[331] Brasilien (Vereinigte Staaten von B., hierzu die Karten »Brasilien« und »Südbrasilien«), Föderativrepublik in Südamerika, nach den Vereinigten Staaten der größte Staat Amerikas, umfaßt in Gestalt eines gleichschenkeligen Dreiecks die größere Osthälfte Südamerikas von 4°23' nördl. Br. (Kap Orange) bis 33°44' südl. Br. (Südspitze der Halbinsel Mirim) und von 34°50' (Olindaspitze) bis 73°55' westl. L. (Rio Aruita), mit einem Areal, das offiziell auf 8,337,218 qkm, nach neuester planimetrischer Messung auf 8,361,350 qkm berechnet wird, aber wegen der noch nicht erfolgten Einigung über die Grenze mit Peru, Kolumbien und Guayana (die frühern Grenzstreitigkeiten mit den übrigen Nachbarstaaten sind durch wiederholte Verträge beigelegt worden) nicht sicher bestimmt werden kann. Die Grenzen bilden im N. Guayana und Venezuela, im W. und S. Kolumbien, Ecuador, Peru, Bolivia, Paraguay, Argentinien und Uruguay, im O. der Atlantische Ozean.
[Bodengestaltung.] Die wenig gegliederte Küste wird im N. hier und da von Korallenriffen oder Sandbänken, im S. von langgestreckten Lagunen begleitet. Sie hat bei 7920 km Länge 42 meist wenig günstige Häfen (s. unter Handel). Die bedeutendsten Vorgebirge sind: Kap Raso do Norte an der Nordseite des Amazonenstroms, Kap Touros und Kap de São Roque an der östlichen Küstenecke, Kap Frio östlich von Rio de Janeiro.
Der Oberflächengestaltung nach zerfällt B. in drei große Gruppen: in ein Hochland von 2,753,000 qkm Fläche als Kern und Hauptmasse des Landes und in die Stromtäler des Amazonas und Madeira im NW. und des La Plata im SW. des Hochlandes, beide weit in die Nachbarstaaten hineinreichend. Das Bergland von B. stellt eine niedrige Platte mit meist nordöstlich streichenden Ketten dar, die, in ihrem Südostteil durch die Längstäler des Paraná und Rio São Francisco gegen W. begrenzt, steil zum Meer abfällt, gegen O. aber in der bis 1650 m hohen Serra do Mar endet. Durch das Längstal des Parahyba davon geschieden, erheben sich im W. die Ketten der Serrado Espinhaço, im südlichen Teil auch Serra da Mantiqueira genannt, mit den bedeutendsten Bergspitzen des Berglandes, Itatiaya (2712 m), Lapa (2650 m), São Matteo (1880 m), Itacolumi (1750 m). Westlich liegen große Hochebenen von durchschnittlich 650 m Höhe, im N. die von Minas Geraës, deren Boden überwiegend mit Gras und Sträuchern bedeckt ist (sogen. Campos). Hinter der südlichen Serra do Mar liegen die Hochebenen von São Paulo, die sich nach W. zum Tal des Paraná herabsenken. An dieses Gebirgsland stößt im W. und N. das niedrige, hügelige Hochland des Innern (nur 230330 m hoch), das gegen S. in das Tiefland der Pampas, nach N. ins Amazonastiefland abfällt und von der Serra dos Vertentes durchzogen wird. Das Bergland ist an seinen meist steilen Ostgehängen gut bewaldet und reich an Wasserläufen, die Westhänge dagegen und die Binnenplatten (Chapadas) tragen niedriges Gehölz (Catingas) oder Gras (Campos). Nur die nordöstlichen Teile sind von unfruchtbaren, wasserarmen, bloß zur Regenzeit von einer rasch vorübergehenden Vegetation bedeckten Flächen (Sertãos) eingenommen. Das ganze Gebiet nördlich und westlich dieses Hochlandes gehört dem Tieflande des Amazonenstroms (sogen. Selvas) an; im NO. erheben sich an der Grenze die ersten Bergketten des Gebirgslandes von Guayana.
Flüsse. B. besitzt das großartigste Stromnetz der Welt und gehört zu sechs Zehntel zum Flußgebiete des Amazonas, zu einem Sechstel zu dem des La Plata[331] (mit den sämtlich in B. entspringenden Quellflüssen Paraná, Paraguay und Uruguay) an. Der Amazonenstrom (s.d.), der schon schiffbar bei Tabatinga aus Peru über die Grenze tritt, durchströmt B. in 3828 km Länge von W. nach O. Er nimmt rechts den Yakarana (Javari), den Grenzfluß gegen Peru, dann Jurua, Purus, Madeira, Tapajoz und Xingu auf. Mit dem Pará, dem untersten Lauf des Tocantins, ist seine mächtige Mündung durch mehrere Kanäle verbunden. Links empfängt er in B. Iça, Yapure, Rio Negro mit Rio Pará, Trombelas, Paru, Jary. Die bedeutendsten Küstenflüsse sind: Parnahyba, São Francisco, Parahyba do Sul und Jacuhy, der durch die Lagoa dos Patos, die mit der südlichern Lagoa Mirim in Verbindung steht, ins Meer abfließt.
[Geologisches.] Im östlichen Teil, von der Provinz Ceará im N. bis in den Süden von Rio Grande do Sul, erscheint weit verbreitet archäisches Gebirge, gefalteter Gneis, verbunden mit Granit und Syenit, sowie kristallinische Schiefer, die in der Serra do Mar und in der Serra da Mantiqueira eine große Mannigfaltigkeit erreichen und oft von ältern Eruptivgesteinen begleitet werden. An sie schließen sich Quarzite, Hornblende und Talkgesteine, körniger Kalk, Itakolumit und halbkristallinische Schiefer (vielleicht kambrischen und silurischen Alters) an. Auch an der Westgrenze, wo B. sich zu den Llanos abdacht, ferner in den Tälern des obern Madeira, des Tapajoz, Xingu und Araguaya sowie im Grenzgebiet gegen Guayana herrschen archäische Gesteine. Auf der B. rings umsäumenden archäischen Formation lagern, große Flächenräume (namentlich beiderseits des Amazonenstroms zwischen Serpa und Pramha) bedeckend, mächtige, horizontale, vielfach von Diabasen durchbrochene devonische und karbonische Ablagerungen, und in den südöstlichen Provinzen Rio Grande do Sul, Paraná und São Paulo auf diesen, oft in einzelne Tafelberge aufgelöst, mächtige versteinerungslose Sandsteine mit deckenartig eingeschalteten Melaphyren, die wahrscheinlich der Kreide angehören dürften. Außerordentlich verbreitet sind die Ablagerungen der obern Kreide, die sich durch die Staaten Amazonas, Mato Grosso, Goyaz, Piauhy, Ceará, Parahyba und Pernambuco bis nahe an die Küste erstrecken. Sie sind auch bei Bahia, hier reich an Erdöl, bekannt. In der Provinz Amazonas werden die Kreideschichten beiderseits des Amazonenstroms von tertiären Bildungen bedeckt; solche sind auch im Unterlauf dieses Stromes, hier von quartären Bildungen vielfach verhüllt, und längs der Küste vorhanden. Über nutzbare Mineralien s. unten.
[Klima.] Bei der ungeheuern Ausdehnung Brasiliens ist das Klima je nach der Entfernung vom Äquator und nach der Meereshöhe sehr verschieden. Dem Umstande, daß die hohen Gebirge auf der Westseite liegen, so daß der wasserdampfreiche Südostpassat zum ganzen Lande freien Zutritt hat, verdankt B. seinen Regenreichtum. An der Nordgrenze regnet es am meisten im Dezember und Juni, am obern und mittlern Amazonas im Winter, an der Mündung vom Februar bis Mai, aber auch die Sommermonate haben noch reichlichen Regenfall (Iquitos: Jahressumme 262, Manaos 140, Pará 180 cm). Bei Pernambuco ist die Regenzeit von April bis Juli (Juni 46, November 2, im Jahre 275 cm; Quellen fehlen hier ganz). Regenzeit zu Rio de Janeiro (Jahressumme 121 cm) und Tucuman (Jahressumme 90 cm) November bis März. Diese Winterregen sind auf das Küstengebiet beschränkt, das Innere ist im Winter verhältnismäßig trocken und leidet nicht selten an Dürre. Mittlere Temperaturen: Cayenne, kälteste Monate Januar und Februar 26,8°, wärmster Oktober 27,7°, Jahresmittel 26,8°; Pará, kältester Monat Februar 26°, wärmster November 27,7°, Jahresmittel 27°; Iquitos, kältester Monat Juli 23,4°, wärmster November 25,8°, Jahresmittel 24,8°; Pernambuco, kältester Monat Juli 23,9°, wärmster Februar 27,1°, Jahresmittel 25,7°, mittlere Jahresextreme 31,7 und 18,3°; Rio de Janeiro, kältester Monat Juli 21,2°, wärmster Februar 26,6°, Jahresmittel 23,8°; Blumenau, kältester Monat Juni 15,4°, wärmster Januar 26,6°, Jahresmittel 20,8°. Im Innern südlich vom Amazonas fällt die Temperatur schon innerhalb der Wendekreise in mäßiger Seehöhe nicht selten unter Null; zwischen Ouro Preto und Barbacena sank im Juni 1870 auf 56 Tage die Temperatur 34° unter den Gefrierpunkt. In den Niederungen des mittlern und nördlichen B. treten vom Januar bis Mai oft bösartige Krankheiten, wie das Wechselfieber, namentlich aber das 1849 von Westindien eingeschleppte gelbe Fieber, verheerend auf. Im S. dagegen kommen diese Krankheiten nicht vor, auch Malaria, Elefantiasis und Lepra treten nur ganz vereinzelt auf.
[Pflanzenwelt.] B. läßt sich pflanzengeographisch in drei Zonen gliedern: die Urwälder an den Ufern des Amazonas (Hyläa), die Gebirgslandschaft der Südostküste und das anschließende wellenförmige Tafelland von mehr als 600 m Mittelhöhe, das den größten Teil Brasiliens ausmacht. Hier, in der dritten Zone, herrschen die Savannen (Campos) vor, das übrige ist Tiefland. Der tropische Urwald im Hyläagebiet reicht bis zum Wasserspiegel des Amazonas. Im Überschwemmungsgebiet erreichen die 34 Monate unter Wasser stehenden Laubhölzer keine ansehnliche Größe. Sie werden von Palmen überragt, die durch ihren Artenreichtum den alleinigen Reiz dieser Wälderbilden. Der reiche Epiphytenschmuck fehlt hier. Die holzigen Lianen werden durch die weichen Convolvulus-Formen ersetzt. Farbige Blüten sind selten. Die dichte Belaubung der Baumkronen ruft jene »Frondosität« des Pflanzenwuchses hervor, in der Humboldt den eigentlichen Charakter des tropischen Amerika erblickt. Auch das Innere der Wälder entbehrt der reichern Mischung der Formen, und oft ist der Boden, nachdem er abgetrocknet, nur von harten Gräsern oder einem Lykopodienteppich (Selaginella) bedeckt. An den sumpfig bleibenden Waldstrecken begleitet die Palmen eine üppige Vegetation großblätteriger Monokotyledonen. Hier gedeihen die Scitammeen und die gesellig wachsende Pisangform Urania amazonica. Stellenweise erheben sich an den Ufern Reihen größerer Palmen, wie die dornige Jawari (Astrocarym Jauari) oder die gedrängten, 5 m hohen Stämme der Arazee Montrichardia, und verhindern vom Wasser her den Einblick in den dunkeln Urwald. In der Physiognomie des Waldes außerhalb des Überschwemmungsgebietes herrscht die Lorbeerform vor. Ist die Laubfarbe auch noch überwiegend, so treten doch schon holzige Lianen auf, und die Blütenfarben der Epiphyten leuchten aus dem Laube hervor. Unter den kolossalen Baumgestalten ist die Myrtazee Bertholletia excelsa charakteristisch. Palmen sind hier weniger mannigfaltig. Zu den größten unter ihnen gehören die 1215 m hohen dichten Bestände der Urucuripalme (Attalea excelsa). Die Wälder am Rio Negro sind noch ärmer an Palmen und Lianen, aber die Feuchtigkeit der Luft ist angedeutet durch Arazeen und Massen epiphytischer Farne. Eine eigentümliche Formation bekleidet die[332] zahllosen flachen Inseln des Amazonas, wo gewöhnlich aus dem Weidengesträuch (Salix Humboldtiana) die durch ihre großen weißlichen Blätter ausgezeichneten Cecropien (Artokarpeen) als einzige höhere Baumform hervorragen, während den Wasserspiegel das Röhricht des 56 m hohen Pfeilgrases (Arundo saccharoides) umsäumt. Am untern Amazonas treten grasige Savannen auf. Auch hier wird der Waldrand durch eine eigentümliche Vegetation von Gebüschen und niedrigen Bäumen aus den Familien der Melastomazeen, Myrtazeen und Malpighiazeen abgegrenzt.
Die Vegetation des Amazonas selbst tritt hinter die der Wälder und der mit ihm zusammenhängenden Landseen zurück. Sein glänzendstes Erzeugnis, die Victoria regia, ist ihm mit weit entlegenen Flüssen Südamerikas gemeinsam. Wenn die Gewässer sinken, sproßt am Ufer ein ephemerer Anflug winziger Cyperazeen und Utrikularieen hervor. Die artenreichsten Pflanzenfamilien der Hyläa sind außer den Palmen Leguminosen, Melastomazeen, Myrtazeen, Sapindazeen, Malpighiazeen, Loranthazeen, Rubiazeen, Apocynazeen, Bignoniazeen, Solanazeen, Laurazeen, Myristikazeen, Euphorbiazeen, Urtikazeen, Piperazeen, Bromeliazeen, Arazeen und die charakteristischen Bombazeen, Guttiferen und Vochysiazeen. Die Zahl der bekannt gewordenen endemischen Pflanzenarten übersteigt 2000. In den Urwäldern der Küstenlandschaften, bis zu den Mangrovebildungen am Meer, sind die Vegetationsformen die nämlichen wie in andern feuchtwarmen Klimaten des tropischen Amerika. Aber der Eindruck der Mannigfaltigkeit wird durch das häufigere Auftreten schön gefärbter Blüten erhöht. Zu diesen Prachtgewächsen der Küstenwälder gehören namentlich Rutazeen aus den Gattungen Erythrochiton und Almeidea. Die Palmen stehen an Mannigfaltigkeit denen des Hyläagebietes wenig nach (Cocos, Attalea, Astrocaryum Ayri etc.). Farnbäume bewohnen die schattigen Bergabhänge, z. B. am Orgelgebirge bei Rio. Als besondere Erzeugnisse der Lorbeerform treten Vochysiazeen und Ochnazeen auf sowie die Leguminosen der Tamarindenform, die die wertvollsten Nutzhölzer liefern (Jakaranda, Brasilienholz).
Die Campos bestehen aus Grassteppen, an den Flüssen unterbrochen von weniger formenreichen Busch- und Waldbeständen (Catinga), deren Bäume zur Trockenzeit das Laub abwerfen. Unter den Epiphyten gedeihen besonders die parasitischen Loranthazeen, während epiphytische Orchideen selten sind. In den nördlichen Campos ist eine Bombazee (Chorisia ventricosa) mit nach der Mitte zu tonnenförmig angeschwollenem Stamm häufig. Den Boden bedeckt ein Teppich graugrüner, haariger Grasbüschel, geschmückt mit vielfarbigen Blütenpflanzen, deren Reichtum eine Eigentümlichkeit der Campos ist. Ein Teil ist mit Gesträuchformationen bekleidet, die, wo sie den Boden ausschließlich bedecken, Carrascos heißen und sich aus Mimosazeen, Melastomazeen und Myrtazeen zusammensetzen. Der obern Camposregion, den nackten Hügeln der Gold- und Diamantbezirke ausschließlich eigen sind stämmige Liliazeen aus den Gattungen Vellosia und Barbacenia, deren gabelig verzweigte Äste lange, steife Blätter und schönfarbige Blüten tragen. Einförmige Wälder von geselligen Bäumen gleicher Art besitzt B. nur in den höhern südlichen Breiten; im Osten die Araukarienwälder (Araucaria brasiliensis) und im Gran Chaco die Wachspalmen. Unter erstere mischen sich die Gebüsche von Ilex paraguayensis, die den Maté liefert.
[Tierwelt.] Brasiliens reich entwickelte Tierwelt bildet die bedeutendste Subregion der neotropischen Region und ist im ganzen die für die neotropische Region charakteristische. Sehr zahlreich sind die Affen, sämtlich der Familie der Breitnasen (Platyrrhini) angehörend. Hervorzuheben sind die Brüllaffen (Mycetes), Rollschwanzaffen (Cebus), Schweifaffen (Pithecia), Nachtaffen (Nyctipithecus), Seidenäffchen (Jacchus), Löwenäffchen (Midas), alle durch mehrere Arten vertreten. Von den Fledermäusen sind die Vampire (Phyllostomatidae) charakteristisch. Von den Raubtieren sind die größten Jaguar (Felis onza) und Puma (Felis concolor), neben denen sich kleinere, zu den Katzen, Wölfen und Füchsen gehörige Raubtiere finden. Von den Bären sind charakteristisch Wickelbär (Cercoleptes caudivolvulus), Krabbenwaschbär (Procyon cancrivorus) und zwei Arten Rüsselbären oder Coati (Nasua). Zahlreich vertreten sind die Marder; unter den Nagern ist die Familie der Hufpfötler auf Südamerika beschränkt, von denen sich in B. das Wasserschwein (Hydrochaerus capybora), der größte Nager, ferner das Pako (Coelogenys paco) und die Agnus (Dasyprocta) finden. Auch die Trugratten (Octodontidae), die Schrotmäuse (Echimyidae), die eigentlichen Mäuse (Muridae) sind durch charakteristische Gattungen vertreten. Von Schweinen finden sich Nabelschweine oder Pekari (Dicotyles); die großen Hirsche der nördlichen Erdhälfte werden durch kleinere Formen ersetzt, so durch den Pampashirsch (Cervus campestris) und das brasilische Reh (C. rufus). Das Pferd kommt vielfach verwildert in großen Herden vor. Von den Tapiren findet sich eine Art (Tapirus americanus) in B. Zu den bemerkenswertesten Tieren Brasiliens gehören die Zahnarmen: der große Ameisenbär (Yurumi) und verschiedene Gürteltiere, das Kragenfaultier und das dreizehige Faultier. Im untersten Amazonas finden sich als Vertreter der Fischsäugetiere der amerikanische Lamantin (Manatus americanus) und ein Süßwasserdelphin (Platanista amazonica). Die sonst auf Australien beschränkten Beuteltiere sind in B. vertreten durch einige Arten der Beutelratten (Didelphys), zu denen auch der Schwimmbeutler (Chironectes variegatus), das einzige wasserbewohnende Beuteltier, gehört. Die Vögel Brasiliens zeichnen sich durch Farbenpracht aus. Zu erwähnen sind von den Papageien die Aras und Keilschwänze, ferner als Charaktervögel die Kolibris, Tanagras, Tyrannen, Pfefferfresser und Hokkos; der beste Singvogel ist eine Drosselart, Sabia (Mimus lividus). Typisch für B. sind Schopfhuhn (Opisthocomus), Trompetervogel oder Agami (Psophia) und Wehrvogel oder Aniuma (Palamadea). Unter den Reptilien finden sich die Süßwasserschildkröten in mehreren Gattungen und erreichen im Amazonas z. T. eine gewaltige Größe; der Eier wegen, aus denen man Öl bereitet, wird besonders der Arrau-Schildkröte (Podocnemis expansa) nachgestellt; eigentümlich für B. und Guayana ist die Matamata-Schildkröte (Chelys fimbriata); von den Krokodilen finden sich Kaiman (Alligator) und Krokodil (Crocodilus). Unter den Eidechsen treten die Tejidae und Iguanidae in den Vordergrund. Unter den Schlangen erreichen die bedeutendste Größe die Abgottschlange (Boa constrictor) und die im Wasser lebende Anaconda (Eunectes marinus), beide wie die Hundskopfschlange (Xiphosoma caninum) unschädlich, während Buschmeister (Lachesis mutus), Schararaka (Bothrops jararaca) und Labaria (Bothrops atrox) gefürchtete Giftschlangen sind. Unter den [333] Amphibien sind die Frösche durch eigentümliche Gattungen vertreten; von den Kröten ist die Wabenkröte (Pipa americana) charakteristisch. Von den Schleichenmolchen sind typisch Arten der Gattung Blindwühle (Caecilia) und Lochwühle (Siphonops). Die Fischfauna ist dank der bedeutenden Flußentwickelung außerordentlich reich. Der Piracuru (Arapaima gigas) ist der größte Knochenfisch des süßen Wassers, charakteristisch sind auch die elektrischen Aale, die Süßwasserrochen, große Welse und von den Lurchfischen der seltene Caramuru oder Schuppenmolch (Lepidosiren paradoxa). Unter den Mollusken stehen die Süßwassermuscheln an erster Stelle, indem die Familie der Unionidae in einer Unzahl von Gattungen und Arten entwickelt ist; von den Landmollusken sind große Arten der Helicidengattung Bulimus zu nennen. Die Insekten sind reich an großen, farbenprächtigen Formen, wie sie kaum ein andres Land aufweist. Von den Käfern sind zu nennen der riesige Dynastes und der leuchtende Schnellkäfer Cucujo (Gattung Pyrophorus), von den Schmetterlingen der prachtvoll himmelblaue Morpho, von den Schnabelkerfen eine Laternenträger genannte große Zikade (Fulgora laternaria), von den Geradflüglern die gefürchteten Termiten, von den Hautflüglern Ameisenarten, bemerkenswert durch ihre Symbiose mit Bäumen (Cecropia). Spinnen und Tausendfüßer sind durch z. T. riesige Arten (Vogelspinnen) vertreten.
[Bevölkerung.] Wir halten uns am besten an die 1897 veröffentlichten Ergebnisse der Volkszählung vom 31. Dez. 1890, da eine neuere Schätzung für 1892 nicht zuverlässig scheint. Letztere gibt die Bevölkerung mit 16,010,000, mit den wilden Indianern 16,610,000 Köpfen an.
Dazu kommen noch 600,000 wilde Indianer, zusammen also gegen 17 Mill. Davon angeblich 37,7 Proz. Weiße, 37,9 Proz. Mestizen, 19,5 Proz. Neger und Mulatten, 3,9 Proz. Indianer, 1 Proz. andre. Doch ist die Zahl der Weißen wohl erheblich zu hoch veranschlagt. Den Hauptstock der Bevölkerung bilden Mischlinge von Weißen, Schwarzen und Indianern, während die Zahl der reinen Portugiesen verhältnismäßig gering ist. Man nennt solche Mischlinge von dunkler Hautfarbe Cariboca oder Cafuso, während unter Mulatten die Nachkommen von Weißen und Negern, unter Mestizen (Mestico) die von Indianern einerseits und Weißen und Negern anderseits verstanden werden; Kreolen (Crioulo) heißen in B. die im Lande gebornen Neger. Die Landessprache ist das Portugiesische.
Die Ureinwohner, die Indianer, sind in spärliche Gruppen zerstreut, deren Hauptstämme Tupi, Guarani und Omagua sind. Sie sind von mittlerer Größe, gedrungenem und muskulösem, geschmeidigem, kraftvollem Körperbau. Ihre Farbe wechselt vom tiefen Rot bis zum bräunlichen Weiß, ihr abgeplattetes, rundes Gesicht hat dicke Lippen, eingedrückte Nase, schwarze, kleine, schräg nach außen gezogene Augen und schwarze, schlichte Haare; bei andern Stämmen ist die Gesichtsbildung edler, der Wuchs schlanker. Die ethnographische Forschung hat neuerdings durch K. v. d. Steinen, Ehrenreich und Herrmann Meyer bedeutende Fortschritte gemacht. Als Verständigungsmittel mit den verschiedenen Stämmen dient zumeist die lingoa geral brasilica. Die ansässig unter den Brasiliern lebenden Indianer unvermischten Blutes sind wenig zahlreich, am häufigsten noch die Überreste der früher in Missionen vereinigten Stämme am untern Amazonenstrom. Der bei weitem größte Teil der Indianer lebt in kleinen Horden ohne Zusammenhang mit dem brasilischen Staatsleben, wenngleich fast allenthalben in einiger Verbindung mit den übrigen Bewohnern des Landes. Ihre geistliche und sittliche Entwickelung ist bis jetzt gering; selbst die zum Christentum bekehrten Indianer haben nur wenig Kulturfortschritte gemacht.
[Einwanderung und Kolonisation.] Vgl. hierzu beifolgende Karte »Südbrasilien«. Solange B. Kolonie war, wurden Fremde an der Einwanderung verhindert, erst seit 1812 begann man Kolonisationsversuche mit ihnen zu machen. Die erste deutsche Kolonie, Leopoldina, wurde 1818 in der Provinz Bahia gegründet, später auch das Gesetz beseitigt, das nur den Katholiken Landschenkungen zusicherte. Viele Kolonisationsversuche sind gescheitert, und zwar nicht ohne Verschulden der Regierung, obschon sie sehr bedeutende Summen aufwendete. Man hat Portugiesen, Spanier, Italiener, Deutsche, Deutsch-Russen, Schweizer u. a. eingeführt, aber fast allein den Deutschen ist es bis jetzt gelungen, erfolgreiche Kolonien zu gründen, namentlich in Rio Grande do Sul: São Leopoldo (25,870 Einw.), Porto Alegre (8900), Nova Petropolis (8350), Santa Cruz (6320), São Lourenco (6280 Einw.), São Feliciano, Taquary, Hamburger Berg, São Angelo, Santa Maria, Germania, Montalverne, Teutonia, Neuberlin, Estrella, Feliz, Escadinya, Bom Principio, Marata, São Martinho, Mundo Novo, Tres Forquilhas, São Petro u. a. Durch Grundbesitz und Produktion nehmen die Deutschen hier eine herrschende Stellung ein. Die Flüsse, an denen die ersten Kolonien angelegt wurden, Sinos, Cahy u. a., sind schiffbar; die Produkte konnten leicht nach Porto Alegre gebracht werden, so daß die Kolonien in hohe Blüte kamen. Bei der starken Volksvermehrung entstand ein starker Zug nach dem Westen, der in der Nähe des Jacuyflusses zahlreiche Kolonien entstehen ließ. Jetzt sind solche bis über Passo Fundo nach Nonohay im N. angelegt. Eine große Bahnlinie bis nach Uruguayana am Uruguay ist fast ausgebaut, dieselbe folgt in der Hauptsache dem Jacuy und hat zahlreiche Kolonien in Städte verwandelt. Eine andre zweigt bei Santa Maria nach Passo Fundo ab, von wo aus sie später nach dem Hochlande von Santa Catharina geführt werden soll. Ein neues großes Bahnunternehmen zur Erschließung und Besiedelung[334] des fruchtbaren Gebietes des Alto Uruguay wurde 1899 durch deutsches Kapital in Angriff genommen. Deutsche Kolonien sind ferner in Santa Catharina: Santa Thereza, Theresopolis, Angelina, Santa Izabel, San Miguel, Brusque, Blumenau (s.d. 2), Badenfurt Dona Francisca (s.d.) mit dem Hauptort Joinville und den kleinern São Bento und Annaberg (hier hat 1895 die Hanseatische Kolonisationsgesellschaft 650,000 Hektar erworben; die Kolonie »Hansa« wurde 1898 am Itapocufluß mit 30 Familien am Rio Novo angesiedelt); in Paraná: Assunguy und Rio Negro; in São Paulo: Cananea; in Rio de Janeiro: Petropolis, Theresiopolis, Nova Friburgo, Cantagallo; in Espirito Santo: Santa Izabel, Leopoldina mit dem Hauptort Cachoeira; in Bahia: Leopoldina, wo neben Deutschen auch viele Schweizer leben; endlich in Minas Geraës: die Mucurykolonie mit dem Hauptort Ottoni. In diesen Kolonien hat das Leben seine deutsche Gestaltung behalten; Schulen sind zahlreich, Kirchen genügend vorhanden, der Wohlstand der Kolonisten ist im Steigen begriffen, der Gesundheitszustand gut. Man kann die Zahl der in B. lebenden Deutschen auf 450,000 Seelen anschlagen; auf Südbrasilien kommen gegen 350,000, etwa ein Viertel der gesamten Bevölkerung der vier Südstaaten: in Paraná 47,000, in Santa Catharina 100,000, in Rio Grande 200,000, in São Paulo 2530,000 Deutsche. Die Einwanderung nach B. hat neuerdings sehr zugenommen. In dem Jahrzehnt 188089 wanderten 399,100 Personen ein, 1890 allein über die Häfen von Rio de Janeiro und Santos 113,053, davon 35,491 (1898: 33,272) Italiener, 27,425 (137) Russen, 25,515 (11,662) Portugiesen, 12,514 (5943) Spanier, 5212 (477) Deutsche, 2844 (247) Franzosen, 2277 (669) Österreicher und Ungarn etc. Allerdings kehrten viele enttäuscht nach Hause zurück, da die republikanische Regierung die Einwanderer, indem sie ihnen gegenüber früher eingegangene Verpflichtungen nicht anerkennt, öfters in große Not gebracht hat. Die Zahl der Einwanderer in den letzten Jahren läßt sich bei der mangelhaften Statistik nicht genau angeben, da nur Schiffspassagiere dritter Klasse gerechnet sind; so wurden 1895: 164,371, 1896: 159,126, 1897: 112,494 und 1898: 53,822 Personen angegeben. Der am meisten entwickelte Staat São Paulo nahm 1896 allein gegen 75,000 Einwanderer auf, bis zu diesem Jahr im ganzen 700,000, darunter annähernd 1/2 Mill. Italiener.
[Religion.] Nach der neuen Verfassung haben alle Konfessionen gleichen Anspruch auf den Schutz des Staates. Das vorherrschende Bekenntnis ist aber das römisch-katholische. 1872 gab man die Zahl der Katholiken auf 9,902,712, die der Protestanten auf rund 27,766 an. Die römisch-katholische Kirche besteht aus dem Erzbistum von Bahia (mit dem Metropoliten und Primas von B. an der Spitze) und aus den elf Bistümern von Ceará, Cuyabá, Diamantina, Goyaz, Maranhão, Marianna, Pará, Pernambuco, Rio de Janeiro, São Paulo, São Petro. Die Heranbildung der Geistlichen ist dem Klerus überlassen. Den Klöstern wurde seit 1855 nicht mehr gestattet, Novizen aufzunehmen; die Republik hob alle Orden auf. Den Protestanten erlaubte man erst 1808 Ansiedelung und Errichtung von Gotteshäusern. Gegenwärtig unterstützt der Staat auch den Bau der letztern in den deutschen Kolonien und besoldet die Geistlichen, die entweder vom Berliner Oberkirchenrat gesandt, oder durch Barmener und Baseler Missionszöglinge präsentiert werden. Die deutsch-evangelische Synode hat sich 1869 unter den Oberkirchenrat von Berlin gestellt. Die Statuten eines evangelischen Synodalverbandes wurden 1886 von zwölf deutschen evangelischen Gemeinden in São Leopoldo (Rio Grande do Sul) festgestellt, wobei man den übrigen Gemeinden den Beitritt offen ließ.
[Volksbildung.] Die geistige Kultur steht noch auf niedriger Stufe, doch haben sich in neuerer Zeit wichtige Fortschritte vollzogen. Der Elementarunterricht in den Primärschulen ist unentgeltlich und (wenn auch wegen Mangels an Schulen, Lehrern und Kommunikationswegen nur nominell) obligatorisch. Nach dem Gesetz soll jedes Kirchspiel einen Knabenlehrer und eine Mädchenlehrerin haben. Die Sekundärschulen entsprechen unsern höhern Bürgerschulen und Gymnasien. Die Zahl der öffentlichen Schulen schätzt man auf 7500, die der Schüler auf 300,000. In den Städten bestehen zahlreiche Abendschulen. Nach dem Gesetz soll in jeder größern Stadt ein Lyzeum errichtet werden. Die Lehrer müssen das Collegio zu Rio de Janeiro oder ein Seminar (escola normal) mit Erfolg absolviert haben. Diesen Schulen reihen sich an: die Rechtsfakultäten von Pernambuco und São Paulo (1400 Studierende), die medizinischen Fakultäten von Rio de Janeiro und Bahia (1400 Studierende), die polytechnische Schule zu Rio de Janeiro, die Bergbauschule zu Ouro Preto, die Handelslehranstalt zu Rio de Janeiro, Schullehrerseminare, Gewerbeschule, Marineschule, mehrere Kriegsschulen, Ackerbauschulen, Blindenschulen, Taubstummeninstitut und ein Konservatorium der Musik zu Rio de Janeiro, wo auch ein astronomisches Observatorium, das Nationalmuseum, die Nationalbibliothek neben mehreren andern Museen und Bibliotheken, das historisch-geographisch-ethnographische Institut bestehen. Fakultäten der Theologie gibt es zu Bahia, Belém, Cuyabá, Diamantina, Fortaleza, Goyaz, Marianna, Olinda, Porto Alegre, San Luis do Maranhão und São Paulo. Die Zahl der Zeitungen und Zeitschriften soll 460 übersteigen, doch sind die meisten wenig bedeutend und haben eine geringe Abonnentenzahl. Sie dienen fast alle Parteizwecken. Weiteres über die brasilische Literatur s. den besondern Artikel (S. 342f.).
Die Kunst wird in B. zwar in allen Abstufungen ausgeübt, aber Hervorragendes ist nicht geleistet worden. Die ersten Künstler zog man, wie in Portugal, aus Italien herbei. Mit Verschwendung bauten die Jesuiten. Prachtvolle Kirchen wurden in Portugal entworfen, dann Stein für Stein, mit Zahlen bezeichnet, nach B. übergeschifft und hier zusammengefügt. Unter Dom Pedro I. wurde zwar die Akademie der schönen Künste in Rio de Janeiro 1824 gegründet, aber auf den von ihr veranstalteten Ausstellungen erschienen nur fremde Kunstwerke. Auch in der Musik hat B. kein bedeutenderes Talent hervorgebracht, Joseph Mauricio und Carlos Gomes allein ausgenommen, deren Werke aber auch nicht über B. hinaus gedrungen sind.
Der Ackerbau ist die vornehmste Erwerbsquelle. Die wichtigste Kultur ist aber die des Kaffees, worin B. alle übrigen Produktionsgebiete überragt. 1897/98 wurden 13 Mill. Ztr. geerntet, die größte bisher erzielte Ernte. Die bedeutendste Ausdehnung haben die Kaffeepflanzungen in den Staaten Rio de Janeiro und São Paulo. Der Kaffeestand Brasiliens hat namentlich infolge der Sklavenemanzipation bedeutende Schwankungen durchgemacht, beansprucht jetzt aber[335] wieder 55 Proz. der Gesamtproduktion der Erde. Dagegen ist die Zuckerrohrkultur trotz der vorzüglichen Qualität des Rohres und der Gunst des Bodens und Klimas in stetem Rückgang. Tabak wird fast in allen Staaten, in größter Ausdehnung in Rio Grande do Sul, Minas Geraës und Bahia gebaut. Die Baumwollkultur war früher weit bedeutender; 1872 wurden noch 78,5 Mill. kg ausgeführt, in den letzten Jahren aber nur noch 2526 Mill. kg. Die bereits 1810 hierher verpflanzte Teekultur hat keine nennenswerte Ausdehnung gewonnen, da die Brasilier den aus den ausgedehnten Herva-Matéwäldern gewonnenen Tee vorziehen. Zum eignen Verbrauch baut man Mandioka, Mais, Reis, Bohnen, in den südlichen Provinzen Roggen, Gerste, Hafer, Weizen, doch müssen bedeutende Mengen Getreide und Mehl, vornehmlich aus Nordamerika, eingeführt werden. Ferner gewinnt man Kakao, Vanille; Orangen, Bananen, Ananas, Feigen, Guyaven, im Gebirge auch Äpfel und Birnen. Für Weinbau ist Südbrasilien gut geeignet; man pflanzt dort die nordamerikanische Catawbarebe. Die Viehzucht, insbes. Rinder- und Pferdezucht, wird auf den großen Weideflächen des Innern zwar in großartiger, aber unverständiger Weise betrieben. Die fast ausschließliche Verwertung des Rindviehs besteht in der Ausfuhr von Dörrfleisch (charque) und Häuten, Talg, Fleischextrakt, Haaren, Klauen, Knochen, Knochenmehl, Seife und Leim. Schafzucht wird in bescheidenem Maß betrieben; die Wolle gehört zu den gröbern Sorten. Schweine halten besonders die deutschen Kolonisten. Hühner, Enten und Truthühner werden überall, Bienen in Südbrasilien gezogen. Die ausgedehnten Wälder, deren Verwüstung leider kein Verbot einschränkt, liefern eine große Anzahl wertvoller Produkte, wie Kautschuk von der Seringueira (Siphonia elastica Pers.), Herva-Maté von Ilex paraguayensis, Paránüsse, Piassavafaser, Ipekakuanha, Sassaparille, Guarana, Urucu, Nelkenzimt, Kopaivabalsam, Rizinuskerne, Tonkabohnen, Elfenbeinnüsse, Farbhölzer, Jakarandaholz.
[Bergbau.] Der Reichtum an Mineralien ist so groß, daß sie früher unter allen Erzeugnissen Brasiliens den ersten Rang einnahmen. Gold wird fast ausschließlich als Schwemmgold, vor allem in den Bezirken von São Paulo (hier schon 1577 entdeckt) und Ouro Preto, gewonnen. Die berühmtesten Gruben sind die von Gongosoco bei Ouro Preto, wo sechs Gesellschaften (fünf englische) mit 23,5 Mill. Mk. Kapital arbeiten. Gegenwärtig ist die Goldausfuhr gering und schwankend. Die Gesamtproduktion von 16911875 wird von Soetbeer auf 1,037,050 kg im Werte von 2893 Mill. Mk. geschätzt; dann sank die Ausbeute beständig und betrug 1891 nur noch 1000 kg im Werte von 2,8 Mill. Mk. Platin wird wie Palladium in den goldhaltigen Alluvionen gefunden, Silber aber nicht mehr gewonnen. Die Ausbeute von Quecksilber, Kupfer, Blei, Antimon, Wismut, Arsen ist unbedeutend. Erst neuerdings wird Mangan ausgeführt von Minas Geraës (1896 gingen 14,120 Ton. nach England, 1897: 8800 Ton. nach den Vereinigten Staaten). Eisenerze kommen in mächtigen Ablagerungen vor; sehr reiche (bis 72 Proz. Reinmetall) finden sich im Distrikt von Ouro Preto. Kochsalz bereitet man aus Seewasser oder aus mit Salz imprägnierten Erdschichten, allein bei weitem nicht für den Bedarf hinreichend. Steinkohlen hat man in Santa Catharina und Rio Grande do Sul aufgefunden; doch werden nur die letztern fachmäßig abgebaut. Braunkohlen, bituminösen Schiefer, Graphit, Salpeter und Schwefel gibt es im mittlern B., doch ist von einer Ausbeute keine Rede. An Edelsteinen werden Saphire, Rubine, Topase, Berylle, Turmaline, Granaten und Diamanten gefunden. Letztere kommen als Einschlüsse in den quarzreichen, aus der Zerstörung der kristallinischen und paläozoischen Gesteinsmassen hervorgegangenen goldführenden Alluvionen vor. Besonders reich daran sind der Distrikt von Diamantina in Minas Geraës und in Bahia die Serra do Sincora und die Serra Assurua. Die gesamte Diamantenausfuhr Brasiliens wurde bis 1849 auf 320 Mill. Mk. berechnet; doch bleibt diese Zahl bei dem starken Schmuggel weit hinter dem wahren Ausfuhrwert zurück. Infolge des Preissturzes und der Entdeckung großer Diamantenlager in Südafrika ist die Diamantenausfuhr erheblich zurückgegangen und betrug 1891 nur 80,000 Karat.
[Industrie und Handel.] Die Gewerbtätigkeit ist neuerdings bedeutend gefördert worden durch eine Zollreform. Am wichtigsten ist die Baumwollweberei in Maranhão, Pernambuco, Alagoas, Bahia, Minas Geraës, Rio de Janeiro, São Paulo und Rio Grande do Sul, wo in etwa 100 Fabriken grobes Baumwollenzeug zu Arbeitshemden, Säcken etc. angefertigt wird. Eisengießereien und Maschinenfabriken gibt es in allen größern Städten, Werften in vielen Hafenorten, Sägemühlen, Mehl- und Ölmühlen überall, Seifen- und Lichtefabriken nur in den größern Städten, meist in Verbindung mit den großen Schlächtereien, Gerberei. Bierbrauerei, Sattel-, Schuh- und Pantoffelfabrikation in größerm Maßstab in Südbrasilien, Zuckerraffinerie u. Branntweinbrennerei in den Zuckerbezirken, Fabrikation von Federblumen hauptsächlich in Rio de Janeiro, von Hüten im ganzen Lande.
Der Großhandel befindet sich fast ausschließlich in den Händen der Engländer, Franzosen, Portugiesen, Nordamerikaner, Holländer und Deutschen. Der Küstenhandel, seit 1873 auch ausländischen Schiffen gestattet, steigt besonders in den beiden nördlichsten Provinzen, z. T. infolge der Entwickelung der Dampfschiffahrt auf dem Amazonenstrom. Der Wert des auswärtigen Handels betrug 1897: bei der Einfuhr 671,603,280, bei der Ausfuhr 831,806,918 Mk. Die Ausfuhr geht zumeist nach Großbritannien, Frankreich, Argentinien, Portugal, Vereinigte Staaten, Deutschland. Hauptausfuhrartikel sind (1896): Kaffee 621,6 Mill. kg, Zucker 140, Baumwolle 16, Tabak, getrocknetes Fleisch 18,5, Talg 2,4, Leder, Felle, Haare, Wolle, Gummi elastikum 22, Herva-Maté, ferner Paránüsse, Kakao, Holz, Branntwein, Mandiokamehl, Tapioka, Edelsteine, Gold, Platin. Die Einfuhr umfaßt die meisten Luxus- und Industrieerzeugnisse Europas. An ihr ist in hervorragendster Weise England beteiligt, dann folgen Frankreich, Vereinigte Staaten, Deutschland. Die wichtigsten Hafenplätze sind Rio de Janeiro, das über die Hälfte der Einfuhr und mehr als ein Drittel der Ausfuhr vermittelt, Bahia, Pernambuco, Santos, Belem, São Luiz de Maranhão, Rio Grande do Sul, Ceará, Alagoas, Porto Alegre, Uruguayana, Paranagua, Antonina, Parahyba, Sergipe, Desterro. Zahlreiche Dampferlinien vermitteln den Verkehr mit Europa und Nordamerika (s. Dampfschiffahrt). Die brasilische Handelsflotte bestand 1900 aus 591 Schiffen von 191,935 Ton., davon 233 Dampfer von 92,028 Ton.
Von den zahlreichen Banken sind die bedeutendsten die Bank von B., mit Filialen in allen größern Städten, und die Banken von Bahia und Maranhão. Das von ihnen ausgegebene Papiergeld ist gesetzliches[336] Zahlungsmittel. Sparkassen (caixas economicos) und Leihhäuser (montes de socorro) gibt es an vielen Orten; desgleichen Handelskammern (juntas commerciaes). Die Einfuhrzölle sind hoch, nur wenige Gegenstände (Maschinen, Steinkohlen, Salz) sind zollfrei, Ausfuhrzölle bestehen auf Edelmetalle und Pulver. Mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika wurde in neuester Zeit ein Gegenseitigkeitsvertrag geschlossen, der die Einfuhr der landwirtschaftlichen Produkte beider Länder freigab und den Zoll auf andre bedeutend ermäßigte. Das Handelsrecht (1850 eingeführt) beruht auf dem Code Napoléon. Die Handelsgerichte sind mit Juristen besetzt, doch ist ihr Verfahren schwerfällig und kostspielig.
Maße und Münzen. Das 1862 eingeführte metrische Maßsystem ist zwar seit 1874 ausschließlich vorgeschrieben, aber ältere Größen befinden sich noch stark im Gebrauch und werden mit englischen verknüpft. 1 Pé zu 11/2 Palmos von 8 Polegadas = 1/3m, 1 Braça = 2 Varas zu 5 Palmos; auch rechnet man nicht ganz genau 6 Yards = 8 Covados oder 5 Varas. Unter 1 Alqueire Getreide und Salz = 36,348 Lit. wird gewöhnlich ein englisches Bushel verstanden. Topase handelt man nach der Oitava = 3,586 g. In der 1849 eingeführten Goldwährung des Landes ist das Milreis (s. Tafel »Münzen V«, Fig. 7, und VI, Fig. 14) zu 1000 Reis (Einheit: Real) 2,2924 Mk. wert; 1 Conto hat 1000 Milreis. Den jeweiligen Wert des herrschenden Papiergeldes bestimmt der Kurs der englischen Goldmünzen. Massenhaft gibt es seit 1871 Nickelmünzen zu 200, 100 und 50 Reis sowie Kupfermünzen zu 40, 20 und 10 Reis.
[Verkehrswesen.] Die Landstraßen sind noch außerordentlich vernachlässigt, nur in einzelnen Küstenprovinzen, namentlich in Rio de Janeiro, gibt es Chausseen, im übrigen verkehren auf den sehr primitiven Straßen zweiräderige Ochsenkarren oder Maultierkarawanen. Mit dem Bahnbau begann man erst 1854. Seitdem sind viele Linien vollendet, um die Küste mit den Bergbau- und Pflanzungsgebieten des Innern zu verbinden, so daß Ende 1899: 14,030 km im Betrieb standen, während 8009 km sich im Bau befanden. Wichtige Linien sind die Zentralbahn von Rio de Janeiro nach Itabira (Minas Geraës), mit den Zweiglinien zusammen 866 km, ferner Cachoeira-São Paulo 231 km, Baturite (Ocara) 156, Carnocim-Sobral 129, Central de Pernambuco 72, Sul de Pernambuco 116, Alagocinhas-São Francisca 322, Rio de Janeiro-Rio de Ouro 66, Paulo Affonso 616, Porto Alegre-Uruguayana 377 km, Bagé-Cacequi. Eine Stadtbahn ist in Rio de Janeiro gebaut, Pferdebahnen gibt es in allen größern Städten. Die Flüsse sind trotz der in einigen vorhandenen Hindernisse für den Binnenverkehr hochwichtig (s. oben). Der Staat subventioniert die auf dem Amazonas (bis Tabatinga) und seinen Nebenflüssen, dann die auf dem Guajahn, Parnahyba, Jaguaribe, São Francisco (dessen Wasserfälle von Paulo Affonso durch eine Eisenbahn umgangen werden), Itapicuru, Paraguassu, Jequitinhonha, Mucury, Parahyba und dem Jacuhy zahlreich verkehrenden Dampfer, ebenso einige Linien auf den großen Küstenseen (Lagoa Mangoaba und do Norte in Alagoas, Lagoa dos Patos in Rio Grande do Sul). Man berechnet die der Dampfschiffahrt zugänglichen Strecken des Amazonas und Tocantins allein auf 43,250 km.
Die ersten Telegraphenlinien wurden in B. 1853 angelegt; 1898 zählte man 369 Stationen mit 20,337 km Linien- und 40,624 km Drahtlänge. Kabel verbinden Rio de Janeiro, Pernambuco und Pará; von Pernambuco geht eins über die Kapverdischen Inseln und Madeira nach Lissabon, ein andres von Fortaleza (Ceará) nach den Vereinigten Staaten. 1898 wurden 2,622,711 Depeschen befördert (1,343,170 interne, 36,586 internationale, 182,420 Dienst- und 1,100,503 Transitdepeschen). Das Postwesen ist noch sehr ungenügend organisiert; die Briefbeförderung im Innern wird meist durch private Transportgelegenheiten besorgt, Personenbeförderung findet nicht statt; 1899 wurden durch 2687 Ämter über 38 Mill. Briefe und Karten und über 29 Mill. Drucksachen und Warenproben befördert. Für die Beförderung der überseeischen Post erhalten mehrere Dampferlinien beträchtliche Subventionen.
B. war früher portugiesische Kolonie, die 1815 zu einem Königreich erklärt wurde. 1822 erfolgte die Trennung von Portugal und die Errichtung des Kaiserreichs B., eines konstitutionell-monarchischen Föderativstaates, der durch die Revolution von 1889 in eine Föderativrepublik umgewandelt wurde. Nach der vom konstituierenden Kongreß 1891 proklamierten Verfassung bildet jede der frühern Provinzen einen Staat, Rio de Janeiro aber mit der Hauptstadt der Union bis zur Errichtung der künftigen Hauptstadt in einer hierfür bestimmten Zone von 14,400 qkm einen Bundesdistrikt. In die Angelegenheiten der einzelnen Staaten darf die Bundesregierung nur eingreifen, um fremde Einfälle abzuweisen, die republikanische Verfassung des Bundes zu erhalten und die Ausführung der Bundesgesetze zu sichern. Sie setzt ferner die Einfuhrzölle, die Taxen der Bundesposten und Telegraphen fest, regelt die Küstenschiffahrt und die Errichtung von Zettelbanken. Die Verfassung erkennt drei Staatsgewalten an, eine exekutive, eine gesetzgebende und eine richterliche. Die Exekutive liegt in der Hand eines Präsidenten, in Stellvertretung eines Vizepräsidenten, der nicht unter 35 Jahre alt sein darf, auf 4 Jahre gewählt wird und bei vorkommendem Abgang in den beiden ersten Jahren durch Neuwahl, später durch die Präsidenten des Kongresses und den des Obersten Gerichtshofs ersetzt wird. Die Wiederwahl des Präsidenten und die Wahl des Vizepräsidenten zum Präsidenten für die unmittelbar folgende Amtsperiode ist verboten. Der Präsident ernennt die sechs Minister (öffentliche Arbeiten, Handel und Ackerbau; auswärtige Angelegenheiten; Schatz; Krieg; Inneres; Marine), die Bundesbeamten und Gesandten, ist Oberbefehlshaber der bewaffneten Macht und vertritt die Republik nach außen. Er erläßt jährlich eine Botschaft an den Kongreß, sanktioniert und verkündet die Beschlüsse desselben. Versagt er einem Beschluß seine Zustimmung, so erhält dieser dennoch Gesetzeskraft, falls eine nochmalige Annahme durch die Kammern mit zwei Drittel Majorität erfolgt. Die Minister dürfen keiner der beiden Kammern angehören und persönlich nur mit den Ausschüssen verhandeln.
Die gesetzgebende Gewalt wird ausgeübt durch einen Senat und eine Kammer der Abgeordneten. Der Senat besteht aus 63 zu je einem Drittel nach der Anzahl der erhaltenen Stimmen auf 9,6 oder 3 Jahre gewählten Mitgliedern (je 3 von jedem Staak und der Hauptstadt), die alle drei Jahre durch neue Wahlen auf 9 Jahre zu ersetzen sind. Er bildet zugleich den Gerichtshof für Verantwortlichkeitsvergehen des Präsidenten, der Minister und Bundesbeamten und ernennt auf Lebenszeit die Mitglieder des höchsten Bundesgerichtshofs (s. oben). Die Kammer[337] der Abgeordneten besteht aus 205 Mitgliedern, die auf 3 Jahre gewählt werden, so daß auf 70,000 Einw. ein Abgeordneter, auf jeden Staat aber mindestens vier Abgeordnete kommen, und zwar unter Gewährleistung der Vertretung der Minoritäten. Präsident des Senats ist der jedesmalige Vizepräsident der Republik, der Präsident der Kammer der Abgeordneten wird von ihr selbst gewählt. Die Legislaturperiode ist dreijährig. Die Wahlen für beide Kammern wie für den Präsidenten und Vizepräsidenten sind direkt; Wähler ist jeder 21 Jahre alte Brasilier mit Ausnahme der Analphabeten, Soldaten und Angehörigen der Kongregationen. Änderungen der Verfassung können nur erfolgen auf Antrag von zwei Dritteln der Staaten auf Grund eines Majoritätsbeschlusses ihrer Einzelparlamente oder auf Antrag eines Viertels der Mitglieder einer der Kammern des Kongresses und nach Annahme solcher Vorschläge durch eine Zweidrittelmajorität in beiden. Die jetzige Verfassung enthält als wichtigste Bestimmungen: Abschaffung des Adels, der Orden und der Todesstrafe, Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, der obligatorischen Zivilehe, Weltlichkeit des Unterrichts, Schutz für alle Konfessionen und Kulte, Gewährleistung des Petitions- und Vereinsrechts, der Preßfreiheit, Errichtung eines Oberrechnungshofs und Beibehaltung der Geschwornengerichte. In Bezug auf die innere Verwaltung zerfällt B. in einen Bundesdistrikt und 20 Staaten (s. die statistische Übersicht S. 334), die in Gemeindebezirke (municipios), diese in Kirchspiele (parochias) und diese wieder in Bezirke (districtos) eingeteilt werden.
Rechtspflege. Das obere Bundestribunal besteht aus 17 vom Senat ernannten Mitgliedern zur Entscheidung über Streitigkeiten der Staaten untereinander oder mit der Bundesregierung und über gemeine Verbrechen der Beamten, auch legt es die Gesetze aus. Die nächste Instanz bilden die 11 Appellationstribunale in Rio de Janeiro, Bahia, Pernambuco, Maranhão, Pará, Ceará, Minas Geraës, São Paulo, São Pedro do Sul, Mato Grosso und Goyaz. Daneben fungieren 7 Handelsgerichte in Rio de Janeiro, Bahia, Pernambuco, Maranhão, Pará, Ceará, São Pedro do Sul. Für Militärjustiz besteht als höchster Gerichtshof ein Militärtribunal. Die niedern Richtergrade sind durch die Friedensrichter, Gemeinderichter, Zivilrichter und Waisenrichter repräsentiert. In Kriminalsachen entscheidet das Geschwornengericht. Mit Ausnahme der Friedensrichter und Gemeinderichter sind die Richter und Räte der Gerichtshöfe unabsetzbar. Der Kriminalkodex, dem Code Napoléon nachgebildet, unterscheidet folgende Strafarten: Strafzahlung, Suspension vom Dienst oder Absetzung, Verbannung, einfache Gefängnishaft, Haft mit Arbeit, Zuchthaus. In zivilrechtlichen Sachen gilt der »brasilische Kodex«, ein unabsehbares Konglomerat von ältern portugiesischen Gesetzen, durch neue unvollständige, widersprechende Paragraphen und Auslegungen vermehrt.
Die Finanzverhältnisse Brasiliens weisen fast ständig ein bedeutendes Defizit auf. Der Grund dazu wurde durch die maßlosen Bedürfnisse des Hofes Johannes VI. gelegt. Unglückliche Spekulationen, Unruhen im Innern und Kriege mit den Nachbarstaaten, besonders der lange, erst 1870 beendete mit Paraguay, mehrten die Staatsschuld und untergruben den Kredit, den unter der Republik unsolide Gründungen auch nicht befestigt haben. Das Budget für 1900 bemißt die Einnahmen mit 290,8 Mill. Mk., die Ausgaben mit 255,6 Mill., die Staatsschuld betrug 1899 bereits 1548,3 Mill. Mk., dazu kommen noch die Schulden der Einzelstaaten (1898: 10,135,579 Pfd. Sterl.) sowie die Noten der Bank von B. und der Banken von Bahia u. Maranhão im Betrag von 22 Mill. Milreis.
[Heer und Flotte.] B. hat seit 1875 allgemeine Wehrpflicht, die jedoch Ausnahmen zuläßt und Stellvertretung in einzelnen Fällen gestattet. Die Dienstzeit beläuft sich auf 3 Jahre bei der Fahne und 3 Jahre bei der Reserve; außerdem Nationalgarde. Die Friedensstärke ist auf 30,000 Mann festgesetzt, mit 1400 Militärschülern, und zwar Infanterie: 40 Bataillone zu 4 Kompagnien (Bewaffnung 7 mm-Mausergewehr M/93); Kavallerie: 14 Regimenter zu 4 Eskadrons; Artillerie: 6 Feldregimenter zu 4 Batterien und 6 Fußartilleriebataillone; Genie: 2 Pionierbataillone, ein Transportkorps. Die Gendarmerie zählt 20,000 Mann, davon 2500 in Rio de Janeiro. Die Flotte bestand 1902 aus 2 Linienschiffen (von 5700 und 5000 Ton.), 2 Küstenpanzerschiffen, 7 Panzerkanonenbooten, 10 kleinen Kreuzern, 13 Kanonenbooten, 5 Radkanonenbooten, 10 Hochseetorpedobooten, 4 Hafentorpedobooten, 2 elektrischen Unterseebooten, 2 Korvetten und 6 Segelbriggen als Schulschiffe, 2 schwimmende Batterien, ein Truppendampfer, 6 Hilfskreuzer, etwa 30 Dampfer für Hafen- und Zolldienst. Das Personal zählt etwa 600 Marineoffiziere und Beamte, 4000 Matrosen, 1500 Seekadetten und Schiffsjungen, 450 Seesoldaten und 1000 Heizer. Marineausgaben für 1902: 23,2 Mill. Milreis Papier.
Das Wappen der Republik (s. Tafel »Wappen III«, Fig. 10), ist ein fünfstrahliger, gold-rot bordierter Stern, die Strahlen von Grün und Gelb gespalten. Den innern Stern deckt eine blaue Scheibe, eingefaßt von zwei schmalen goldenen Reifen, zwischen denen 20 fünfstrahlige silberne Sterne die Staaten der Republik darstellen. Das große innere Feld schließt das silberne Sternbild des Südlichen Kreuzes ein. Der große Stern hat in seinen fünf Winkeln goldene Strahlen, über welche, aber unter die Sternspitzen, ein Lorbeer- und ein Tabakzweig gelegt sind. Ein blaues Band unter dem Ganzen, das den Griff eines senkrecht stehenden Schwertes halb verdeckt, trägt die Inschrift: »Estados unidos do Brazil. 15 de Novembre de 1889«. Die Flagge ist grün mit eingeschobener gelber Raute, in dieser erscheint eine blaue Scheibe mit weißen Sternen und vorn von einem weißen Schrägbogen überzogen, der die Inschrift »Ordem e progresso« trägt (s. Tafel »Flaggen I«). Die Landesfarben sind Grün und Gelb. Die jetzt sämtlich aufgehobenen Orden waren: der Orden des Südlichen Kreuzes, der Orden Dom Pedros I., der Rosenorden, der Christusorden, der Avizorden und der São Thiago-Orden, die drei ersten von Kaiser Pedro I., die drei letzten von Pedro II. gestiftet (vgl. Textbeilage zum Artikel »Orden«). Außerdem gab es eine goldene und eine silberne Verdienstmedaille.
[Geographisch-statistische Literatur.] Von ältern Reisewerken kommen in Betracht die von Spix und Martius, dem Prinzen von Wied, de Saint-Hilaire, von spätern namentlich die von Avé-Lallement (1859 u. 1860), Tschudi (186669), Agassiz (1866 u. 1870), Wells (1886); s. die betreffenden Artikel. Von neuern Werken vgl. de Macedo, Geographische Beschreibung Brasiliens (deutsch, Leipz. 1873); Fletcher und Kidder, Brazil and the Brazilians (9. Aufl., Philad. 1879); Sellin, Das Kaiserreich B. (Leipz. 1885); »United states of Brazil, a geographical sketch« (Washingt. 1901); Andrews, Brazil, its [338] conditions and prospects (3. Aufl., Lond. 1891); v. Martius, Beiträge zur Ethnographie und Sprachenkunde Amerikas, zumal Brasiliens (Leipz. 1867, 2 Bde); W. Schultz, Natur- und Kulturstudien über Südamerika (Dresd. 1868); Liais, Climats, géologie, faune et géographie botanique du Brésil (Par. 1872); v. Koseritz, Bilder aus B. (Leipz. 1884); Hehl, Von den vegetabilischen Schätzen Brasiliens und seiner Bodenkultur (das. 1886); Deventer, Brazilië. Landen Volk geschetst (Amsterd. 1888); Kaerger, Brasilianische Wirtschaftsbilder (Berl. 1889); Santa Anna Nery, Le Brésil en 1889 (Pariser Ausstellung 1889); Derselbe, Aux États-Unis de Brésil, voyage et impressions (das. 1890); Levasseur, Le Brésil (das. 1890, illustriert); M. Schanz, Das heutige B. (Hamb. 1893); von den Steinen, Durch Zentralbrasilien (Leipz. 1886); Derselbe, Unter den Naturvölkern Zentralbrasiliens (das. 1893); Ehrenreich, Anthropologische Studien über die Urbewohner Brasiliens (Braunschw. 1897); Canstatt, Das republikanische B. (das. 1899); Lamberg, B., Land und Leute in ethischer, politischer und volkswirtschaftlicher Beziehung (das. 1899); Kundt, B. und seine Bedeutung für Deutschlands Handel und Industrie (Berl. 1903).
Zur Einwanderung und Kolonisation: H. Lange, Südbrasilien mit Rücksicht auf die deutsche Kolonisation (2. Aufl., Berl. 1885); Zöller, Die Deutschen im brasilischen Urwald (Berl. u. Stuttg. 1883, 2 Bde.); Copp in, L'empire du Bresil au point de vue de l'émigration (Brüssel 1877); d'Altri, Colonizzazione nel Brasile (Neapel 1888); Fabri, Europäische Einwanderung in B. (Hamb. 1894); Derselbe, Deutsche Siedelungsarbeit im Staate Santa Catharina (das. 1902); Jannasch, Ratschläge für Auswanderer nach Südbrasilien (Berl. 1898); Königswald, Rio Grande do Sul (Sao Paulo 1898); Giesebrecht, Die deutsche Kolonie Hansa in Südbrasilien (5. Aufl., Berl. 1899); Krauel, Deutsche Interessen in B. (Hamb. 1900); »Die Privatkolonien von Dr. H. Meyer in Rio Grande do Sul« (Leipz. 1901); Gernhard, Dona Francisca, Hansa und Blumenau (Bresl. 1901). Bibliographie: Garraux, Bibliographie brésilienne (Par. 1898); Canstatt, Repertorium der deutsch-brasilianischen Literatur (Berl. 1902).
Karten. Die topographische Landesaufnahme ist noch weit zurück, eine zusammenhängende Generalstabskarte liegt nicht vor. Als Ersatz kann gelten: M. de Almeida, Atlas do Imperio do Brazil, segundo los dados officias (neue Aufl. von de Mello, Rio de Janeiro 1882); von einzelnen Provinzen liegt vor: »Carte des regions traversées par les chemins de fer dans les provinces de Rio de Janeiro, San Paole et Minas Geraes«, 1: 1,000,000 (1881); »Carte de la province de Pernambuco«, 1: 1,000,000 (1881); »Atlas do Estado de Minas Geraes«, 1: 100,000 (im Erscheinen begriffen); »Karte von Südbrasilien«, von Jannasch, 1: 2,000,000 (2. Aufl., Berl. 1902).
B. wurde auf einer Fahrt nach Ostindien von Cabral (s.d.) entdeckt, der, von der Strömung des Atlantischen Ozeans nach Westen getragen, 21. April 1500 die Küste erblickte und 25. April in Porto Seguro landete. Cabral nahm es für Portugal feierlich in Besitz und nannte es Ilha da vera Cruz (»Insel vom wahren Kreuz«); den Namen B. erhielt es erst später von dem roten Farbholz Caesalpina brasiliensis oder Pao do Brazil, d. h. Holz der glühenden Kohle, das man daselbst in Menge fand. 15011502 fuhr Amerigo Vespucci die Küste bis in die Gegend des La Plata-Stromes entlang. Anfangs schickte man bloß Verbrecher und von der Inquisition Verurteilte nach B., und 1548 wurden die Juden dahin verbannt. Erst unter Johann III. erhielt es eine Organisation auf Grund des Lehenssystems, und es ließen sich mehrere Capitanos daselbst nieder. Doch kam B. bei der gemischten Bevölkerung, bei den Kämpfen der Eingebornen und besonders wegen der Unbotmäßigkeit der Capitanos zu keiner Ruhe, bis der Gouverneur Thomas de Souza eine bessere Verwaltung schuf; er brachte Jesuiten mit, welche die Eingebornen bekehrten, und erbaute 1549 Bahia. Als Portugal 1580 unter spanische Herrschaft kam, behandelten die Feinde Spaniens, Franzosen, Engländer und Niederländer, auch B. als Feindesland. Die holländische Westindische Kompagnie bemächtigte sich 1624 der Stadt Bahia und behauptete sich namentlich unter dem Statthalter Moritz von Nassau im Besitz eines großen Teiles des Landes. Obwohl das Haus Braganza 1640 den Besitz der Holländer anerkannte, brach doch 1645 eine von England und Portugal angestiftete Empörung der Plantagenbesitzer aus, die 1648 mit der Vertreibung der Holländer endete. Pernambuco, die letzte holländische Besitzung, wurde 27. Jan. 1654 erobert, und 1661 trat Holland ganz B. gegen 350,000 Pfd. Sterl. an Portugal ab. Dieses schenkte nun den Jesuiten und jüngern Söhnen des Adels ausgedehnte Besitzungen mit großen Freiheiten (Donatarios). Später gründeten französische Hugenotten Ansiedelungen in B., die jedoch von den Portugiesen aus Religionshaß vernichtet wurden, Bei dieser Gelegenheit nahm Duguay-Trouin 1711 vorübergehend sogar Rio de Janeiro ein, zog aber gegen Lösegeld wieder ab. Die Entdeckung der Goldminen in Minas Geraës 1696 und der Diamantgruben 1727 erhöhte die Wichtigkeit des Landes. Aber Portugals Absehen war nur darauf gerichtet, B. in Abhängigkeit zu erhalten und auszubeuten. Hohe Zölle und Abgaben wurden erhoben, der Handelsverkehr auf einige Küstenplätze beschränkt, Fremde zurückgewiesen und mit Argwohn überwacht (so A. v. Humboldt). Öl- und Weinbau waren verboten, weil deren Produkte das Mutterland lieferte; das im Lande vorhandene Salz durfte nicht gewonnen, Fabriken nicht angelegt werden, denn die Portugiesen führten von Fremden erkaufte Fabrik- und Manufakturwaren für hohe Preise ein. Bei der Besetzung der Ämter wurden die Portugiesen vor den gebornen Brasiliern bevorzugt. So war B. für das Mutterland eine reiche Geldquelle, für den Staat sowohl als für die zwei Handelsgesellschaften, die den Verkehr vermittelten.
Als König Johann VI. 1808 vor Napoleon nach B. flüchtete, kam zwar mehr Leben in die Kolonie: Handel, Gewerbe und Fabriken nahmen einen Aufschwung. Aber die Bevorzugung der Portugiesen dauerte fort, die Abgaben wurden gesteigert, Gold und Edelsteine für Regalien erklärt, so daß die Unzufriedenheit 1817 in einem Aufstand zu Pernambuco zum Ausbruch kam. Die Freiheitskämpfe in den spanischen Kolonien Südamerikas steigerten die Erregung. Durch einen Aufruhr in Rio de Janeiro (26. Febr. 1821) wurde der König gezwungen, eine Verfassung zu versprechen und bei seiner Rückkehr nach Portugal den Kronprinzen Pedro zum Regenten zu ernennen. Als die portugiesischen Cortes den brasilischen Abgeordneten den Zutritt versagten, wurde Dom Pedro von einer Versammlung von Vertretern des Landes in Rio 13. Mai 1822 zum immerwährenden Verteidiger[339] Brasiliens (Defensor perpetuo do Brazil) ernannt und verkündete auf einer Reise durch die Provinz São Paulo 7. Sept. 1822 die Unabhängigkeit Brasiliens. Eine konstituierende Versammlung beschloß ein Staatsgrundgesetz und erklärte 12. Okt. den Regenten als Pedro I. (s.d.) zum konstitutionellen Kaiser von B. Als die noch im Lande befindlichen portugiesischen Truppen sich auflehnten, wurden sie geschlagen und aus dem Lande gebracht. Aber schon in den ersten am 3. Mai 1823 eröffneten Cortes kam es zu Streitigkeiten zwischen den Monarchisten oder Unitariern und den Republikanern. Die letztern forderten die Entlassung aller Portugiesen, nahmen eine ultraliberale Verfassung an und machten, als die Regierung beides zurückwies, 10. Nov. einen Aufstand in Rio. Der Kaiser löste die Cortes auf und berief eine neue Nationalversammlung, die den ihr vorgelegten sehr demokratischen Verfassungsentwurf 9. Jan. 1824 annahm und als »brasilische Konstitution« beschwor. Nach langen Unterhandlungen wurde 1825 die Unabhängigkeit Brasiliens von Portugal anerkannt und damit das freundliche Verhältnis zum Mutterland hergestellt. Dagegen brach 1825 ein Krieg mit Argentinien aus, das die Banda Oriental für sich in Anspruch nahm, und der damit endigte, daß 1828 die Banda Oriental als selbständige Republik (Uruguay) anerkannt wurde. Neue Schwierigkeiten erhoben sich, als nach dem Tode Johanns VI. (10. März 1826) der Kaiser Dom Pedro auf die ihm zugefallene portugiesische Krone zu gunsten seiner Tochter Maria da Gloria verzichtete, aber die Rechte derselben gegen den Usurpator Dom Miguel mit den Waffen verteidigen zu wollen erklärte. Die Cortes lehnten aber die Vorschläge des Kaisers wiederholt ab, und als schließlich die Truppen unter V. de Lima abfielen, dankte Dom Pedro I. im April 1831 zu gunsten seines sechsjährigen Sohnes Dom Pedro de Alcantara ab und schiffte sich nach Europa ein.
Pedro II. (s.d.) stand unter einer von den Kammern ernannten Regentschaft. Diese hatte viele Aufstände zu bekämpfen; Streitigkeiten zwischen den Parteien der Monarchisten oder Unitarier (Caramuros), der Republikaner (Faroupilhas) und der Föderalisten zerrütteten das Land. Die Finanzlage war kläglich, die Armee unzuverlässig. Nachdem durch Beschluß der Kammern vom 6. Aug. 1834 B. in eine föderalistische Monarchie verwandelt worden, wurde im Oktober 1835 Diego Antonio Feijo zum alleinigen Regenten ernannt. Indes dauerten die republikanischen Schilderhebungen fort; Pará mußte im Januar 1836 förmlich belagert werden, und nur mit Hilfe einer englischen Flotte wurde es eingenommen. Nach der Abdankung Feijos wurde 1837 Pedro Araujo de Lima Regent, der mit den Cortes in Streit geriet und sie 1840 auflöste. Aber statt auseinander zu gehen, erklärten diese den noch nicht 15jährigen Kaiser für volljährig, der anfangs die Brüder Andrada zu Ministern berief, seit 1841 sich aber ganz auf die aristokratische Partei stützte. Die Aufstände der Republikaner wurden 184245 vom General Caxias unterdrückt. Ein Zwist mit England, das zur Unterdrückung des Sklavenhandels das Durchsuchungsrecht gegen brasilische Schiffe beanspruchte, wurde 1850 beigelegt und der Sklavenhandel verboten. Da der Diktator von Argentinien, Rosas, sich wiederholt gegen B. feindlich bewiesen hatte, so wurde 1850 der Krieg gegen ihn beschlossen. B. nahm ein aus den Trümmern der schleswig-holsteinischen Armee gebildetes Korps von 2000 Mann als »deutsch-brasilische Legion« in Sold und verband sich mit Paraguay, Uruguay und dem Gouverneur der argentinischen Provinzen Entre Rios und Corrientes, General Urquiza. Durch die Schlacht von Monte Caceros (3. Febr. 1852) wurde Rosas gestürzt, und Uruguay trat unter die Schutzoberherrlichkeit Brasiliens.
Von jetzt gestalteten sich auch die Verhältnisse im Innern besser. Der Handel Brasiliens nahm einen großen Aufschwung, und das Budget erwies eine bedeutende Mehreinnahme. 1853 wurde die Brasilische Bank mit einem Kapital von 30 Mill. Milreis (120 Mill. Mk.) gegründet. Ferner wurden Verbindungsstraßen und Eisenbahnen erbaut, auch eine Dampfschiffahrtsgesellschaft für den Marañon gebildet. Ende 1854 wurden reiche Goldminen im nördlichsten Teil Brasiliens entdeckt. Als Uruguay sich 1864 feindlich zeigte, nahm die brasilische Flotte einige Hafenplätze und bewirkte dadurch die Wahl des Präsidenten Flores, der alle Forderungen Brasiliens bewilligte. Gegen dieses Einschreiten Brasiliens erhob der Präsident von Paraguay, Lopez, Einspruch, rückte in die brasilische Provinz Mato Grosso ein und bedrohte die Hauptstadt Cuyaba. Da Lopez gleichzeitig auch einen Angriff auf die argentinische Stadt Corrientes gemacht hatte, kam es 8. März 1865 zwischen B., Argentinien und Uruguay zu einem Schutz- und Trutzbündnis, doch wurde der Krieg, dessen Oberleitung der argentinische Präsident Mitre übernahm, 1865 und 1866 nur matt und wenig erfolgreich geführt. Erst als B. sein Heer bedeutend vermehrte und 1868 der brasilische Oberbefehlshaber Marschall Caxias, dann der Schwiegersohn des Kaisers, Graf von Eu, die Führung erhielt, wurde der Krieg (s. Paraguay) mit Erfolg geführt und mit der Vernichtung des Diktators Lopez (1. März 1870) siegreich beendet. Eine Vergrößerung an Gebiet erhielt B. nicht, doch wurde sein Ansehen als südamerikanische Großmacht bedeutend erhöht. Die Kriegskosten wurden von Paraguay übernommen, aber wegen der gänzlichen Erschöpfung dieses Landes nicht gezahlt, so daß die Schulden Brasiliens auf 815,000 Contos (1800 Mill. Mk.) stiegen und die jährlichen Defizits lange Zeit eine bedenkliche Höhe erreichten.
Dadurch, daß einige Bischöfe, gestützt auf ein päpstliches Breve, das die Exkommunikation über alle Freimaurer verhängte, erklärten, daß sie den Freimaurern und deren Kindern Taufe, Firmung, Trauung etc. versagen müßten, entstand 1873 ein kirchlicher Konflikt. Der Staatsrat hatte erklärt, daß päpstliche Bullen des Plazets der Regierung bedürften, wenn sie in B. Geltung haben sollten, und daß kein Geistlicher das Recht zu einer in das Staatsrecht übergreifenden Verordnung habe, ohne das Plazet der Regierung eingeholt zu haben. Als nun trotzdem der Bischof von Pernambuco von den Kanzeln seiner Diözese das päpstliche Breve verlesen ließ, wurde er 22. Febr. 1874 wegen Ungehorsams gegen die Staatsgewalt zu 4 Jahren Zuchthaus verurteilt. Doch hob die Kurie, nachdem die Bischöfe im September 1875 begnadigt worden waren, das von ihnen über ihre Diözesen verhängte Interdikt auf. Langwierige Verhandlungen rief die von dem liberalen Ministerium Sinimbù angeregte Wahlreform hervor; erst 1880 nahmen die Kammern das neue Wahlgesetz an, das Nichtkatholiken, naturalisierten Ausländern und freigelassenen Sklaven gleiche Rechte mit den Brasiliern und das passive Wahlrecht für die Kammern gewahrte, die bisher indirekte Wahl in eine direkte verwandelte und das aktive Wahlrecht auf die beschränkte, die lesen und schreiben und außerdem eine Rente und einen sichern[340] Erwerb nachweisen konnten. Noch hartnäckiger war der Streit über die Sklavenemanzipation. Im Juni 1871 war ein Gesetz angenommen worden, wonach fortan niemand mehr als Sklave geboren und allmählich sämtliche Sklaven freigelassen werden sollten; zur Entschädigung der Besitzer wurde ein besonderer Fonds gebildet. Die wirkliche Durchführung der Emanzipation verzögerte sich aber von Jahr zu Jahr, da die Kammern die erforderlichen Mittel nicht bewilligten. Als das konservative Ministerium Cotegipe 1886 nur die über 60 Jahre alten Sklaven freiließ, während die übrigen erst nach 17 Jahren frei sein sollten, bemächtigte sich die republikanische Partei der Sklavenfrage und vermehrte durch geschickte Agitation ihre Anhänger. Der Kaiser, wohlwollend und uneigennützig, aber kränklich, schritt nicht ein. Seine Tochter aber, die mit dem Grafen von Eu vermählte Kronprinzessin Isabel, der Dom Pedro 1887 die Regentschaft übertragen hatte, beschloß, um sich beim Volke beliebt zu machen, die sofortige Durchführung der Sklavenemanzipation. Sie ließ 8. Mai 1888 den Kammern ein Gesetz vorlegen, das die Sklaverei in B. ohne jede Entschädigung und Einschränkung sofort abschaffte, 13. Mai angenommen und unter großem Jubel verkündet wurde. Die in ihren Interessen empfindlich verletzte Pflanzerpartei verband sich nun mit den Republikanern gegen das Kaisertum; viele Offiziere der Armee und Flotte schlossen sich der Agitation an, die ganz offen betrieben wurde, ohne daß der Kaiser und seine Minister dagegen einschritten.
So wurde 15. Nov. 1889 in Rio der Sturz des Kaiserreichs durch eine Militärrevolte herbeigeführt. Dom Pedro fügte sich dem Geschehenen und schiffte sich 17. Nov. nach Europa ein. Der Marschall Fonseca stellte sich an die Spitze einer republikanischen Regierung, welche die Konstituierung der Vereinigten Staaten von B. verkündete, das Wahlrecht erweiterte und 7. Jan. 1890 die Trennung der Kirche vom Staat und die religiöse Gleichberechtigung anordnete. Der am 23. Juni 1890 von der Regierung veröffentlichte Entwurf einer Verfassung war der der nordamerikanischen Union nachgebildet. B. sollte fortan eine Föderativrepublik von 20 Staaten und einem Bundesdistrikt sein, die sich bis 1892 neu zu organisieren hätten. Die Wahlen gingen in Ordnung vor sich, 15. Nov. ward der Kongreß durch eine Botschaft des Präsidenten eröffnet, und nun zögerten auch die monarchischen Staaten Europas nicht mehr, die Republik B. anzuerkennen. Der Nationalkongreß verkürzte die vom Regierungsentwurfe festgesetzte Amtszeit des Präsidenten von 6 auf 4 Jahre und bestimmte, daß er sowohl als der Vizepräsident durch direkte Abstimmung mit absoluter Mehrheit gewählt werden sollten. Am 25. Febr. genehmigte er die Schlußredaktion der Verfassungsurkunde, am 24. ward sie feierlich verkündet, am 25. fand die endgültige Wahl des Präsidenten Fonseca (s.d.) und des Vizepräsidenten General Floriano Peixoto statt. Bald jedoch entstanden Reibungen zwischen dem Kongreß und dem Präsidenten. Unter den Gesetzen, die der Kongreß ihm zur Bestätigung übermittelte, belegte Fonseca zwei mit seinem Veto, und ein drittes Gesetz über den Prozeß und die Bestrafung in Anklagen wider den Präsidenten der Republik wegen Amtsvergehen, das vom Senat mit mehr als Zweidrittelmehrheit angenommen wurde, führte den Bruch herbei. Am 4. Nov. 1891 erklärte Fonseca den Nationalkongreß für aufgelöst, stellte dies in einer Proklamation als einen Akt der Notwendigkeit hin, um die republikanischen Einrichtungen zu retten, und übernahm vor der Nation die volle Verantwortung. Sofort nach dem Bekanntwerden dieses Staatsstreiches begannen die Aufwiegelungen und Putschversuche. Die Hauptbewegung gegen die Diktatur fand im Staate Rio Grande do Sul (Assiz Brasil) statt, während sich General Osorio an die Spitze der militärischen Erhebung stellte. Die Flotte unter den Generalen Mello und Vandenkolk forderte Fonsecas Rücktritt, ein Teil der Garnison schloß sich dem an; der Diktator versuchte keinen Widerstand und machte 24. Nov. dem Vizepräsidenten Peixoto (s.d.) Platz. Die Ruhe kehrte aber damit noch nicht zurück. Peixoto unterzog sich keiner Neuwahl, sondern setzte die Diktatur Fonsecas fort. Dagegen begann im September 1893 der Admiral de Mello mit einem Teil der Flotte einen Aufstand, der mit der Beschießung von Rio de Janeiro eröffnet wurde. Allein während de Mello die Bai von Rio verließ, um die andern Provinzen zum Aufstand zu bewegen, wurde Saldanha da Gama, sein Stellvertreter, im März 1894 von der Flotte der Regierung besiegt und zur Flucht gezwungen. Auch das Flaggschiff de Mellos wurde 16. April auf der Höhe von Desterro von Torpedos des Regierungsgeschwaders in den Grund gebohrt, und damit war der Aufstand der Marine unterdrückt. Währenddessen war 1. März 1894 der Advokat Prudente de Moraes Barros (s.d.) zum Präsidenten gewählt worden, und 15. Nov. trat der siegreiche Peixoto zu seinen gunsten von der Präsidentschaft zurück. Nur in dem Staate Rio Grande do Sul dauerte der Bürgerkrieg bis in den Juli 1895 fort. Wie wenig aber die Parteileidenschaften beruhigt waren, zeigte das Attentat auf den Präsidenten Moraes 5. Nov. 1897, dem der Kriegsminister Bittencourt zum Opfer fiel.
Der lange Bürgerkrieg hatte die Staatsfinanzen in arge Verwirrung gebracht, und Moraes konnte ihr nur vorübergehend abhelfen, indem er eine neue Anleihe von 10 Mill. Pfd. Sterl. aufnahm und eine dreijährige Zahlungsfrist für die fälligen Zinsen der frühern Schuld zu erlangen wußte. Auch beantragte seine Regierung im Kongreß erhebliche Ersparnisse, namentlich in der Kriegsverwaltung die Verminderung der Ausgaben um 5000 Contos (12,5 Mill. Mk.). Ihm folgte nach Ablauf seiner gesetzlichen Amtsperiode, 15. Nov. 1898, Campos Salles (s.d.). In seiner Antrittsrede betonte er die Aufrechterhaltung der republikanischen Staatsform und die Notwendigkeit einer stetigen, festen und gerechten Regierung. Das von ihm ernannte neue Ministerium erweckte Vertrauen, und der dem Kongreß vorgelegte Staatshaushalt für 1899 wies einen Überschuß von 75,000 Contos auf bei voller Einhaltung der auswärtigen Verpflichtungen. Seitdem bewegten sich die Jahresbudgets der Republik in ständig aufsteigender Richtung. B. verminderte sein Papiergeld und stellt die Wiederaufnahme der Goldzahlungen an die auswärtigen Gläubiger in Aussicht. Auch auf wirtschaftlichem Gebiet ist die Republik erstarkt. Sie durfte dem Ausland Erhöhungen der Einfuhrsteuern androhen; tatsächlich wurden die Zölle auf den brasilischen Kaffee in Frankreich um 10, in Italien sogar um 20 Proz. herabgesetzt. Trotzdem urteilen die Kenner der Verhältnisse pessimistisch über die innere Kraft des brasilischen Staates und Volkes. Immer wieder ist die Regierung angeblich royalistischen Verschwörungen auf die Spur gekommen, in die zahlreiche hohe Offiziere des Heeres und der Marine verwickelt sein sollen. Wie unsicher der finanzielle Aufschwung begründet[341] ist, zeigte der im September 1900 erfolgte Zusammenbruch der Banca da Republica. Trotzdem wurde das von der Regierung vorgeschlagene Bankgesetz, das der Wiederholung ähnlicher Vorgänge vorbeugen sollte, vom Kongreß nicht genehmigt. Einen namhaften Erfolg erzielte die Republik in dem Grenzstreit mit Frankreich. Die Oyapokfrage hatte über ein halbes Jahrhundert hindurch die Gemüter nicht zur Ruhe gelangen lassen, und schließlich hatten beide Parteien sich dem Schiedsspruch des Schweizer Bundesrats unterworfen. Das Berner Schiedsgericht hat nun fast vollständig die brasilischen Ansprüche anerkannt. Den Franzosen ist nur eine geringfügige Grenzberichtigung zugebilligt worden, den weitaus größten Teil des streitigen Gebietes aber hat B. zugesprochen erhalten. Das neuerworbene Gebiet ist als Departement Aricary dem Staate Pará angegliedert worden.
Geschichtsliteratur: Southey, History of Brazil (Lond. 181019, 3 Bde.); v. Varnhagen, Historia geral do Brazil (Rio de Jan. 185457, 2 Bde.); Pereira da Silva, Historia da fundação do imperio brazileiro (das. 186468, 3 Bde.) mit 2 Fortsetzungen, bis 1840 reichend (das. 1875 u. 1882); Handelmann, Geschichte von B. (Berl. 1860); Nowakowski u. Flechner, B. unter Dom Pedro II. (Wien 1878); Fulano, Der Sturz des Kaisertums in B. (Köln 1892); Prinzessin Therese von Bayern, Meine Reise in den brasilianischen Tropen (Berl. 1897); Canstatt, Das republikanische B. (2. Aufl., Leipz. 1901).
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