1. An der Zunge des Bewerbes hüpft der Name des Geliebten.
2. An der Zunge erkennt man den Kopf (Menschen).
3. Auf der Zunge Honig, unter der Zunge Essig.
4. Auf eine wunde Zunge muss man keinen Pfeffer streuen.
5. Beherzte Zunge, blödes Herz.
Frz.: Hardie langue, courte lance. (Kritzinger, 410b.)
6. Bei seiner Zungen wirt einer erkant, auss welchem land er ist. – Pauli, Schimpff, Strasburg 1522, VIIb; Petri, II, 44.
7. Besser die Zunge im Herzen, als das Herz auf der Zunge.
Holl.: Het is beter, de tong op het hart te houden, dan het hart op de tong te drogen. (Harrebomée, II, 338a.)
[630] 8. Besser die Zunge zu kurz, als zu lang ausgestreckt. – Winckler, IX, 29.
Holl.: Het is beter zijne tong te kort dan te lang uit te steken. (Harrebomée, II, 338b.)
9. Besser schnelle Zunge, als krauses Haar.
Schwed.: Bättre snäll tunga, än krusat hår. (Grubb, 69.)
10. Böse Zung' und böses Ohr sind beide des Teufels. – Simrock, 12193; Körte, 7175; Frost, 127.
11. Böse Zunge bricht den Hals.
Lat.: Lingua est maleloquax mentis indicium malas. (Philippi, I, 226.)
13. Böse Zunge, ein bös Gewehr. – Simrock, 12195; Körte, 7170.
14. Böse zungen haben offt fromme Leute verdrungen. – Henisch, 753, 37; Zinkgref, IV, 412; Petri, II, 50.
Lat.: Talia dicentur tibi, qualia dixeris ipse. (Chaos, 481.)
15. Böse Zungen schneiden schärpffer, dann ein Schwert. – Sir. 28, 22; Lehmann, II, 48, 55; Henisch, 462, 17; Petri, II, 50; Simrock, 12189; Gaal, 1802; Körte, 7172; Körte2, 8987.
Mhd.: Diu zunge snît baz dan daz swert. (Krone.) – Dyne zunge die snydet durch das ferch die lenge ond twerch. (Muskatblut.) (Zingerle, 184.)
Engl.: The tongue breaketh bone, though itself hath none. – Words cut more than swords. (Masson, 390.)
Frz.: La langue n'a ni grain ni os et rompt l'échine et le dos. – Tel coup de langue est pire qu'un coup de lance. (Masson, 390.)
Holl.: Quade tonghen sniden meer dan sweerde. (Prov. comm., 602; Harrebomée, II, 339a.)
It.: Cattive lingue tagliano più che spade. (Pazzaglia, 199, 2; Gaal, 1802.)
Lat.: Non inest remedium adversus sycophantae morsum. (Masson, 380.) – Plus stricto mendax offendit lingula mucrone. (Gaal, 1802; Philippi, II, 99.) – Scindit mendosa gladio plus lingua dolosa. (Fallersleben, 602.)
Poln.: Bardziej boli od języka niź od miecza. – Rana się zgoi, słowo nie zgoi. (Masson, 390.)
Span.: Sanas llagas y no malas polabras. (Masson, 390.)
16. Böse Zungen schonen niemand.
Holl.: Kwade tongen vieren niemand. (Harrebomée, II, 339a.)
17. Böse Zungen soll man mit dem Tode stillen. – Graf, 351, 405.
Die Verleumdung ward als schmachvolle That auch mit einer schmählichen Strafe belegt. »Wenn jemand«, sagt ein altes Rechtsbuch, »eine öffentliche Verleumdung ausspricht, so büsse er sie mit nichts geringerm, als mit Ausschneidung der Zunge, sodass er sie um keinen geringern Preis auslösen kann, als dass er sie nach dem Wergelde schätzt.«
Mhd.: Die bosiu Zungen sal man stillen mit dem tode. (Kleines Kaiserrecht, II, 79.)
Span.: A mala lengua, buena tijera. (Cahier, 3487.)
18. Böse Zungen vnd böse Ohren ist eines so gut (schlimm), als das ander. – Lehmann, 792, 14.
»Der Teufel hat sie beide befressen.«
19. Czungen bynden, herczen twingen, under willen obirwinden1, alle ding czu dem besten keren, zo ist aller togende nymmere. (Töppen, 73, 3.)
1) Vielleicht: unsern Willen überwinden?
20. Das kleine Ding Zunge richtet grosse Stücke aus, wie ein klein Ruder das gewaltig Schiff regiert. – Eiselein, 660.
Böhm.: Jazyk tĕu koev. – Malý jazýček, ale všim telem vládne. (Čelakovsky, 68.)
21. Dazu hab' ich die Zunge bekommen, dass ich reden soll, sagte jenes Weib.
Böhm.: Nač by mĕl hloupý pozor míti najazyk; neb dle smyslu jeho: Protot' bůh jazyk dal, aby se mluvils. (Čelakovsky, 70.)
22. De Tung is man en kort En'n, wo 't gaut smeckt, seggt Sadler Fabe. – Reuter, Dorchleuchting, S. 271.
23. Dein zung fürlauff nit dein hertz. – Franck, I, 60a.
Lat.: Ne lingua mente celerior. (Franck, I, 60a.)
24. Deiner Zunge Sünden lasse verschwinden. – Eiselein, 660.
Lat.: Si potes extingue vitiosa crimina linguae. (Eiselein, 660.)
25. Dem einen steht die Zunge, dem andern sind die Zähne zu Gebote.
26. Der hat sich die Zunge nicht am Brei verbrannt, der sich mit einem Weibe zanken kann.
[631] 27. Der seine zung nicht zwingen kan, der ist ein Narr vnd vnweis mann. – Zinkgref, IV, 412.
28. Die verleumderische Zunge ist ein Schwert, welches mit Einem Streiche drei tödtet: Sich, den Beleidiger und den Zuhörer.
29. Die zung ist das best vnd das bösst glid. – Franck, I, 112b; Pauli, Postille, 587b; Gruter, I, 38; Petri, II, 153.
Ein Ausspruch des Griechen Anacharsis. »Das bösse glied, das jemand treit, ist die zung, wie Sanct Jacob sei't.« (Waldis, II, 11, 77.) – Ein rabbinischer Spruch sagt: »Von der Zunge kommt Gutes, von der Zunge kommt Schlimmes; ist es Gutes, gibts nichts besseres; ist es Schlimmes, gibts nichts schlimmeres.« (Jüdisches Volksblatt 1865, S. 156.)
Mhd.: Daz ergste lit, daz iemen treit, daz ist diu zunge, sô man seit. (Freidank.) – Daz boeste vleisch, daz ie getruoc wolf oder hunt in sînen munde, daz was boese genuoc; des boesen menschen zunge ist boeser vil. (Reimar Zweter.) (Zingerle, 184.)
30. Die zung ist des hertzens Dolmetsch. – Franck, I, 112b; Gruter, I, 22; Eyering, I, 769; Henisch, 725; 19; Petri, II, 153; Körte, 7173.
Dän.: Det hiertet taenker taler munden. – Munden taler af hiertes overflödighed. – Tungen er hiertets tolk. (Prov. dan., 557.)
Holl.: De tong is de tolk van het hart. (Harrebomée, II, 337b.)
Lat.: Lingua interpres mentis. (Henisch, 725, 20.)
31. Die Zunge ausgeschnitten ist halbes Wergeld. – Graf, 323, 290.
Wenn das ⇒ Wergeld (s.d.) in der Regel nur für den todten Hals gefordert wurde, so musste es doch auch für schwere Körperverletzungen, besonders Verstümmelungen, die man als theilweise Tödtungen betrachtete, gezahlt werden; und es ward nach dem Grade der Verstümmelung bemessen. Die ⇒ Hand (s.d.; Graf, 323, 291) galt für halben Leib, der ⇒ Daumen (s.d.) für ein Drittelhand. Dem Verlust der Hand gleich geachtet war vollständige Taubheit, wenn einem vom Schlagen des Hauptes das Hören vergangen ist, sodass er nicht mehr hört den Hund am Bande, den Hahn auf dem Balken, das Rufen und Lärmen vor seiner Thür. (S. Graf, S. 335.)
Altfries.: Thin thunge of snithen en tuede ield. (Richthofen, Rechtsquellen, 90, Kap. 2.)
32. Die Zunge bringt mehr Leute um als das Schwert. – Schlechta, 231.
33. Die Zunge berührt uns, und richtet uns dann zu Grunde. – Neue Illustrirte Zeitung, V, 25.
34. Die Zunge der Erfahrung verdient den meisten Glauben. – Burckhardt, 592.
35. Die Zunge der Falschen verwundet mehr als Schwert und Dolch.
Böhm.: Horší jazyk falešnika, nežli kopí bojovnika. (Čelakovsky, 42.) – Jazyk bez kosti, ale kosti (skály) láne. (Čelakovsky, 72.) – Neni kostí v jazyku, může přelhati vladyka. (Čelakovsky, 68.)
Engl.: The tongue breaketh bone, though itself have none. (Bohn II, 21.)
Tschud.: Lihhane keel leikab luise kaela. (Čelakovsky, 72.)
36. Die Zunge der Frauen und der Arm der Könige ist lang.
37. Die Zunge der Wärterin hat das Vorrecht zu schwatzen.
Engl.: The nurse's tongue is privileged to talk. (Bohn II, 15.)
38. Die Zunge der Weiber wächst um so länger, je kürzer die Füsse sind. (China.)
39. Die Zunge des Huhns ist stets beim Hirse.
Unser: Wess das Herz voll ist, des geht der Mund über.
40. Die Zunge des Neides leckt nur am Süssen. – Altmann VI, 463.
41. Die Zunge des Weibes ist ein Schwert, das nimmer rostet.
42. Die Zunge, ein klein Stücklein Fleisch blos, hängt den Menschen und lässt ihn los.
43. Die Zunge eines Stummen ist besser als die eines Lügners. – Harssdörffer, 678.
44. Die Zunge führt ihren Herrn zum Glück, aber auch zum Unglück.
45. Die Zunge gefährdet den Kopf.
Daher sagen die Araber: Lass deine Zunge dir nicht den Hals abschneiden. (Cahier, 2256.) Und die Türken: [632] Wer seine Zunge hütet, der hütet seinen Kopf. (Cahier, 2652.)
Mhd.: Diu zunge uns grôzen schaden birt. (Colm.) (Zingerle, 185.)
Span.: Lo que dice la lengua, paga la gorja. (Cahier, 3189.)
46. Die Zunge geht gern, wo die Zähne schmerzen.
Jeder spricht gern von seinen eigenen Leiden.
Holl.: De tong gaat waar de tand zeer doet. (Harrebomée, II, 337b.)
It.: La lingua batte, dove il dente duole. – Ogni salmo in gloria torna (finisce). (Biber.)
47. Die Zunge hat aine mawre vnd gräben vor sich. – Agricola, II, 60.
48. Die Zunge hat mehr Menschen getödtet, als der Säbel. (Braunschweig.)
49. Die Zunge hat kein Bein, schlägt aber manchem den Rücken ein. – Lohrengel, I, 179; Simrock, 12192; für Waldeck: Curtze, 347, 412.
»Die zung hat gantz vnd gar kein bein vnd zerreisst doch eisen vnd stein.« (Waldis, II, 11; Petri, II, 153.) Die Rumänen: Die Zunge macht süss, die Zunge macht bitter; die Zunge hat keine Knochen, aber sie zerbricht Knochen. (Neue Freie Presse, 4576.)
Mhd.: Die zunge diu enhât kein bein und brichet doch bein und stein. (Freidank.) – Die zunge die sticht, die zunge die bricht beide stal vnd daz ysen. (Muskatblut.) (Zingerle, 184.)
Mnd.: Quade tonghen breken wel een been, en si enghenesen gheen. (Antwerpener Liederbuch, 202, 6, 5.)
Böhm.: Jazyk bez kosti, a tudy kam chec obraci. (Čelakovsky, 75.)
Dän.: Tungen er ei been, dog bryder hun stundan been. (Prov. dan., 557.)
Engl.: The tongue's not steel, yet it cuts.
Frz.: La langue n'a point d'os et pourtant elle fait rompre le dos. (Kritzinger, 410b.)
It.: La lingua non ha osso e taglia, e trincia minuto e grosso, e fa romper il dosso. (Pazzaglia, 199, 9; Giani, 911.)
Lat.: Domat homo leonem, domat taurum et ursum ac aprum, nec tamen domat linguam suam. (Chaos, 480.) – Lingua fuit damno. (Ovid.) (Binder I, 874; II, 1666.) – Lingua quo vadis? (Seybold, 279.) – Osse (ossa) caret glossa quandoque tamen terit ossa. (Reuterdahl, 680.)
Poln.: Język nie ma kości, jak się skrzywi tak się sprosci, ale czyni wiele złosci. (Lompa, 14.)
Schwed.: Thunga aer eg been thv at hon bither vm been. (Reuterdahl, 680.)
50. Die Zunge hat keine Knochen, aber sie hat schon manchen zerbrochen. – Schlechta, 232.
Die Russen: Die Zunge ist ohne Knochen, sie bewegt sich, wie sie will. (Kiesewetter, 44.) Ein morgenländisches Sprichwort sagt in ähnlicher Weise: Die Zunge ist eine Schlange ohne Knochen, aber sie zerbricht Knochen.
51. Die Zunge hinter den Zähnen zu halten, ist eine Tugend über alle Tugenden. – Schles. Provinzial-Blätter, 1862, 569.
52. Die Zunge ist der Büttel (oder Verräther) des Herzens.
Die Finnen: Das ist auf der Zunge, was im Sinne ist; das ist im Munde, was im Herzen ist. (Bertram, 65.)
53. Dîe Zunge ist der Dienstleute schlimmstes Glied.
Lat.: Lingua mali pars pessima servi. (Juvenal.) (Philippi, I, 226.)
54. Die Zunge ist der falscheste Zeuge des Herzens. – Eiselein, 660; Simrock, 12182.
55. Die Zunge ist der Sabel im Schnabel. – Binder III, 4212.
56. Die Zunge ist der Wiederschall (Dolmetscher) der Seelen. – Winckler, VIII, 99.
57. Die Zunge ist des Leibes Henker und Arzt.
Schwed.: Tungan är bäde ond och god. (Grubb, 824.)
58. Die Zunge ist des Nackens Feindin. – Burckhardt, 119.
59. Die Zunge ist die Arbeiterin des Herzens.
60. Die Zunge ist ein klein Glied und kann grosse Dinge thun.
Holl.: Al is de tong een klein lid, zij kan ongemeene dinge uitrigten. (Harrebomée, II, 337b.)
61. Die Zunge ist eine Abbildung des Gemüths. – Chaos, 482; Winckler, IX, 74.
62. Die Zunge ist eine Dolmetscherin des Verstandes und ein Spiegel der Gedanken. – Wirth, II, 518.
[633] 63. Die Zunge ist eine gute (schlimme, gefährliche u.s.w.) Waffe.
Der eine verwundet sich damit, der andere sich und dich.
Böhm.: Jazyk nešpatný voják. – Mnohý jazykem se vysekal, a mnohý posekal. (Čelakovsky, 81.)
Poln.: Język broń nieposlednia. (Čelakovsky, 81.)
64. Die Zunge ist glatt.
Kroat.: Na jezika ni žulja. (Čelakovsky, 74.)
65. Die Zunge ist nicht gesund, wenn das Herz fiebert.
Holl.: De tong is niet gezond, als het hart de koorts heeft. (Harrebomée, II, 337b.)
66. Die Zunge ist nicht immer das Echo des Herzens. – Altmann VI, 467.
67. Die Zunge ist nicht von Sohlleder.
Sie liebt und prüft das Leckere.
68. Die Zunge ist schneller, als der Kopf.
Die Chinesen: Eine Zunge ist schneller als zwei Füsse. (Cibot, 159.)
69. Die Zunge ist süss, aber die Gutthat weit. – Burckhardt, 214.
Von einem Heuchler.
70. Die Zunge ist tödtlicher als das Schwert. – Neue illustrirte Zeitung, V, 25.
71. Die Zunge kann nicht wiederbeissen, wie oft sie auch die Zähne beissen.
72. Die Zunge kann wol lügen, aber die Schrift nicht trügen.
73. Die Zunge langt von der Erde bis in den Himmel, wenn sie den Todten die Ehre abschneidet. – Chaos, 155.
74. Die Zunge lässt sich nicht meistern. – Simrock, 12189d.
Holl.: Er zijn banden voor alles, behalve voor de tong. (Harrebomée, II, 338a.)
75. Die Zunge läuft am meisten, wenn Händ' und Füsse gebunden sind.
76. Die Zunge läuft, wohin der Zahn will. – Winckler, VI, 78.
77. Die Zunge liegt insgemein, wo der Zahn wehe thut. – Winckler, V, 14.
78. Die Zunge macht schlimmere Ritze, als eines Schwertes Spitze.
79. Die Zunge schmäht die Lebenden, die Schrift die Todten.
Dän.: Tungen skaender de levende, skrivten de döde. (Prov. dan., 557.)
80. Die Zunge soll (will) dem Kopfe (nicht) parieren.
Böhm.: Jazyk hlavĕ nepřeje (nepřítel). (Čelakovsky, 72.)
81. Die Zunge soll nicht klüger sein, als der Kopf. – Simrock, 12189c.
Lat.: Eruditos oportet nos prius fieri animis, quam linguis. (Seybold, 148.)
82. Die Zunge soll nicht reden, ohne Urlaub vom Kopf (Herzen) zu haben. – Chaos, 482; Winckler, VI, 42.
Böhm.: Zle jest, když jazyk před rozumem ubíhá. – Zle, když jazyk repetí, a hlava neposlouchá. (Čelakovsky, 71.)
Dän.: Tungen skal ei tale för hun har lov dertil af forstanden. (Prov. dan., 544.)
Frz.: La langue peut bien mentir, mais l'écriture ne peut faillir. (Kritzinger, 411a.)
Lat.: Hunc locum indictum noverit esse sibi. – Quisquis amat dictis absentis rodere famam. (Chaos, 482.)
83. Die Zunge soll nicht schneller sein, als der Gedanke.
Das Wort soll den Gedanken nicht vorspringen.
Lat.: Ne lingua mente celerior. (Sailer, Sprüche, 138, 135.)
84. Die Zunge soll schweigen, wenn der Kopf warm ist.
Frz.: Il ne faut pas permettre à la langue de devancer l'esprit. (Kritzinger, 411a.)
It.: Tempera la lingua quando sei turbato. (Cahier, 2965.)
85. Die Zunge stösst gern an den kranken Zahn.
It.: La lingua corre ove il dente duole. (Cahier, 2964.)
86. Die Zunge verdirbt viel Freundschaft.
Schwed.: Tungan färdärívar mycken gunst. (Grubb, 825.)
87. Die Zunge vereinigt die Völker. – Bertram, 59.
88. Die Zunge verräth das Herz.
»Wie denn ein Sprichwort sagt im schertz, die Zunge die verrhat das Hertz, vnd was leit in dess Hertzen [634] grund daruom so geht vber den Mund.« (Hans Sachs, III, CXLIIII, 1.) Die Araber: Durch die Zunge wird probirt, was man in dem Schilde führt. (Hlawatsch, 247.)
89. Die Zunge widersteht, weil sie weich ist; die Zähne geben nach, weil sie hart sind. – Cibot, 169.
90. Die Zunge will schwer herzu, soll sie auch nur Wasser betteln für eine Kuh.
91. Die Zunge wird oft vom Zahne gebissen, die doch immer beieinander sein müssen. – Körte, 7174.
92. Die Zunge wird vom Wein gelöst.
93. Die Zungen soll man meiden, die vorn salben und hinten schneiden.
Mhd.: Her is wis, der di zungen midet, di vor salbit vnd nach snidet, vil su ze ist ire gecose, daz ende wirt dicke bose. (Elnendorf.) – Was nie geschach daz duot die zunge swatzen, recht als eyn wib die yren lib hie gen mir bleckt, mich forne leckt und duot mich hinden kratzen. (Muskatblut.) (Zingerle, 185.)
94. Ein falsch Zung ist ein Teuffel. – Petri, II, 182.
95. Ein falsch Zung verreth ein falsch Hertz. – Petri, II, 182.
96. Ein närrische Zung kan viel böses anrichten. – Petri, II, 216.
Mhd.: Lîht zungic munt, hirzîner zagel, diu zwei lant toren rîten. (Colm.) (Zingerle, 185.)
97. Ein schnelle Zung bringt vil Vnrath. – Petri, II, 224.
Mhd.: Liht zunge meldet manic pfat, wa cluoger man vil heimlîch gàt. (Colm.) (Zingerle, 185.)
98. Ein zung ist böser, denn ein dieb, seit dass sie stielt ehr, glimpff vnd lieb. – Henisch, 694, 95.
99. Ein zung mag bald schwerlich verletzen, dass es sich nimmer last ersetzen.
Lat.: Lingua cito laedit sed laesio raro recedit. (Loci comm., 75.)
100. Eine beredte Zunge kann ein fleckiges Gewissen nicht rein machen.
Poln.: Język sumnienia nieoczyści. (Čelakovsky, 371.)
101. Eine böss Zung ist ein böss gericht. – Petri, II, 172.
102. Eine böse Zunge ist das schärfste Schwert, sie lässt weder Mann noch Frau unversehrt. – Schmitz, I, 201, 257.
Böhm.: Vía jazyknežli meĕ potíná. (Čelakovsky, 72.)
Engl.: Sometimes words hurt more than swords. (Bohn II, 489.)
Poln.: Barziéj boli od języka niž od miecza. (Čelakovsky, 72.)
103. Eine böse Zunge ist der Freundschaft Gift.
Mhd.: Die übele zunge scheiden kan liebez wîp und lieben man. (Freidank.) – Diu boese zunge scheiden kan liebez wîp und lieben man. (Boner.) (Zingerle, 185.)
104. Eine böse Zunge ist ein böses Gewehr.
Mhd.: Die valschen zungen hânt daz reht, si machent krump, daz ê was slecht. (Boner.) – Diu zunge reht verkêret. (Freidank.)
It.: Se la lingua fosse una lancia, farebbe piu male che dieci altre. (Pazzaglia, 199, 14.)
105. Eine böse Zunge spricht von niemand gut.
Bei Tunnicius (238): Eine quade tunge sprikt numnande gût. (Lingua viri pravi nulli bona verba ministrat.)
106. Eine böse Zunge tödtet ihrer drei zugleich: den, der höret, den, welchen sie beleidigt, und sich selbst. – Harssdörffer, 242.
107. Eine bösse zunge richtet offt vil vnglücks an. – Sir. 28, 22; Agricola, I, 156; Guttenstein, 43, 42; Gruter, I, 24; Latendorf III, 83; Egenolff, 84; Petri, II, 172.
Bei Tunnicius (923): Eyn logener snyt meere dan eyn swert. (Plus gladio mendax affudit lingua minaci.)
Böhm.: Ilý jazyk mnoho zlého natropi. – Zlý jazyk všcko pokálí. (Čelakovsky, 73.)
Frz.: La langue venimeuse et double, cause bien souvent grand trouble. (Kritzinger, 410b.)
Holl.: De tong is oorzaak van veel kwaad. – Eene booze tong brengt dikwijls veel ongeluk. (Harrebomée, II, 337b u. 338a; Campen, 20.) – Quade tonghen sniden meer dan zwaerden. (Prov. comm., 602.)
Lat.: Adulator blandus inimicus. (Vulnus adulantis, gravius tibi subdola lingula, quam gladius saevo strictus ab hoste, dabit.) (Glandorp, I, 62.) – Et necis et vitae in lingua sedet ipsa potestas. – Lingua res optima et pessima. – Mala lingua plus gladio laedit. (Bebel, 128.) – Maledicus a malefico non distat nisi occasione. (Philippi, I, 237.) – Res bona lingua bona [635] est, res mala lingua mala. (Lindeberg, Moralia, 1212.) – Scindit mendosa gladio plus lingua dolosa. – Ut permultorum causa est lingua bonorum, sic gravet innumeris nos mala lingua malis. (Glandorp, II, 71, 115.)
108. Eine falsche Zung ist ein starckes Gifft. – Petri, II, 182.
Mhd.: Sîn giftge zunge ist ûzen honic. (Renner, 7276.) (Zingerle, 71.)
Mnd.: Een falsche tonghe, gheen argher fenijn. (Antwerpener Liederbuch, 121, 6, 5.)
Lat.: Plus stricto mendax offendit lingua mucrone. (Seybold, 447.)
109. Eine feine Zunge ist besser als gepudert Haar.
Die Finnen: Eine gute Zunge ist besser als zehn Maass Getreide. (Bertram, 56.)
Dän.: Bedre er snild tunge end kemt haar. (Prov. dan., 557.)
110. Eine freche Zunge macht keinen frommen Mann. – Simrock, 12189b.
111. Eine gezähmte1 Zunge ist ein seltener Vogel. – Lehmann, II, 122, 34; Simrock, 1297; Körte, 7171; 8986.
1) Bei Franck (I, 162a) steht: gewönte.
112. Eine gute Zunge ist besser als ein glattes Gesicht.
Beredsamkeit geht über Schönheit.
Lat.: Quam facies compta plus confert lingula prompta. (Reuterdahl, 829.)
Schwed.: Baetra aer wara mwla kringh aen snutofaghrun. (Reuterdahl, 829.)
113. Eine schmeichelnde Zunge vergiftet die Ohren.
Holl.: Eene vieijende tong is gelijk eene slak, die niet dan vuile drogt nalaat. ( Harrebomée, II, 338a.)
114. Eine schnelle Zunge und eine durstige Kehle schaden dem Leib und der Seele.
Holl.: Een rappe tong en natte keel, dat wint niet veel. (Harrebomée, II, 338a.)
115. Eine schwere Zunge macht ein träges Herz.
Holl.: Eene logge tong maakt een slapend hart. (Harrebomée, II, 338a.)
116. Eine törichte Zung richt vnglück an. – Lehmann, II, 131, 201; Petri, II, 229.
117. Eine ungezäumte Zunge thut mehr Schaden als ein Pferd ohne Zaum. – Harssdörffer, 563.
118. Eine Zunge ist genug für ein Weib, sagte der Mann zu seiner Frau, als sie wollte, dass die Tochter Französisch lernen solle.
So sagte auch Milton, als man ihn fragte, ob seine Töchter fremde Sprachen lernen sollten.
119. Eine Zunge ist schon zu viel, klagte der Bauer, als seine Frau sang: O dass ich tausend Zungen hätte!
120. Eine Zunge kann tausend Ohren Krämpfe machen.
121. Eine Zunge von Fleisch zerschneidet einen Hals von Knochen.
122. Eine Zunge von Gold und ein Herz von Eisen schicken sich schlecht zusammen. – Winckler, XVI, 97.
123. Einer hilft sich mit der Zunge, der andere mit den Zähnen.
124. Einer ist des andern Zunge.
125. Eins verleumbders Zunge ist schärffer denn ein Schermesser. – Petri, II, 228.
126. Es ist nichts vber ein böss Zung. (S. ⇒ Weib 901.) – Petri, II, 276.
127. Es kann der Zunge behagen und doch den Bauch arg plagen.
Frz.: De bon fruit méchant vent et bruit. (Leroux, I, 49.)
128. Es kann nicht jeder seine Zunge im Zaume halten.
It.: Non è di tutti porre il freno alla lingua. (Pazzaglia, 199, 12.)
129. Falsche Zungen seynd wollfeil. – Lehmann, II, 171, 3; Petri, II, 308.
130. Fein ist die Zunge der Wage. – Graf, 5, 96.
Dän.: Ok er miatt mundangs hofet. (Jonssyni, 233.)
131. Freche Zunge, feiges Herz.
It.: Ardito di lingua, codardo di lancia. (Pazzaglia, 199, 1.)
132. Für böse Zungen hilft kein Harnisch. – Simrock, 12189a.
[636] 133. Für böse Zungen ist kein artzney. – Petri, II, 320.
Holl.: Tegen kwade tongen bast geen harnas. (Harrebomée, II, 339a.)
Lat.: Non inest remedium adversus sycophantae morsum. (Binder I, 1178; II, 2180; Seybold, 233.)
134. Gegen böse Zungen sind derbe Hände gut.
Holl.: Vindt men kwade tongen, men vindt er weêr kwade handen tegen. (Harrebomée, II, 339a.)
135. Gegen böse Zungen taube Ohren.
Frz.: A coup de langue, escu d'oreille. (Cahier, 1205.)
136. Gespärig Zung und offne Stirn, geschlossen Gemüth die Welt regier'n.
Lat.: Frons aperta, lingua parca, mens clausa, regnum tenent. (Chaos, 486.)
137. Halt an die Zunge, junges Blut, ein jeder Witz geräth nicht gut.
138. Halte die Zunge im Munde wie einen Gefangenen. – Neue illustrirte Zeitung, V, 25.
139. Hört die Zunge auf zu mucksen, dann fängt der Beutel an zu jucksen. – Frost, 154.
140. Hüetet iuwer Zungen, das zimt wol den Jungen.
141. Hüte dich vor gezuckerten Zungen und gepfefferten Herzen!
Mhd.: Manic zunge sprichet süeziu wort, dâ doch der angel stichet dar. (Br. Wernher.) (Zingerle, 185.)
142. Hütet eure Zungen, ist Alten gut und Jungen. – Simrock, 12188.
Schwed.: Hava tand för tunga, står wäl hos gambla og unga. (Grubb, 286.)
143. Ich bin die Zunge, die zwischen den Zähnen steht.
Zwischen Thür und Angel stehen; allen dienen und keiner Partei angehören.
144. Im rath die zung hat jhre macht, die handt thuts in der schlacht. – Zinkgref, IV, 412.
145. Ist ihre Zunge ein Vogel und ihr Fuss eine Schnecke, geh' schnell nach einer andern Frau um die Ecke.
146. Je länger Zunge, je kürzer Hand. – Winckler, VII, 93.
147. Je schärfer die Zunge, je stumpfer der Degen (Spiess). – Winckler, VI, 79.
Frz.: Hardie langue, courte lance. (Cahier, 925.)
Lat.: Foemineus miles profert pugnas pueriles. (Chaos, 566.)
148. Je schlimmer die Zunge, je sanftmüthiger die Faust. – Chaos, 578.
149. Je stärker die Zunge, je schwächer die Arme.
150. Keine Zunge ohne Lunge.
151. Kühne Zunge, freches Maul und – verzagte Lanze.
152. Lang' Tung hadd ons Jung. (Dönhoffstädt.) – Frischbier, II, 3018.
Wenn ein unartiges Kind die Zunge ausstreckt.
153. Lange Zung' und kurze Hand, ist die Weise in manchem Land.
Engl.: A long tongue is a sign of a short hand. (Bohn II, 20.)
Holl.: 'T is een wijze van het land: lang van tong en kort van hand. (Harrebomée, II, 339a.)
It.: Dove è manco cuore, quivi è più lingua. (Cahier, 2963.)
154. Lange Zunge und kurze Hände sind gern beisammen. – Winckler, IX, 33.
Viel versprechen und wenig leisten.
Böhm.: Dlouby jazyk, krátké ruec. (Čelakovsky, 93.)
Frz.: Longue langue, courtes mains. (Cahier, 927; Kritzinger, 420b.)
Span.: Le lengua luenga es señal de mano corta. (Cahier, 3488.)
155. Lügenhafte Zunge schneidet schärfer als ein Schwert.
156. Man muss die Zunge mehr als Schild brauchen, denn als Spiess. – Altmann VI, 450.
157. Man sieht an der Zunge, ob der Magen gesund (verschleimt) ist.
Holl.: Men ziet aan de tong wel, of het varken gortig is. (Harrebomée, II, 339a.)
158. Man soll seine Zunge siebenmal im Munde drehen, ehe man spricht.
Böhm.: Dobře jazyk za zuby miti. – Joz koláĕ se hřiby, držjazyk za zuby. – Mívý, radimt, jazyk za zuby. (Čelakovsky, 76.)
[637] Kroat.: Derži jezik za zubmi. – Vtekni za zube jezik (Čelakovsky, 76.)
Poln.: Miej język za zęboma. (Čelakovsky, 76.)
159. Man soll seiner Zunge Zaum (Gebiss) anlegen.
Schwed.: Ord behöfva betsel. (Grubb, 650.)
160. Manchem ist die Zung an ein gülden Kette geschmiedt. – Lehmann, 288, 9.
161. Mancher wird weiter getragen auff der Zungen, denn auf einen hangenden Wagen. – Petri, II, 454.
162. Meine Zunge kann alles, sagte die Frau, aber schweigen nicht.
Poln.: Język bez pamiczi tajem nicę niestrzyma. – Język nieostrožny prawdę skrytą wyjawi. (Čelakovsky, 78.)
163. Meine Zunge wird mir nicht gestohlen werden, sagte das Weib, als ihr der Richter sagte, sie solle sich darauf acht geben.
164. Mit der Zunge magst du zuschlagen, aber den Händen lass ihren Willen nicht.
165. Mit der Zunge wird sich niemand zudecken.
166. Mit einer guten Zunge kommt man überall fort.
Böhm.: Jazyk dovede do kyjeva, adruhdy i dokyje. (Čelakovsky, 74.)
Poln.: Język i do Rzymu doprowadzi. – Język, i kijowakrukowa dopyta. (Lipiński, 91, 92.) – Na końcu języka droga. (Čelakovsky, 74.)
167. Mit einer Zunge kann man sich nach Rom fragen.
Span.: Quien lengua tiene, a Roma va. ( Cahier, 3486.)
168. Min Tung is ôk gên Ribbelapp; wenn der wat Lekkes vör kumt, happt se ôk up. – Bueren, 889.
169. Scharfe Zunge liebt man nicht.
170. Schweigende Zunge verliert ihr Recht.
It.: La lingua muta è mal servita. (Pazzaglia, 199, 6.)
171. Siben zungen gehören gen Hofe. – Agricola, II, 70.
172. Süsse Zunge, giftiges Herz.
Mhd.: Manic zunge sprichet süezin wort, dâ doch der angel stichet dar. (Wernher.) (Zingerle, 72.)
173. So lange die Zunge das Wort gefangen hält, vermag es kein Stäubchen von der Mauer wegzublasen; wenn sie es frei lässt, kann es Städte zerbrechen.
174. Trockene Zunge erzählt nicht gern. – Scheffel, Ekkehard, III, 8.
175. Unsauber Zunge, unsauber Sinn.
Mnd.: Onsuyvere tonghe, onsuyveren sin heeft, want elc vat unt gheeft nae dottet in heeft. (Antwerpener Liederbuch, 307.)
176. Vor böse Zungen hilft keine Arzenei.
Lat.: Sycophantae morsus inevitabilis. (Seybold, 593.) – Non est remedium adversus sycophantae morsum. (Sutor, 201.)
177. Vor bösen Zungen kann man sich nicht hüten.
Die Osmanen sagen, man solle seine Zunge gefangen halten. (Schlechta, 49.)
Ung.: Legnagyobb kárvallás a' nyelober.
178. Wär' die Zung ein Spiess, der Sieg wär ihm über Zehen gewiss.
179. Was auf der Zunge süss, ist oft dem Magen Gift.
180. Was auf die dritte Zunge kommt, ist Allermannsgut.
Böhm.: Třcti jazyk rychlejší než pták. (Čelakovsky, 81.)
181. Was die vnbesonnene zung redet, das ist die Hand zu halten nit schuldig. – Lehmann, 929, 29.
182. Was die Zunge redet, muss oft der Kopf bezahlen.
Böhm.: Jazyk vrah, mluvhli před. – Každá straka od svého jazy ka hyne. – Neopatrnĕ mluviti, bez nemori umřiti. – Trpí sýček za svůj jazýček. – Za zlá slova slitne i hlava. (Čelakovsky, 72.)
Engl.: He that strikes with his tongue, must ward with his head. – Let not your tongue cut your throat. – The tongue talks at the head's cost. (Bohn II, 21.)
Ung.: Ne szally nyelvem, nem fáj fejem. (Gaal, 1163.)
183. Was die Zunge verwirkt, muss oft der Rücken büssen. – Parömiakon, 850.
184. Was kümmert sich die Zunge darum, wenn der Zahn schmerzt.
Zur Schilderung der Theilnahme, welche nahe Verwandte kund geben.
Böhm.: Jazyk dobře vĕří, když zub boli. (Čelakovsky, 397.)
[638] 185. Was Zung und Schwert gewinnen, muss ohne Herz zerrinnen.
186. Wäschhafte zungen machen allzeit, dass frid nicht bleib oder eînigkeit. – Sutor, 616.
Lat.: Non domus est pacis, ubi regnat lingua loquacis. (Loci comm., 75.)
187. Wegen einer langen Zunge fallen manchem die Zähne aus.
188. Wenn die Zunge den Weibern einst stille hält, so träum' ich vom Untergange der Welt.
189. Wenn die Zunge die Zähne überschreitet, ist sie in fremder Botmässigkeit. – Chaos, 922; Winckler, XVIII, 40.
190. Wenn die Zunge drischt, gibt es keine Frucht in der Mühle. (Thüringen.)
191. Wenn die Zunge ein Spiess wäre, was müssten wir für Barbiere (Wundärzte) haben! – Winckler, XVI, 76.
Die Russen: Wenn die Zunge ein Galgen wäre, wie viel Erhenkte hätte mancher mit sich zu tragen. (Altmann VI, 436.)
192. Wenn die Zunge hinreicht, bewege nicht die Beine.
193. Wenn die Zunge strauchelt, spricht sie wahr.
Lat.: Cum lingua aberrat, vera saepe nunciat. (Sailer, Sprüche, 211.)
194. Wer der Zunge nicht folgt, den leitet der Stock.
195. Wer die Zung zuweit heraus lässt hangen, dem wird sie an den eigenen Hals gelangen.
196. Wer eine dumme Zûnge hat, der isset zu Hof nicht gern schwarzes. – Petri, II, 699.
197. Wer eine leckere (verschwenderische) Zunge hat, der hat eine geizige Hand. – Altmann VI, 436.
198. Wer eine Zunge hat, kommt nach Rom. (S. ⇒ Fragen 63.) – Winckler, XVII, 62.
Böhm.: Kdo jazyk ma, do Ríma se doptá. (Čelakovsky, 74.)
Engl.: He that has a tongue in his head, may find his way, where he pleases.
It.: Chi lingua ha, a Roma va. (Pazzaglia, 199, 3.)
199. Wer eine Zunge hat und Geld, der kommt durch die Welt.
200. Wer eine Zunge hat und nicht spricht, ein Schwert und nicht ficht, ist der nicht ein Wicht?
201. Wer mit seiner Zunge kein Weib erringen kann, kann sein ein guter Junge, doch sicher kein Mann.
202. Wer keine gute Zunge hat, muss gute Hände haben.
Engl.: Who has not a good tongue, ought to have good hands. (Bohn II, 137.)
It.: Chi non ha cervello, abbia gambe. (Bohn II, 137.)
203. Wer seine Zung hat in Gewalt, der wird mit Ehren alt. – Frischbier, II, 4215.
204. Wer seine Zung nicht zügeln kann, und übel redt von Jedermann; derselbig weiss zu dieser Frist, dass ihm mein Haus verboten ist. (Hausinschrift in Frankfurt a.M. 1607.)
205. Wer seine Zunge beherrschen kann, ist ein ganzer (starker) Mann.
Dän.: Den er priis vaerd, som regierer over sin tunge. (Prov. dan., 460.)
Holl.: Zijn tonge wel te kunnen dwingen, is beter dan het kunstig zingen. – Zoo gij uw tonge kunt bedwingen, zult gij dan reus ten onderbringen. (Harrebomée, II, 339a.)
206. Wer seine Zunge bewahrt, bewahrt seine Seele.
Holl.: Die zijne tong bewaart vergadert groote rust. – Die zijne tong kan bewaren, is een voozigtig mensch. (Harrebomée, II, 338a.)
Schwed.: Den som styrer sin tunga, han frälsar sill lif. (Grubb, 143.)
207. Wer seine Zunge bewahrt (fesselt), der rettet (schützt) seinen Kopf.
208. Wer seine Zunge bewahrt, viel Aerger (sich) erspart.
209. Wer seine Zunge nicht bewahrt, ist bald erkannt in seiner Art.
Holl.: Van dien kent men straks zijn' aard, die nooit zijne tong bewaart. (Harrebomée, II, 339a.)
[639] 210. Wer seine Zunge nicht kann bezwingen, der taugt nicht zu grossen Dingen.
Holl.: Wacht van hem geen groote dingen, die zijn tong niet kan bedwingen. (Harrebomée, II, 339a.)
211. Wer seine Zunge nicht zähmt, der stört den Frieden.
Böhm.: Kdo jazyk nedusi, často pokoj ruší. (Čelakovsky, 73.)
212. Wer seine Zunge weiss zu zähmen, darf anderer Leute Mäuler nicht fürchten. – Wirth, II, 512.
Lat.: Ne labet ille pede fit fruge clausula lingua. (Reuterdahl, 551.)
Schwed.: Goth aer sinne tungo styra at han skal ey tala illa. (Reuterdahl, 551.)
213. Wer seiner Zunge Meister ist, dem fehlt das Brot nicht, das er isst.
Er wird nicht an seinen Bedürfnissen Mangel leiden. Schweige, mein Zünglein, wirst essen dein Breilein, sagen die Kleinrussen. (Čelakovsky, 76.)
214. Wer seiner Zunge Meister ist, hat wol auf Erden die beste List. – Gaal, 1801.
Mhd.: Für schande wart nie bezzer list, dan der der zungen meister ist. (Freidank.) – Ze êren wart nie bezzer list, denn der sîner zungen meister ist. (Boner.) (Zingerle, 185.)
215. Wer seiner Zunge kann Meister sein, der ist fürwahr der klügsten ein. – Petri, II, 735.
216. Wer seiner Zungen hat Gewalt, der wird mit Ehren alt. – Zinkgref, IV, 420.
Lat.: Linguam refraenare majus est, quam mortuum suscitare. (Chaos, 481.)
217. Wer zung ein spiess, so thet er mehr, dann andere zehen. – Franck, I, 51a; Gruter, I, 84; Simrock, 12190; Sutor, 55.
218. Wessen Zunge im Galop geht, dessen Kopf ist ein langsamer Reiter. – Altmann VI, 435.
219. Wie die Zunge spricht, so horcht das Ohr.
Lat.: Ut quisque loquitur ore, ita audit auribus. (Sailer, Sprüche, 188.)
220. Wie die Zunge, so der Mensch. – Schlechta, 230.
221. Wo die Zunge sich kann laben, will das Auge auch was haben.
Holl.: Daar zich de tong vermaakt, moet het oog geen' honger liden. (Harrebomée, II, 337b.)
222. Wo ein schwätzig zunge regieren thut, schafft's im haus kein fried noch gut. – Zinkgref, IV, 412.
223. Wo eine böse Zunge regieren thut, steht's in einem Haus nicht gut.
Lat.: Non domus est pacis, ubi regnat lingua loqualis. (Sutor, 482.)
224. Wo sich die Zunge vergnüget, da muss das Auge nicht Hunger leiden. – Winckler, II, 72.
225. Zunge beredt und Kopf gelehrt, ist immer doppelt werth.
Ein Gelehrter, welcher eine gute Vortragsgabe besitzt, wird besonders hoch geschätzt.
It.: Una testa colla lingua vale il doppio. (Giani, 1637.)
226. Zunge, Bauch und Scham halte stets in Zâm.
227. Zunge und Feuer muss man bewahren.
228. Zunge und Herz sind nur eine Spanne weit, auseinander.
229. Zunge, wohin!
Lat.: Lingua, quo vadis?
230. Zungen und Zangen beissen sich oft selbst eine Scharte. – Parömiakon, 891.
231. Zwei Zungen in Einem Mund sind nicht gesund.
Dän.: Man skol ey have to tunger i een mund. (Prov. dan., 558.)
Schwed.: Man mäste intet ha twä tunger i munner. (Grubb, 558.)
232. Zweier Zungen Mund ist ärger denn ein böser Hund. – Suringar, LXIII, 3.
»(Dass wir) im mund nicht zwifach zunge tragen, die ja vnd nein zugleich sagen.« (Sandvoss, Sprichwörterlese, S. 111.)
233. Zwo Zungen stehen übel in einem Munde. – Eiselein, 661; Simrock, 12194.
Walther von der Vogelweide mit Bezug darauf, dass Papst Innocenz III. den Kaiser Otto mit den Worten geweiht: »Wer dich segnet, sei gesegnet; wer dir fluchet, sei verfallen« und dann gegen denselben Kaiser den Bannstrahl geschleudert, sagt: »Uns Laien wundert nur der Pfaffen Lehre. Was sie gelehrt vor wenigen [640] Tagen, woll'n sie ins Gegentheil uns übertragen. Sagt bei eurer Treue, mit welchem Wort' ihr uns betrogen. Beweiset uns das eine aus dem Grunde; das alte oder neue. Uns dünkt, das eine sei gelogen. Zwei Zungen steh'n nicht wohl in Einem Munde.« (Vgl. Deutsche Dichter des Mittelalters im Kampfe für den Kaiser wider den Papst. Von Dr. O. Richter, Kassel 1853.)
Mhd.: Arger ist zweier zungen munt und boeser denn ein vuler hunt. (Boner.) – Zwo zungen stant unebne in einem munde. (Walther.) (Zingerle, 186.)
Lat.: Bajula linguarum non fit (sit) faux una duarum. (Reuterdahl, 83.) – Quod modo callandat, id modo vitupere. (Eiselein, 661.)
Schwed.: Man skal egh hana twa tunggor i een mun. (Reuterdahl, 83.)
*234. A wälzt mir immer uf der Zunge rim. – Gomolcke, 248.
*235. Aus seiner Zunge dem Teufel eine Peitsche machen. – Herberger, II, 570.
*236. Darnach rennt einem die Zunge weg. – Frischbier, 4186.
Wenn etwas sehr gut schmeckt.
*237. Das ist eine Zunge, die niemals gelogen hat!
Scherzhaft: wenn man jemand Zunge als Speise vorsetzt.
Frz.: Voilà une langue qui n'a jamais menti. (Kritzinger, 411a.)
*238. De Tung geit hum as 'n Lammerstert. – Kern, 748.
Sie ist in beständiger Bewegung, er ist ein Schwätzer.
*239. Dem darf man die Zunge nicht lösen.
Frz.: Cet homme n'a pas le filet. (Lendroy, 755.) – Cette femme a langue bien pendue. (Lendroy, 904.)
*240. Dem sollte man die Zunge schaben. (Rottenburg.)
Er ist sehr wählerisch.
*241. Dem sollte man die Zunge zum Arsche hinausziehen. (Nürtingen.)
Dem Zotenredner.
*242. Der hat die Zunge im Maul. (Franken.) – Frommann, III, 358.
Von einem, der stumm in der Gesellschaft dasitzt, keinen Antheil an der Unterhaltung nimmt. Der Sprechende hat die Zunge nicht blos im Munde, er bewegt sie auch und lässt sie beim Sprechen sehen.
*243. Der ist die Zunge gelöset.
Holl.: Hij is wel van den tongriem gesneden. (Harrebomée, II, 338.)
*244. Die Zung' ist mir so trocken, als wenn die Sonne die Hundstage über drauf geschienen hätte. – Körte, 7073d.
*245. Die Zunge bringt ihn um den Hals.
Dän.: Vüer diu hals for diu tunge. (Prov. dan., 269.)
*246. Die Zunge geht ihm auf Stelzen. – Fischart, Gesch. in Kloster, VIII, 174; Masson, 377; Körte, 7173c.
Von Trunkenen und Stotternden.
*247. Die Zunge geht ihm wie ein Mühlrad. – Scheffel, Ekkehard, II, 135.
*248. Die Zunge geht mit. – Frischbier, 4186.
Nämlich mit einer wohlschmeckenden oder einer Lieblingsspeise.
*249. Die Zunge im Hosensack haben. – Schuppius, I, 636.
*250. Die Zunge ist ihm länger als die Zähne.
Er kann nichts verschweigen.
Frz.: Il a la langue plus longue que les dens. (Kritzinger, 411a.)
*251. Die Zunge läuft ihm ohne Gewicht. – Eiselein, 660.
Lat.: Nihil valet eloquendi viribus, verum silendi habet impotentiam. (Eiselein, 660.)
*252. Die Zunge spazieren laufen lassen.
Lat.: Lingua, quo vadis. (Binder I, 874; II, 1669; Erasm., 351.)
*253. Die Zunge um Gelt feil tragen. – Luther's Tischr., 480a.
*254. Die Zunge versagt ihm den Dienst. – Eiselein, 660.
Lat.: Illum corripuit stupor atque infantia linguae.
*255. Du beissest dich selbst in die Zunge. (Schweiz.) – Joc., III, 38.
Zu einem, der neben der Wahrheit geht.
*256. Du redest mit zweyen zungen. – Tappius, 157a.
Lat.: Duplices viros. (Tappius, 157a; Suringar, LXIII, 5.)
*257. Eck motte mî up de Tungen bîten. (Lippe.)
Um das Lachen zu unterdrücken, musste ich mich auf die Zunge beissen.
[641] *258. Ein uf der Zunge vertragen.
*259. Ein uf der Zunge witertragen, dann der Spitelwagen.
*260. Eine böse Zunge haben. – Ps. 52, 4.
Holl.: Kwade tong. (Laurillard, 86.)
*261. Eine gelöste Zunge haben.
Gut Mundwerk besitzen.
Frz.: Avoir la langue bien pendue. (Kritzinger, 410b.)
*262. Eine schwere Zunge haben.
Mit der Rede anstossen.
Frz.: Avoir la langue empêchée. (Kritzinger, 410b.)
*263. Einem an der Zunge ziehen.
Etwas aus ihm herausfragen.
*264. Einem die Zunge binden. – Henisch, 385, 50.
Lat.: Linguam alicui adstringere mercede. (Henisch, 385, 51.)
*265. Einem die Zunge lösen.
»Im Guten ist er zwar maulfaul, aber im Bösen ist ihm die Zunge wohl gelöset.« (Keller, 149a.) – »Sie han wul von Jugend uf su on onschläglichen Kupp gehot, und 's zingel is em goar bald gelefig gewest.« (Keller, 163a.)
*266. Einem die Zunge mit güldener Fessel binden. – Eiselein, 661.
*267. Einem die Zunge mit güldener Nadel lösen. – Eiselein, 661.
*268. Einem die Zunge zum Nacken herausreissen. – Luther's Tischr., 388a.
Ihn grausam behandeln.
*269. Einen mit der Zunge zu todt schlagen. – Herberger, I, 314.
*270. Einen über die Zunge springen lassen. – Körte, 7173c.
*271. En Tung as en Slagtswêrd. (Holstein.) – Schütze, IV, 288.
Von einer scharfen, spitzigen, giftigen Zunge.
*272. Er hat die Zunge auf dem rechten Fleck. (Schwaben.)
*273. Er hat die Zunge nicht in der Tasche.
*274. Er hat ein dunne zunge. – Agricola, I, 187; Latendorf III, 129.
Von jemand, der einen feinen, scharfen Geschmack hat. »Wer das fieber hat, odder sonst gebrechen des magens etc., dem wird die zunge dicke. Widderumb haben die eine dunne zungen, denen nichts brichtt, vnd können alles wol schmecken.«
Holl.: Hij heeft eene dunne tong. (Harrebomée, II, 338b.)
*275. Er hat eine glatte Zunge.
Holl.: Hij heeft eene gladde tong. ( Harrebomée, II, 338b.)
*276. Er hat eine lange Zunge.
Kann kein Geheimniss bewahren, ist eine Plaudertasche.
Frz.: Avoir la langue longue. (Kritzinger, 411a.)
*277. Er hat eine sammtene Zunge.
Holl.: Hij heeft eene fluweelen tong. (Harrebomée, II, 338b.)
*278. Er hat eine scharfe Zunge.
In Frankreich schreibt man eine solche besonders den Bewohnern von Orleans zu, indem man sie mit dem Stachel einer Wespe vergleicht. Man hat allen Respect vor den guépins d'Orléans; man achtet sie sogar in dem sarkastischen Paris. (Vgl. Gerbel, Nationale Sprichwörter der Franzosen in Ausland 1870, Nr. 47.)
Holl.: Hij heeft eene gewette (geslepene) tong. (Harrebomée, II, 338b.)
*279. Er hat eine schwere Zunge.
Hat zuviel getrunken.
*280. Er hat ihm d' Zung g'lupft. (Rottenburg.)
Zar Rede gereizt.
*281. Er hat immer eine schmeckfähige Zunge.
*282. Er hat mit seiner Zunge einen Knoten geschlungen, den er mit seinen Zähnen nicht auflösen kann.
Ist unvorsichtig eine Ehe eingegangen.
Engl.: He hath tied a knot with his tongue that he cannot untie with all his teeth. (Bohn II, 167.)
*283. Er hat mit seiner Zungen Land und Leute bezwungen.
Spott auf einen Zungenhelden.
*284. Er hat sich in die (eigene) Zunge gebissen. – Binder III, 4216.
Hat sich mit grosser Anstrengung Schweigen auferlegt. Man hat die Redensart auch auf Verleumder angewandt, die erkrankt oder gestorben sind, gleichsam als hätten sie, die so oft andern mit ihren verleumderischen, giftigen Reden geschadet, sich selbst das Gift [642] beigebracht; oder allgemein von denen, die selbst von den nachtheiligen Folgen ihrer bösen Absicht getroffen werden.
*285. Er hat zwei Zungen im Munde.
Er spricht kalt und warm, weiss und schwarz, wie man es wünscht, oder wie es ihm Vortheil bringt.
Dän.: Som beder og bander, lover og laster med en mund. – Som blaeser heedt og koldt af en mund. – Som har to tanger i een mund. (Prov. dan., 420.)
*286. Er hätte sich eher in die Zunge gebissen.
Als z.B. das oder jenes gethan.
*287. Er lässt das Hinterste seiner Zunge niemand sehen.
Holl.: Hij laat niemand het achterste van zijne tong zien. (Harrebomée, II, 338b.)
*288. Es liegt (schwebt) mir auf der Zunge. – Lohrengel, I, II, 275.
Wenn man sich nicht gleich auf ein Wort, einen Namen besinnen kann.
Böhm.: Mám to na jazyku. – Ka jazyku se mi to plete. – Sedĕlo mi to na konči jazyku. (Čelakovsky, 519.)
Engl.: To have a thing at one's tongue's end, or at the tip of one's tongue. (Bohn II, 180.)
Holl.: Het ligt mij (of: Ik heb het) op de tong. (Harrebomée, II, 338b.)
It.: Avere su la pianta della lingua. – Come le ritorna tende. (Bohn II, 180.)
Kroat.: Na jeziku mi se verti. (Čelakovsky, 519.)
Lat.: Haeret mihi summis labiis. (Philippi, I, 173; Sutor, 904.) – Inter labra et dentes mihi latet. (Chaos, 1055.) – Versabatur mihi in labris primoribus. (Philippi, II, 246.)
*289. Er mag seine Zunge auf die Schleifmühle geben. – Parömiakon, 2592.
Von Verleumdern.
*290. Er netzt die Zunge lieber, als ein Katz die Topen (Pfoten). – Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 157.
*291. Er nimmt auf die Zunge, was ein anderer nicht gern auf die Schaufel (Schippe) nimmt.
Böhm.: Beře na jazyk, čeho stydnona lopatu vziti. (Čelakovsky, 566.)
*292. Er spricht in fremden Zungen.
Ist berauscht.
*293. Es ist eine böse Zunge.
Eine Lästerzunge, die keinen Menschen verschont.
Frz.: C'est une méchante langue; oder: une langue de serpent. (Kritzinger, 411a.)
*294. Es schwebt mir auf der Zunge, aber ich kann's nicht von mir geben. – Frischbier, 4187.
In Litauen: Es ist mir immer auf dem Herzen, aber es kommt nicht aufs rechte Fleck. (Schleicher, 164.) Auch: Es dreht sich auf der Seele. (Schleicher, 178.)
*295. Etwas auf der Zunge haben.
Sich nicht gleich darauf besinnen können.
Frz.: Avoir une chose sur le bout de la langue. (Kritzinger, 410b.)
*296. Hei spuckt (spît) äwer de Tung, wie Râdmâkersch Fârkel. (Wehlau.) – Frischbier, II, 3017.
*297. Hi thear egh amer a Tong klapt wees. (Nordfr.) – Lappenkorb; Firmenich, III, 4, 33; Johansen, 72; für Amrum: Haupt, VIII, 357, 104.
Er braucht nicht unter der Zunge geschnitten zu werden. Von denen, die eine sehr geläufige Zunge haben. Auf den friesischen Inseln pflegte man früher den neugeborenen Kindern die Zunge zu lösen, damit sie leicht sprechen sollten.
*298. I lâss ma ehnda die Zunga aussaschneiden, als dass i a nur a Sterbenswort sâgen that. (Niederösterr.)
*299. Ich möchte ihn nicht mit der Zunge angreifen. – Eiselein, 660.
Lat.: Non incessam lingua. – Si potes extingue vitiosa crimina lingua. (Eiselein, 660.)
*300. Ihre Zunge geht wie ein Entenarsch.
Holl.: Hare tong gaat als een blad van den populierboom. (Harrebomée, II, 338a.)
*301. Ihre Zunge ist zu lang.
Holl.: Hare tong is te lang. – Het is eene lang tong. (Harrebomée, II, 338b.)
*302. Jedermann auff der Zungen sitzen. – Mathesy, 166a.
*303. Jemand über die Zunge springen lassen.
Ihn durchhecheln, verleumden, ihm vorsätzlich Böses nachreden.
*304. Man muss ihm die Zunge lupfen. (Nürtingen.)
Das Zungenband lösen, ihn zum Sprechen veranlassen.
[643] *305. Man muss ihm die Zunge schaben. (Würtemb.) – Klein, II, 103.
Zu Kindern oder Leuten, die nur das Beste essen wollen.
*306. Me muess em d' Zunge schabe mit dem Stuelbei. – Sutermeister, 106.
*307. Mit der Zunge beleckt er, mit den Zähnen will er beissen.
*308. Mit doppelter Zunge reden.
Nicht bei einer Rede bleiben, eine Sache auf verschiedene Art erzählen.
Holl.: Hij heeft eene dubbele tong (of: twee tongen) in den mond. – Hij is tweetongig. – Hij spreekt met twee tongen. (Harrebomée, II, 338b.)
*309. Mit ungehöfelter Zunge reden. – Luther's Tischr., 450b.
Grob reden.
*310. Mit Zungen reden.
D.h. in andern, unverständlichen Sprachen. Die Redensart hat ihre Quelle in Apostelgesch. 2, 4 u. 11.
*311. Mit zwayen zungen reden. – Agricola, II, 113.
Seine Aussage über etwas nach Umständen einrichten.
Böhm.: Dva jazyky v hebĕ nosi. (Čelakovsky, 537.)
*312. 'S kault m'r of d'r Zonge rem. – Peter, 454.
*313. Se hôt en Zeang wä e Schwiert. (Siebenbürg.-sächs.) – Frommann, V, 361, 69.
Sie hat eine Zunge wie ein Schwert, d.i. ein loses Maul.
*314. Seine Zunge ist allzeit von Glattau, aber die Werke sind von Laufen. – Parömiakon, 3048.
*315. Seine Zunge ist an ein golden Seil gelegt. – Eiselein, 661; Sailer, 299; Körte, 7173b.
Von einem bestochenen Richter, Rechtsanwalt u.s.w.
*316. Seine Zunge ist ein Schermesser (Schwert).
Holl.: Een tong als een scheermes. (Laurillard, 86.)
*317. Seine Zunge ist gelähmt (gebunden).
Holl.: Zijne tong is hem gebunden. (Harrebomée, II, 339a.)
Lat.: Bos in lingua. (Binder II, 370; Germberg, IV, 5; Erasm., 644.)
*318. Seine Zunge ist nicht so schlimm wie seine Fäuste.
Poln.: Ręka rozumu niema. (Čelakovsky, 73.)
*319. Seine Zunge läuft mit dem Verstande davon.
Engl.: Your tongue runs before your wit. (Bohn II, 130.)
*320. Seiner Zunge ist feuchtes Wetter lieber als grosse Dürre. – Parömiakon, 1138.
Schwed.: Tungen leker på taudesår. (Grubb, 824.)
*321. Si ziacht (zieht) 'n di Zunga. (Franken.) – Frommann, VI, 327, 436.
Sie lockt es heraus, bringt ihn zu scharfen Auslassungen über einen Abwesenden.
*322. Sich in die (eigene) Zunge beissen.
Wenn jemand etwas Schlechtes erwähnt oder voraussagt, so heisst es jüdisch-deutsch in Warschau: Gieb dir a Biss in der Züng.
Frz.: Mordre sa langue est mal penser.
Holl.: Hij bijt op zijne eigene tong. (Harrebomée, II, 338b.)
Lat.: Linguam vel labia mordere. (Bovill, II, 120.)
*323. Sie führt eine gute Zunge.
Holl.: Zij heeft eene goede tong in den mond. (Harrebomée, II, 339a.)
*324. Sie hat eine lose Zunge. – Frischbier, II, 3016. (Vgl. Maul 349. ) (Frischbier, II, 1889. )
So viel wie brechen.
*325. Ueber die Zunge spucken (auch: kacken). – Frischbier, I, 4188 u. II, 3015.
*326. Ueber die Zunge stolpern. (Ulm.)
*327. Zieh mich nit bei der Züng. (Warschau.)
Zwinge mich nicht, etwas zu sagen, was dir widerwärtig sein, ja schaden könnte; gib mir durch dein Verhalten keine Veranlassung dazu.
*328. Zwiefache Zunge tragen.
»Dass er im mund nicht zwifach zungen tragen, die ja vnd nein zugleich sagen.« (Waldis, II, 11, 67.)
Mhd.: Zwo zungen stânt unebene in einem munde. (Walther.) (Wackernagel, 39, 21.)
*329. Zwo Zungen in Einem Halse tragen.
330. Die Zunge hat keinen Knochen, spricht aber doch. – Merx, 6.
[1823] 331. Schlaue Zunge, scharfe Zunge.
It.: Lingua sagace, sempre è mordace. (Glanz, 909.)
332. Wer seine Zunge zügelt, schützt seinen Kopf. – Merx, 351.
Buchempfehlung
Glückseligkeit, Tugend und Gerechtigkeit sind die Gegenstände seines ethischen Hauptwerkes, das Aristoteles kurz vor seinem Tode abschließt.
228 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro