In der Kartographie glänzten im 16. Jahrh. die Deutschen, denen dann die Niederländer folgten. Deutsche Mathematiker wagten zuerst, bei der Übertragung von Kugelflächen in die Ebene (Projektionen) die Vorbilder des Altertums zu verlassen; so Stöffler (gest. 1530) und Johann Werner, der das stereographische Gradnetz einführte; vor allen aber Gerhard Kremer, genannt Mercator (gest. 1512 in Rupelmonde), der außer zahlreichen andern auch die scharfsinnige nach ihm benannte Projektion erfand und zuerst 1569 auf seiner Weltkarte in Anwendung brachte; sie ist für Seekarten seitdem unentbehrlich. Nachdem die alten Ptolemäischen Karten noch lange im Gebrauch gewesen (im 15. Jahrh. erschienen in Deutschland allein 16 Ausgaben davon), kamen bessere Erdbilder auf. Sebastian Münster aus Basel, Verfasser einer bekannten Kosmographie, zeigt noch geringe Fortschritte, bis Peter Bienewitz (Apianus) 1524 seine Tafeln für Länge und Breite herausgab, die namentlich den deutschen Karten eine staunenswerte Genauigkeit gewährten. Mercator und sein Freund Abraham Ortelius (Örtel) brachten die Kartographie nach den Niederlanden, wo auch die Bezeichnung »Atlas« für eine Kartensammlung (1595) durch Rumold Mercator in Vorschlag gebracht wurde. Jodokus und Heinrich Hondius, Petrus Plancius, Aurigarius standen damals in Ruf, wie heute ein Stieler, Kiepert oder Berghaus. Über den ersten Mittagskreis herrschte damals so wenig Eintracht wie gegenwärtig. Mercator legte ihn über die Azoreninsel Corvo, Hondius durch die kapverdische Insel Santiago, andre Niederländer durch Teneriffa. Am 25. April 1634 tagte zu Paris eine Geographenversammlung, die sich darüber verständigte, die Längengrade von der Insel Ferro an zu zählen, ein Beschluß, den Ludwig XIII. für alle Kartographen als verbindlich erklärte. Schlechter ist es noch mit der physischen Geographie bestellt. Hinsichtlich der Höhenverhältnisse der Erde gab man sich noch fabelhaften Vorstellungen[10] hin. Die Hydrographie mußte durch die zahlreichen Seereisen aufgeklärt werden. Nachdem noch Kolumbus geglaubt, die feste Oberfläche unsers Planeten überwiege die flüssige, vermutete Mercator ein Gleichgewicht zwischen beiden. Aber erst nachdem Abel Tasman die großen Ozeanflächen im Süden Australiens kennen gelehrt, gewann die See die Oberhand über das Festland. Größere Meerestiefen vermochte man nicht zu messen; doch gab schon 1586 Lukas Aurigarius (Wagner) Seetiefenkarten der Nordsee und des Kanals heraus, für welche die Tiefenangaben durch Lotungen gewonnen waren. Das Eintreffen der Flutwellen wurde von allen Seefahrern beobachtet, so daß wir die Hafenzeiten in den Handbüchern jener Periode angegeben finden. Auch die dauernden Meeresströmungen waren den Entdeckungsreisenden nicht entgangen; die Portugiesen fanden im 15. Jahrh. den Guineastrom, Vasca da Gama den Mosambikstrom, Alaminos 1513 den Golfstrom in der floridanischen Enge. Desgleichen wurden die Luftströmungen ausführlich beschrieben, die Namen der Passate und Monsune treten auf. Die zusammenfassenden Handbücher jener Zeit werden am besten durch Sebastian Francks »Weltbuch des gantzen Erdbodens« (1534) und Sebastian Münsters »Cosmographia universalis« (Basel 1550) charakterisiert. Dieses reich illustrierte, oft ausgelegte Werk, in dem Geographie und Geschichte bunt durcheinander gehen, gleicht indessen nicht unsern heutigen Länderkunden, sondern mehr unsern Reisehandbüchern. Ungleich höhern wissenschaftlichen Rang müssen wir der »Geographia generalis« (»Allgemeine E.«) des in Ülzen gebornen Bernhard Varenius (ca. 1650) beimessen; es ist die erste zusammenfassende Darstellung der physikalischen Geographie.

[Neuere Zeit.] Um die Mitte des 17. Jahrh. war die Verteilung von Land und Wasser auf unsrer Erde bis auf ein Drittel der Oberfläche erforscht. Nun aber trat von 1648–1769 ein Stillstand in den überseeischen Entdeckungen ein, da die Ursprungsländer der gewinnbringenden Handelsgegenstände erreicht, Niederlassungen genug gegründet waren. Nur Rußland bemühte sich, den Norden Sibiriens aufzuhellen, wo namentlich die Reisen Berings hervorzuheben sind. Außerdem schritt die Enthüllung der Inselgruppen des Großen Ozeans langsam vorwärts, woran sich außer den Engländern auch Franzosen (Bougainville) beteiligten (s. Ozeanien). Die von J. Cook 1769 energischer aufgenommene Erforschung der Südsee wurde in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zum Abschluß gebracht, worauf nur noch die beiden Polarräume und das Innere der Kontinente, namentlich Afrikas und Australiens, ganz unbekannt blieben. Neben den eigentlichen Entdeckungsreisen wurden aber in dieser Periode zum erstenmal auch Forschungsreisen unternommen, deren Zweck die wissenschaftliche Kenntnis der Länder, ihrer Erzeugnisse und ihrer Bewohner oder die Anstellung astronomischer und physikalischer Beobachtungen bildete. Als erster Gelehrter, der einen fremden Erdteil aufsuchte, ist Jean Richer zu nennen, den die Pariser Akademie 1672 nach Cayenne schickte, und der dort aus den verlangsamten Schwingungen des Pariser Sekundenpendels schloß, daß die Erde keine reine Kugel, sondern am Äquator angeschwollen sei. Kurz darauf trat Edmund Halley seine Reisen zum Zweck physikalisch-geographischer Beobachtungen an. Dem Franziskaner Louis Feuillé, der zwischen 1700 und 1724 die Levante, Süd- und Mittelamerika und die Kanaren bereiste, verdanken wir die ersten genauen Ortsbestimmungen. Von noch größerer Bedeutung wurden die Erdbogenmessungen der Franzosen und zwar die lappländische 1736 durch Maupertuis, Clairaut, Lemonier und Celsius und die peruanische unter Bouguer, Lacondamine, Godin und den spanischen Offizieren Ulloa und Jorje Juan; sie haben auch wertvolle geographische Ergebnisse geliefert. Der Deutsche Karsten Niebuhr unternahm 1763 eine epochemachende Reise in das Bergland Jemens (Arabien) und lieferte die ersten zuverlässigen Karten und geographischen Beschreibungen des Roten Meeres, Arabiens und Kleinasiens. In russischen Diensten bereisten 1735 ff. Gmelin, Müller und Steller, 1768–74 der Berliner P. Simon Pallas Sibirien hauptsächlich zu naturwissenschaftlichen Forschungen. An der zweiten Reise Cooks in die Australgegenden nahmen die beiden deutschen Naturforscher J. R. und G. Forster (s.d.) teil. H. B. de Saussure wurde durch seine Besteigung des Montblanc (1786) der erste wissenschaftliche Forscher in den Hochregionen der Alpen.

Eine der wichtigsten wissenschaftlichen Errungenschaften dieser Periode ist die Verbesserung der astronomischen Ortsbestimmungen und infolge davon die genauere Bestimmung der Länderumrisse. Waren zunächst die Methoden der Ortsbestimmung noch so schwierig, daß nur durchgebildete Astronomen, wie Richer, Feuillé, Lacondamine, Bouguer, sie anzuwenden vermochten, so wurde es im Laufe des 18. Jahrh. durch die Erfindung des Spiegeloktanten und dann des Spiegelsextanten, die Vervollkommnung der Chronometer, die Herausgabe verbesserter Wandtafeln auch dem gewöhnlichen Seemann und wissenschaftlichen Reisenden möglich, Ortsbestimmungen von genügender Genauigkeit vorzunehmen. Das Verdienst, diese Fortschritte der Astronomie für die Kartenzeichnung zuerst benutzt zu haben, fällt den Franzosen zu. Cassini entwarf 1680 in der Pariser Sternwarte das erste Weltbild nach neuen astronomischen Angaben; Guillaume Delisle aber gab 1725 zum erstenmal auf einer Karte dem Mittelmeer seine richtige Gestalt und verwertete überhaupt alle bekannt gewordenen astronomischen Ortsbestimmungen. Der gelehrte d' Anville (1697–1782) gab seinen Karten durch Sammlung und scharfsinnige Benutzung der Wegabstände in den Itinerarien eine noch jetzt bewunderte Vollkommenheit. Deutschland, das früher so Bedeutendes in diesem Zweig der E. geleistet, bot seit dem Dreißigjährigen Krieg ein Bild der Verödung. Dem Kupferstecher Joh. Homann (geb. 1664), der sich in Nürnberg niedergelassen hatte, verdanken wir die Wiederbelebung der Kartographie in unserm Vaterland (vgl. Karte I, Fig. 6). Höhenmessungen hatte man noch bis in das 18. Jahrh. hinein nur mittels Dreiecken vorgenommen, bis man sich zu diesem Zweck des 1643 von Torricelli erfundenen Barometers bedienen lernte. J. J. Scheuchzer wagte es zuerst 1705–1707 auf seinen Alpenwanderungen, die Höhe von Orten aus dem Barometerstand abzuleiten. Die erste allgemein gültige Barometerformel für Höhenmessungen fand aber der Schweizer Jean de Luc (1772). Am Ende des Jahrhunderts zeichnete man auch schon die ersten geographischen Profile, und 1799 schuf der sächsische Major Lehmann eine strenge Methode der Terraindarstellung durch Schraffen, nachdem Buache schon 1737 die Isohypsen für Tiefenkarten des Meeres angewendet hatte. Buache und der bekannte Naturforscher Buffon versuchten auch, das Gezimmer (la [11] charpente) der Erde zu erkennen, d. h. die Richtungslinien der Gebirge in ein bestimmtes System zu bringen. Für die Messung größerer Merestiefen und die Bestimmung ihrer Temperatur fehlten noch die geeigneten Instrumente; man mußte sich im ganzen noch auf die Erscheinungen der Meeresoberfläche beschränken. Der Jesuit Athanasius Kircher stellte 1665 die Hauptströmungen der Ozeane auf einem Kartenbilde dar. Auch die Kenntnis der klimatischen Verhältnisse der Erde machte einige Fortschritte. Halley entwarf 1686 die erste Windkarte der Erde und erklärte die Passate und Monsunwinde. Er versuchte auch (1687) Regenmenge und Verdunstung des Mittelmeergebiets zu berechnen. Mit der Auszeichnung der Lufttemperaturen und zugleich der Regenmengen begann man nach der Erfindung des Thermometers schon 1699 in Paris. 1774 konnte Cotte Regentafeln für zehn europäische Orte veröffentlichen. Als das Geburtsjahr der modernen Meteorologie muß aber 1780 bezeichnet werden, da in diesem Jahre Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz die Mannheimer Akademie für Meteorologie stiftete, die nach einem bestimmten System eine Kette von Beobachtungsstationen über Europa ausdehnte und die erhaltenen Beobachtungen verarbeitete. Die ersten Höhengrenzen der Gewächse bestimmte Tournefort am Ararat (1700). Linné stellte 1737 die Pflanzenzonen Schwedens dar. Am Ende des 18. Jahrh. begann man auch die horizontalen Grenzen der Verbreitung der Gewächse zu ermitteln. Schon früher, nämlich 1777, hatte E. A. W. Zimmermann die erste Erdkarte für die Verbreitung der Säugetiere entworfen; auch erkannte er zuerst die Abgeschlossenheit der australischen Fauna, während Buffon die Ähnlichkeit der Arten beider Hemisphären innerhalb der Nordpolarzone nachwies. Die Geographie des Menschen konnte noch wenig gefördert werden, da die ihre notwendige Grundlage bildenden anthropologischen, linguistischen und statistischen Studien noch in den ersten Anfängen waren. Aber hervorragende Philosophen, wie Hume, Montesquieu, Condorcet, Herder, Kant u. a., machten doch schon die Abhängigkeit des Menschen von der Natur der Erdoberfläche zum Gegenstand ihrer Betrachtungen. Das wichtigste Handbuch der beschreibenden Geographie ist von Büsching (1754–1803).

[Das 19. Jahrhundert.] Am Anfange des 19. Jahrh. waren die Umrisse der Erdräume und die Verteilung von Land und Meer, mit Ausnahme der Nord- und Südpolarländer (s. diese Artikel), bekannt, und ihre Erforschung hat deshalb eine Hauptaufgabe des 19. Jahrh. gebildet. In der Tat sind die Grenzen unsrer Kenntnis beträchtlich weiter polwärts geschoben worden, die sogen. nordwestliche Durchfahrt ist besonders durch die Expeditionen zur Aufsuchung Franklins (s.d.), die nordöstliche Durchfahrt durch Nordenskiöld (s.d.) entdeckt worden. Nansen drang bis ins innere Polarbecken vor. Auch die Kenntnis des Innern der Festländer hat bedeutende Fortschritte gemacht. Die Erschließung Afrikas (s.d., S. 147f.) drückt, neben den Polarexpeditionen, der geographischen Tätigkeit in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts den Stempel auf. Aber auch die weißen Flecke auf den Karten von Zentralasien, Australien und Südamerika sind beträchtlich kleiner geworden. Die Zeit der großen Entdeckungen im Innern der Festländer kann heute im ganzen als abgeschlossen gelten.

Schon das 19. Jahrh. ist fast mehr ein Zeitalter der Messung und wissenschaftlichen Erforschung als der Entdeckung gewesen. Die Darstellung der räumlichen Verhältnisse der Erde ist durch die Fortschritte der Triangulation, der astronomischen Ortsbestimmung und der barometrischen Höhenmessung teils genauer, teils leichter ausführbar geworden. Die Kulturstaaten haben auf Dreiecksmessungen beruhende Karten (sogen. Generalstabskarten) erhalten, die Küsten aller Erdteile sind von den Schiffen, besonders der englischen Admiralität, vermessen, astronomische Ortsbestimmungen sind immer mehr auch im Innern der Festländer angestellt worden, zahlreiche Reisende haben Routenkarten aufgenommen, die uns wenigstens ein vorläufiges Bild von Bodengestaltung, von Gewässern, Ortslagen und Wegen geben. Die Kartographie ruht deshalb heute auf ganz andern Grundlagen als am Anfang des 19. Jahrh. und ist auch durch die Fortschritte in der Technik des Kupferstichs, Steindrucks etc. wesentlich gefördert worden, so daß sie besonders in Deutschland, wo namentlich Stieler, Berghaus, Petermann und Kiepert zu nennen sind, und neuerdings auch in Frankreich und der Schweiz einen hohen Grad der Vollendung erreicht hat.

In demselben Maße wie die graphische Darstellung sind die wissenschaftliche Beschreibung und Erklärung fortgeschritten. Für das Verständnis der Formen der festen Erdoberfläche hat man einen sichern wissenschaftlichen Stand erst durch die Einführung erklärend-genetischer Betrachtung auf geologischer Grundlage gewonnen. Als die Begründer wissenschaftlicher Gebirgskunde können Alexander v. Humboldt, Leopold v. Buch und Elie de Beaumont gelten, wenngleich ihre Ansichten heute vielfach veraltet sind. Für das richtige Verständnis des innern Baues der Erdrinde haben erst in den letzten Jahrzehnten Dana, Sueß und Heim die Wege gewiesen. Das Studium der von außen wirkenden Kräfte, welche die Erdrinde umgestalten und Küstenbildung, Bodengestalt und Bodenbeschaffenheit bedingen, ist durch B. Studer und Fr. Hoffmann und mehr noch durch die Engländer Lyell, de la Bêche, Ramsay, Archibald und James Geikie u. a. gefördert worden. Die Geographie hat sich diesen Untersuchungen besonders seit Peschels »Neuen Problemen« (1867) zugewendet, aber eine tiefere wissenschaftliche Grundlage hat das geographische Studium der festen Erdoberfläche erst durch F. v. Richthofen erhalten, dem wir eine Reihe der wichtigsten Gesichtspunkte verdanken.

Auch das Studium der Meere hat in neuester Zeit große Fortschritte gemacht. Bisher war die Kenntnis im ganzen auf die Oberfläche beschränkt geblieben; die Ausmessung der Meerestiefen und der Entwurf von Tiefenkarten, die Messung der Tiefentemperaturen und die Feststellung der großen in der Tiefe stattfindenden Wasserversetzungen, die Beobachtungen über das organische Leben größerer Tiefe sind erst in den letzten Jahrzehnten, zuerst besonders bei der Legung der unterseeischen Kabel, dann durch besondere Expeditionen, wie die des Challenger, der Gazelle, der Tuscarora und Valdivia, wesentlich gefördert worden. Aber auch die Kenntnis der Erscheinungen der Oberfläche, der Temperatur, des Salzgehalts, der Dichte des Wassers, der Wellenbewegung, der Gezeiten, der Meeresströmungen ist wesentlich fortgeschritten und die Ozeanographie zu einer selbständigen Wissenschaft herangewachsen (s. Meer).

Auch die Kenntnis des Luftkreises und der Klimate der Erde hat erst im 19. Jahrh. durch zahlreichere meteorologische Beobachtungen eine sichere Grundlage erhalten. Man kann zwei Perioden der Forschung unterscheiden: in der ersten, deren Hauptvertreter [12] Dove und Känitz sind, ist die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die durchschnittlichen Witterungsverhältnisse und die täglichen und jährlichen Perioden gerichtet, in der zweiten Periode wird durch die Ausbreitung der Telegraphie die Zeichnung synoptischer Wetterkarten möglich, und der Witterungszustand des einzelnen Augenblicks, aber über größere Gebiete verglichen, tritt in den Vordergrund des Interesses. Auch die Betrachtungsweise der Klimatologie ist dadurch wesentlich vertieft worden, da sie sich nun nicht mehr bloß über den mittlern Zustand, sondern auch über die jedem Ort eigentümliche Art des Witterungsverlaufs Rechenschaft zu geben bestrebt ist. A. v. Humboldt, Dove, Mühry, Buchan, Hann und Wojeikof haben die Klimatologie am meisten gefördert.

Die wichtigsten Gesichtspunkte der Pflanzengeographie hat A. v. Humboldt als Ergebnis seiner amerikanischen Reise aufgestellt. Die wichtigsten Untersuchungen über die Anpassung der Pflanzen an Klima und Boden verdankt man den beiden De Candolle. Eine meisterhafte zusammenfassende Schilderung der Vegetation der Erde hat Grisebach gegeben. Die Deszendenztheorie hat die Möglichkeit eröffnet, die Verbreitung der Pflanzen über die Erde aus der geologischen Entwickelungsgeschichte zu verstehen. Engler hat den ersten systematischen Versuch zur Durchführung dieses Gesichtspunktes gemacht. Die Kenntnis der Verbreitung der Tierarten hat zuerst durch Andreas Wagner wissenschaftliche Schärfe erhalten. Aber ein volles wissenschaftliches Verständnis wurde auch hier erst durch die Deszendenztheorie eröffnet; ihre großen Begründer, Darwin u. A. R. Wallace, haben der modernen Tiergeographie die Wege gewiesen.

Über die Abhängigkeit des Menschen von der Natur der Erdoberfläche hatten schon mehrere Schriftsteller des Altertums und dann wieder Philosophen des 18. Jahrh. geistvolle Bemerkungen ausgesprochen, aber zum Gegenstand eindringender wissenschaftlicher Untersuchung haben sie erst A. v. Humboldt und Karl Ritter gemacht. Beide haben es hauptsächlich innerhalb der Länderkunde getan, Humboldt in seinen Darstellungen von Mexiko, Cuba und Venezuela, Ritter in seinem großem Werk über Afrika und Asien. Humboldts Vorgang folgend, haben viele spätere Reisende den Beziehungen zwischen Natur und Menschenleben ihre Aufmerksamkeit zugewandt und innerhalb ihrer Reisebeschreibungen besprochen. Auch Ritters Schüler, wie Mendelssohn, Meinicke, Kohl, Wappäus, E. Curtius, Neumann, Guthe, haben sich großenteils innerhalb der Länderkunde gehalten. Peschel hat, trotz seiner Bekämpfung der Ritterschen Schule, über die Beziehungen zwischen der Natur der Länder und ihren Bewohnern ebenfalls eine Reihe schöner Aufsätze geschrieben. Andre Beziehungen zwischen Natur und Mensch sind innerhalb der Völkerkunde (s.d.) untersucht worden. Den ersten Versuch einer zusammenfassenden Geographie des Menschen hat Ratzel unternommen.

Die wissenschaftliche Betrachtung einzelner Erdräume oder, kurz gesagt, die Länderkunde ist, von einzelnen Versuchen älterer Zeiten abgesehen, überhaupt erst ein Kind des 19. Jahrh. Auch hier leuchten uns an vorderster Stelle die glänzenden Namen Humboldts und Ritters entgegen. Aber die Behandlung der Länderkunde bei beiden Forschern ist wesentlich verschieden: bei Humboldt umfassende erklärende Naturgemälde, bei Ritter nur Beschreibung der Natur, besonders der Küstenumrisse und der Bodengestalt, auf die Betrachtung des Menschen zugespitzt. Die naturwissenschaftliche Länderkunde Humboldts hat sich bei den wissenschaftlichen Reisenden fortgepflanzt und den schönen Darstellungen südamerikanischer Länder durch Martius, Pöppig, v. Tschudi u. a., Javas durch Junghuhn, Neuseelands durch Hochstetter etc. zum Vorbild gedient; Ritters anthropozentrische Länderkunde dagegen herrschte in der systematischen Geographie (Meinicke, Mendelssohn, Wappäus, Guthe u. a.), und erst deren neueste Entwickelung hat eine harmonische Verschmelzung der beiden Betrachtungsweisen gezeitigt. Die Entwickelung des Kartenbildes der Erde vom Altertum bis zur Neuzeit zeigt unsre Karte II.

Literatur der Erdkunde.

Gesamtdarstellungen der Geographie. Karl Ritters großes Werk: »Die E. im Verhältnis zur Natur und zur Geschichte des Menschen« (Berl. 1817–18, 2 Bde.; 2. Aufl., 1822–59, 19 Bde.) ist leider ein Torso geblieben, der nur Afrika und den größern Teil von Asien behandelt. Ein ähnliches Werk ist seitdem nicht wieder versucht worden. Am ehesten läßt sich ihm Elisée Reclus' »Nouvelle géographie universelle, la terre et les hommes« (Par. 1876–94, 19 Bde.) zur Seite stellen, das in eleganter Darstellung ein anschauliches Bild aller Länder entwirft. Deutsche Werke sind: die von W. Sievers in Verbindung mit Hahn, Kükenthal, L. Neumann, Philippson, E. Deckert herausgegebene, reich illustrierte »Allgemeine Länderkunde« in 6 Bänden (Leipz. 1891ff., meist in 2. Aufl.), die alle Erdteile umfaßt, und das von Kirchhoff unter Mitwirkung von Penck, Supan, Hahn, Fischer u. a. herausgegebene Werk »Unser Wissen von der Erde« (Wien u. Leipz. 1885ff.), das aber, von der allgemeinen E. abgesehen, nicht über Europa (ohne Rußland) hinausgekommen ist. Daneben ist Stanfords »Compendium of geography and travel« (Lond. 1882ff., 6 Bde., bearbeitet von Ramsay, Bates, Wallace u. a.) zu nennen. Eine vergleichende E. bietet Ratzel, Die Erde und das Leben (Leipz. 1901–1902, 2 Bde.).

Die geographischen Handbücher sind großenteils trockne Beschreibungen und Zusammenstellungen von statistischen Angaben geblieben. Am umfassendsten ist Stein-Hörschelmanns »Handbuch der Geographie und Statistik« (7. Aufl., in Verbindung mit Fachmännern hrsg. von Wappäus, Leipz. 1849–71, 12 Bde.); die von Wappäus bearbeitete Geographie von Amerika beruht auf besonders gründlichem Quellenstudium und berücksichtigt auch die Natur der Länder, während die meisten andern Bände rein statistisch sind. Auch G. A. v. Klödens »Handbuch der E.« (4. Aufl., Berl. 1882 bis 1885, 5 Bde.) ist als Materialsammlung brauchbar. H. A. Daniels »Handbuch der Geographie« (6. Aufl. von Volz, Leipz. 1895, 4 Bde.; kleinere Ausgabe in 2 Bdn.) ist weniger reichhaltig, enthält aber treffliche Schilderungen und Charakteristiken. Balbis »Allgemeine Erdbeschreibung« ist in 8. Auflage (Wien 1893, 3 Bde.) von Heiderich neu bearbeitet worden; letzterer ließ selbständig folgen: »Die Erde. Eine allgemeine Erd- und Völkerkunde« (das. 1896). – Von den ältern Lehrbüchern haben A. v. Roons »Grundzüge der Erd-, Völker- und Staatenkunde« (3. Aufl., Berl. 1847–55, 3 Bde.) noch Bedeutung. Gegenwärtig ist Herm. Wagners »Lehrbuch der Geographie« (7. Aufl. des Gutheschen Werkes, Hannov. 1903ff.) am verbreitetsten. In den Schulen werden die Leitfäden von Daniel, Kirchhoff, Seydlitz, Pütz am meisten benutzt. – Ein geographisches Lexikon von wissenschaftlichem Wert ist das »Nouvelle dictionnaire de géographie universelle« von Vivien de Saint-Martin, fortgesetzt von Rousselet (Par. 1875–1900, 7 Bde. u. 2 Suppl.), das verbreitetste[13] deutsche Nachschlagewerk ist Ritters (Pseudonym) »Geographisch-statistisches Lexikon« (8. Aufl., Leipz. 1894, 2 Bde.).

Als eine zusammenfassende Darstellung der allgemeinen E. im weitern Sinne kann Ule, Grundriß der E. (Leipz. 1900) und die »Allgemeine E.« von Hann u. a. (5. Aufl. mit E. Brückner und A. Kirchhoff, Prag 1899) empfohlen werden. Ein umfangreiches Sammelwerk: »Die E., eine Darstellung ihrer Wissensgebiete, ihrer Hilfswissenschaften etc.« gibt neuerlich M. Klar unter Mitwirkung zahlreicher Fachmänner heraus (Wien 1903ff.). Peschel-Leipoldts »Physische E.« (2. Aufl., Leipz. 1883–85, 2 Bde.) ist aus Vorlesungen Peschels und den Aufsätzen des klassischen Peschelschen Buches »Neue Probleme der vergleichenden E.« (das. 1867, 4. Aufl. 1883) zusammengestellt. S. Günthers »Handbuch der Geophysik« (2. Aufl., Stuttg. 1897–99, 2 Bde.) ist besonders durch seine reichen Literaturnachweise wertvoll. – Mehr den Gesichtspunkt der allgemeinen Länderkunde betonen: E. Reclus, La terre (Par. 1868, 2 Bde.; deutsch bearbeitet von O. Ule, 2. Aufl., Leipz. 1892), Supan, Grundzüge der physischen E. (3. Aufl., Leipz. 1903). Unsre Kenntnisse vom Gebirgsbau der Erde sind von Sueß in dem großartigen Werke: »Das Antlitz der Erde« (Prag u. Leipz. 1885ff., Bd. 1–2) zusammengefaßt worden. Für das Studium der Bodengestaltung und Bodenbeschaffenheit muß besonders auf F. v. Richthofens »Führer für Forschungsreisende« (Berl. 1886) sowie Pencks »Morphologie der Erdoberfläche« (Stuttg. 1894, 2 Bde.) verwiesen werden. Ziemlich veraltet ist Sonklars »Allgemeine Orographie« (Wien 1872), modern: de La Noë und Margerie, Les formes du terrain (Par. 1888). Von geologischen Werken kommen dem Bedürfnis des Geographen besonders Lyells »Principles of geology«, Lapparent, Traité de géologie (4. Aufl., Par. 1900, 3 Bde.) und Neumayr, Erdgeschichte (2. Aufl., Leipz. 1895, 2 Bde.) entgegen.

Die Literatur über Geographie des Menschen oder Anthropogeographie hat sich lange auf die Behandlung einzelner Punkte beschränkt. K. Ritters »Einleitung zur allgemeinen vergleichenden Geographie« und »Abhandlungen zur Begründung einer mehr wissenschaftlichen Behandlung der E.« (Berl. 1852), J. G. Kohls »Untersuchungen über Verkehr und Ansiedelungen der Menschen« (Dresd. 1841), E. Kapps »Vergleichende allgemeine E.« (Braunschw. 1845; 2. Aufl. 1868, 2 Bde.), K. Andrees »Geographie des Welthandels« (1. Bd., allgemeiner Teil, 2. Aufl., Stuttg. 1877), Peschels in seine »Völkerkunde« (6. Aufl., Leipz. 1885) aufgenommene Aufsätze sind die wichtigsten Erscheinungen. Viele Probleme werden in den Werken über Völkerkunde (s.d.), von denen hier die Werke von Waitz-Gerland, F. Müller, Peschel, Ratzel und Schurtz genannt sein mögen, erörtert. Zum erstenmal ist die Geographie des Menschen im ganzen behandelt worden in Fr. Ratzels »Anthropogeographie« (Stuttg. 1882–91, 2 Bde.; Bd. 1 in 2. Aufl. 1899) und »Politische Geographie« (2. Aufl., Münch. 1903). Als Atlas ist Gerlands »Atlas der Völkerkunde« (in Berghaus' »Physikalischem Handatlas«) wichtig.

Die Literatur über mathematische und physikalische Geographie, Ozeanographie, Pflanzen- und Tiergeographie, Meteorologie, historische Geographie und Landkarten s. bei den betreffenden Artikeln.

Die Geschichte der E. bis auf Ritter und Humboldt behandelt Oskar Peschel (2. Aufl. von S. Ruge, Münch. 1877); nach ihm, für Landreisen noch eingehender, Vivien de Saint-MartinHistoire de la géographie et des découvertes géographiques«, Par. 1873). Populär sind Löwenbergs »Geschichte der Geographie« (2. Aufl., Berl. 1866) und »Geschichte der geographischen Entdeckungsreisen« (Leipz. 1882–1884, 2 Bde.); Günther, Entdeckungsgeschichte und Fortschritte der wissenschaftlichen Geographie im 19. Jahrhundert (Berl. 1902). Für das Altertum vgl. Bunbury, History of ancient geography among Greeks and Romans (2. Aufl., Lond. 1883, 2 Bde.) und Berger, Geschichte der wissenschaftlichen E. der Griechen (2. Aufl., Leipz. 1903); für das Mittelalter: Lelewel, Géographie du moyen-âge (Brüssel 1852, 4 Bde., nebst Epilogue, 1857); Kretschmer, Die physische E. im christlichen Mittelalter (Wien 1889); Th. Fischer, Sammlung mittelalterlicher Welt- und Seekarten italienischen Ursprungs (Vened. 1886); Miller, Mappae mundi (Stuttg. 1895–98,6 Hefte); Wolkenhauer, Leitfaden zur Geschichte der Kartographie (Bresl. 1895); Nordenskiöld, Facsimile-atlas till kartografiens äldsta historia (Stockh. 1889) und »Periplus« (1897); für das Zeitalter der Entdeckungen die Werke von Peschel (2. Aufl., Stuttg. 1877), Ruge (Berl. 1881), in kleinerem Umfang S. Günther (Leipz. 1901) und Kretschmer, Die Entdeckung Amerikas in ihrer Bedeutung für die Geschichte des Weltbildes (mit Atlas, das. 1892). Ein groß angelegtes Werk ist J. S. Keltie, Story of exploration (Bd. 1, Lond. 1903).

[Atlanten.] Unter den Atlanten steht durch wissenschaftliche Gründlichkeit und Schönheit der Technik obenan Ad. Stielers 1817 begründeter und seitdem immerfort erneuerter »Handatlas« (Gotha, Justus Perthes, 9. Aufl. 1901ff.), an dem im Laufe der Zeit eine Reihe der vorzüglichsten Kartographen, wie Stieler, Stülpnagel, Petermann, Berghaus, Vogel, Habenicht u. a., tätig gewesen sind. Daneben müssen H. Kieperts »Handatlas« (45 Blatt, Berl. 1860; 3. Aufl. 1893–96), Andrees »Allgemeiner Handatlas« (4. Aufl., Leipz. 1898, mit Namenverzeichnis und »Geographischem Handbuch«), der zuerst den Buchdruck anwendete, der »Neue Handatlas« von E. Debes (2. Aufl., das. 1900), Sohr-Berghaus, »Handatlas« (neu bearbeitet von Bludau, Glogau 1902ff.) und Meyers »Kleiner Handatlas« (2. Aufl., das. 1900,113 Blatt, mit Register) genannt werden. Von Schulatlanten sind besonders Sydow-Wagners »Methodischer Schulatlas« und die Atlanten von Debes, Andree-Putzger, Keil-Riecke, Lehmann-Petzold, Diercke-Gäbler, Lüddecke, Peucker, Richter zu nennen. Der Wirtschaftsgeographie dienen die Atlanten von Langhans, Scobel, Scobel-Lehmann. In Frankreich ist der großartig angelegte Atlas von Vivien de Saint-Martin zu nennen, die englische Kartographie hat wenig bedeutsame Leistungen. Gute Karten der physischen Geographie bietet der von Heinrich Berghaus begründete »Physikalische Handatlas« (neue Bearbeitung von Herm. Berghaus, mit Neumayer, Hann, Drude, Marshall, Gerland u. a., Gotha 1886–92,7 Abtlgn.).

[Zeitschriften etc.] Die Zahl der geographischen Zeitschriften ist sehr beträchtlich. In Deutschland sind hauptsächlich die »Mitteilungen aus Justus Perthes' geographischer Anstalt« (1855 in Gotha von A. Petermann begründet, später von Behm und gegenwärtig von Supan herausgegeben), die »Zeitschrift« und (bis 1901) die »Verhandlungen der Gesellschaft für E. in Berlin«, Kettlers »Zeitschrift für wissenschaftliche Geographie« (1880–91, 8 Bde.), »Das Ausland« (1828[14] bis 1893, früher von Peschel, Ratzel, v. d. Steinen, zuletzt von Günther redigiert), der »Globus« (1862 von K. Andree begründet, seit 1903 von Singer geleitet), »Aus allen Weltteilen« (von O. Delitsch begründet, 1869–99), die »Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik« (1878 von Arendts begründet, jetzt redigiert von Umlauft, Wien), die »Deutschen geographischen Blätter«, hrsg. von Lindeman im Auftrag der Bremer Geographischen Gesellschaft (seit 1877), die »Geographische Zeitschrift«, hrsg. von Hettner (Leipz. 1895ff.), und die Mitteilungen und Jahresberichte der verschiedenen Geographischen Gesellschaften (s.d.) zu erwähnen. Unperiodische Veröffentlichungen sind die Ergänzungshefte zu »Petermanns Mitteilungen«, die »Geographischen Abhandlungen« (hrsg. von Penck, Wien, jetzt Leipzig), die »Forschungen zur deutschen Landes- u. Volkskunde« (hrsg. von A. Kirchhoff, Stuttg.) u. a. Das »Geographische Jahrbuch« (Gotha, 1866 von Behm begründet, jetzt von H. Wagner herausgegeben) berichtet über die Fortschritte auf dem Gebiete der Geographie und der geographischen Hilfswissenschaften. Die wichtigsten englischen Zeitschriften sind das »Geographical Journal (früher Proceedings) of the R. Geographical Society« (Lond.) und »The Scottish Geographical Magazine« (Edinb.), die wichtigsten französischen: das »Bulletin« und das »Compte-rendu« der Pariser Geographischen Gesellschaft, die »Revue de géographie« von Drapeyron, die »Annales de géographie« von Vidal de la Blache und Dubois, die »Nouvelles géographiques« von Schrader und Jacottet und die illustrierte Zeitschrift »Le Tour du monde«. Die wichtigsten italienischen das »Bollettino« der italienischen Geographischen Gesellschaft (Rom) und die »Rivista geografica italiana« (Florenz, seit 1894). Die Bibliographie verzeichnet, abgesehen von den fortlaufenden Berichten in »Petermanns Mitteilungen«, den »Annales de Géographie« und andern Zeitschriften, besonders die von der Gesellschaft für E. in Berlin herausgegebene »Bibliotheca geographica« (bearbeitet von Baschin, 8. Jahrg., Berl. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 4-15.
Lizenz:
Faksimiles:
4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Neukirch, Benjamin

Gedichte und Satiren

Gedichte und Satiren

»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

162 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon