[95] Christenthum (Gesch.). I. Von der Gründung der ersten Gemeinden bis zur Erhebung des Ch-s zur römischen Hofreligion im 4. Jahrhundert. Als das Ch. in die Welt hereintrat, war die Religion der heidnischen Völker im Morgen-, wie im Abendlande im tiefsten Verfall, indem Unglaube u. Aberglaube die einzelnen Volksschichten beherrschten, u. es fand sich dort kaum ein Anknüpfungspunkt für die neue Religion. Dagegen eignete sich dazu das Judenthum durch den treu bewahrten Glauben an Jehovah, durch die gehobene religiöse Stimmung mitten in dem politischen Druck, durch die von den Propheten genährten messianischen Hoffnungen u. durch die von dem Hellenismus (s.d.) gepflegte wissenschaftliche Bildung, u. deshalb fand Jesus bei seinem Auftreten bei den jüdischen Volksgenossen eine meist günstige Aufnahme, obschon die einflußreichen Secten jener Zeit, die Pharisäer, Sadducäer u. Essäer (s.d.a.) ihm widerstrebten. Nachdem die sichtbare Wirksamkeit Christi durch seine Himmelfahrt ihre Endschaft erreicht u. seine ganze Erscheinung in den Herzen der Jünger tiefe Wurzel geschlagen hatte, wurden diese am Pfingstfeste durch die Gabe des Heiligen Geistes mit Muth u. Kraft ausgerüstet, um von Neuem das Ch. weiter zu verbreiten. Dadurch gründeten sie die erste Gemeinde zu Jerusalem u. eine 2. zu Antiochien. In Judäa u. bes. in Jerusalem hatten die Apostel (s.d.) u. ihre Freunde, jene wegen der von dem Hohen Rathe verbotenen Predigt von Christo dem Gekreuzigten, diese wegen ihres Glaubens an denselben als den verheißenen Messias, viel von den Juden zu erdulden, u. der nachmalige Apostel Paulus war selbst vorher einer ihrer Verfolger; Stephanus wurde gesteinigt u. so der erste Märtyrer. In Antiochien entstand auch der Name Christen od. vielmehr Christianer, während zu Jesu Zeit seine Schüler keinen auszeichnenden Namen erhalten hatten, u. auch Paulus eiferte gegen die Parteinamen in Korinth, da sich Einige Paulische, Andere Apollische, Andere Kephische, Andere Christische nannten. Von den Juden wurden sie fortwährend Galiläer, nach der Heimath ihrer Mehrzahl, od. auch Nazaräer, nach dem Wohnort Jesu genannt. Nachdem sich die Anhänger Jesu überzeugt hatten, daß ihr Meister nicht blos eine Reform des Judenthums, sondern Mittheilung der wahren Religion an alle Völkerbeabsichtigt habe, gründeten sie auf ihren Reisen viele andere Gemeinden außerhalb Judäa zunächst unter den, im römischen Reiche zerstreuten jüdischen Colonien, bis der Haß der Juden u. die Schwierigkeit, Judenchristen mit Heidenchristen ganz einig zu machen, zu völliger Absonderung der christlichen Gemeinden von dem Gesellschaftsverbände u. den Synagogen der Juden[95] führte. Nun erst, in der 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts, bildete sich in den Christengemeinden, deren es am Ende des 1. Jahrhunderts in den Städten Kleinasiens, Griechenlands, Italiens, den Inseln des Mittelmeers u. Nordafrikas gab, eine einfache brüderliche Verfassung aus. Während die Apostel den Mittelpunkt für alle Christengemeinden bildeten u. in Verbindung mit den sogenannten Evangelisten für die Verbreitung des Evangeliums sorgten, entstanden nach dem Vorbild der jüdischen Synagoge in den einzelnen Gemeinden Älteste (Presbyter), auch Aufseher (Episkopen) genannt, denen das Lehramt u. die Aufsicht über die Gemeinde anvertraut wurde, u. Diakonen für die Armenpflege u. andere Gemeindedienste, denen sich sehr bald die Frauen als Diakonissen od. Presbyterinnen zur Fürsorge für das weibliche Geschlecht anschlossen. Die Wahl zu diesen Ämtern stand den Gemeinden od. ihren Gründern zu. Nach dem Tode der Apostel, welche sich nach dem Jahre 67 n. Chr., mit Ausnahme des Johannes, aus der Geschichte verlieren, setzten ihre Schüler, Apostolische Männer (s.d.), das Bekehrungsgeschäft fort. Von diesen finden sich schon im 2. Jahrhundert nur noch wenige, u. in dieser Zeit kamen orientalische Lehrer in den Occident. Im 2. u. 3. Jahrhundert verbreitete sich das Ch. bes. in Süddeutschland, in Ost durch Mesopotamien bis an das Glückliche Arabien, nach Abyssinien u. Äthiopien. Über die Grenzen des Römischen Reichs hinaus ging es noch nicht, u. von vielen Orten gilt nur die Sage, daß es dort damals eingeführt worden sei.
Nachdem die Christen durch die Vermehrung ihrer Genossen u. durch die Trennung von den Juden den Anfeindungen dieser so ziemlich entgangen waren, wurden sie von den römischen Kaisern verfolgt (Christenverfolgungen). Anfangs erstreckten sich die Maßregeln nicht auf die Christen in allen Ländern, sondern beschränkten sich auf die, wo das Thun u. Lassen derselben die Maßregel der Regierung hervorrief; oft waren selbst erstere Maßregeln gar nicht gegen die Christen überhaupt, sondern gegen einzelne Personen, welche Christen waren, gerichtet. So ließ Nero 6468 (1. Christenverfolgung) mehrere Christen in Rom hinrichten, weil er ihnen die dortige Brandstiftung (64) Schuld gegeben haben soll; unter ihnen soll Paulus u. Petrus gewesen sein; 9395 (2. Christenverfolgung) ließ Kaiser Domitian, aus Mißverstand des königlichen Namens Christi, viele von dessen Verwandten als angebliche Prätendenten der königlichen Würde aufsuchen u. in Kleinasien hinrichten. Unter Kaiser Trajan (116) wurden bes. viele in Bithynien als Abgefallene von der Staatsreligion bestraft (3. Christenverfolgung), wiewohl der Bericht des jüngeren Plinius an den Kaiser günstig für sie lautete. Die 4. Verfolgung 118 unter Hadrian war keine Verfolgung, sondern die Christen hatten an mehreren Orten, bes. in Kleinasien, bei Volksaufständen von dem Pöbel zu leiden, wie es auch 160 geschah. Aus politischen Gründen ließ Kaiser Marc Aurel (unter dessen Regierung die Sage von der Donnerlegion [s.d.] gesetzt wird) 177 die christlichen Gemeinden in Lyon, Vienne u. in Kleinasien unterdrücken, wo viele als Märtyrer starben, unter anderen auch Polycarpus, Bischof zu Smyrna (5. Verfolgung); die 6. Verfolgung 202 unter Kaiser Septimius Severus, welcher die Vertauschung der väterkichen Religion mit der jüdischen u. christlichen verboten hatte, kostete bes. in Ägypten u. Kleinasien vielen Christen das Leben. Die 7. Verfolgung 235 unter Maximinus Thrax war eigentlich nur gegen die Bischöfe u. Vorsteher der Gemeinden gerichtet, doch hatten die Christen während seiner ganzen Regierung viel, bes. in Kappadocien, zu leiden, zumal ihnen Erdbeben u. dgl. Unfälle Schuld gegeben wurden. Sehr verbreitet u. sehr hart war erst die 8. Verfolgung unter Kaiser Decius 249251; die Vermehrung der Christen hatte diesen Kaiser erschreckt, u. die Grausamkeit der Behörden veranlaßte damals viele Christen zur Verläugnung u. zum Abfall u. bewirkte Zerstreuung u. Auflösung vieler Gemeinden. Aus dieser Zeit stammt die Legende von den Siebenschläfern. Die 9. Verfolgung 257 u. 258 unter Valerian war wieder hart; dieser ließ die Bischöfe exiliren u. die christlichen Versammlungen, bes. auf den Begräbnißplätzen, verbieten, erklärte die römischen Staatsbeamten, welche Christen waren, ihrer Würden, später auch ihres Lebens verlustig. Gallienus stellte die Verfolgung ein, u. die von Aurelian 274 angeordnete Verfolgung wurde wegen des Todes des Kaisers nicht ausgeführt. Die härteste war die 10. u. letzte Verfolgung unter Diocletian; 303 wurde befohlen, daß alle Kirchen der Christen zerstört, alle heiligen Bücher derselben verbrannt, alle kaiserlichen Beamten, welche Christen wären, für ehrlos erklärt u. alle freien Christen zu Sklaven gemacht werden sollten danach einem Edict im folgenden Jahre sollten alle Christen durch Martern zum heidnischen Cultus gezwungen werden. Damals ging es bes. in Nikomedien grausam her. 305 legte Diocletian seine Regierung nieder, u. von da an hörten die Verfolgungen auf (vgl. Benkendorf, Historie der 10 Hauptverfolgungen, Lpz. 1700). Obgleich in denselben, bes. in der 6., 8. u. 10. viele Christen abgefallen waren (vgl. Libellatici, Sacrificati, Thurificati, Traditores), so zeigten sich doch auch viele standhaft im Bekenntniß u. Glauben (s. Confessores, Märtyrer)
Aber das Ch. wurde nicht allein verfolgt, sondern es erfuhr von einigen Kaisern auch Duldung, von einigen sogar Begünstigung, z.B. von Caracalla, Alexander Severus, Philippus Arabs. Schon während der Verfolgungen war das Ch. in allen Provinzen des Römischen Reichs u. durch alle Stände verbreitet, u. die Anzahl der Christen muß sehr groß gewesen sein u. im 3. Jahrh. sich reißend vermehrt haben, weil sonst die harten Maßregeln in den letzten Verfolgungen nicht erklärlich wären; auch soll Constantin der Gr. aus Politik, um sich durch sie auf dem Throne zu erhalten, das Toleranzedict von 306 für seine Provinzen Britannien, Gallien u. Spanien gegeben haben. Diesem Edicte, welches vor der Hand nur Duldung des Bestehenden aussprach, aber allen Übertritt zum Ch. noch verbot, folgten 312 u. 313 Edicte, welche diesen gestatteten u. die Zurückgabe der Kirchen an die Christen befohlen, ja es versprach sogar Entschädigung aus dem Fiscus. 324 Herrscher des ganzen Römischen Reichs geworden, gab Constantin das Edict, welches allen Christen im ganzen Römischen Reiche Religionsfreiheit gestattete, den unter Diocletian zu Sklaven gemachten die Freiheit wieder gab u. die Herausgabe, Vergrößerung u. Verschönerung der eingezogenen Kirchen befahl; ja gegen das Ende seiner Regierung (er st. 337) erließ er sogar Befehle gegen das Heidenthum u. wurde selbst kurz vor seinem[96] Tode Christ. So war das Ch. nicht allein zur Duldung u. Ruhe gekommen, sondern zur Hofreligion im Römischen Reich erhoben.
Indeß wurde das Ch. nicht blos durch Gewalt, sondern auch durch die Schriften heidnischer Gegner bekämpft, u. die Angriffe von Männern wie Lucian, Celsus, Cäcilius, von dem Neuplatoniker Porphyrius, Hierokles u. And. veranlaßten zur Vertheidigung des Ch., wobei sich Justinus Martyr, Tertullian, Origenes, Arnobius u. And. als christliche Apologeten auszeichneten. Gar bald entstanden aber auch Streitigkeiten unter den Christen selbst. Je mehr das christliche Bewußtsein bei dem schweren Druck der Verfolgungen gestärkt, u. je inniger die Verbindung neuer Gemeinden mit den Muttergemeinden geworden war, desto schärfer trat die Rechtgläubigkeit (Orthodoxie) jeder Abweichung von der rechten Lehre (Häresis) entgegen u. bekämpfte diese als Ketzer u. als Secten. Schon zur Zeit der Apostel finden sich die Gnostiker, Simonianer, Nikolaiten, Kerinthianer (s.d.a.); im 2. Jahrh. Basilidianer, Karpokratianer, Valentinianer, Nazaräer, Ophiten, Patropassianer, Artemonianer, Hermogenianer, Montanisten, Sethiter, Quartodecimaner, Cerdonianer, Manichäer, Aloger, Enkratiten, Artotyriten (s.d.a.); im 3. Jahrh. Monarchisten, Samosatener, Arabier, Hieraeiten, Noetianer, Sabellianer, Novatianer, Origenianer, Chiliasten, Aquarier (s.d.a.). Die Mehrzahl dieser Meinungs- u. Glaubensverschiedenheit bezog sich auf die Person Christi (vgl. Christus), einige auf die Schöpfung der Welt u. der Geister, einige auf das Abendmahl, wenige nur auf die Disciplin u. das Kirchenwesen, wie auf den Osterstreit u. die Ketzertaufe (s. b.). Mit dem Wachsen der Gemeinden bildete sich eine ordentliche Kirchenversassung u. durch sie nach u. nach eine kirchliche Regierungsform aus; doch bildete sich damals eigentlich nur die Diöcesanverfassung aus, indem die Kirchen auf Dörfern mit den Bischöfen in den nahen Städten in Verbindung traten; die Metropolitanverfassung, wo ein Bischof eine hervorragende Stellung unter den anderen einnahm, fing sich erst an zu entwickeln, u. namentlich waren es die Bischöfe von Rom, Alexandrien u. Antiochien, welche in hohen Ehren standen u. große Kirchensprengel unter sich hatten. Die Geistlichen nahmen als Auszeichnung den Namen Clerici u. eine gottesdienstliche Kleidung an u. erhielten einen abgesonderten Platz beim Gottesdienst; unter sich machten sie mannigfaltige Stufen (s. u. Geistlichkeit); vgl. Plank, Geschichte der christlich-kirchlichen Gesellschaftsverfassung, Hannov. 1803, Bd. 1. Das Synodal- u. Concilienwesen über Kirchen- u. Glaubensangelegenheiten war noch sehr ungeordnet; nur die Bischöfe kamen zu derselben u. gaben Stimme ab. Die Regelmäßigkeit des Kirchenhaltens war bedingt durch die Ruhe, welche das Ch. zu verschiedenen Zeiten u. an verschiedenen Orten genoß; Kirchen waren aus heidnischen Tempeln gemacht, oft auch Zusammenkünfte in Höhlen u. auf Begräbnißplätzen. Der Cultus war dem der jüdischen Synagoge nachgebildet u. bestand aus Gebet, Gesang, Vorlesung u. Auslegung der Schrift. Die Tausevollzog man auf den Namen Jesu; Agapen u. Abendmahl wurden nach dem Gottesdienste gefeiert. Quellender Lehre waren einzelne apostolische Briefe u. Sammlungen über Jesu Leben u.
Thaten, meist las man die nachher als apokryphisch bezeichneten Evangelien, daneben galt die Tradition. Das sittliche Leben der Christen wurde nach dem Aufhören der Verfolgungen etwas lax u. zwar zunächst bei dem Clerus, den früh schon der Vorwurf aller sittlichen Gebrechen traf. Doch machte sich schon eine strenge Kirchenzucht geltend, u. grobe Vergehen wurden mit der Ausschließung aus der Kirchengemeinschaft (Excommunication) bestraft. Auch die asketische Richtung fand ihre Begründer u. Anhänger, bes. in Antonius, Paulus von Theben u. And.
II. Von Constantins d. Gr. Tode bis zu Karl d. Gr., 337 bis zum 8. Jahrh. Constantins unmittelbare Nachfolger thaten weder etwas für, noch gegen das Ch., aber Julianus war dem Ch. nicht geneigt; theils durch Unterstützung der Juden im Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem, theils durch Verbesserung des heidnischen Gottesdienstes, theils durch Beförderung der Spaltungen unter den christlichen Lehrern u. durch Unterstützung der Ketzersecten wirkte er indirect gegen das Ch.; aber er verspottete auch die Christen in ihrem Gottesdienste u. schrieb gegen sie. So bedenklich für das Ch. das Benehmen dieses Kaisers gegen dasselbe war, so endigten sich die Besorgnisse für dasselbe schon mit seinem Tode, denn seine Nachfolger waren u. blieben Christen; durch sie wurde allmälig das Heidenthum verboten u. durch ausgeschickte Mönche unterdrückt. Bis 423 war der ganze römische Orient christlich; im Occidentalischen Reich konnten wegen der schwachen Regenten keine energischen Maßregeln ergriffen werden; zwar waren Regenten u. Beamte christlich, aber noch bis in das 6. Jahrh. waren in Rom heidnische Tempel. Jetzt auf den römischen Thron erhoben, verbreitete sich das Ch. nach allen Theilen des Reichs, im 5. u. 6. Jahrh. nach Nordafrika, Spanien, Gallien, Schottland, England, unter den germanischen Völkern zu den Alemannen, Gothen, Vandalen, Burgundern u. Franken; bei ihnen predigten bes. Emmeran, u. der Gallier Corbinian, der Schotte Kilian u. der Brite Bonifacius, der Irländer Columban (s.d.a.) im 7. u. 8. Jahrh. das Ch.; im 4. Jahrh. kam es auch nach Iberien u. Armenien. Freilich trat im 7. Jahrh. in dem Orient durch den Islam ein wichtiges Hinderniß der Ausbreitung des Ch-s entgegen, der auch im Westen Europa's (Spanien) die Herrschaft mit den Christen theilte. Durch die Erhebung des Ch-s zur Hof- u. später zur Staatsreligion gewann die weltliche Macht Einfluß auf die Kirche u. umgekehrt; am meisten aber bildeten sich die kirchlichen Verhältnisse aus u. die vorher nur leise sich andeutende Metropolitanverfassung trat jetzt als feste Einrichtung hervor; mit ihr das Patriarchat (es gab 4 Patriarchen, zu Rom, Constantinopel, Alexandria u. Antiochia) u. endlich die prätendirte Suprematie des römischen Bischofs, der sich nun Papst nannte, über alle christlichen Bischöfe u. Patriarchen (s. u. Päpste [Gesch.]). Jetzt wurde auch das Concilien- od. Synodalwesen geordneter u. ausgebreiteter; zu den Provinzialconcilien der ersten Jahrh. kamen allgemeine (ökumenische), auf welchen alle Bischöfe erschienen; die berühmtesten waren in Nicäa (325), in Constantinopel (381, 553), in Ephesos (431, 449), in Chalcedon (451), s. u. Concilien. Zu ihnen gaben Veranlassung die Streitigkeiten, die sich jetzt sehr[97] mehrten; zum großen Theil Fortsetzungen derer der vorigen Periode, bes. über die Person u. die Würde Christi, waren die von der Kirche fortwährend als Ketzereien bezeichneten Ansichten u. Lehren der Arianer, mit den Eunomianern, Aëlianern, Anomöern, Acacianern u. Semiarianern, Apollinaristen, Photinianer, Macedonianer, Adoptianer, Nestorianer, Eutychianer, Monophysiten, Jakobiten, Theopaschiten, Agnoeten, Monotheleten, Aphthartodoceten (s.d.a.); über die Dreieinigkeit stritten die Tritheiten (s.d.); über die Körperlichkeit Gottes die Seleucianer u. Anthropomorphiten (s. b.); über Maria die Antidikomarianiten, Bonosianer, Jovinianer, Kollyridianer (s.d.a.); an die menschliche Natur Christi bezogen sich die Streitigkeiten der Eucheten u. Priscillianisten, bes. aber dieder Pelagianer u. Prädestinatianer (s.d.a.); auf kirchliche Angelegenheiten bezogen sich die Meletianischen u. Donatistischen Streitigkeiten (s. b.); bes. das Orientalische Reich erschütterte der Bilderstreit (s.d.). Mit der Ausbildung der Clericalverhältnisse schritt auch das zu Ende des 3. Jahrh. entstandene Klosterwesen (s.d.) fort; die Mönche damals zeichneten sich noch dadurch aus, daß sie sich dem Bekehrungsgeschäft aufopfernd unterzogen u. fast allein sich mit den Wissenschaften beschäftigten. Denn die Geistlichen wendeten sich, wie schon zum Theil im vorigen Zeitraume, immer mehr von den Wissenschaften ab, zumal in den entlegeneren christlichen Ländern, wo das Ch. erst Wurzel gefaßt hatte od. noch verbreitet wurde, Mangel an Wissenschaftlichkeit u. weiterer Ausbildung hemmend eintrat. Bei der Unwissenheit der Geistlichen blieb die geistige Cultur des christlichen Volks auf der niedrigsten Stufe, u. alle Arten des Aberglaubens in der Religion entstanden. Um diese Zeit entstanden die Reliquien u. die Schutzheiligen (s. b.), mit ihnen die Heiligenverehrung u. der Glaube an das Fegfeuer. In dieser Zeit begann in dem Bau der Kirchen an die Stelle des Basilikenstyls der Byzantinische Styl im Orient sich auszubilden; der Weihkessel u. die Glocken wurden eingeführt; pomphafte Aufzüge, Schauspiele u. Messelesen machten den wesentlichen Theil des Cultus aus; gepredigt wurde schon selten, u. dies, der Gebrauch der dem Volke unverständlichen lateinischen Sprache beim Gottesdienst, die Bußdisciplin, wornach die Sünden mit körperlichen Kasteiungen, durch äußere Werke, auch schon durch Geldzahlungen gebüßt wurden, hatte ungünstigen Einfluß auf die Ausbildung des christlichen Lebens. Doch ragten als christliche Schriftsteller noch bedeutende Männer, wie Chrysostomus, Augustinus, Cyrillus, Theodoretus, Isidorus von Pelusium, Isidorus von Hispalis, Johannes Damascenus u. And. in dieser Periode hervor.
III. Von Karl d. Gr. bis Gregor VII., 8. Jahrh. bis 1073. Unter den germanischen Völkerschaften waren die Franken die, welche am festesten an dem Ch. hingen, bes. die Könige. Karl d. Gr. hatte bei seinen Eroberungen überall den Plan, das Ch. zur Staatsreligion zu machen, daher seine Kriege gegen die Sachsen u. Slawen zugleich Religionskriege für das Ch. waren. Erst 803 gelang es ihm, die Sachsen nach vielem Blutvergießen zum Ch. zu zwingen; unter den Slawen im NO. u. Avaren im SO. seines Reichs hatte er weniger für das Ch. ausgerichtet. Ein hauptsächliches Verdienst erwarb sich Karl d. Gr. durch Stiftung von Kloster u. Domschulen (s. Schule) um die geistige Bildung, durch die Correctoria (s. Correctorium) um die Verbesserung der verderbten Bibelübersetzung, durch die Perikopen, verbesserten Kirchengesang, Wiedereinführung der Predigt u. (weil die Geistlichen damals nicht selbst Predigten machen konnten) Sammlung einer Postille (s. Homiliarius), Einführung der Kirchenvisitationen u. die Verordnung, daß jeder Bischof jährlich wenigstens ein Mal seinen Sprengel bereiste. Unter seinem Nachfolger, Ludwig dem Frommen, kam das Ch. durch Ansgar nach Skandinavien, doch wurde es hier erst im 10. u. 11. Jahrh. fester angenommen u. Staatsreligion; von da wurde es fast zu gleicher Zeit nach Island u. Grönland gebracht. Um die Bekehrung des Nordens machte sich bes. Hamburg sehr verdient. Das Predigen des Ch-s unter den östl. Slawen geschah von Griechenland aus, bes. durch Methodius u. Cyrillus (s. b.), im 9. Jahrh. bei den Chazaren, Bulgaren u. Mähren; von Mähren kam es nach Böhmen, von da im 10. Jahrh. nach Polen; unter den Nordslawen, den Sorben, Wenden, Obotriten, führten die Deutschen im 10. Jahrh., bes. Kaiser Heinrich I., das Ch. ein; aber nirgends hat dasselbe so viel Widerstand gefunden, als bei diesen Völkerschaften, u. 983 schwuren die Obotriten u. Wilzen zu Rhetra, die Waffen nicht niederzulegen, bis sie das Ch. wieder ausgerottet hätten. Bis ins 11. Jahrh. dauerten die Kämpfe dieser Slawen gegen das Ch., zumeist weil ihnen widrig war, den Geistlichen den Zehnt zu geben, u. erst nach der Mitte des 12. Jahrh. erzwang Heinrich der Löwe für die Christen Duldung u. Frieden unter ihnen. Die Sorben u. Wenden hatten sich, als dem christlichen Lande näher gelegen, schon unter Otto I. gefügt. Von Deutschland aus wurde das Ch. im 10. Jahrh. auch in Ungarn ausgebreitet u. von da im 11. Jahrh. nach Siebenbürgen verpflanzt. Die Preußen zum Ch. zu bekehren, hatten schon die christlichen Polenfürsten zu Ende des 10. Jahrh. versucht, aber erst zu Ende des 13. Jahrh. gelang es. Zu den Russen kam das Ch. von Constantinopel zu Ende des 10. Jahrh. Während so das Ch. mit Eifer u. Ernst ausgebreitet wurde, geschah im Inneren ein großer Schade durch die Trennung der Abendländischen u. Morgenländischen Kirche 1053. Der Grund davon lag in der gegenseitigen Eifersucht des Papstes u. des constantinopolitanischen Patriarchen (s. Päpste [Gesch.]), welche noch dadurch vergrößert wurde, daß der byzantinische Kaiser, erzürnt auf den Papst (welcher an dem Verluste der griechischen Besitzungen in Italien Schuld war), sich des Patriarchen von Constantinopel angenommen u. demselben Alles zugesprochen hatte, was er dem Papste an Besitzungen in den griechischen Ländern entrissen hatte. Von Rom ging der erste Bannfluch aus; Constantinopel erwiderte ihn, u. nie ist, trotz mannigfaltigen Versuchen, wieder eine Verbindung beider Kirchen zu Stande gekommen. Seitdem spaltete sich die Christliche Kirche in die Römisch-katholische (Lateinische) u. die Griechisch-katholische (Griechische) Kirche (s. b.). Der römische Papst, dessen Wahl allmählig auf das Collegium der Cardinäle überging, wurde immer mächtiger, theils dadurch, daß sich nun die Spanische u. Englische Kirche enger an ihn anschloß, theils auch durch das immer fester sich ausbildende Verhältniß der Kirchengewalt, wodurch[98] die Bischöfe der Jurisdiction der Metropoliten ganz entzogen u. dem Papste, der eigentlich bis jetzt immer nur der Erste unter den Metropoliten gewesen war, untergeben u. die Erzbischöfe in ihren Rechten immer mehr beschränkt wurden (Pseudo-Isidorische Decretalen, s.d.). Nikolaus I. (858867) verlangte zuerst für den römischen Stuhl die legislative Gewalt über die Abendländische Kirche. Die Bischöfe u. Abte wurden als Besitzer von großen, ihren Klöstern gehörigen Grundstücken Lehnsherren, der Papst trat in die Reihe weltlicher Fürsten u. entzog die Concilien nach u. nach allem Einflusse des Kaisers. Die wohlthätigen Einrichtungen Karls d. Gr. für wissenschaftliche Bildung der Geistlichen waren schon 40 Jahre nach seinem Tode verschwunden, u. es trat eine so tiefe Unwissenheit der Geistlichen ein, daß die Bischöfe bald befehlen mußten, daß die Geistlichen wenigstens das Apostolische Glaubensbekenntniß wußten. Von Gott u. Christo u. von Christi Wort u. Verdienst war kaum noch die Rede; die ganze Glaubenslehre bestand in dem Glauben an die Kraft der Fürbitte der Heiligen, deren Leben, Tugenden u. Wunderthaten in Legenden (s.d.) dem Volke mitgetheilt wurden, u. in dem Glauben an die Reliquien, daher Beides jetzt sehr stark cultivirt wurde, um so mehr, da beide Glaubenslehren dem Papste, welcher zu Heiligen machte (s. Beatification u. Canonisation) u. Reliquien nach ihrer Echtheit prüfte, viel Geld eintrugen. Im 11. Jahrh. entstand in England u. Holland der Rosenkranz, mehrere neue Feste wurden eingeführt, außer den zahlreichen Marienfesten das Michaelisfest u. das Fest Aller Seelen; auch singen jetzt schon die Wallfahrten an. Für den Kirchenbau entwickelte sich im 10. Jahrh. der Romanische Styl. Unter den Streitigkeiten in dieser Zeit ist bes. der über die Wandlung im Abendmahl (s.d.) zu bemerken. Das sittiche Leben sank immer tiefer, u. es war kein Laster, welches nicht schon damals von frommen Männern an Clerikern u. Mönchen gerügt wurde. Ihre Sitten- u. Zuchtlosigkeit theilte sich dem ganzen christlichen Volke mit.
IV. Von Gregor d. Gr. bis zur Reformation, 10731517. In dieser Periode wurde das Ch. vollends in dem Norden Europas ausgebreitet, im 12. Jahrh. in Pommern, Rügen u. Fünen; die Liv- u. Esthländer wurden durch die Schwertbrüder u. durch die Deutschen, Ritter gewaltsam bekehrt. Während so das Ch. im Norden Fortschritte machte, wurde es von den, in Nordafrika sich ausbreitenden Mauren daselbst vertilgt, u. im Orient, bes. in dem Heiligen Lande, von den Seldschucken sehr bedrängt u. die Pilgrime in ihren Wallfahrten dahin sehr beschwert. Daher unternahmen, aufgefordert von den Päpsten u. dem Clerus, Fürsten u. Adel des Abendlandes von 109612467 Feldzüge (Kreuzzüge, s.d.) gegen die Sarazenen, um diesen das Heilige Land zu entreißen; aber vergebens, denn obgleich Palästina auf kurze Zeit erobert u. dort zum Schutze des Ch-s die Geistlichen Ritterorden, bes. die Johanniter, Tempelherren u. Deutschen Ritter (s.d. a), gestiftet wurden, so fiel doch Ende des 13. Jahrh. das Land, von wo das Ch. ausgegangen war, an die Ungläubigen zurück, u. das Ch. war dort eine kaum geduldete Religion. Und obgleich bei den Bedrängnissen, welche die Griechische Kirche durch die Sarazenen zu erdulden hatte, dieselbe eine Annäherung u. Vereinigung mit der Lateinischen wünschte, so scheiterte doch der Versuch an dem Widerstande des römischen Papstes. Ein noch größerer Schade als im Orient u. in Nordafrika durch den Islam geschah dem Ch., als die Türken 1453 Constantinopel eroberten u. wie schon seit Jahrhunderten auf ihren westlichen Eroberungen in Europa nun auch hier das Ch. verfolgten. Dafür aber gab zu Ende des 15. Jahrh. die Entdeckung Amerikas u. des Seeweges um die Südspitze Afrikas nach Indien Gelegenheit zur Verbreitung des Ch-s nach Ostindien, Amerika u. Westafrika, wie auch die Herrschaft des Islam in Spanien durch die Vertreibung der Mauren aus diesem Lande gebrochen wurde. Die sich immer höher steigernde Gewalt des Papstes erreichte in dieser Zeit ihren Gipfel bes. durch Gregor VII., aber sie neigte sich auch bald wieder zum Sinken, bes. durch das Schisma des Papstthums, indem 13781414 zwei päpstliche Stühle, der eine in Rom u. der andere in Avignon, errichtet wurden, s. Päpste (Gesch.). Sie erlangten die Investitur (s.d.) der Bischöfe u. Abte mit den geistlichen Insignien u. die Befreiung der kirchlichen Personen von aller weltlichen Macht. Vor Allem wichtig war der Abschluß des Clerus von den bürgerlichen Verhältnissen, die Durchsetzung des Cölibats (s.d.) der Geistlichen. Für die christliche Erkenntniß hörte die Bibel immer mehr auf, die Quelle zu sein; an ihre Stelle traten die Kirchenväter u. die Tradition; der alleinige Gesetzgeber u. Richter in Glaubenssachen war der Papst, wie denn von Rom aus mehrere neue Lehren ausgingen, wie die Nothwendigkeit der Ohrenbeichte, die Lehre von der Transsubstantiation u. von dem Ablaß, ferner die Einführung mehrerer neuer Feste, wie des Trinitatis-, Fronleichnamsfestes etc. Das Gericht der Inquisition sorgte, ebenso wie der immer mächtiger werdende Bettelorden der Dominicaner u. Franciscaner, für absoluten Glauben u. wehrte jedem Zweifel an der Richtigkeit der päpstlichen Lehren u. Glaubensgebote. Zugleich sank damals der Cultus immer mehr; die Messe wurde der Mittelpunkt des Gottesdienstes, die Predigten waren entweder unverständliche scholastische Vorträge, od. humoristische, die Thorheiten der Welt geißelnde Volksreden; die Feste, namentlich das der Unbefleckten Empfängniß u. das Fronleichnamsfest, feierte man mit größtem Prunk; Geißler u. Flagellanten hielten auf der Straße ihre Bußübungen. Dem christlichen Leben wurden die schwersten Wunden dadurch geschlagen, daß immer größere Bedeutung auf den Ablaß (s.d.) gelegt wurde; derselbe wurde zuletzt zu einem förmlichen Handel herabgewürdigt. Gegen diese Mißbräuche u. gegen die päpstlichen Übergriffe erhoben sich immer mehr Widersprüche. In weit gehender Weise stellten sich im Gegensatz zu dem ausgearteten christlichen Cultus u. der Kirchenlehre die Bogomilien u. Katharer (s. b.), zu welchen Letzteren die Petrobrusianer, Henricianer u. Arnoldisten gehörten; ein Zurückgehen auf das einfache apostolische Ch. wollten die Albigenser u. Waldenser (s. b.), beide in Frankreich; aber gegen sie erhob sich auf den Befehl der Kirche die weltliche Macht, u. nicht allein polizeiliche Maßregeln wurden angewendet, sondern gegen Erstere wurden sogar Kreuzzüge von dem Papste gepredigt, u. die Letzteren wichen vor den Verfolgungen nach Italien, Pommern, Mecklenburg, Thüringen. Von bei Weitem größerem Erfolg waren[99] die Bemühungen für die Befreiung des Ch-s aus den Banden des Aberglaubens, welche sich aus dem eifrigen Studium der Sprachen u. Wissenschaften auf den Universitäten entwickelten; aus ihnen gingen Wicleff zu Oxford im 14. u. Huß (s.d.) zu Prag im 15., Luther zu Wittenberg im 16. Jahrh. hervor; mit Letzterem gleichzeitig war Calvin in Frankreich u. Zwingli in der Schweiz; sie rangen nach Glaubensreinigung auf dem einzigen Grunde der Heiligen Schrift u. nach einer Verbesserung des Cultus u. des sittlichen Lebens, wie die Mystiker dieser Zeit nach Veredelung des christlichen Lebens, während die Scholastik, welche in der theologischen Wissenschaft zur Herrschaft zu gelangen wußte, weder in ihren Forschungen, noch in ihren Resultatenbefriedigen konnte. Im Kirchenbau trat in dieser Periode an die Stelle des Byzantinischen Styls in Frankreich, England, Spanien u. bes. in Deutschland der Germanische od. sogenannte Gothische Styl, welcher bes. im 13. u. 14. Jahrh. seine höchste Blüthe erreichte.
V. Von der Reformation bis auf unsere Zeiten. Huß hatte eigentlich nicht blos eine Privatmeinung mit seinem Verlangen nach Reinigung des Ch-s u. Kirchenverbesserung ausgesprochen: viele seiner Zeitgenossen sahen das, weil Unbiblische, deshalb Unchristliche der damals geltenden Lehre, ganz Deutschland verlangte eine Kirchenverbesserung an Haupt u. Gliedern, wogegen die Beschlüsse der Concilien in Costnitz u. Basel die Mißbräuche des Papstes nur minderten, nicht aufhoben. Nicht unvorbereitetnahmen daher die nördlichen u. westlichen Völker Europas die Reformation (s.d.) der Kirche an, welche Luther 1517 in Sachsen u. Zwingli 1519 in der Schweiz begannen, u. die über die Hälfte Deutschlands u. der Schweiz, Holland, England, Dänemark, Schweden, Norwegen, Preußen ging, u. einen nicht unbedeutenden Theil der Bevölkerung Polens, Ungarns u. Frankreichs dem Papste abwendig machte. Die sich vom Papstthum getrennt hatten (Protestanten, s.d.), nahmen die Bibel als einzige Quelle ihres Ch-s an. Der der Reformation entgegengestellte Jesuitenorden vermochte wohl die Hugenottenkriege in Frankreich u. einen Dreißigjährigen Krieg in Deutschland zu versuchter Unterdrückung u. Ausrottung der Reformation anzufachen, aber nicht die Evangelischen zur Katholischen Kirche zurückzuführen, vielmehr verschaffte der Nürnberger (1532) u. Augsburger Religionsfriede (1555) den Protestanten in Deutschland Anerkennung u. es wurde denselben in dem Westfälischen Frieden (1648) vollkommene Gleichstellung mit den Katholiken zugestanden. Die Katholische Kirche (s. u. Römisch-katholische Kirche), durch die Reformation auf ihre, durch die Zeit entstandenen Gebrechen aufmerksam gemacht, dachte von jener Zeit an zwar auf Vervollkommnung, indem sie, bes. auf dem Concil zu Trident (s.d.) 15451563, die Kirchenzucht reinigte, bedeutende Mißbräuche (z.B. Ablaßwesen) abschaffte, das Schisma in der Papstwahl vermied etc.; allein dies Alles vermochte doch nicht die einmal geschehene Spaltung aufzuheben, die nun schon über 3 Jahrh. fortdauert, ohne daß sich bis jetzt, wenn auch mehrfache Versuche zur Annäherung gemacht worden sind (Union, s.d.), eine Aussicht zur Wiedervereinigung zeigte. Nur an einigen Orten haben sich die Griechisch- u. Römisch-katholische Kirche wieder genähert (s. Unirte Griechen), jedoch auch wieder getrennt. Das Tridentiner Concil setzte aber zugleich die katholische Lehre unbeweglich fest u. erhielt die päpstliche Hierarchie mit allen ihren Unbequemlichkeiten für Kirche u. Staat, wodurch jede Reformation innerhalb der Kirche unmöglich gemacht wurde. An diesem festen System scheiterten alle Versuche erleuchteter Regenten, die Kirche zu reformiren, so des Kaisers Joseph II. Mit mehreren Fürsten schloß der Papst Concordate (s.d.) zur Feststellung der kirchlichen Verhältnisse ab. Die Bildung einer Deutschen Kirche, unabhängig von der römischen, in unserm Jahrh. eine Lieblingsidee, kam bis jetzt nicht zur Ausführung, am wenigsten durch die Deutschkatholiken (s.d.). Sonstige Parteien der Katholischen Kirche, wie Jansenisten u. Quietisten in Frankreich, hat der Papst unterdrückt; gleiches geschah mit wissenschaftlichen Regungen in Deutschland (s. Hermesianer u. Günther).
Die Protestanten waren indessen nur als Gegner des Papstthums einig, wichen aber in manchen anderen Dingen, namentlich in einigen Dogmen u. in dem Kirchenregiment, von einander ab. Sie zerfielen in die Hauptparteien der Reformirten (s. Reformirte Kirche) u. Lutheraner (s.d.). Ihres gemeinschaftlichen Zieles (Bekämpfung des Papstthums) u. Princips (nur die Bibel als Erkenntnißquelle des Ch-s anzunehmen) eingedenk, neigten sich schon nach dem Tode der beiderseitigen Parteihäupter die milderen Glaubensgenossen zu einer Vereinigung, die aber durch die Eiferer für eine reine Lehre verhindert wurde (s. Union). Der neueste vom König Friedrich Wilhelm III. von Preußen ausgegangene Versuch, die Parteien in Evangelische Christen zu vereinen, gelang in Preußen fast ohne Ausnahme, hat aber in neuerer Zeit auch hier, wie an anderen Orten (außer Baden) Schwierigkeiten gefunden (s. Union). Während die lutherischen Protestanten bei dem Lehrbegriff stehen blieben, welchen Luther aufgestellt hatte, schienen Anderen noch viel zu wenig unbiblische Lehren aus der Kirchenlehre entfernt u. zu wenig für praktisches Ch. gethan zu sein, u. sie trieben das Reformationsgeschäft weiter, ohne jedoch als Kirche, sondern nur als Secten anerkannt zu werden, so die Schwenkfeldianer, Wiedertäufer, Mennoniten, Antitrinitarier, Socinianer (s.d.a.). Bei der Bildung der verschiedenen protestantischen Landeskirchen bildeten sich verschiedene Lehrbegriffe u. neben diesen verschiedene Secten: in England u. Schottland neben der Episkopalkirche (s.d.) die Puritaner od. Presbyterianer (s.d.), die sich wieder in. Brownisten (Congregationisten) u. Independenten (s. b.) schieden u. welche nebst allen anderen von der Episkopalkirche abweichenden Secten (Methodisten, Quäkern, Urchristen) (s.d.a.) unter dem Namen Dissenters (s.d.) befaßt werden. In Frankreich hießen die Protestanten Hugenotten (s.d.), denen das Edict von Nantes Religionsfreiheit zusagte, doch wurdedasselbe 1685 widerrufen, über die Folgen davon s. u. Hugenotten; in den Niederlanden kam es unter den reformirten Protestanten zu harten Streitigkeiten zwischen den Arminianern u. Gomaristen (s. b.) u. wurden geführt die Cartesianischen u. Coccejanischen Streitigkeiten (s. u. Descartes u. Gomarus). In der Lutherischen Kirchein Deutschland entbrannte der Abendmahls- (Sacraments-) streit, die Antinomistischen, Adiaphoristischen, Majoristischen Streitigkeiten, der Osiandrische u. Stancarische [100] Streit, die Flacianische (Synergistische) Controvers u. die Kryptocalvinistischen Streitigkeiten (s.d.a.); nachdem diese Streitigkeiten durch die Concordienformel geendigt worden waren, wurden noch geführt der Hubersche, der Hoffmansche (s. u. Duplicisten), bes. der Synkretistisch-Pietistische Streit (s.d.), der Irenische Streit, der Streit über die Wolfische Philosophie u. der Thesenstreit (s. u. Harms), der Streit über die berliner Kirchenagende (s. u. Agende). Bekämpft wurden auch die sectirischen Engelsbrüder, die Buttlarische Rotte, die Ronsdorfer Secte (s.d.a.) u.a. Durch den genannten Thesenstreit wurde seit 1817 der Streit zwischen Supernaturalismus u. Rationalismus (s. b.) wieder angefacht u. durch die Lichtfreunde in die niederen Volksschichten getragen, doch hat dieser Streit in neuester Zeit seine Bedeutung verloren, indem bes. durch Schleiermacher die Theologie eine andere Richtung erhielt. Dafür ist aber in neuester Zeit in der Lutherischen Kirche wieder ein arger Hader ausgebrochen zwischen den Bibeltheologen u. den sogenannten Altlutherischen (s. u. Lutheraner), welche Letztere fest halten an dem Worte der Symbolischen Bücher, namentlich der Concordienformel. Während so von den Einen über Dogmen gestritten wurde, entwickelte sich bei Andern mehr die Gefühlsreligion (s. Mysticismus), bei Andern das Streben, ein praktisches Ch. einzuführen (s. Pietisten, Spener, Francke, Herrnhuter); doch artete dies in dem St. Simonismus (s.d.) in Frankreich aus. Daneben fehlte es aber auch nicht an Freidenkern u. Spöttern des Ch-s, zu diesen gehörten bes. in England die Deisten, Hobbes, Graf von Rochester, Bolingbroke u. m. A.) u. in Frankreich (Voltaire, Diderot mit den Encyklopädisten u. m. A.), wo zur Zeit der Revolution sogar das Ch., wie überhaupt alle Religion, abgeschafft u. durch einen Cultus der Vernunft, wiewohl nur auf kurze Zeit, ersetzt wurde (s. u. Französische Revolution). Die Ansichten dieser sogenannten Starken Geister (s.d.) reichten auch nach Deutschland herüber, wo als solche bes. die Wolfenbüttler Fragmente, Bahrdt, Wunsch, auch in gewisser Beziehung das Junge Deutschland u. in neuester Zeit die Freien Gemeinden, Deutsch-katholiken, die Anhänger des Junghegelthums, die Socialistischen Arbeitervereine in der Schweiz u. in Frankreich, der Materialismus in der neueren Naturforschung etc. zu nennen sind, sie bezeichneten das Ch. als einen überwundenen Standpunkt, u. es konnte nicht fehlen, daß Klagen über Gleichgültigkeit gegen das Ch., über Religionsspötterei, über Verachtung der Sonntagsfeier, über Unglauben u. Leichtfertigkeit im Urtheil über religiöse Dinge, über zunehmende Unsittlichkeit allenthalben laut wurden. Indeß hat die christliche Apologetik mit der Bekämpfung des Ch-s immer gleichen Schritt gehalten.
Für die weitere Verbreitung des Ch., die im Laufe der Zeit in fast allen Schichten des Volks Theilnehmer gefunden hat, wirkten bes. die Missionen. Zu Missionären berief man katholischer Seits bes. die Jesuiten, auch Kapuziner, Dominikaner u. Franziskaner, u. in Rom wurde 1622 u. 1627 die Congregatio u. das Seminarium de propaganda fide angelegt. So wurde das Ch. im 16. Jahrh. in China, in Japan, in den von China abhängigen Staaten Hinterindiens u. in Vorderindien ausgebreitet; in Tibet fing es an gegen das 18. Jahrh. bekannt zu werden, aber erst seit etwa 40 Jahren hat es dort mehr Raum gefaßt; seit dem 16. Jahrh. auch in Amerika, seit 1820 hat auf die katholische Mission bes. die Gesellschaft zu Lyon großen Einfluß. Auch Protestanten schickten Missionäre aus, zuerst die Dänen im 18. Jahrh. nach der Küste Coromandel, nach Grönland, wo man von den, im 10. u. 11. Jahrh. dahin gekommenen Christen keine Spur mehr fand, nach Lappland (wo es in ganz Europa allein noch Heiden gibt); englische Missionäre gingen bes. nach Nordamerika, Westindien, den Inseln der Südsee, Neuholland, Südafrika; schottische bekehrten die Hochländer ihres Landes. Überhaupt blühete seit dem 18. Jahrh. das Missionswesen (sd.) durch Missionsgesellschaften in Verbindung mit Bibel- u. Tractatengesellschaften (s.d.a.) allenthalben auf. Doch fand das Ch. nicht überall eine gute Aufnahme, u. es gab nicht selten Christenverfolgungen, so z.B. in China 1839, wo erst seit 1843 wieder für die Christen ruhigere Zeiten eintraten, neuerlich aber bei den Kriegen mit England 1856 die Zustände wieder besorglich wurden; in Cochinchina, wo die Abneigung der Könige gegen die christliche Partei am Hofe sehr harte Maßregeln veranlaßte; in Madagaskar, wo bes. 1840 viele Opfer fielen, u. wo auch jetzt, 1857, wieder die Christen sehr bedroht sind; in Syrien, wo 1840 u. 1841 die energischen Vorstellungen von England, Rußland u. Österreich die Pforte zur Milde brachten, 1850 aber eine neue u. höchst grausame Verfolgung statt fand; in Korea, wo 1842 der apostolische Vicar mit 200 Christen das Leben verlor; in den Gegenden vom Libanon, wo der drusische Statthalter 1846 u. 1847 das Eigenthum der Christen u. selbst ihr Leben nicht schonte; in Columbia, wo 1847 bei der Darreichung von Heilmitteln durch die Christen gegen eine Seuche der Verdacht einer Vergiftung entstand.
Endlich ist auch das Ch. immer mehr in das Leben eingedrungen, u. statt des religiösen Indifferentismus des 18. Jahrh. hat sich eine immer größere Theilnahme für die Angelegenheiten des Ch-s gezeigt. Durch Kirchenzeitungen, kirchliche Volkshlätter, wie durch die Besprechung der religiösen Ereignisse in politischen Blältern, durch populäre Schriften, durch Tractate, außerdem durch eine, Menge asketischer Schriften, bes. auch aus älterer Zeit, durch geschmackvolle Bibelausgaben etc., wird diese Theilnahme am Ch. gepflegt u. gefördert. Auch das Vereinswesen hat auf dem Gebiete des Ch-s Eingang gefunden, u. außer den Bibel- u. Missionsvereinen giebt es jetzt Vereine für christliche Erbauungsschriften, Evangelische Gesellschaften in Belgien u. Frankreich, die Borromäusvereine, die religiösen Congregationen in Frankreich, die Vereine für Innere Mission (s.d.) der Gustav Adolfsverein, Tractatengesellschaften, Friedenscongresse (s.d.a.) u. v. a. Auch im bürgerlichen Leben suchte sich die Macht des Ch-s geltend zu machen; sie erhob sich gegen die Sklaverei u. verlangte Toleranz gegen die Nichtchristen, namentlich gegen die Juden, während diesen Tendenzen gegenüber die Idee des christlichen Staats, welche nur Christen als vollberechtigte Staatsbürger anerkennt u. in öffentlichen Ämtern angestellt haben wollte auch viele Anhänger zu gewinnen wußte. Für christliche Zwecke wurden ansehnliche Geldopfer gebracht, u. die Zahl der Schenkungen, Stiftungen u. Vermächtnisse für religiöse [101] Anstalten war in den letzten Jahrzehnten sehr bedeutend. Die Zahl der Christen auf der ganzen Erde soll nach neuen statistischen Nachrichten nicht ganz 300 Millionen betragen.
Buchempfehlung
Die zentralen Themen des zwischen 1842 und 1861 entstandenen Erzählzyklus sind auf anschauliche Konstellationen zugespitze Konflikte in der idyllischen Harmonie des einfachen Landlebens. Auerbachs Dorfgeschichten sind schon bei Erscheinen ein großer Erfolg und finden zahlreiche Nachahmungen.
554 Seiten, 24.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro