[310] Römische Literatur. Erste Periode. Die Römer waren ursprünglich ein ackerbauendes Volk u. als solches von gesunder u. kräftiger Natur, streng sittlich u. ernst im Leben, fleißig u. ordnungsliebend im Hause, durch ihre politische Lage genöthigt auch kriegerisch u. tapfer nach außen; dabei von starkem Selbstgefühl u. strengem Stolz auf das Eigne u. daher von sprödem Widerwillen gegen das Fremde u. zähem Festhalten an dem Hergebrachten; bei viel praktischem Verstand waren sie ohne Gemüth u. Phantasie, hatten eine Religion, welcher alle Elemente des Göttlichlebendigen u. Mystischen fehlte, u. eine Sprache, welche wohl kräftig, aber rauh war, wohl ernst, aber auch unfähig den Geist ins Reich der Ideen zu erheben, wohl von nüchterner Bestimmtheit, aber auch arm an Bezeichnungen für die feineren Nuancen der Empfindungen u. Gedanken. Diesem seinen Charakter entsprechend waren auch die Anfänge der Literatur des Römischen Volkes; ohne ein Zeichen künstlerischer Wirkung waren sie nur bestimmt dem religiösen, politischen u. socialen Bedürfniß zu dienen, wie die Überreste der Cultusgesänge, Zauber- u. Orakelsprüche, Weissagungen, Tischlieder, Nenien, Gesetze, Bundesbeschlüsse, Inschriften etc. beweisen. Kaum kann man eine Kunst in der rhythmischen Form finden, in welcher alle diese Schriftwerke abgefaßt sind, da diese namentlich dem Sprachaccent anbequemt u. nur gewählt war, um den Inhalt dem Gedächtniß haltbarer zu machen. In dieser Form erscheinen auch noch die Reste der ältesten Volkslieder. Aber zu einer selbständigen Entwickelung kamen diese Anfänge der R-n L. nicht, sondern die Bildung einer R-n L. geschah unter griechischem Einfluß, u. hiermit beginnt die zweite Periode der R-n L., von den Punischen Kriegen bis zu Sulla's Tod (Mitte des 3. Jahrh. bis 78 v. Chr.). Die Bildung der R-n L. unter dem Einfluß der Griechischen Literatur darf man aber nicht so verstehen, als wenn die Römer nur sklavische Nachahmer der Griechen gewesen wären, denn nicht den Geist entlehnten sie von diesen, sondern nur die gefällige Form u. paßten sich dieselbe nicht ohne eigne Schöpferkraft an. In ihren Literaturwerken spiegelt sich einestheils die Heldengeschichte ihres Volkes, wie anderntheils das tiefe Gefühl für Sittlichkeit u. Recht wieder; in denselben herrscht nicht, wie in denen der Griechen, der allgemeine Charakter des menschlich Schönen u. Wahren, sondern der Ausdruck eines eigenthümlichen Volksbewußtseins, nicht das Hindurchdringen zur Humanität, sondern die Offenbarung eines festgehaltenen Patriotismus. Auch der Entwickelungsgang der R. L. weicht von dem der Griechischen ab: hier begegnet nicht ein organisches Entstehen der einzelnen Gattungen der Literaturwerke auseinander, sondern die Römer nahmen aus den in der Griechischen Literatur bereits ausgebildet vorgefundenen, was ihrer Nationalität entsprach od. ihrem Geschmack zusagte; bei den Römern ist die Literatur nicht ein wesentlicher Theil des Volkslebens, welche neben der Entwickelung des Volksgeistes herging, sondern blieb nur Sache Einzelner, ja diese waren zumeist auch gar nicht Nationalrömer, sondern Auswärtige u. Eingebürgerte, welche deshalb den Schutz kunst- u. wissenschaftliebender Römer suchen mußten. Diese Kunstliteratur der Römer beginnt mit Liv. Andronicus (240 v. Chr.), u. zwar wurde zuerst das Epos u. das Drama theils aus dem Griechischen übersetzt, theils nachgeahmt, letzteres fand auch in Nävius u. Plautus Dichter, welche für den Volksgeschmack schrieben. Durch Ennius wurde die römische Geschichte poetisch, u. zwar statt in dem alten Saturnischen Versmaß, nach griechischem Muster in Hexametern dargestellt. Der Geschmack der Römer an den scenischen Schauspielen rief nun auch an Ennius, Pacuvius u. Attius Bearbeiter der Tragödie, an Cäcilius u. Terentius solche der feineren Komödie hervor. Der Schöpfer der römischen Prosa wurde Porcius Cato, der Widersacher griechischer Bildung als einer Ausländerei u. Verderberin des Römerthums, in seinen geschichtlichen, oratorischen u. ökonomischen Schriften; ebenso wendete sich Lucilius in der Satire, diesem echt römischen Genre der Poesie, gegen die Nachahmung der Griechen u. vertrat die echt römische Poesie. Durch Krates aus Mallos wurde (169 v. Chr.) das Studium der Grammatik in Rom bekannt u. durch die athenischen Gesandten Kritolaos, Karneades u. Diogenes kurze Zeit darauf (155 v. Chr.) der Geschmack der jüngeren Römer an Redekunst u. Philosophie geweckt. Der Umstand, daß für die vollendeten griechischen Formen die spröde Sprache der Römer noch keinen Bildner gefunden hatte u. daß die Griechen ohne eingehendes Studium nachgeahmt worden waren, machte, daß die literarischen Erzeugnisse dieser Periode in der darauf folgenden Zeit der raschen Fortschritte in der Bildung, als veraltet bezeichnet wurden, weshalb Manche diese Periode auch die archaistische nennen.
Die dritte od. klassische Periode, vom Tode Sullas bis zum Tode des Augustus (14 n. Chr.). Nicht der Geist ist es, welcher dieser Periode der R. L. ihren Ruhm verleiht, sondern die Form u. die Ausbildung der Sprache. Die Prosa eilte in ihrer Entwickelung der Poesie voran; durch das gründliche Studium des Griechischen wurde jetzt auch der Sprache die für alle Zeit gebliebene Mustergültigkeit gewonnen, überhaupt das Stoffliche u. Formelle harmonisch ausgebildet. Der Meister darin war Cicero; die besten Kräfte wendeten sich der Geschichtsschreibung zu, so M. Terentius Varro, Cornelius Nepos, Sallustius, Jul. Cäsar, Livius, u., in Folge der politischen Constellation der Dinge, bes. der Beredtsamkeit, welche auch auf die übrigen Zweige der Literatur einen so entschiedenen Einfluß übte, daß in derselben der rhetorische Charakter vorwaltend wurde. Doch verlor die Beredtsamkeit noch zu Ende dieser Periode durch den Untergang der Republik ihren Boden. Reden u. rednerische Schriften sind bes. von Cicero erhalten, so wie er auch die griechische Philosophie auf römischen Boden verpflanzte. Von wissenschaftlichen Fächern fand die Architektur an Vitruvius einen Bearbeiter. In der Poesie traten in dieser Periode vor Augustus, wegen des Ernstes der Zeit, wenig bedeutende Werke hervor; das Drama fand keine Bearbeiter mehr, außer die Volksposse in Laberius u. Syrus; im Epos versuchten sich Einzelne in Übersetzungen u. Nachahmungen griechischer; die Satire wurde von Varro behandelt; jetzt wurden auch die ersten Versuche in der Lyrischen Poesie gemacht, mit Glück aber nur von Catullus in den leichten Gattungen[310] u. in dem witzigen Epigramm; das bei Weitem bedeutendste poetische Werk dieser Zeit ist das philosophische Lehrgedicht des Lucretius über die Natur der Dinge. In der Augusteischen Zeit, welche man auch das Goldne Zeitalter der R-n L. nennt, wendeten sich die gebildeten Römer der Poesie zu, welche von Augustus selbst u. seinen Freunden Mäcenas u. Asin. Pollio begünstigt wurde. Diese höfische Poesie zeichnete sich bes. durch technische Vollkommenheit und klassische Sprache aus, die Muster für die Dichter blieben noch die Griechen, bes. die Alexandrjuer, an welchen man das Vorbild hatte, wie sich Nationalität mit Rücksicht auf einen Landesherrn vereinigen lasse. Unter diesen Dichtern steht Virgilius oben an als Repräsentant des Epos, der Ekloge und des didaktischen Gedichts, Horatius als Meister im lyrischen Gedicht, der Satire u. der poetischen Epistel, Ovidius als glücklicher Bearbeiter der mythischen Erzählung u. des socialen Lehrgedichts, in der erotischen Elegie rangen mit ihm um den Preis Propertius u. bes. Tibullus. Unter Augustus kam durch Asin. Pollio die Sitte auf, daß die Verfasser ihre Schrift vor der Herausgabe vor einem gewählten Kreise gebildeter Männer vorlasen (Recitationes, s.d.). Wie schon Privatmänner Schriften gesammelt hatten, so stiftete Augustus zuerst zwei öffentliche Bibliotheken in Rom, die Octaviana im Theater des Marcellus u. die Palatina in den Portiken des Tempels des Palatinischen Apollo. Auch ein reger Buchhandel (s.d. S. 411) fing in dieser Zeit an betrieben, zu werden u. bekundete das Interesse an der Literatur.
Die vierte Periode od. das Silberne Zeitalter, von Augustus Tode bis Trajans Tode (117 n. Chr.). Obgleich schon unter Augustus durch Asinius Pollio auf Zurückführung des alten römischen Gesites gedrungen u. die alte einfache Schreibweise wieder empfohlen worden war, so war doch einerseits die Zeit einer langen Reihe tyranischer Kaiser, welche nur selten durch bessere unterbrochen wurde, nicht dazu geeignet, daß alter römischer Geist, wo er noch in Einzelnen lebte, sich durch Schrift hätte offenbaren dürfen; andereseits drängte die Überhäufung mit rhetorischen Studien u. Übungen immer mehr auf den Rhetorismus in der Literatur hin, u. die Gebiete der poetischen u. prosaischen Rede gingen in einander über, indem die Prosa mit poetischen Floskeln, die Geschmack aber durch spielenden Witz, gesuchte Bilder, dunkle Anspielungen u. gelehrten Prunk Schaden nahm. In dieser Manier schrieb jetzt Seneca seine Tragödien; freier davon hielten sich die Epiker Lucanus, Valerius Flaccus, Silius Italicus u. Statius; das sittliche Verderben ihrer Zeit geißelten mit tiefer Entrüstung die Satiriker Persius u. Iuvenalis; ein Sittengemälde gab Petronius in einem satirischen Roman; die Lächerlichkeiten schilderte Martialis in witzigen Epigrammen u. Phädrus in poetischen Erzählungen, so wie der Letztere allgemeine Grundsätze der Moral in seinen Äsopischen Fabeln empfahl. In der Beredtsamkeit traten jetzt an die Stelle der öffentlichen Reden gemachte Redeübungen (Declamationen), deren der Rhetor Seneca schrieb; Geschichte schrieb nur Tacitus in echt römischem Geiste, sonst zeigt sich der Rhetorismus auch bei den Historikern, weniger noch bei Suetonius, mehr schon bei Vellejus Paterculus u. Curtius, aber in hohem Grade bei Florus u. Valerius Maximus; ebenso bei den Verfassern wissenschaftlicher Schriften, namentlich bei dem Literator Plinius d. A., dem Ökonomen Columella u. dem Philosophen Seneca, während der Geograph Mela u. der Arzt Celsus durch einfachere Sprache sich auszeichnen. Theoretisch entgegen trat diesem falschen Geschmack Quintilianus, welcher bes. auf die Klassiker, namentlich Cicero, hinwies, u. nach ihm bildete sich Plinius d. I. in seinen Briefen u. Reden.
Die fünfte Periode od. das Eherne Zeitalter, von Hadrian bis zum Ende des Weströmischen Reiches 476 n. Chr. Die Productivität schwand jetzt ganz aus der R. L., die besseren Geister bedienten sich der Griechischen Sprache zu ihren Schriften, dagegen bemächtigten sich Grammatiker u. Rhetoren der Literatur, u. diese waren nicht einmal Römmer, sondern Gelehrte aus Afrika, Gallien u. Spanien. Zwar wurde das Bestreben immer wieder rege, zu dem alten Römerthum in der Literatur zurückzukehren, wie denn die Kaiser Hadrianus u. die Antonine dafür waren u. auch unter den Dichtern dieser Periode Ausonius, Claudianus, Numatianus sich durch Talent u. geschickte Nachahmung der früheren Muster, sowie die juristischen Schriftsteller als Arbeiter in einer alten, römischen Wissenschaft auszeichnen, allein die Restaurationsversuche konnten den alten Römergeist nicht zurückführen, sondern begnügten sich mit dem Wiedergebrauch aller Wörter, Redeweisen u. Structuren u. bildeten einen gekünstelten Styl, welcher durch Phrasen u. Declamationen die Gedankenarmuth verhüllen sollte. Vorzüglich zeichnete sich in dieser Weise die Schule des Rhetors Fronto aus. Überhaupt waren die meisten der späteren Kaiser der Bildung u. der Beschäftigung mit den Wissenschaften abhold, u. dieselben wurden jetzt vornehmlich in den Provinzialstädten, namentlich in Gallien, gepflegt. Zuletzt verlöschte die Ausbreitung des Christenthums vollends die einzelnen Funken des antiken Geistes u. unterdrückte die letzten Spuren der antiken Anschauung, nachdem schon vorher die Verlegung der Residenz von Rom nach Constantinopel den Sieg des Gräcismus über den Romanismus vollends entschieden hatte. Der geistreichste Schriftsteller dieser Periode ist der Philosoph Appulejus u. der beste Historiker Ammianus Marcellinus, während Justinus, Eutropius, Aurelius Victor u.A. nur Compendien od. Auszüge aus alten Werken lieferten u. die Verfasser der Kaisergeschichte, sowie die Panegyriker, unter dem Einflusse ihrer Zeit schrieben. Zu den verdienstlichen Grammatikern u. Epitomatoren gehören außer Fronto noch Nonius Marcellus, Censorinus, Solinus, A. Gellius, Macrobius; unter den christlichen Schriftstellern zeichnet sich durch bessere Sprache Lactantius aus. Nach dem Sturz des Römerreichs in Italien kam nur ein kurzer Nachsommer der R-n L. unter dem Ostgothenkönig Theoderich, welcher auch in dem gesunkenen Römerthum immer noch einen Vorzug über das Barbarenthum seines Volkes achtete; damals lebten u. schrieben noch gute Bücher Cassiodorus für Geschichte u. Boethius für die Philosophie; alles Fernere war für kirchliche Zwecke u. für die Erhaltung alter Gelehrsamkeit u. der Sprache in den Schulen berechnet, in letzter Beziehung sind Marcianus Capella, Isidorus Hispalensis, Donatus u. Priscianus bemerkenswerth.
Was die einzelnen Gattungen der Literatur insbes. anlangt, so begegnen uns auf dem [311] Gebiete der Poesie als die ältesten Gedichte, wenn man sie so nennen darf, die Carmina saliaria od. Axamenta, religiöse Lieder od. Gebetsformeln, welche im Saturnischen Versmaß abgefaßt waren u. von den Saliern (s. Salii) bei der feierlichen Umtragung der Ancilia (s.d.) abgesungen wurden; gleicher Art war das von den Arvalischen Brüdern (s.d.) am Feste der Ambarvalien (s.d.) abgesungene Lied u. die spätere Weiheformel beim Fest des Hercules. Auch alte Weissagungen u. Sittensprüche, namentlich von Cn. Marcius, ferner Zaubersprüche u. magische Schriften in metrischer Form gab es. Nicht minder hatten die Römer ihre Volkssage, in welcher bes. die Gründung Roms, der Sieg über Alba Longa, die Vertreibung der Könige, der Kampf gegen Veji, der Krieg mit den Galliern etc. als Heldenthaten des Volkes besungen wurden. Diese Sagen lebten bes. im Munde der Plebejer fort u. verschwanden mehr u. mehr, nachdem die Plebejer an den curulischen Ämtern theilzunehmen angefangen hatten, doch kamen mehre sagenhafte Einzelnheiten in die spätern Geschichtsbücher. Aus jenen Sagen floß der Stoff zu den Tischliedern, welche unter Begleitung der Flöte bei feierlichen Gastmälern von den Gästen selbst od. von Knaben abgesungen wurden u. die Tugenden u. Thaten der Nationalhelden feierten, so wie zu den Nenien; diese Nenien waren Lob- u. Klagelieder bei der Bestattung Verstorbener in stehender Form mit jedesmaliger Abänderung der Personalien von den Praeficae (s.d.) abgesungen. In metrischer Form waren auch die Inschriften auf öffentlichen Denkmälern, auf Triumphtafeln u. Gräbern abgefaßt. Zu der Volkspoesie gehörten die ländlichen Fescenninen (s.d.), extemporirte Scherzspiele u. Neckereien an Ernte- u. freudigen Hausfesten, u. die komischen parodirenden Chöre, womit bei religiösen Festen nach den ernsten Theilen Jünglinge das Volk in der Stadt belustigten. Daraus entwickelte sich die dramatisch-mimische Satire, eine Art Possenspiel, an deren Stelle jedoch um 240 durch Livius Andronicus die griechische Tragödie aufkam; doch damit dem Volke der Scherz nicht fehlte, so wurden am Ende der Tragödien von der Jugend eine Art Nachspiel, Exodia, aufgeführt, od. da die Persönlichkeiten in derselben zu verletzend wurden, an deren Stelle die oskischen Atellanen (s.d.) aufgenommen, worin der Scherz u. Spott einen angenommenen Charakter traf. Auch diese waren lange blose extemporirte Ergüsse der Laune, geschrieben wurden Atellanen zuerst von L. Pomponius u. Novius um 90 v. Chr. in der Form von regelmäßigen Lustspielen u. erhielten sich als Nachspiel zu den Tragödien auf dem römischen Theater bis zur Zeit Cäsars, wo an die Stelle der rücksichtslosen freien Äußerung der anständigere Mimus (s.d.) trat; solche Mimen, wenigstens skizzirt, wurden von D. Laberius u. P. Syrus aufgeschrieben. Unter Augustus kam der stumme Pantomimus auf das Theater, in welchem sich seiner Zeit bes. Pylades u. Bathyllus auszeichneten, u. seit Tiberius kehrten durch Memmius die Atellane als dramatische Satiren wieder. Das regelmäßige Drama ward von Livius Andronicus in Rom um 240 v. Chr. in griechischer Form u. mit griechischem Inhalte eingeführt u. dann auch romanisirt. Die römische Tragödie nebst dem Theaterwesen unterschied sich von dem griechischen darin, daß das Schauspiel eine blose Zugabe zu den Festen als Unterhaltung des Volkes war, daß es nur den epischen Stoff ohne den Chor gab, denn die lyrischen Stellen, Cantica, wurden von den Schauspielern selbst unter Begleitung der Flöte gesungen, wo ja ein Chor auftrat, so war es eine stumme Masse, welche blos als Begleitung einer Hauptperson erschien. Die Bühne war lange keine stehende, sondern ein bewegliches Bretergerüst; das erste Theater wurde 60 v. Chr. von M. Ämilius Scaurus gebaut; die Schauspieler (Histriones) waren Sklaven u. Freigelassene. Römische Stoffe (Fabulae praetextatae) behandelte in der Tragödie zuerst Cn. Nävius, obgleich er übrigens auch meist griechische wählte, Ennius bildete bes. Tragödien des Euripides nach. Vaterländische Stücke brachten auf die Bühne Attius in seinem Brutus u. Pacuvius in seinem Paulus, doch waren ihre meisten Stücke auch aus den griechischen Tragikern frei übersetzte; andere Tragiker waren M. Attilius, L. Jul. Cäsar Strabo, L. Titius, O. Tullius Cicero, Balbus, Cassius Parmensis u. Aud. Daneben gastirten auch zuweilen griechische Schauspieler in Nationaldramen, u. einige Römer schrieben sogar griechische Tragödien, wie Pompejus Macer, Plinius u.A. Überhaupt faßte die Tragödie keinen Fuß in Rom, wo man an den Gladiatorenspielen mehr Gefallen fand. Als dramatische Dichter aus der Augustinischen Zeit werden noch Gracchus, Ovidius, Asin. Pollio u. Varius, aus der ersten Kaiserzeit Pomponius Secundus u. Seneca genannt. Auch die Komödie war eine Nachbildung der griechischen; die ersten Versuche machte Cn. Nävius, weil er aber seinen Stücken (nach Art der alten attischen Komödie) einen politischen Charakter gab u. Staatsmänner auf dem Theater lächerlich machte, mußte er in das Gefängniß wandern, u. vielleicht rührte daher das Gesetz, daß die dramatischen Dichter ihre Stücke vor der Aufführung den Censoren vorlesen mußten; dies geschah in einem Tempel, seit Augustus in dem des Palatinischen Apollo. Auch Ennius versuchte sich in der Komödie, aber mit wenig Glück; die den Griechen nachgebildeten Stücke mit griechischem Leben u. Sitten hießen Fabulae palliatae, die mit römischem Leben u. Sitten aber F. togatae (s.u. Komödie S. 678), in den letzteren galt L. Afranius als Meister, in den ersteren wurden Cäcilius Statius u. Terentius wegen der sorgfältigen Anlage der Stücke u. des feineren Tones von den Vornehmen geachtet, wogegen Plautus mit seinen aus dem gemeinen Leben entnommenen Stoffen u. wegen der drolligen Späße der Liebling des gemeinen Mannes war; andere Komödiendichter waren noch T. Quintius Atta, Hostilius, Juventius, Lentulus, Licinius, Q. Lutatius Catulus, Luscius Lavinius, Marullus, Trabea, Titinius, S. Turpilius, Valerius. Die Fragmente der römischen Dramatiker (Poetae scenici) gesammelt von F. H. Bothe, Lpz. 182140, 6 Bde., die Fragmente von O. Ribbeck, Lpz. 185255, 2 Bde., Komiker, gesammelt von H. Stephanus, Par. 1569; die der Tragiker, von M. A. Delrio (Syntagma tragoediae latinae), Antw. 1594, Par. 1607 u. 1619; Osann, Analecta critica poesis Romanorum scenicae reliquias illustrantia, Berl. 1816; Stieve, De rei scenicae apud Romanos origine, ebd. 1828; Lange, Vindiciae romanae tragoediae, in der Sammlung seiner Opuscula, 1832.
Schwache Anfänge einer epischen Poesie bei den Römern können in den erwähnten Tischliedern[312] über Heldenthaten der Vorzeit gefunden werden. Der Schöpfer des römischen Epos ist Nävius, denn vor ihm hatte Liv. Andronicus nur die homerische Odyssee ins Lateinische übersetzt. Das römische Epos ist vorwaltend historisch, den Hauptinhalt bildet die geschichtliche Wahrheit, die Mythe dient blos zum Schmuck. Zu seinem Stoffe wählte Nävius die Darstellung des ersten Punischen Krieges, in welchem er selbst mit gefochten hatte. Nach ihm schrieb Ennius seine Annales, eine versificirte Geschichte Roms, welche bes. dadurch von Bedeutung wurden, daß sie statt in dem Saturnischen Versmaß, in Hexametern geschrieben waren, welches Versmaß für dieses Genre fortan in der R-n L. blieb. Am meisten wurden dann wieder griechische Epen übersetzt, so von P. Ter. Varro z.B. die Argonautica des Apollonios, doch bearbeiteten Einzelne auch vaterländische Stoffe, wie Varro den Sequanischen Krieg, Hostius den Istrischen Krieg u.s.w. Mit Glück wurde das Epos erst unter Augustus wieder gepflegt. Damals dichtete Virgilius die Äneis u. besang Varius die Kriege des Augustus u. Ämilius Macer den Trojanischen Krieg. Die Folgezeit verbot die Erinnerung an die Helden aus der Zeit der Republik, welche mannigfaltige Stoffe zu Epopöen hätten bieten können; nur Silius Italicus besang den zweiten Punischen Krieg u. Lucanus die Pharsalische Schlacht; Andere bearbeiteten fremde Stoffe, Valerius Flaccus den Argonautenzug, Statius den Thebanischen Krieg u. die Thaten des Achilles, Claudianus den Raub der Proserpina u. den Gigantenkampf, schrieb auch panegyrische Gedichte, z.B. auf Stilicho.
Die Satire, diese echt römische Dichtungsart, war im Anfang eine Art Posse, worin in losem Zusammenhang u. in abwechselndem Versmaße Erzählung, Dialog u. Gesang verbunden war; Ennius war der erste, welcher Satiren schriftlich verfaßte u. denselben mehr Ernst u. Haltung gab. Die neue römische Satire, deren Begründer Lucilius ist, stellt dem Ideale des Dichters die diesem Ideale widerstrebende Wirklichkeit entgegen; dies that Lucilius mit heiterm Scherz, aber auch zuweilen mit Bitterkeit, indem er die Thorheiten u. Laster seiner Zeit züchtigte, wozu der, bes. seit Korinths u. Carthagos Zerstörung immer mehr überhand nehmende Luxus, das Sinken der Moralität u. die Nachäffung der Ausländerei in Leben u. Literatur reichen Stoff bot. Er wendete auch theilweis in seiner Satire den Hexameter an. In mehr ironischer Weise schrieb Horatius Satiren in seinen Sermones; endlich in dem ganz entarteten Zeitalter in sarkastisch bitterem Tone Juvenalis u. Persius; andere Satiriker waren Sulpicia, Turnus, Jul. Rufus, Rabirius, Silius, Gabius Bassus, Manlius Vopiscus, Dec. Albinus, Rusticus Elpidius, Eucheria, Claudianus (in den Gedichten in Éutropium u. in Rufinum). Auch fanden sich später noch Römer, welche zur alten Satire zurückkehrten, so Varro, welcher sogar Verse u. Prosa in seinen Satiren abwechseln ließ, u. in dieser Form, Satirae Menippeae genannt, ahmte ihn Seneca in der Apocolocyntosis u. Petronius im Satyricon nach; vgl. Casaubonus, De Romanorum satira; Roth, Zur Theorie u. inneren Geschichte der römischen Satire, Stuttg. 1848; G. Düntzer, Die römischen Satiriker, Braunschw. 1846. Die didaktische Poesie erscheint in Rom erst seitdem man griechische Philosophie studirte; so schrieb Ennius im Epicharmus über die Natur der Dinge u. im Euhemerus eine Kritik der Mythologie; Lucretius über die Natur der Dinge, Virgilius (Georgica) über den Ackerbau; Horatius zeigte in dem Brief an die Pisonen (Ars poëtica) die Anforderungen, welche an ein gutes Gedicht zu machen wären, u. Ovidius in der Ars amandi, einem socialen Lehrgedicht, wie Liebesverhältnisse anzuknüpfen sind: andere Lehrgedichte schrieben Ovidius über den Römischen Kalender u. über die Fischerei, M. Manilius über Astronomie (die Aratea des Germanicus sind eine Übersetzung des Aratos), Lucilius über die Vulcane, Valgius Rufus über die Kräfte der Pflanzen, Ämilius Macer über Arzneimittel, Gratius Faliscus u. Nemesianus über die Jagd, Seren. Sammonicus über die Arzneikunde; Priscianus über Gewichte u. Maße, beschreibende Gedichte verfaßte Corn. Severus über den Ausbruch des Vesuv, Helvius Cinna über Smyrna, Ansonius über die Mosella, Avienus über die Küste des Mittelmeeres, Cl. Rutilius über seine Reise von Rom nach der Südküste Galliens, Die römischen Didaktiker sind gesammelt von Bruce u. Havercamp, Leyd. 1728. Die Fabel ist alt in Rom; schon Menenius Agrippa soll die auf den Heiligen Berg ausgezogenen Plebejer durch Erzählung der Fabel von dem Magen u. den andern Gliedern des menschlichen Körpers zur Rückkehr nach Rom bewogen haben; Fabeln fanden sich auch in den Satiren des Ennius, Lucilius u. Horatius. Als eigenthümlicher Zweig der Literatur trat die Fabel erst unter Tiberius hervor, indem Phädrus in Senaren theils äsopische wiedergab, theils auch selbst manche neu erfand; die von Avianus in heroischem Versmaß erzählten Fabeln sind ganz aus Äsopos geschöpft, er wählte bes. solche, welche Phädrus übergangen hatte (die Fabelsammlung des Romulus gehört erst dem Mittelalter an). Die Poetische Epistel benutzte nicht allein zum gegenseitigen Austausch der Gedanken, sondern auch zur Darstellung philosophischer Gegenstände zuerst Horatius u. Ovidius bereicherte diese Dichtungsart durch seine Briefe aus dem Exil (Tristia u. Epistolae ex Ponto) u. durch die von ihm erfundene Gattung der Heroiden, Briefe von Heroinen an ihre abwesenden Gatten u. Geliebten, zu deren einigen sein Freund Sabinus die Antworten schrieb; später schrieben poetische Briefe Ausonius u. Claudianus. Die Poetische Erzählung wurde bes. mit Glück von Ovidius in den Metamorphosen bearbeitet; ganz anderer Art ist das gleichnamige Buch des Appulejus, s. oben.
Obgleich die Römer im Allgemeinen nicht gesanglustig waren, so gab es doch allerhand Volkslieder, wie bei den Schriftstellern Soldaten-, Matrosen-, Bettler- u. Liebeslieder, letztere in Form von Wechselgesängen, erwähnt werden. Die Versuche in der zarten Lyrik fielen in die Zeit des griechischen Einflusses auf die R. L., daher auch die römische Lyrik meist Nachahmung der Griechen war u. in Rom für zu sentimental u. unrömisch galt. Horatius dichtete Oden; das leichte Lied fand seine Bearbeiter an Calvus, Catullus u. später an Statius, die Gedichte des Lävius, Hortensius, Cinna, Memmius wurden schon von den alten Kritikern getadelt; in der religiösen Lyrik hatte sich bereits Liv. Andronicus versucht, als er ein Danklied an Juno für römische Jungfrauen dichtete, aber auch[313] dies fand vor der spätern Kritik keine Gnade, u. selbst das Carmen saeculare des Horatius beweist, daß den Römern dafür die Befähigung abging; das Pervigilium Veneris, ein Lied zur Nachfeier der Venus im Frühling, gehört vielleicht der Hadrianischen Zeit an; gute Hymnen dichteten erst christliche Dichter, wie Prudentius u. Sedulius. Am glücklichsten war die römische Lyrik in der Elegie, diese war entweder eine klagende, welche die vergangene bessere Zeit zurücksehnte, bes. bei Tibullus, Pedo Albinovanus; od. eine sentimentale, bei Propertius u. Valgius; od. man schwelgte in den Genüssen der Zeit u. huldigte der Liebe u. dem Becher, so entstand die erotische Elegie, von Ovidius, Catullus, Cornelius Gallus, Cassius Parmensis gedichtet; letztere Gattung war schon früher bearbeitet von Hortentius, Ticida u. Q. Lutatius Catulus. Das Idyll war ganz griechische Nachahmung, zuerst u. nicht ohne Glück versucht von Virgilius in seinen Eclogen; in der spätern Zeit machten noch Nemesianus, Calpurnius, Ausonius nicht unglückliche Versuche. Die römischen Bukoliker gesammelt in Poëtae latini rei venaticae scriptores et bucolici antiqui von S. Havercamp, Leyd. 1728. Der Jambus fand bei den zu Spott u. Satire geneigten Römern bald Eingang; voll Bitterkeiten waren die des Furius Bibaculus; sie wurden zuerst als Übersetzung aus dem Griechischen eingeführt, so von A. u. Q. Catullus, Val. Ädituus, Porcius Licinus; dann auch selbständig gedichtet u. nicht selten in ziemlich schmähsüchtiger Weise. Das Epigramm fand seine Dichter bes. in jener luxuriösen Zeit, wo die Reichen u. Vornehmen zur angenehmen Unterhaltung gelehrte u. witzige Männer an ihre Tafel zogen; Cassius Parmensis war ein fruchtbarer u. Domitius Marsus ein geistreicher Epigrammendichter; außerdem schrieben Epigramme Catullus, Pedo Albinovanus, Ausonius, Claudianus, vor allen aber Martialis, dieser bearbeitete das Epigramm als eine eigene Gattung u. widmete sich derselben ganz; das Eigenthümliche des Martialischen Epigramms ist die, daß er die Aufmerksamkeit des Lesers auf einen einzelnen Gegenstand spannend erregt u. erhält u. dann mit einem Male befriedigt. Außerdem besaß schon die älteste R. L. Sammlungen von Räthseln (Scirpi), Sprüchwörtern u. Sittensprüchen (Sententiae); so wird dem alten Weissager Marcius eine Gnomensammlung zugeschrieben, App. Claudius Cäcus schrieb ein Carmen de moribus u. Ennius den Protrepticus mit moralischen Lehren (Praecepta); erhalten haben sich die Sammlungen von Cato (Disticha) u. P. Syrus (Sententiae). Derbe u. frivole Liebesspiele u. Liebesscherze sind gesammelt als Priapeja von Anton, (Lpz. 1781) u. Weber (Frkf. 1833). Was sich von kleinern Gedichten, Epigrammen, Inschriften etc. auf Denkmälern od. in Schriften erhalten hat, ist in Anthologien zusammengestellt, zuerst von Joseph Scaliger, Catalecta veterum poëtarum, Lyon 1573, zu denen Binet u. Pithöus Nachträge lieferten; die von Nikol. Heinsius veranstaltete Sammlung gab P. Burmann der Jüngere heraus als Anthologia veterum latinorum epigrammatum et poëmatum etc., Amst. 175973, 2 Bde., n. A. von H. Meyer, Lpz. 1835, 2 Bde. Sammlungen der lateinischen Dichter von Maittaire, Lond. 1713, 2 Bde.; ferner Mail. 173145, 6 Bde., Pesaro 1766, 8 Bde., Flor. 182729; von Weber, Frkf. 1833; von Walcker, Lond. 1848; die Poëtae minores von Pet. Burmann, Leyd. 1731, 2 Bde.; Wernsdorf, Altb. u. Helmst. 178099, 6 Bde.; von Lemaire, Par. 1824; die Fragmente römischer Dichter, gesammelt von R. u. H. Stephanus, Par. 1564, u. von Weichert, Lpz. 1830. Über die Geschichte der römischen Dichtkunst vgl. G. I. Vossius, De poëtis latinis, Amst. 1652; L. Crusius, Lebensbeschreibungen der römischen Dichter, englisch Lond. 172632 (deutsch von I. H. Schmid, Halle 1777 f.); Jacobs, Abriß der Geschichte der römischen Poesie im Nachtrage zu Sulzers Theorie etc., 1. Bd. 1. St.
In der Prosaliteratur, worin die Römer mehr leisteten, als in der Poesie, steht bei Weitem die Beredtsamkeit oben an. Sie entwickelte sich naturgemäß nach dem Sturz des Königsthums unter der republikanischen Verfassung, nach welcher in Staatsangelegenheiten u. der Processirung von Capitalsachen die Entscheidung beim Volke stand; bes. aber nach der Mitte des 5. Jahrh. v. Chr. in dem Parteikampf zwischen Patriciern u. Plebejern, wo nur von der überzeugenden Rede im Senat u. in den Volksversammlungen der Erfolg der Bestrebungen zu hoffen war. Die Reihe der bedeutenden Redner eröffnet M. Porcius Cato, nach ihm Serv. Sulpicius Galba, Scipio Africanus d. I. u. Lälius, M. Ämilius Lepidus, C. Fannius, C. Carbo, C. Curio, die beiden Gracchen, bes. C. Gracchus, nachher Licinius Crassus u. M. Antonius; Letztere hörten schon Redekünstler (s. Rhetoren), welche aus Griechenland gekommen waren u. in Rom Beifall gefunden hatten, u. erhoben die Rede zu einem Kunstwerk. Plotius Gallus hatte für sie zuerst eine Schule eröffnet; mit Q. Hortensius aber beginnt die Epoche der klassischen Beredtsamkeit, welche Cicero zur Vollendung brachte. Zeitgenossen des Letzteren waren der ernste u. finstere M. Cölius Rufus, Jul. Cäsar u. der in der Kunstgerechtigkeit übertreibende C. Licinius Calvus. Im Gegensatz zu der Ciceronianischen Beredtsamkeit suchte Asinius Pollio die alte einfache u. kräftige Rede wieder herrschend zu machen, u. als Redner in der Augusteischen Zeit sind außer ihm noch M. Valer. Messala, Cassius Severus, L. Munatius Plancus, O. Haterius, die Brüder L. u. P. Vicinius berühmt. Aber mit der veränderten Verfassung verlor die Beredtsamkeit ihre eigentliche Bedeutung u. flüchtete sich in die Schulen der Rhetoren; ohne Würde u. feierliche Haltung waren die Reden fortan nur noch schwülstige u. witzige Erzeugnisse eines verderbten Geschmacks, welche blos als Übungsstücke ohne praktischen Zweck gelernt wurden. Mehr ein antiquarisches als praktisches Interesse hatte die Sammlung der bedeutendsten Reden der Alten, welche Mucianus gegen Ende des 1. Jahrh. veranstaltete. Einzelne, wie Domitius Afer, Jul. Africanus, Crispus Passienus, Galerius Trachalus, Vibius Priscus, Plinius, konnten die gefallene Oratorie nicht wieder aufrichten. Im 3. u. 4. Jahrh. n. Chr. waren die öffentlichen Reden nur noch Panegyriken, Lobreden auf die Kaiser in der Weise des Panegyricus des jüngeren Plinius, welche höchstens den Werth haben, daß sie durch ihre speciellen Beziehungen manche Aufschlüsse über die damaligen Zeitverhältnisse u. Ereignisse geben. Die Verfasser der 12 erhaltenen Panegyriken sind: die beiden Cl. Mamertinus, Eumenius, Nazarius, Latinus Pacatus Drepanius, sämmtlich Gallier; der bedeutendste Redner dieser Zeit ist[314] Q. Aurel. Symmachus. Eine Geschichte der römischen Beredtsamkeit bis auf seine Zeit gibt Cicero in der Schrift Brutus; eine Vergleichung der Redner zur republikanischen u. zur Kaiserzeit Tacitus in dem Dialogus de oratoribus; Charakteristiken der römischen Redner Cicero in dem Buch declaris oratoribus, Suetonius in der Schrift de claris rhetoribus; vgl. I. Pedioneus, De claris oratoribus, Ingolst. 1746; Westermann, Geschichte der römischen Beredtsamkeit, 1835; Sammlungen der römischen Redner von F. Pithöus, Par. 1599; von Capperonnerius, Strasb. 1756; Oratorum rom. fragmenta gesammelt von H. Meyer, Par. 1827, Zür. 1832, 1842; die Panegyrici latini, Mail. 1476, Wien 1513, Par. 1643; von Cellarius, Halle 1703, W. Jäger, Nürnb. 1779, 2 Bde., u. Supplem. 1790; von Arntzen, Utrecht 179097, 2 Bde., von Valpy, Lond. 1828, 5 Bde. Sammlungen von Briefen gibt es in der R-n L. nicht viele, aber sie sind desto wichtiger u. die der Griechischen Literatur bei Weitem überragend. Briefe von Cato existirten noch in der Kaiserzeit; bes. wichtig für die Zeitgeschichte u. die Charakteristik vieler damals hervorragender Personen sind die Briefe Cicero's, bes. in den zwei großen Sammlungen ad Atticum u. ad diversos s. familiares; ebenso gewähren die Briefe des jüngeren Plinius einen klaren Blick in das damalige öffentliche, gesellige u. literarische Leben: die 124 Epistolae morales des Seneca sind briefliche Mittheilungen über philosophische u. literarische Gegenstände in Briefform. Aus der letzten Zeit der R-n L. sind noch zwei Sammlungen von Briefen von Symmachus u. Sidonius Apollinaris übrig, von denen erstere durch die Form, letztere durch den Inhalt sich auszeichnen.
Gleich bedeutend in der R-n L. wie die Beredtsamkeit ist die Geschichtsschreibung. Außer der Sagengeschichte, welche in metrischer Form im Volksmunde fortlebte (s. ob.), gab es frühzeitig auch schriftliche Aufzeichnungen der merkwürdigen Ereignisse: so wurden von den Priestern die Fasti od. Annales (bis 130 v. Chr.) geführt u. galten stets als Hauptquelle für die Historiker, freilich waren die alten bei der Verbrennung der Stadt durch die Gallier untergegangen u. wurden nachher aus dem Gedächtniß wieder hergestellt. Die Libri lintei im Tempel der Juno Moneta waren vielleicht eine Art von, von Magistratspersonen besorgter Urkundenbücher. Merkwürdig ist, daß der erste römische Historiker, Q. Fabius Pictor, seine Annales griechisch abfaßte; nachdem aber Ennius seine Annales (in Versen) u. Cato seine Origines geschrieben hatte, folgten ihm mehre Römer mit der Beschreibung der Thaten ihrer Landsleute. Die Historiker waren meist vornehme Leute, welche Denkwürdigkeiten ihrer Zeit in annalistischer Form u. Selbstbiographien schrieben u. dieselben an die kurz gefaßte Geschichte der Vergangenheit anreiheten; solche Annales schrieben L. Calpurnius Piso u. C. Fannius; P. Sempronius Asellio beschränkte sich auf die Darstellung der Geschichte seiner Zeit u. die annalistische Form verlassend, schrieb er die Geschichte im Zusammenhang; seine Zeitgenossen waren Clodius Licinus u. Cassius Hemina, Cölius Antipater (schrieb die Geschichte des zweiten Punischen Kriegs), Cn., Sp. u.A. Gellius, Licinius Macer (welcher nicht genau in der Chronologie gewesen sein soll), Äl. Tubero, Q. Claudius Quadrigarius, Valerius Antias (dem es weniger um Wahrheit als um Unterhaltung zu thun war), L. Cornel. Sisenna (schr. über den Marsischen Krieg u. die Geschichte Sulla's); Selbstbiographien schrieben M. Ämilius Scaurus u. P. Rutilius Rufus; Memoiren verfaßten Q. Catulus (über sein Consulat) u. L. Cornel. Sulla; klassisch sind bes. die Memoiren Jul Cäsars (über den Gallischen u. den Bürgerkrieg); A. Hirtius vollendete Cäsars Memoiren über den Gallischen Krieg u. soll das Buch de bello alexandrino geschrieben haben. Die eigentliche Historiographie beginnt mit Sallustius (Jugurthinischer Krieg, Catilinarische Verschwörung, Historiae); fleißige Sammler u. Anordner des geschichtlichen Stoffes waren T. Pomponius Atticus u. Cornelius Nepos (die noch vorhandenen Vitae sind nicht von ihm); neben ihnen werden als gute Historiker erwähnt Q. Hortensius Ortalus, L. Luccejus (schr. über das Bellum italicum), Sulp. Galba u. der erst in neuester Zeit entdeckte Granius Licinianus. Auch für die Geschichtsschreibung war Augusts Zeitalter die letzte glänzende Periode, da die Wahrheit nicht mehr ertragen werden konnte, weshalb wahrscheinlich die Historiae des Asinius Pollio erst nach seinem Tode herauskamen u. die Geschichtsbücher des republikanisch gesinnten T. Labienus in Folge eines Senatsbeschlusses öffentlich verbrannt wurden (das erste Beispiel dieser Art von Büchercensur). In Folge davon wurden die Geschichtsschreiber fortan schweigsam über die Gegenwart, od. enthielten sich des Urtheils über die Thatsachen, od. wurden zu rücksichtsvollen Lobrednern. Berühmt in dieser Zeit ist T. Livius, welcher eine vollständige Römische Geschichte, u. Trogus Pompejus, welcher eine allgemeine Völkergeschichte schrieb; letzteres Buch ist verloren, doch noch ein Auszug von dem später lebenden Justinus vorhanden. In loyalem Sinne schrieb unter Tiberius Vellejus Paterculus seine kurze Historia romana; das Werk des Valer. Maximus ist eine bloße Anekdotensammlung; breit u. rhetorisch war die Geschichte des M. Servilius Nonianus (unter Claudius). Erst die milde Regierung des Vespasianus u. Titus gestattete wieder freier zu schreiben, aber es hat sich kein Buch der zahlreichen Historiker aus dieser Zeit erhalten, wenn nicht die Geschichte Alexanders des Großen von Q. Curtius Rufus in diese Zeit gehört. Unter Domitianus wurde den Historikern wieder die Wahrheit zu schreiben verboten. Die Zeit von Nerva bis Marcus Aurelius brachte noch einmal tüchtige Geschichtsschreiber hervor, unter ihnen vor allen Tacitus in den Annales u. Historiae, welcher sich als Biograph auszeichnete (Agricola), u. Suetonius; unbedeutend als Historiker ist der rhetorische Florus, noch unbedeutender die folgenden, welche entweder die römische Geschichte vom Anfange epitomatorisch erzählten, wie Aurelius Victor, Sextus Rufus, Eutropius, Ampelius, od. als Fortsetzung des Suetonius die Geschichte der Kaiser, von Hadrianus bis Numerianus u. Carinus, schrieben od. Compilationen verfaßten, wie Jul. Obsequens. Die Verfasser dieser Kaisergeschichte (Scriptores historiae augustae) sind Alius Spartianus, Vulcatius Gallicanus, Trebellius Pollio, Flavius Vopiscus, Al. Lampridius u. Jul. Capitolinus; sie lebten sämmtlich im 3. u. 4. Jahrh. Ihre Werke zusammen herausgeg. 1475, 3 Bde., Fol.; von Fr. Sylburg, Frankf. 1585, Fol.; von Gruner, Hanau 1611; von I. Casaubonus, Par. 1603; von Salmasius, Leyd. 1670, 2 Bde., Zweibr. 1787; von Schmidt, Lpz. 1774 (deutsch von Ostertag,[315] Frankf. 1790, 2 Bde.); von Cloß, Stuttg. 1857. Vgl. Heyne, Censura sex scriptorum hist. augustae, Gött. 1803, Fol.; Dirksen, Die Scriptores hist. aug., Lpz. 1842. Eine hohe Stellung als Historiker nimmt durch Wahrheitsliebe u. politischen Scharfblick Ammianus Marcellinus ein, welcher im 4. Jahrh. die Römische Geschichte von Nerva bis Valens schrieb. Die Fragmente der ältesten Geschichtsschreiber gesammelt von Riccoboni, Fragmenta historicorum veterum, an seiner Schrift: De historia, Vened. 1568, Bas. 1579, dann von Ant. Augustinus u. herausgeg. von Fulv. Ursinus, Antwerp. 1598; von Aufonius Popma, Amst. 1620; von Haverkamp an der Ausgabe des Sallustius; von A. Krause, Berl. 1833; die Werke der römischen Geschichtsschreiber gesammelt von H. Stephanus, Varii historiae romanae scriptores, Par. 1544, 4 Bde.; von Fr. Sylburg, Historiae romanae scriptores latini et graeci, Frkf. 158890, 3 Bde.; Historiae rom. scriptores latini veteres, Orleans 160953, 2 Bde., Fol.; von Klettenberg u. Wildeck, herausgeg. von B. C. Haurisius, Heidelb. 174348, 3 Bde., Fol.; Scriptores historiae minores, herausgeg. von Boxhorn, Leyd. 1632; von Fiedler, Wesel 1828; vgl. Vossius, De historicis latinis, Leyd. 1627 u.ö. Geographie wurde bei den Römern nie systematisch bearbeitet, obgleich man ihnen wegen ihrer vielseitigen Eroberungen viel zu danken hat; die aus verschiedenen Quellen compilirte Schrift De situ orbis des Pomponius Mela ist, außer der geographischen u. ethnographischen Übersicht in der Naturgeschichte des Plinius, das einzige Lehrbuch der Geographie in der R-n L.; aus späterer Zeit sind die unbedeutenden geographischen u. statistischen Abrisse des Athicus Ister, Jul. Honorius, S. Rufus u. Vibius Sequester; wichtiger dagegen sind die Reisebücher (Itineraria, s.d.). Was von Römern über Mythologie geschrieben worden ist, ist außer den Metamorphosen des Ovidius kaum nennenswerth, die Bücher des Hyginus u. Fulgentius sind bloße Compilationen aus griechischen Dichtern. Ihre Werke gesammelt von A. von Staveren, Auctores mythographi latini, Leyd. 1742; von Muncker, Amst. 1681; von Bode, Celle 1834.
Die Philosophie u. die strengen Wissenschaften waren den alten Römern ganz fremd; Regeln für das Leben ertheilte u. behielt man in kurzen Sitten- u. Weisheitssprüchen, für die anderen Dinge hielt man sich an die Erfahrung. Als aber griechische Wissenschaft nach Rom kam, fand die Philosophie bald Verbreitung, da in derselben die höheren Stände u. die Gebildeten, bei welchen der religiöse Volksglaube schon seit der Mitte des dritten Jahrh. v. Chr. sehr wankend zu werden begonnen hatte, Aufklärung über Götter u. Welt suchten. Aber einem ernsten Studium der Philosophie od. eines der verschiedenen Systeme gaben sich die Römer nicht hin, sondern huldigten dem Eclecticismus. Erst die Athener Kritolaos, Karneades u. Diogenes, welche 155 v. Chr. als Gesandte nach Rom kamen u. daselbst blieben, weckten bei den gebildeten Römern das Verlangen nach gründlicher Einsicht in der Philosophie, u. bes. Panätios trug zur Verbreitung der Stoischen Philosophie in Rom viel bei, namentlich machten Juristen, Grammatiker u. Rhetoren von der stoischen Logik Gebrauch, im Übrigen aber blieb die Philosophie in Rom mehr eine geistreiche Unterhaltung, während das wissenschaftliche Interesse auch lange noch fehlte. Erst Lucretius stellte in einem Lehrgedicht ein aus eignen Forschungen u. aus den Studien der Griechen, bes. des Epikuros u. Empedokles gebildetes materialistisches System der Naturphilosophie auf u. Cicero widmete der griechischen Philosophie ein gründliches Studium u. machte, sich selbst von aller Speculation fern haltend, seine Landsleute mit deren ganzem Umfang in einer Reihe von Schriften über den Staat, über die Gesetze, über die Pflichten der Menschen, über die Principien der Ethik, über das Wesen der Götter etc. bekannt, wobei es ihm bes. darauf ankam, das gesammte Staats- u. Privatleben nach philosophischen Grundsätzen zu ordnen. Indeß wegen ihrer meist formellen, für das Leben unpraktischen Richtung fand seine Philosophie in der nun bald folgenden Zeit der Monarchie keine Beachtung. Gegen das neue Staatssystem stellten sich die alten Patrioten als Anhänger des Stoicismus, gegen die fade Staatsreligion suchten die edlern Geister in der Mystik der Neupythagoreer u. in andern auswärtigen Religionsansichten eine Zuflucht. Diese beiden divergirenden Richtungen suchte die ascetische Secte der Sextier zu vermitteln, zu welcher u.a. Papirius Fabianus gehörte, welcher zahlreiche philosophische Schriften schrieb. Aber diese Secte verschwand bald wieder, wie die Wirksamkeit des ein strenges u. enthaltsames Leben empfehlenden Attalus u. Sotion u. des Stoikers Demetrius ebenfalls nur von vorübergehendem Eindruck war. Seneca lehrte in seinen philosophischen Schriften nicht den formellen Werth der Philosophie, stellte auch nicht Speculationen an, sondern setzte als deren Aufgabe das Eingreifen ins Leben u. das Bessergestalten des Lebens, machte also die Philosophie zur Lebensweisheit. So viel Beifall er aber fand, so gelang es ihm doch nicht ganz mit seiner verderbten Zeit zu brechen u. namentlich die Reformation des Geistes am Staatshaupte durchzusetzen. Während die vielfach erstrebte Rückkehr zum alten Römerthum den Stoicismus bei den Bessern des Volkes festhalten ließ, wie selbst der Kaiser Marc Aurel ein Stoiker war, trat nachher an dessen Stelle der Neuplatonismus; nach dem Falle des Kaiserthums hat sich allein Boethius als Philosoph unter den Römern ausgezeichnet. Vgl. Paganinus Gaudentius, De philosophiae apud Romanos origine et progressu, Pisa 1643; Blessig, De origine philosophiae apud Rom., Strasb. 1770; Brandis, Handbuch der Geschichte der griechisch-römischen Philosophie, Berl. 183553, 2 Thle.; Ritter u. Preller, Historia philosophiae gr. et rom., Gotha 1838, 2. A. 1856. Von der Mathematik hatten die Römer nur praktische Kenntnisse; Varro gab in seinen Libri disciplinarum praktische Anweisungen zur Geometrie u. Arithmetik. Zur praktischen Geometrie gehören auch die Schriften der römischen Agrimensores u. Gromatici, gesammelt von Blume, Lachmann u. Rudorff, Berl. 184852. Über Astronomie schrieb Jul. Cäsar, Nigidius Figulus u. Hyginus, über Astrologie Jul. Firmicus; ein Werk über Baukunst verfaßte Vitruvius; über Militärwissenschaften schrieb schon Cato (De re militari), später Frontinus De re militari u. Strategemata, letzteres eine historische Beispielsammlung für angehende Stabsoffiziere, u. Vegetius eine Epitome institutionum rei militaris, eine Darstellung der römischen Militärverfassung[316] nach früheren Quellen; deren Schriften gesammelt als Scriptores rei militaris von Stewech, Antwerp. 1585, von Scriverius, ebd. 1607, Leyd. 1644, Wesel 1670. Über Physik gab Seneca in den Untersuchungen über die Natur schätzbare Mittheilungen theils Anderer, theils eigener Ansichten; eine Art physische Geographie ist der Polyhistor des Solinus, ein Auszug aus der Naturgeschichte des Plinius. Die Naturwissenschaften wurden von Augustus auf liberale Weise begünstigt, aber die Leistungen der Römer auf diesem Gebiete beschränkten sich, abgesehen von den didaktischen Lehrgedichten (s. oben), auf Auszüge aus griechischen Schriften, so Nigidius (De animalibus); der ältere Plinius lieferte in seiner Historia naturalis eine reiche Zusammenstellung aller Forschungen u. Entdeckungen über die Natur im Allgemeinen, sowie über die einzelnen Naturwesen u. Naturerscheinungen. Reich ist die R. L. an Schriften über Ökonomie; schon die alten Römer beschäftigten sich mit Liebe mit dem Ackerbau, u. es gab in ältester Zeit praktische Lehren über Land- u. Hauswirthschaft in kurzen Sprüchen; selbst der Staat interessirte sich dafür, so wurde nach der Zerstörung Carthago's das Werk des Puniers Mago von D. Silanus ins Lateinische übersetzt; ein selbständiges Werk de re rustica schrieb zuerst Cato, dann Saserna, Scrofa Tremellius u. bes. Varro; auch in der spätern Zeit lebte die Liebe für diesen Zweig der Literatur auf, so schrieb Julius Gräcinus über den Weinbau u. Columella u. Palladius über den gesammten Landbau, welche als Scriptores rei rusticae gesammelt sind von I. M. Gesner, Lpz. 1735, n. A. von Ernesti, ebd, 1773 f., 2 Bde.; von I. G. Schneider, ebd, 179497, 4 Bde.; vgl. M. A. Rump, Über die römischen Schriftsteller von der Landwirthschaft, Münst. 1796; M. S. Kreander, De scriptoribus rei georgicae Romanorum, Åbo 1789. Sogar die Kochkunst fand bei dem steigenden Luxus der Tafel, welcher unter den Kaisern in sinnliche Verschwendung ausartete, ihren Bearbeiter an Cölius in seinem Apicius (benannt nach dem Namen eines Schlemmers). Die Arzneikunst, über welche in Beschränkung auf praktische Erfahrung u. Hausmittel auch Cato einen Commentarius geschrieben hatte, wurde zuerst von Griechen in Rom ausgeübt u. gelehrt u. nachher blos von Sklaven u. Freigelassenen ausgeübt; erst Julius Cäsar gab den Ärzten das Bürgerrecht u. Augustus fügte noch mehre Vorrechte für sie hinzu. Die verderbte Zeit machte aber die Ausbildung der Arzneikunst auch sehr nöthig. Jetzt gab es auch gelehrte Arzte, wie M. Artorius, Antonius Musa, A. Corn. Celsus (schr. De re medicina), Scribonius Largus (schr. De compositione medicamentorum), Cölius Aurelianus, Theodorus Priscianus; über Veterinärkunde wurde erst unter den letzten Kaisern von P. Vegetius u. Pelagonius geschrieben; vgl. C. Schläger, De medicorum apud veteres Romanos degentium conditione, Helmst. 1740; eine Sammlung der Schriften römischer Ärzte, Ven. 1547; von H. Stephanus, Par. 1567, 2 Bde., Fol.; von Kühn, Lpz. 1824 f.
Die größeste Bedeutung erlangten die Römer in der Rechtskunde; von ihnen wurde im Alterthum nicht allein die Rechtsidee am vollendetsten ausgebildet, sondern auch die Rechtsbegriffe am feinsten bestimmt u. eine Rechtswissenschaft geschaffen, u. ihr Recht ist ein Musterrecht für die Völker der spätern Zeit geworden u. bis in die Gegenwart geltend geblieben. Von den sogenannten Königsgesetzen (Leges regiae), welche C. Papirius nach Vertreibung der Könige gesammelt haben soll, sind nur einzelne ihrem Inhalt nach bekannt; ebenso sind von den Zwölftafelgesetzen (Leges XII tabularum), dem eigentlichen römischen Fundamentalgesetz, nur noch Bruchstücke vorhanden. Die Rechtspraxis stand mit dem Religionswesen im Zusammenhang u. beruhte namentlich auf den richtigen Gebrauch gewisser Formeln (Carmina solemnia). Der erste bekannte juristische Schriftsteller ist App. Claudius Cäcus im 4. u. 3. Jahrh. v. Chr., dessen Actiones sein Schreiber Cn. Flavius herausgab; als der erste wissenschaftliche Begründer des Römischen Rechts aber gilt S. Älius Catus um 204 v. Chr. mit seiner Schrift Tripertita, worauf L. Acilius seinen Commentar über das Zwölftafelgesetz schrieb; M'Manilius sammelte Rechtsformeln, P. Mucius Scävola wurde Begründer des Jus pontifici um. Im 2. Jahrh. v. Chr. wurde der Einfluß der Stoischen Philosophie auf die Behandlung des Rechts merklich, sowohl in Beziehung auf die Scheidung des Stoffes, als auch auf die Definition der Begriffe. Im 1. Jahrh. v. Chr. wurde durch Q. Mucius Scävola zuerst das bürgerliche Recht festgestellt u. begann durch Serv. Sulpicius Rufus die Systematisirung des Rechts; des Letztern Schüler waren Aulius Ofilius u. Alfenus Varus; außerdem durch Schriften bekannte Juristen sind Trebatius Testa, Älius Tubero, Älius Gallus, A. Cascellius u. And. Während zur Zeit der Republik der Redner die Hauptrolle als Staatsmann gespielt hatte, so ging diese in der Kaiserzeit auf die Juristen über, da sie meist die Hof- u. Staatsbeamten u. die Rathgeber des Kaisers waren, aus dessen Cabinet jetzt die Gesetze ausflossen. Die beiden bedeutendsten Juristen unter Augustus waren Labeo, ein philosophischer Rechtslehrer, u. Capito, der sich mehr an das positive Recht hielt u. zahlreiche Schriften schrieb; beide wurden die Gründer der lange bestehenden Rechtsschulen der Sabinianer u. Proculianer. Die Rechtswissenschaft blühte auch unter den folgenden Kaisern fort u. bewahrte seit dem Tode Marc Aurels (180) 100 Jahre lang allein noch ein selbständiges Leben in wissenschaftlicher Beziehung; sie erhielt Vollendung u. Abschluß durch Ämilius Papinianus, Jul. Paulus, Dom. Ulpianus u. Herennius Modestus; nach ihnen legten Gregorianus u. Hermogenianus noch zwei Sammlungen der Kaiserconstitutionen (Codices) an, welche nachher dem Codex Theodosianus, dem ersten, 438 publicirten Gesetzbuch, zu Grunde lagen, s.u. Römisches Recht S. 885 ff.
Die Beschäftigung mit Grammatik, worunter man in alter Zeit die Erklärung alter od. fremder Schriftsteller verstand, ist in Rom so alt als die Kunstliteratur u. wurde von dem Pergamenier Krates, welcher 164 v. Chr. in Rom war, eingeführt. Die ersten Römer, welche ihre Studien ihren älteren Landsleuten zuwendeten, waren Oct. Lampadio u. O. Vargontejus, von denen der Erstere den Punischen Krieg des Nävius u. der Letztere die Annalen des Ennius erklärte; berühmte römische Grammatiker waren im 1. Jahrh. v. Chr. Luc. Älius u. Serv. Clodius, bekannte Lehrer der Grammatik aber Säv. Nicanor, Opilius u. Antonius Gnipho. Vielseitiger u. umfassender betrieben Nigidius [317] Figulus u. Varro diese Studien, indem sie dieselbe auf Antiquitäten u. Literargeschichte ausdehnten u. so die römische Philologie begründeten. Varro schrieb auch zuerst über die Lateinische Sprache. In dieser Richtung wirkte noch Sinnius Capito u. Santra, Zeitgenossen des Varro, Valpius Rufus, Mäcius Tarpa u. Plotius Tucca im Augusteischen Zeitalter. Von den Grammatikern von Fach sind noch Orbilius Pupillus, der Lehrer des Horatius, Attejus Philologus, Verrius Flaccus, unter Augustus als Lehrer geschätzt, Hyginus u. Melissus, beide Bibliothekare in Rom, zu nennen. Der Eifer in den grammatischen Studien dauerte auch unter den ersten Kaisern fort, zu den berühmten Namen der damaligen Zeit gehörten Pomponius Marcellus, ein strenger Kritiker, Remmius Fannius Palämon, welcher u.a. eine Ars grammatica schrieb, Asconius Pedianus, welcher Commentare über die Reden Ciceros verfaßte, Valer. Probus, Annäus Cornutus u.A. In der Zeit nach Hadrian rief die alterthümelnde Richtung eine große Zahl grammatischer u. antiquarischer Werke, wie auch Chrestomathien hervor, von denen die noch vorhandenen Noctes atticae des Gellius, die Saturnalia convivia des Macrobius u. die Compendiosa doctrina per literas von Nonius Marcellus zu nennen sind. Unter den späteren Kaisern hörten die eigene Forschung mehr u. mehr auf u. die Grammatiker ersetzen das Talent durch Sammlerfleiß, so Charisius, Diomedes, Mar. Victorinus, Donatus, Flav. Mallius Theodorus, Serv. Maurus Honoratus, Helenius Acron, Festus u. m. A.; das ausführlichste System der lateinischen Grammatik schrieb Priscianus im 6. Jahrh. Sammlungen der römischen Grammatiker, zuerst von Dion. Godofredus, Genf 1585,3. Ausg. 1622; von Putsche, Hanau 1605; von Lindemann, Lpz. 183140, 4 Bde.; von Keil, ebd. 1855 ff., 6 Bde.; von Eichenfeld u. Endlicher, Analecta grammatica, Wien 1836; vgl. Osann, Zur Geschichte der Latein. Grammatik, Kassel 1839. Nachweisungen über die ältern römischen Grammatiker finden sich in dem Buch des Suetonius de illustribus grammaticis. Anfangs wurde Grammatik u. Rhetorik, als Theorie der Beredtsamkeit, von denselben Lehrern gelehrt, nachmals aber beide Disciplinen im Unterricht getrennt, u. die Rhetoren waren nun fortan Griechen. Da die Grammatik mehr Bildung u. Studium erforderte, so standen die Grammatiker auch in höheren Ehren als die Rhetoren, u. die letztern wurden 162 v. Chr. durch Senatsbeschluß aus Rom vertrieben, indeß kehrten sie bald zurück u. die Zahl ihrer Schulen wuchs bedeutend. Nachdem sie aber, als der Verbildner der Jugend zu Keckheit u. Unverschämtheit, 94 v. Chr. wieder durch ein censorisches Edict ausgewiesen worden waren, lehrten nun Römer die Rhetorik; der erste war Plotius Gallus, nächst ihm Blandus, der erste römische Ritter als Lehrer, u. der Grammatiker Gnipho. Ihre Theorie war ganz den Griechen entlehnt, u. aus den Dictaten, welche sie ihren Schülern gaben, scheinen die sonst dem Cicero beigelegten Rhetorica ad Herennium, die älteste lateinische Rhetorik, hervorgegangen zu sein. Neben dem theoretischen Unterricht leiteten die Rhetoren bes. die praktischen Übungen (Causae, Suasoria u. Controversiae od. Appellationes); dergleichen Prunkreden, Declamationes, wurden unter berühmten Namen auch aufgeschrieben u. sind deshalb als unechte Schriften, wie manche dem Cicero zugeschriebene Reden, auf die Nachwelt gekommen, Cicero selbst schrieb ein System der Rhetorik De inventione u. später De oratore u. als Vervollständigung den Orator nebst andern kleinen Büchern. Die namhaftesten Rhetoren im Augustischen Zeitalter waren Albutius Silo, Porcius Latro, Arellius Fuscus; auch Griechen schlichen sich damals wieder in die Schulen ein, wie L. Cestius u. sein Schüler Argentarius. Diese dem praktischen Leben entrückte Schulberedtsamkeit wirkte aber mit der Zeit sehr ungünstig auf die gesammte literarische Production ein, da das Einfache u. Natürliche verschmäht, dagegen das Affectirte, Geschraubte u. Dunkle angestaunt u. angewendet wurde. Unter Tiberius sammelte M. Annäus Seneca Declamationen früherer Rhetoren u. schrieb Rutilius Lupus De figuris sententiarum et elocutionis. In der folgenden Zeit wurde wieder mehr das praktische Bedürfniß für die forensische Beredtsamkeit berücksichtigt, bes. seitdem unter Vespasian die Rhetoren aus der Staatskasse besoldete Lehrer wurden, worauf die andern an Ansehen u. Einkommen verloren. Der berühmteste Lehrer der Rhetorik dieser Zeit war Quintilianns; in der letzten Zeit der R-n L. schrieben noch Aquila Romanus u. Jul. Rufinianus rhetorische Lehrbücher. Die älteste römische Rhetorik von Cato (De oratore) ist verloren. Die Schriften der römischen Rhetoren sind gesammelt als Antiqui rhetores latini, Par. 1599, von Capperonnerius, Strasb. 1756, u. die Scholiastae M. Tull. Ciceronis von Orelli u. Baiter, Zür. 1833. Das hervorragende Streben der Römer nach Universalität des Wissens veranlaßte seit Cato fast zu jeder Zeit römische Gelehrte, die ganze Masse der menschlichen Kenntnisse encyklopädisch zu verarbeiten. Solche Encyklopädien schrieben die Polyhistoren Varro (Disciplinae od. Artes liberates) u. Nigidius Figulus; auch die Naturgeschichte des Plinius gehört hierher, bes. die Satirica des Martianus Capella aus dem 5. u. die Origines s. Etymologiae des Isidorus Hispalensis aus dem 6. Jahrh. n. Chr.
Im Allgemeinen zu vergleichen ist G. E. Müller, Historisch-kritische Einleitung zum Gebrauch der alten lateinischen Schriftsteller, Dresd. 174751, 5 Bde.; d'Orgival, Considérations sur les progrès de belles lettres chez les Romains et les causes de leur décadence, Par. 1749, Amsterd. 1750 (deutsch von Stockhausen, Hannov. 1755); I. A. Fabricius, Bibliotheca latina, vermehrt von I. A. Ernesti, Lpz. 1773 f., 3 Bde; Th. Chr. Harles, Introductio in historiam linguae latinae, Bremen 1773; Desselben Introductio in notitiam literaturae romanae, Nürnb. 1785, im Auszug 1789, 2 Bde.; Zeune, Introductio etc., Jena 1779; F. A. Wolf, Geschichte der R-n L., Halle 1787, u. Vorlesungen über die Geschichte der R-n L., herausgeg. von Gürtler, Lpz. 1832; I. H. Eberhardt, Über den Zustand der Schönen Wissenschaften bei den Römern (aus dem Schwedischen), Altona 1807; Fuhrmann, Handbuch der Klassischen Literatur, 1809, 3. u. 4. Bd.; Schöll, Hist. de la littérature rom., Par. 1813, 4 Bde.; Dunlop, History of Roman lit. (bis Augustus), Lond. 2. A. 1824, 2 Bde.; Bähr, Geschichte der R-n L., Karlsr. 1828,3. A. 1844 f., 2 Bde.; u. Derselbe, Abriß der römischen Literaturgeschichte, 1833; G. Bernhardy, Grundriß der R-n L., Halle 1830, 3. A. 1855; Krause, Geschichte der R-n L., Berl. 1835; Munk, Geschichte der R-n L., ebd. 185861,[318] 3 Bde.; Kopp, Römische Literaturgeschichte, Berl. 1858; Manso, Über das rhetorische Gepräge der R-n L., Bresl. 1821.
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