1. Ale neinj Jôr î (zwî) Wînjjôr. (Siebenbürg.-sächs.) – Schuster, 59.
2. Ale sâf Jôr î Gôfjôr. – Schuster, 58.
3. All Joar 'n Jöhr un to'n Harwst noch 'n Spoatling. (Pommern.)
Alle Jahre ein Kind und im Herbst noch einen Spätling. Von fruchtbaren Ehegatten. Auch als scherzhafter, mit Protest zurückgewiesener Wunsch den Neuvermählten am Hochzeitstage. Von einem Ehepaar, bei dem das ungefähr eintrifft, heisst es: Se sünd as de Kanikels. Dat geiht as bî de Kanikels.
4. All zwanzig Jahr wird eine andere (neue) Welt. – Eiselein, 640; Simrock, 11550; Reinsberg II, 80.
5. Alle Jahr ein Käs, gibt wenig Käs; alle Jahr ein Kind, gibt viel Kind. (Schweiz.) – Körte, 3123; Simrock, 5190; Braun, I, 1625.
6. Alle sewe Jahr passt e Flick. – Frischbier2, 1781.
7. Alle sieben Jahr ein Flohjahr; alle sieben Jahr ein Raupenjahr; alle sieben Jahr ein Käferjahr. – Simrock, 5200.
In Toscana heisst es: Viel Flöhe, viel Getreide. In Mailand: So viel Flöhe, so viel Korn. (Reinsberg VIII, 12.)
8. Alle sieben Jahr frisst man zu Hof einen Küchenjungen auf. – Pistor., IV, 63; Eiselein, 399; Simrock, 6004; Braun, I, 2045.
Spott auf unsaubere Köche und deren Gehülfen, die ihre Hände erst reinigen, indem sie dieselben in die Speisen bringen und diese zubereiten, wodurch, wie das Sprichwort in der ihm eigenen Uebertreibungsart sagt, so viel von dem Küchenpersonal in die Speisen übergeht, dass es in sieben Jahren das Volumen eines Küchenjungen hat.
9. Alle söben Jâr en Flöjâr, alle söben Jâr en Rûpenjar, alle söben Jâr en Käverjâr, alle söben Jar en Kranken- oder Unglücksjâr. (Holst.) – Schütze, II, 182.
In Holstein herrscht die Meinung, dass in jedem Jahrsiebent ein Jahr treffe, in dem sich Flöhe, eins, in dem sich Raupen u.s.w. überviel einfinden. In den Vereinigten Staaten Nordamerikas heisst es: Alle siebzehn Jahr ein Locustjahr.
10. An Jahren jung ist ein Fehler, der sich alle Tage verbessert.
11. An Jahren jung, kann alt an Verstand sein.
12. Ander Jahr, ander Haustock. (Franken.)
Mhd.: Ander jâr, ander guot. (Haslau.) (Zingerle, 77.)
13. Ander Jahr, ander Waar'.
Dän.: Et andet aar kommer der en anden jule aften. (Bohn I, 367.)
14. Andere jar, andere har; andere zeit, andere freud. – Franck, I, 50b; Egenolff, 321a; Eyering, I, 76 u. 278; Petri, II, 15; Gruter, I, 5; Lehmann, 6, 5; Lehmann, II, 28, 55; Schottel, 1113b; Körte, 3130; Schrader, 4; Mayer, II, 215; Braun, I, 1624.
Die grossen Veränderungen, die oft ein einziges Jahr im Leben eines Menschen bewirkt, drücken die Finnen durch das Sprichwort aus: Ein Jahr macht Alte älter, noch eins. aus Kindern Leute. (Reinsberg VII, 105.)
Mhd.: Nach zît, nâch stat gar alliu dinc sich wandelnt ûze und inne. (Frauenlob.) – Unstaete wandel machet. [984] (Frauenlob.) – Wer lebt dem man niht wandels giht. (Colm.) (Zingerle, 163.)
Dän.: Haarene byttes med aarene. (Prov. dan., 266.)
Frz.: Autres temps, autres moeurs.
Lat.: Alia vita, alia diaeta. – Aliam aetatem, alia decent. (Sutor, 891.) – Omnia vertuntur, mutantur et mores. – Tempus invenit, discit, docet, mutat omnia magnum os anni. (Philippi, II, 215; Seybold, 291.)
15. Andere Jahr, andere Schue. – Sutor, 891.
16. Andere Jahre, andere Leute, andere Glocken, ander Geläute.
Böhm.: Mnoho let, a mnohých nevidĕt. (Čelakovský, 310.)
17. Anner Jâr, anner Hâr. – Deecke, 3; hochdeutsch bei Eiselein, 346; Simrock, 5187.
18. Bis zu zwölf Jahren ist das Mädchen ein Becher, bis zu sechzehn ein Kübel, nach dem sechzehnten Jahre danke dem, der sie aus dem Hause holt. (Böhm.)
19. Das eine Jahr lehrt das ander nicht. – Lehmann, II, 57, 16.
Lat.: Raro docet reliquum reor annus in omnibus annum.
20. Das Jahr bringt Getreide und nicht der Acker. – Simrock, 5191; Körte, 3132.
Der Witterungscharakter des Jahres hat einen grössern Einfluss auf den Ausfall der Ernte, als der Acker selbst und die Bearbeitung desselben. Daher sagen die Russen: Im guten Jahr auch gute Frucht. Und in Andalusien behauptet man: Das gute Jahr bringt mehr hervor, als das gut bestellte Feld. Und die Mailänder: Das Jahr wirkt mit dem, was es hat. (Reinsberg VIII, 9 u. 13.)
Dän.: Aaret gir korn, ikke ageren. (Prov. dan., 3.)
Lat.: Annus producit, non ager.
21. Das Jahr hat 365 Tage. – Pauli, Postilla, I, 365b.
Die Russen: Wenn auch das Jahr 365 Tage hat, so hat der Tag doch nur 24 Stunden. (Altmann V, 89.)
22. Das Jahr hat ein gross Maul und 'en weiten Magen. – Eiselein, 346; Simrock, 5189; Körte, 3125; Pauli, Postilla, I, 365b; Braun, I, 1622.
Die Russen: Das Jahr hat einen Magen, der ist 365 Tage gross. Und: Das Jahr hat ein Maul, das reicht über zwölf Monate. (Altmann VI, 422 u. 486.)
Dän.: Aaret har en vid mund og en stor mave. (Bohn I, 346.)
Frz.: Il faut bien tirer la courroie pour aller jusqu'au bout de l'an. (Lendroy, 1422.)
Lat.: Anni magnum os. (Gaal, 959; Eiselein, 346.)
23. Das Jahr hat einen grossen (tiefen) Mund.
24. Das Jahr hat einen grossen Mund, und was die Katze nicht frisst, das frisst der Hund.
25. Das Jahr hat viel Tage, aber noch mehr Mahlzeiten.
Empfiehlt weise Sparsamkeit nicht blos im Sommer für den Winter, sondern auch in der Jugend fürs Alter.
Dän.: Der ere mange dage i aaret, men fleere maaltider. (Prov. dan., 3.)
Lat.: Cogitato quam longa sit hiems. (Cato.) (Binder II, 524; Faselius, 48; Wiegand, 434.)
Span.: Son mas las dias que las longanizas. (Cahier, 3513.)
26. Das Jahr hat zweiundfunfzig Wochen. (Schweiz.)
Empfiehlt weise Sparsamkeit.
Ung.: Sok darab kenyeret kiván egy esztendö. (Gaal, 959.)
27. Das Jahr hat zweiundfunfzig Wochen und dreihundertundfünfundsechzig Tage. – Eiselein, 346.
Holl.: Het jaar duurt langer dan de saucijzen. (Harrebomée, I, 350a.)
28. Das Jahr hindurch kann viel Wasser den Berg herablaufen. – Simrock, 5194; Körte, 3126; Braun, I, 1623.
Dän.: Aaret haver en viid mund, og stor mave. (Prov. dan., 3.)
Lat.: Peragit lentis passibus annus iter. (Ovid.) (Philippi, II, 90.)
29. Das Jahr ist an keinen Stecken gebunden. – Eiselein, 657.
Lat.: Anni momenta nullo sunt fune retenta. (Eiselein, 657.) – Et celer admissis labitur annus equis. (Seybold, 155.)
30. Das Jahr ist immer länger als die Wurst.
31. Das Jahr ist lang, der Tage sind viel und der Mahlzeiten noch viel mehr. – Petri, II, 64; Körte, 3124.
Dän.: Aaret er langt, og maalene mange. (Prov. dan., 3.)
Frz.: Il faut bien tirer la courroie pour aller jusqu'au bout de l'an. (Gaal, 959.)
32. Das Jahr ist nie so lang, dass nicht die Weihnacht zu kurz wäre. – Körte, 3124.
[985] 33. Das vorige Jahr hat immer mehr gebracht (oder: war immer besser). – Steiger, 478; Eiselein, 346; Simrock, 5193; Reinsberg VIII, 9.
Von den Landleuten, die immer klagen. Von allen, die mit der Gegenwart unzufrieden, die Vergangenheit weit über sie erheben.
Mhd.: Je langer sô boeser jâr. (Meleranz.) (Zingerle, 77.)
Lat.: Laudator temporis acti. (Eiselein, 346.) – Semper preteritus annus melior. (Bovill, I, 59.)
34. Dat erschte Johr posse von Harte, dat zweite Johr lewe möt Schmarte, dat dritte Johr bifze de bafze, dat vêrde Johr Treppafze. – Frischbier2, 1782.
So denkt man sich in der untern Volksschicht das eheliche Leben.
35. De drög'n (trockenen) Jahr bruk de nadden (nassen) ni um Brod to been (bitten). (Rendsburg.)
36. De goden Jare möten de slichten drägen. – Dähnert, 204a.
Damit wird der Landmann bei schlechter Ernte getröstet.
37. De vör dartig Jâr ritt, mutt na dartig Jâr to Fôte gahn. (Ostfries.) – Frommann, IV, 142, 334; Eichwald, 891; Goldschmidt, 162; Bueren, 189; Weserzeitung, 4057; Hauskalender, I.
38. Der hat nie ein schlimmes Jahr, wer sparsam im guten und schlimmen war.
39. Der in zwentzig jaren nit würt schon, dreissig jar nit starck vnd wol gethon, viertzig jar nit weiss, fünfftzig nit reich, der siht jm nacher nymmer gleich. – Franck, I, 81a.
40. Der vil Jahr wohl dient, kan in einer Stund verderben. – Sutor, 897.
41. Der vorm Jahre starb, ist lange todt.
42. Des Jahres vier Theile ich fand, der erst wird der Lenz genannt; Petri Stuhlfeier (22. Febr.) hebt ihn an und gehet aus auf Sanct- Urban. (Görlitz.) – Boebel, 13.
43. Die Jahr helffen nicht an den Thoren. – Petri, II, 132.
44. Die Jahre allein bringen Verstand und Haare.
45. Die Jahre ändern viel, aber sie machen aus einem Adler nie eine Nachteule.
46. Die Jahre biegen den stärksten Mann.
47. Die Jahre fliehen pfeilgeschwind. – Schiller's Lied von der Glocke.
Lat.: Eunt anni more fluentis aquae. (Ovid.) (Philippi, I, 142.) – Nihil est velocius annis. (Ovid.) (Philippi, II, 23.)
48. Die Jahre kommen unangesagt.
49. Die Jahre legen Freud' und Leiden auf die Bahre.
50. Die Jahre wissen mehr als die Bücher. – Winckler, VI, 1.
Frz.: L'âge rend sage.
51. Die magern Jahre verschlingen die feisten.
52. Die verlebten Jahre sind immer die bessern.
Frz.: L'an passé est toujours le meilleur. (Leroux, I, 61.)
53. Dreissig Jahr und ein Tag.
Wie »Jahr und Tag« juridisch massgebend. Ueber dreissig sprichwörtliche Redensarten vgl. Mittelhochdeutsches Wörterbuch, 1, 390b.
Mhd.: Nieman ritter wesen mac drîzec jàr und einen tac im gebreste muotes, lîbes oder guotes. (Freidank und Walther.) (Zingerle, 77.)
54. Dreissig Jahr und Tag stehen zu Gewinn und zu Verlust. – Graf, 95, 182.
Mhd.: Drisig jar und tag stet czu gewinn unnd vorlust. (Gaupp, 18.)
55. Du hast mir die Jahre wieder ins Gedächtniss gerufen, wo ich ein Mann auch war, sprach der alte Mönch, als ihm ein junger Buhler gebeichtet. – Eiselein, 346; Klosterspiegel, 30, 8.
56. Dürres Jahr, trockner Mai; kühler Mai viel Frucht und Heu. – Bair. Hauskalender.
57. E Jör äs nit un de Schtäke gebangden. – Schuster, 431.
58. Ein böses Jahr kommt selten allein.
59. Ein gutes Jahr dauert nicht lange.
Frz.: La bonne année en peu de temps s'en va, la petite se garde. (Leroux, I, 61.)
[986] 60. Ein gutes Jahr ist immer gern gesehen.
Ist immer willkommen, sagen die Irländer. (Reinsberg VIII, 9.)
61. Ein Jahr auf gutem Pferd bringt weiter, als zwei Jahr auf einem Esel.
Holl.: Beter een half jaar op een goed paard gereden, dan zijn gansche leven op een' ezel. (Harrebomée, I, 348b.)
62. Ein Jahr böse, hundert Jahr böse. – Pistor., II, 96; Eisenhart, 239; Estor, I, 20; II, 6; Hillebrand, 48; Hertius, II, 3, 439; Eiselein, 346; Simrock, 5196; Graf, 95, 191.
Bei den Deutschen galt der als der rechtmässige Besitzer, welcher bereits dreissig Jahre etwas beständig und ruhig besessen habe. Das vorstehende aus dem päpstlichen Rechte entlehnte Sprichwort lehrt aber, dass ohne den guten Glauben von der rechtmässigen Erwerbung des Eigenthums der ununterbrochene, selbst ein Menschenalter übersteigende Besitz desselben diesen weder rechtfertigt noch sichert, obgleich stets die Vermuthung einer gesetzlichen Besitzerlangung für den sprechen wird, der etwas schon so lange besitzt, bis das Gegentheil erwiesen ist. Das Sprichwort handelt von der bona fides, d.i. der Abwesenheit des Bewusstseins, sich im rechtlichen Besitz einer Sache zu finden. Fehlte sie einmal während des erforderlichen Zeitraums, so ward dadurch die Klageverjährung unterbrochen und der beabsichtigte Erwerb konnte nicht stattfinden. Und dies will das Sprichwort sagen.
Frz.: Possesseur de malle-foi ne peut prescrire. (Loysel, 730.)
63. Ein Jahr, das fängt mit Regen an, bringt nicht viel Gutes auf die Bahn (den Plan).
Frz.: Le mal an entre en nageant. (Bohn I, 32.)
64. Ein Jahr, das im Jänner zu donnern begann, bringt viel Sturm und Regen heran. – Boebel, 73.
65. Ein Jahr ein Lautenschleger, ein halb Jahr ein Krecker. – Petri, II, 199.
66. Ein Jahr erfordert viel Stücke Brot.
67. Ein Jahr für den Sabuku, ein Jahr für den Tjontjon. (Surinam.)
Zwei Reiherarten. Sinn: Alles hat seine Zeit; einmal ist der oben, ein andermal jener.
68. Ein Jahr ist an keinen Stock (Pfahl) gebunden. – Henisch, 386, 8; Petri, II, 199.
Die Zeit und ihre Entwickelung lässt sich nicht aufhalten.
Holl.: Een jaar is aan geen' staak gebonden. (Harrebomée, I, 349b.)
69. Ein Jahr ist nicht alle Jahr. – Jer. Gotthelf, Uli, 109.
70. Ein Jahr ist schnell dahin.
Die Türken: Ein Jahr verschwindet wie der Blitz. Die Sarden: Jeden Tag vergeht ein Tag. Die Venetier: Jedes Jahr vergeht ein Jahr. Die Russen: Wir werden jedes Jahr zwölf Monate älter. Ein Jahr geht nach dem andern hin, der Tod ist des letzten Gewinn. (Reinsberg II, 146.)
Böhm.: Rok má krok, a život v patách smrt'. (Čelakovský, 310.)
71. Ein Jahr lehrt das andere nicht. – Körte, 3134; Simrock, 5185; Braun, I, 1617.
Holl.: Dat een jaer en leret ander niet. (Harrebomée, I, 350a.)
Lat.: Raro docet reliquum reor annus in omnibus annum. (Sutor, 748 u. 981.) – Unus non alium, vetus annus non docet annum. (Fallersleben, 653 u. 716.)
72. Ein Jahr nach der Trau(ung) kommt die Schau.
Ein Jahr nach der Trauung, nach der Hochzeit kann man über die Ehe urtheilen.
Frz.: La première année que l'homme se marie, touser (raser) se fait, ou tombe en maladie. (Leroux, I, 168.)
73. Ein Jahr übergibt's dem andern. (Lit.)
74. Ein trocken Jahr ist nicht unfruchtbar.
Frz.: Sèche année n'est pas affamée. (Kritzinger, 29b.)
75. Ein trocknes Jahr gibt zwei nassen zu essen. – Simrock, 10521a.
Frz.: Année seiche n'apovrit son maistre. (Leroux, I, 61.)
76. En mager Joar maut noch kainen an'n Auwer smiten. (Iserlohn.) – Woeste, 73, 204.
77. Entschwundene Jahre kommen nicht zurück.
Böhm.: Co bylo v loni, nikdo nedohoni. (Čelakovský, 191.)
Lat.: O mihi praeteritos referat si Jupiter annos. (Virgil.) (Egeria, 194; Philippi, II, 65; Seybold, 405.)
78. Es hat ein jedes seine Jahr zu narren. – Sutor, 605.
Lat.: Semper juniores insipiunt, quia nihil experti. (Sutor, 605.)
79. Es ist ein gut Jahr, sagte der Bauer, es können alle essen, die etwas haben.
Holl.: Het is een vriendeloos jaar; elk zie wel toe, dat hij zelf wat hebbe. (Harrebomée, I, 350a.)
[987] 80. Es ist kein Jahr vor Regen sicher.
81. Es ist noch ein gutes Jahr, wenn man an Wachs gewinnt, was man an Honig verloren.
82. Es ist so mehr zehen Jahr abgesoffen, als zwantzig Jahr auff Krücken gegangen. – Petri, III, 6.
83. Es Johr isch a kei Stude bunge. (Solothurn.) – Schild, 63, 87.
Bei einem Vertrag u.s.w. ist ein Jahr keine Ewigkeit.
84. Es vergehen viel Jahre, ehe man einen Schatz findet.
Dän.: Der kommer ei hvert aar hval til lande. (Prov. dan., 319.)
85. Es wird im Jahr vil vergöntes Brots1 gessen. – Henisch, 523, 26; Petri, II, 305.
1) Das Wort »vergönt« kommt hier wol in demselben Sinn wie in »Bissen 10« vor, wo es »vergunt« lautet. Da ich dort gar keine Erklärung gegeben, sondern nur, wie Henisch gethan, für das veraltete »vergunt« das neuhochdeutsche »vergönnt« beigefügt und jedem die nicht schwierige Auffindung des richtigen Sinns überlassen habe; so kann wol von einem Misverständniss meinerseits dort nicht die Rede sein. (Vgl. Mich. Neander von Fr. Latendorf, Schwerin 1864, S. 57.) Es ist dort nur nicht gesagt, welche der vielen Bedeutungen der Vorsilbe »ver« (vgl. Campe, Wb.) zur Anwendung kommt. Richtig ist allerdings, dass vergönnen im obigen Sprichwort wie unter Bissen 10 in dem Sinne von »misgönnen« steht; aber dieser Sinn kann ebenso gut durch die Silbe »ver« ausgedrückt werden, welche in ähnlichen Fällen diesen Dienst leistet, indem sie die von dem persönlichen Object abgewandte Richtung oder ein Verderben, Vernichten des im Grundwort enthaltenen Begriffs ausdrückt, wie etwa in verspielen, verschreiben, verwünschen u.s.w. Ich wünsche jemand einen guten Tag, ich verwünsche ihm den guten Tag. Das Brot, das mir A. gönnt, ver- oder misgönnt mir B.; beides heisst im Zeitalter der Reformation »verguntes Brot«. Der Sprachgebrauch der neuern Zeit hat aber in diesem Falle die eine Bedeutung der Silbe »ver« an die Silbe »mis« verloren, aber keineswegs so, dass man sie nicht noch darin finden könnte.
86. Et is 'n fett Jahr, sä de Mûs; da fratt se an'r Specksiën (Speckseite). – Hoefer, 777.
87. Gleiche Jahre, die besten Paare.
Nicht blos verhältnissmässige Gleichheit im Alter, sondern auch in der Erziehung, im Stande und in den Ansichten werden als Bedingungen einer guten glücklichen Ehe empfohlen. Der Toscaner sagt: Wer sich gleicht, nehme sich. Der Mailänder: Wer sich gleicht, gefällt sich. Der Franzose: Wer sich gleicht, gesellt sich. Der Araber: Der Blinde liebt den Blinden. Der Venetianer sagt scherzhaft: Es hat sich der Spaten verheirathet, er hat die Hacke genommen; denn wie der Mann ist, so muss er die Frau suchen. (Reinsberg I, 126.)
88. Hundert Jahr ist ein grosses Wort, doch sind sie gar geschwinde fort.
Frz.: Cent ans ne sont pas si longs qu'ils en ont la mine. (Cahier, 280.)
89. Hundert Jahr Melancholie bezahlen den Dreier Schulden nie.
Frz.: Cent ans de chagrin ne payent pas un sou de dettes. (Bohn I, 10; Lendroy, 595.)
90. Hunderttausend Jahre Unrecht ist noch keine Stunde Recht. – Graf, 95, 195; Hillebrand, 9, 11; Kirchhofer, 175.
91. Ich bin zehn Jahre gebunden, sagte die Spinne, werde ich denn gerade am letzten Tage (der Haft, heute) sterben?
Ich habe so viel Schweres überstanden, sollte ich denn das Leichtere nicht überstehen?
92. Ich habs vor siben Jaren gewust, das huffnägel eisen sind. – Henisch, 866, 32.
93. Ich thu's dies Jahr nicht, sagt man in Nürnberg, aufs ander Jahr kommen die Heiden.
Der Spruch stand in Nürnberg angeschrieben.
94. Im ersten Jahr in den Armen liegen, im zweiten Windeln und Wiegen, im dritten kehrt man sich den Rücken, im vierten schlägt man sich in Stücken.
In Bergamo: Im ersten Jahr (der Ehe) umarmt man sich, im zweiten wickelt man, im dritten keilt man sich. In Toscana: Im ersten Jahr Umarmungen, im zweiten Windeln, im dritten viel Noth und kein Brot.
95. Im ersten Jahre kann keiner Doctor sein.
96. Im ersten Jahre rügen, im zweiten strafen, im dritten gar ausweisen. – Graf, 76, 89.
Zum Schutz der Besitzer zinspflichtiger Güter, um sie vor plötzlicher Ausweisung aus ihrem Besitz wegen [988] rückständiger Zinsenzahlung zu schützen, war, was das obige Sprichwort ausdrückt, dafür gesorgt, dass eine Zeit vorausging, in der sie durch Mahnung und Strafe an ihre Pflicht erinnert wurden.
Mhd.: Zum ersten jahr rügen, zum zweytten jahr straffen zum drittem jahr gar aussweisen. (Grimm, Weisth., II, 283.)
97. Im guten Jahr trägt auch ein schlechtes Feld.
Frz.: Mieux vaut un bon temps qu'un bon champ. (Leroux, I, 40.)
98. Im Jar laufft vil wasser den berg hinunder. – Henisch, 289, 42; Petri, II, 400.
99. In dreissig Jahren kann man keine Grenze verschweigen. – Graf, 95, 185.
Behauptet, dass Grenzen, wie Staats-, Kirchen- und Gemeingut nicht verjähren können.
Mhd.: Ooch mag man keine grenczen in drizig jaren vorswigen. (Daniels, 432, 29.)
100. In dürren Jahren mehrt sich das Ungeziefer.
101. In einem guten Jahr wächst Korn für zwei schlechte.
Span.: Por mucho pan, nunca mal año. ( Cahier, 3611.)
102. In einem Jahr steinreich werden, kan nicht sein ohne böse Rencke vnd sünd. – Petri, II, 303.
103. In einem Jahre kann man mehr thun als in einem Tage.
Dän.: Det staar ikke i syv aar som i syv dage. (Prov. dan., 529.)
104. In hundert Jahren kommen die Heiden ins Land.
In Venetien: In hundert Jahren gilt der Flachs so viel wie das Werch. (Reinsberg II, 138.)
Frz.: Au bout de cent ans les rois sont vilains et les vilains sont rois. (Leroux, II, 81.)
105. In hundert Jahren thut uns kein Zahn mehr weh.
106. In'n Jâr kann vêl Water den Barg herdâl lôpen. (Holst.) – Schütze, II, 345.
Binnen Jahresfrist kann sich viel ändern.
107. Ist das Jahr auch noch so lang, der Weihnachtsabend ist immer zu kurz.
Dän.: Aaret er aldrig saa lang, juule-aften er jo trang. (Prov. dan., 3.)
108. Ist's in diesem Jahre trocken, gibt's im nächsten guten Roggen. (Brandenburg.) – Boebel, 121.
109. Jahr und Tag ist die rechte Gewähr. – Pistor., V, 99; Eisenhart, 241; Graf, 94, 176; Sailer, 254; Eiselein, 346; Simrock, 5183.
»Rechte Gewere« ist ein gegen jede Klage gesichertes rechtliches Verhältniss zu einer Sache. Dies aus dem sächsischen Landrecht entlehnte Sprichwort handelt von der Gewährleistung verkaufter beweglicher Güter und will sagen, dass derjenige, welcher Jahr und Tag (d.h. nach dem sächsischen Recht 1 Jahr und 6 Wochen, wozu später noch 3 Tage gekommen sind) eine bewegliche Sache besessen, das Eigenthum daran erworben habe und der Verkäufer derselben, nach Abfluss dieser Zeit kein Gewähr mehr zu leisten schuldig sei, vorausgesetzt, dass jemand eine Sache auf gesetzlichem Wege besitzt. Bei unbeweglichen Gütern war ein Zeitraum von 41 Jahren 6 oder 3 Tagen erforderlich.
110. Jahr und Tag soll ewig dauern. – Graf, 94, 178; Rössler, I, 44.
Der Besitz eines Gutes, das im guten Glauben nach Jahr und Tag erlangt war, soll sicher gegen jede Klage sein und für immer unangefochten bleiben.
111. Jahre bringen Verstand, aber auch graue Haare. – Simrock, 5186; Braun, II, 532.
112. Jahre drücken krumm den Rücken.
113. Jahre führen zur Bahre.
114. Jahre lehren (wissen) mehr als Bücher. – Simrock, 5184; Körte, 3129; Braun, I, 1626.
Engl.: Years know more than books. (Bohn II, 24.)
115. Jahre nehmen hin das Haar, aber nicht die Bosheit gar. – Körte, 3131 u. 3913.
116. Je mehr Jahr, je zäher baar.
Alte Leute sind zäh im Geldgeben.
Holl.: Hoe hooger van jaren, hoe trager van baren. (Harrebomée, I, 350b.)
117. Je mehr Jahre, desto näher der Bahre.
Engl.: The more thy years the nearer thy grave. (Bohn II, 24.)
It.: Chi più in vecchia, và più presto al suo fine.
118. Jedes Jahr bringt neue Kleidung. – Sutor, 934.
119. Jedes Jahr ein ander Kleid liebt der Pole allezeit (oder: ist des Polen Herrlichkeit).
Aus der zügellosen Vorliebe der (gebildeten) Polen für alles Ausländische. Das Werthvolle der Heimat [989] galt immer weniger, als das Werthlose, aber in eitler Pracht Glänzende, was von auswärts kam, wofür man hohen Zoll bezahlen musste oder was man durch Schmuggel erhalten hatte. (Wurzbach I, 52.)
120. Jedes Jahr fordert Haar.
Lat.: Singula de nobis anni praedantur euntes. (Horaz.) (Philippi, II, 188.)
121. Jedes Jahr will eigenes Nest und eigene Junge haben.
122. Jung an Jahren, alt an Verstand.
Lat.: Senex duodecim annorum. (Bovill, I, 152.)
123. Kein Jahr hat zwei Sommer.
Aber wir haben zuweilen Jahre, die im strengen Sinne des Worts gar keinen haben.
124. Man darf kein Jahr warten, um zu wissen, ob ein Kraut (Baum) Frucht bringen wird.
Schon am Kinde bemerkt man die Anlagen zu einem rechtschaffenen Menschen.
125. Man hat allemal mehr Jahre und Sünden als man bekennt. – Winckler, XVIII, 100.
126. Man hat wol alle Jahre, aber nicht alle Tage Geld.
Von den Beamten oder auf festen Gehalt angestellten Personen entlehnt, welche nur zu bestimmten Zeiten Hauptausgaben berichtigen können, weil ihre Einnahme ebenfalls nicht alle Tage, sondern monatlich, vierteljährlich u.s.w. erfolgt.
127. Man kann das Jahr an keinen Pfahl binden. – Winckler, XI, 77.
Lat.: Annus prae foribus, veteri post terga relicto.
128. Man kommt alle Jahr dem Tode näher.
129. Man soll ein Jahr weder loben noch schelten, ehe es nicht vorüber ist.
Holl.: Spreek geen kwaad van't jaar, dan in het volgende jaar (tot dat het om is). (Harrebomée, I, 354a.) – Teinden jaers sal men ierst hilic loven. (Harrebomée, I, 350.)
It.: Non dir mal dell' anno finchè passato non sia. (Bohn I, 112.)
Lat.: Laudetur thorus primo dum transiit annus. (Fallersleben, 640.)
Port.: Nào digas mal do anno, até que não seja passado. (Bohn I, 285.)
Span.: No digais mal del año hasta que sea pasado. (Bohn I, 235.)
130. Mit achtzehn Jahren wohlgethan, mit zweiundzwanzig geht's noch an, mit dreissig Jahren bewahr' uns Gott, mit sechsunddreissig Kinderspott.
Diesen Spruch fand ich um das Jahr 1863 in einer Zeitschrift auf die Trägerinnen der Amazonenhüte angewandt.
131. Mit den Jahren kommt der Verstand (die Weisheit).
Lat.: Sapientiae aetas condimentum est. (Plautus.) (Philippi, II, 166.)
132. Mit dreissig Jahren ist der Mann schön, mit vierzig Jahren kommt er zu Verstande, mit funfzig macht er Vermögen und speist mit sechzig vom Segen (gibt Feste). (It.)
133. Mit zwanzig Jahren Mädchen, mit dreissig schöne Frau, mit vierzig Vollgestalt (vollen dete Form), mit funfzig alte Närrin bald. (Ven.)
134. Mit zwölf Jahren begräbt man seine Kindheit, mit achtzehn Jahren seine Jugend, mit zwanzig seine erste Liebe, mit dreissig seinen Glauben an die Menschen, mit vierzig seine Hoffnungen, mit funfzig seine Wünsche, mit sechzig begräbt man allmählich seine fünf Sinne.
135. Moren gät hundert Joare weier an. (Marsberg.) – Firmenich, I, 322, 33.
Morgen gehen wieder hundert Jahre an.
136. Nach einem vollen Jahre kommt ein mageres.
137. Nass Jahr ist kalt Jahr und Nothjahr. – Sutor, 970.
138. Neblig Jahr macht fruchtbar gar.
Frz.: Année nubileuse, année plantureuse. (Leroux, I, 61.)
139. Neu Jahr, neu Haar.
Frz.: An de nouveau tout nous est beau. (Leroux, I, 61.)
140. New Jahr, new Gefahr. – Lehmann, II, 426, 73.
141. Nur allein die Jahre bringen Verstand und Haare. – Eiselein, 638.
Lat.: Non venit ante suos prudentia nobilis annos. (Eiselein, 683.)
[990] 142. Olli Joa wiad a Fäld la. (Niederösterreich.) – Frommann, III, 390, 23.
Alle Jahre wird ein Feld leer.
143. Oewert Jahr heft de Foss andre Haar. – Frischbier, 355; Frischbier2, 1784.
144. 'S Johr hed es wits Mul und e grosse Mage. (Luzern.) – Schweiz, II, 243, 28.
145. Sieben Jahr ein Kind. – Eisenhart, 26; Hillebrand, 13.
Dies deutsche Sprichwort ist wahrscheinlich aus dem römischen Rechte entlehnt, weil die Römer die ersten sieben Jahre des menschlichen Lebens die Jahre der Kindheit zu nennen pflegten, obgleich sie auch zuweilen die Kinderjahre weiter hinaussetzen. Vielleicht ist es auch aus der Meinung entstanden, dass alle sieben Jahre mit dem menschlichen Körper eine merkliche Veränderung vorgehe. Es hat die Absicht, die Zeit der Kinderjahre zu bestimmen, da in den Gesetzen manches zum Besten der Kinder verordnet ist. Es scheint dieser Abschnitt auch der günstigste Zeitpunkt für die Schulreife der Kinder zu sein, die leider hier und da früher angesetzt ist.
146. Siebenzig Jahre machens nicht wie fünfzig. – Petri, II, 522.
147. Trocken Jahr kein theures Jahr. (Rhein.) – Boebel, 125.
148. Ueber hundert Jahr haben wir weder Haut noch Haar. – Luther, 390.
In Sicilien: In hundert Jahren, von jetzt ab, sind wir alle ohne Nasen. In Venetien: In hundert Jahren und hundert Monden ziehen die Wasser dahin, wo sie wohnten. (Reinsberg II, 138.)
Holl.: Over honderd jaar zijn wij toch dood. (Harrebomée, I, 351.)
Span.: A cabo de cien años todos seremos calvos. – Antes de mil años todos seremos calvos. (Bohn I, 193 u. 200.)
149. Uebers Jahr hat der Fuchs ander Haar.
150. Uebers Jahr kann man sehen, ob's wird zu schelten sein oder zu loben gehen.
151. Vbers Jahr lobt man erst die Freye (Heirath, Hochzeit). – Henisch, 1207, 62; Petri, II, 554; Lehmann, II, 787, 20; Simrock, 2671.
Lat.: Laudatur thorus primo, cum transit annus. (Sutor, 463.)
152. Viel Jahr sind eine schwere Last. – Petri, II, 573.
153. Viel Jahr, viel Bürden.
Lat.: Est longa vita plena multis casibus. (Henisch, 1414, 2.) – Longaeva vita mille parit molestias. (Seybold, 282; Henisch, 1414, 3.)
154. Viel Jahr vnd Gefahr bringt weissheit gar. – Henisch, 1414, 4; Lehmann, II, 790, 69; Körte, 3128.
Dän.: Mange aar megen møde. (Prov. dan., 3.)
155. Vier Jahre vor dem Gransprung1 und vier Jahre hernach ist lussam2 zu freien. – Eiselein, 256.
1) Dem ersten Barthaar.
2) Lustig.
156. Vier Jahre vorm Bartscheren und vier Jahre hernach ist am besten ein Weib nehmen. – H. von Schweinichen, I, 99; Körte, 3220.
157. Vierzehn Jahr und sieben Wochen.
Also vollkommen heirathsreif. Verdankt seinen Ursprung einer Gellert'schen Fabel, die es auch am besten erklären wird.
158. Vil jar sind nit alweg gut für thorheyt. – Franck, I, 101a; Petri, II, 575; Gruter, I, 68; Lehmann, II, 790, 68.
159. Vil jar, vil gefar. – Franck, I, 80b; Gruter, I, 68; Egenolff, 339b; Petri, II, 573; Henisch, 1414, 1; Philippi, I, 228; Sailer, 70; Winckler, XVII, 97; Körte, 3127.
Lat.: Optimum non nasci, proximum cito mori. (Plinius.) (Philippi, II, 76; Seybold, 419.)
160. Vor hundert Jahren waren wir nicht hier; nach hundert Jahren sind wir nicht hier. – Petri, II, 582.
161. Vor Jahren war gut fahren. – Frischbier2, 1779.
Zum Lobe der »guten alten Zeit«.
162. Wann man ein Jahr vor einem den Hut abgezogen, so sihet man, was hinder jhm ist vnd wie fromb er ist. – Petri, II, 667; Lehmann, 12, 9.
163. Wär nêgenneunzig Jâr deint, het det hundertste kein Brâd. – Schambach, II, 138.
Schildert das traurige Schicksal der dienenden Klasse im hohen Alter.
164. War ver dem verzigste Johr reit, muss noh dem verzigste Johr gieh (gehen). (Nassau.) – Kehrein, VI, 77.
[991] 165. Was hundert iar vnrecht ist gewesen, das wird nie kein stunde recht. – Agricola I, 63; Hollenberg, II, 6; Petri, II, 385; Luther, 73 u. 345; Kreittmayr, 35; Schottel, 1129a; Pistor., IX, 90; Graf, 95, 192; Ramann, Unterr., III, 33; Körte, 3138 u. 3929; Braun, I, 1629.
Deutscher Rechtsgrundsatz wider die römische Verjährungslehre. Was Unwissenheit, Schwäche oder Thorheit der Vorfahren zugelassen, was von diesen die Gewalt erzwungen oder die List erschlichen hat, kann Verstand und Kraft der Nachkommen immer ohne Ungerechtigkeit wieder abstellen. Gegenüber dem ewigen Recht der Völker und der Vernunft gilt keine Verjährung.
166. Was man im ganzen Jahr nicht denkt, wird oft im Augenblick gelenkt.
Wenn sich etwas von Bedeutung unversehens zutrug, pflegte Kaiser Ferdinand I. den Vers zu sagen: »Accidit in puncto quod non sperator in anno.« Bei einer solchen Gelegenheit unterstand sich denn nun eines Tags einer seiner Räthe, der sich manches erlauben durfte, einzufallen: Perditur in puncto quod non reperatur in anno. (Es verliert sich in einem Augenblick, was in einem Jahr nicht kommt zurück.) Da erwiderte der Kaiser schnell: »Ein frommes Gebet und weise treue Räthe können diesem Begegniss sehr oft zuvorkommen.«
167. Was man in einem Jahr kaum hofft, das bringt der Augenblick gar oft.
168. Was man in Jahren nicht konnt' erhoffen, hat der Augenblick getroffen.
Span.: Lo que no acerta en un año, acerta en un rato. (Bohn I, 229.)
169. Was schon vor Jahr und Tag geschehn, das lass nicht wieder auferstehn.
Widerwärtige Dinge, die bereits vergessen sind, soll man nicht wieder auffrischen.
Lat.: Et post malam segetem serendum. (Seybold, 158.)
170. Was vorm Jahre niemand mochte, geht heuer reissend weg.
171. Wat ein Jâr en Fickeln is, is det andere Jâr en Swîn. – Schambach, II, 413.
Was das eine Jahr ein Ferkel ist, ist das andere Jahr ein Schwein. Weniger in dem Sinne: Aus Kindern werden Leute, als um zu sagen: Ein Mensch, der erst einmal angefangen hat, ein ausschweifendes Leben zu führen, namentlich sich dem Trunke zu ergeben, kommt auf diesem Wege schnell weiter.
Holl.: Biggen worden ook zwijnen. (Harrebomée, I, 56b.)
172. Wegen eines einzigen unfruchtbaren Jahres muss man das Säen nicht einstellen.
173. Wei vor fiftig (funfzig) Joahren ritt, mot noa fiftig to faute goan. (Büren.)
174. Wenn auch das Jahr dreihundertfünfundsechzig Tage hat, so hat doch ein Tag nur vierundzwanzig Stunden.
175. Wenn das Jahr dahin, dann lobt man es.
176. Wenn die Jahre gerecht machten, so were der Teuffel der allerheiligst auff Erden. – Petri, II, 644.
177. Wenn in hundert Jahren einmal ein christlicher Mann aufsteht, so will ihn der Papst gleich todt haben.
178. Wenn man die gehörigen Jahre hat, soll man schreiten zur Heirath. (Chin.)
179. Wenn man funfzig Jahre alt ist, muss man die Hosenklappe zumachen und eine Flasche mehr trinken.
Frz.: L'an soixante et douze est grant temps qu'on se house. (Leroux, I, 61.)
180. Wer ein Jahr will lauten schlagen, der mus vier Jahr stellen. – Gruter, III, 105; Lehmann, II, 872, 171.
181. Wer hundert Jahr dênt (dient), hett hundert Jahr Brot. (Rendsburg.)
182. Wer hundert Jahr Käm trinkt, wird alt. (Rendsburg.)
183. Wer im 1586. Jahr nicht stirbt, im 1587. nicht verdirbt, im 1588. nicht wird erschlagen, der wird von grossen Wundern wissen zu sagen. – Pistor., V, 34.
184. Wer im xxiij iar nicht stirbt vnd im xxiiij nicht ertrinkt, vnd im xxv nicht wird erschlagen, der mag wol sagen von guten tagen. [992] – Agricola I, 240; Egenolff, 128b; Pistor., V, 54; Fabricius, 75.
Eine sprichwörtlich gewordene Prophezeiung aus dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts, die sich auf die Jahre 1523-25 beziehen soll und von welcher schon Agricola behauptet, dass sie durch die in diesen Jahren stattgefundenen Ereignisse, z.B. den Bauernkrieg, vollkommen in Erfüllung gegangen sei, obgleich für 1524 eine Sündflut vorhergesagt war, die aber der Ausleger als völlig eingetroffen durch das im Bauernkrieg vergossene Blut erklärt. Dieser Aberglaube ist in der Folge vielmal und auch ums Jahr 1836 wieder aufgewärmt worden und hat stets Vertheidiger gefunden; denn es gibt zu allen Zeiten Propheten wie einfältige Leute, die an sie glauben.
Holl.: Wie in zijn 23e jaar niet sterft, in zijn 24e niet verdrinkt, en in zijn 25e niet wordt verslagen, die mag wel spreken van goede dagen. (Harrebomée, I, 351b; Bohn I, 343.)
185. Wer in Einem Jahr reich werden will, kommt in sechs Monaten an den Galgen.
Frz.: Qui veut être riche au bout de l'an, sera pendu à la Saint-Jean. (Cahier, 1541.)
Holl.: Die binnen 't jaar wil alles vangen die megt wel vóór den winter hangen. – Die rijk wil worden binnen een jaar, maakt, dat hij hangt binnen zes maanden. (Harrebomée, I, 349a u. 349b.)
It.: Qui queret irrichire ind' unu annu, morit in bator meses.
Span.: Quien en un año quiere ser rico, al medio le ahorcan. (Cahier, 3685.)
186. Wer in Einem Jahre will reich werden, ist schon halb gefangen. – Winckler, XVIII, 21.
187. Wer in seinem dreissigsten1 Jahr nichts weiss, im vierzigsten nichts ist, im funfzigsten nichts hat, der lernt nichts, wird nichts und kommt zu nichts. – Simrock, 5298; Körte, 3137; Reinsberg I, 129; Braun, I, 1628.
1) Winckler (XIV, 80) beginnt mit dem zwanzigsten Jahre; ebenso Palatina, 1859, 338b.
Mhd.: Sun drîzic jâr ein tore gar, der muoz ein narre fürbaz sîn. (Winsbeke.) (Zingerle, 77.)
Böhm.: Kdo v třidcátém roce bez rozumu, a v čtyřidcátem nebohat, tomu nelze čeho se dočekat. (Čelakovský, 203.)
Engl.: He that is not handsome at twenty, not strong at thirty, not rich at forty, not wise at fifty, will never be handsome, strong, rich, or wise. (Gaal, 960.)
Holl.: Wie op zijn 30e jaar niets weet, op zijn 40e niets is en op zijn 50e niets heeft, die leert niets, wordt niets en komt tot niets.
It.: Che di venti non è, di trenta non sà, di quaranta non ha, mai non sarà, nè mai saprà, nè mai avrà. (Gaal, 960; Bohn I, 79.)
Poln.: Kto w dwudziestu leciech za łeb niepójdzie, do šmierci niepójdzie. (Čelakovský, 203.)
Span.: Quien á los veinte no entiende, á treinta no sabe y á cuarenta no tiene, ruin vejez le espera. – Quien á treinta no asesa, no comprarà dehesa. (Bohn I, 246.)
Ung.: Ki tiz esztendös koráig nem ártatlan, húszig nem szép, harminczig nem erős, negyvenig nem okos, ötvenig nem gazdag, hatvanig nem szent, azután se lesz. (Gaal, 960.)
188. Wer in vier Jahren keinen Zins erhaust, an dem ist ein längeres Warten verloren. – Graf, 480, 679.
»Welicher in vier Jahren nit einen Zinss zuo bezahlen erhuset, das ein mehreres warten an ihmme verlohren.« (Schauberg, I, 353.) Das Wort ist gegen die trotz eines rechtskräftigen Erkenntnisses noch seitens des Landesfürsten bewilligte Zahlungsfrist gerichtet und sagt: wer in vier Jahren seine Verbindlichkeiten nicht erfüllt, sie auch im fünften nicht erfüllen werde. (S. Quinquenellen.)
189. Wer in zwanzig Jahren nicht wird schlank, und in dreissig Jahren nicht wird krank, und in fünfunddreissig Jahren nicht wird stark, und in vierzig Jahren nicht wird karg, und in fünfundvierzig Jahren nicht hat Muth, und in fünfundsechzig Jahren nicht hat Gut, und in fünfundsiebzig Jahren nicht wird weis', und in fünfundachtzig Jahren nicht wird greis, und in fünfundneunzig Jahren nicht gefangen, und in hundert Jahren nicht erhangen, und soll das alles überleben, so hat ihm Gott viel Glück gegeben. – Schaltjahr, II, 157.
190. Wer mir vorm Jahr das ganze Haupt anbot, der gibt mir heuer kaum ein Haar davon.
191. Wer mit achtzig Jahren Musik lernt, kann am jüngsten Tage aufspielen.
192. Wer mit sechzig Jahren eine junge Frau heirathet, ladet den Tod zu Gaste. – Sailer, 194.
[993] 193. Wer mit vierzig Jahren anfängt zu geigen, kann zum Jüngsten Tag die Ouverture spielen.
Ein hebräisches Sprichwort sagt: Wer mit 24 Jahren anfängt ein Instrument zu spielen, kann sich am Jüngsten Tage hören lassen. (Cahier, 2540.)
194. Wer mit zwanzig Jahren leeren Kopf, hat mit dreissig leeren Topf.
It.: Chi di venti non sà, di trenta non hà. (Cahier, 3090.)
195. Wer neun Jahr gut dient und eins schlecht, ist zehn Jahr ein schlimmer Knecht.
196. Wer über dreissig Jahre kommt, der erfährt alle Tage was Neues.
197. Wer vor dem vierzigsten Jahre fährt, muss nach dem vierzigsten Jahre zu Fuss gehen. – B. Auerbach, Auf der Höhe, III, 220.
198. Wer vor zwentzig iaren nicht schon wirt vnd vor dreyssig iaren nicht starck, vor viertzig iaren nicht witzig, vor funfftzig iaren nicht reych, an dem ist hopfen vnd maltz (oder: alle Hoffnung) verloren1. – Agricola I, 296; Egenolff, 172b; Schottel, 1133b; Gruter, I, 83; Simrock, 5197; Körte, 3136; Reinsberg I, 129.
1) In Luther's Tischreden (117b) lautet der Schluss: »der mag sich seines Glückes wohl erwegen.« Görres (Epigonen, Leipzig 1846, I, 100) sagte einmal: »Wer sich nicht im zehnten Jahre mit allen Gassenjungen herumbalgt und nicht im zwanzigsten Jahre wieder ein Republikaner ist, aus dem wird nichts.« – »Wer nicht bei zwanzig schön von Angesicht, wem nicht bei dreissig schon erstarkt die Glieder, wem es bei vierzig noch an Witz gebricht und wem bei funfzig mangeln Hab und Güter; der quäle sich mit eitler Hoffnung nicht. Er ist zur unglückseligen Zeit geboren, zu keinem Glück der Erde auserkoren.«
Dän.: Hvo ei bliver smuk for tyve aar, stærk for tredive, klog for fyrgetyve aar, rig for halvtredsindstyve aar, bliver siden neppe anderledes. (Prov. dan., 515.)
Engl.: He that is not handsome at twenty, not strong at thirty, not rich at fourty, not wise at fifty will never be handsome, strong, rich, or wise. (Eiselein, 346.)
Frz.: Qui n'est riche à vingt ans, qui à trente ans ne sçait et à quarante n'a de sa vie riche, ne sera et jamais ne sçaura et n'aura. (Leroux, II, 305.)
Holl.: Wie vóór zijn 20e jaar niet zuiver is, vóór zijn 30e jaar niet sterk, vóór zijn 40e jaar niet verstandig, en vóór zijn 50e jaar niet riek, aan dien is alle hoop verloren. (Harrebomée, I, 351b.)
Lat.: Si quis ad vigesimum usque annum non formosus factus fuerit, ad trigesimum robustus, ad quadragesimum prudens, ad quinquagesimum dives, ille non facile speret se post assecuturum illa. (Eiselein, 346.)
Span.: Quien a treinta años no tiene seso, y a cuarenta prosperidad; no puede bien á otro heredar. (Cahier, 3740-41.) – Quien á veinte no es galan, ni á treinta tiene fuerza, ni á cuarenta riqueza, ni á ciucuenta esperiencia, ni será galan, ni fuerte, ni rico, ni prudente. (Bohn I, 246.)
199. Wer sechzig Jahre auf dem Rücken, pflegt mehr nach dem Kissen als nach Hasen zu gucken.
Holl.: Die vijftig jaar oud is, dient meer naar een kussen, dan naar een' haas te zien. – Die zeventig jaren telt, dien stelt men niet meer tot voogd aan. (Harrebomée, I, 349b.)
200. Wer will ein Jar gut leben haben, der nem ein Ehefraw (Weib). – Henisch, 798, 30; Petri, II, 779; Gaal, 1673.
201. Wer will viel Jahre zählen, lass sich keine Sorgen quälen.
202. Wie es vor tausend Jahren war, so ists noch hewr dieses Jahr. – Petri, II, 789.
203. Wilt ein halb Jahr frewden treiben, so magstu auff gerathwohl Weiben. – Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 76.
204. Zehen iar ein kindt, zwentzig iar ein iungling, dreyssig iar ein man, viertzig iar wolgethan, funfftzig iar stille stahn, sechtzig iar geht dichs alter an, siebentzig iar ein greyss, achtzig iar nymmer weiss, neuntzig iar der kinder spott, hundert iar genad dir gott! – Agricola I, 297; Franck, II, 74; Egenolff, 173; Gruter, I, 87; Henisch, 1739, 7; Pistor., II, 20; Bücking, 79; Ramann, Samml., I, 1; Sailer, 109; Eiselein, 347; Simrock, 5199; Körte, 3135; Frischbier2, 1780.
Eintheilung der Lebenszeit in Altersstufen, die nach den Gesetzen besondere Rechte und Vorzüge besitzen, [994] daher der Richter im Beurtheilen der menschlichen Handlungen auch auf das Alter der Menschen sein Augenmerk richtet. Jul. Weber bemerkt: »Meine lieben Juristen sind so milde, dass sie der männlichen Jugend 28 Jahre Zeit bis zum Manne lassen, in siebenjährigen Zwischenräumen – infans, puer, adolescens, juvenis, vir. Im zwanzigsten ungefähr fängt die Vernunft an, die Oberhand zu erlangen, im vierzigsten die Klugheit (Schonung anderer um unsertwillen), im sechzigsten, wenn wir bald daran müssen, die Weisheit, und das nicht immer.« (Demokritos, II, 224.)
Dän.: Ti aar et barn, tive aar ung karl, tretti aar en mand, fireti god forstand, femti stille staaer, sexti alder faaer, syvti hvid og graae, otti kand ei for staae, nitti barn igien, hundrede ad graven hen. (Prov. dan., 3.)
Frz.: Enfant, grandet, adolescent, ieune, home, parfaict, viel, decrepite. (Bovill, III, 188.)
Lat.: Infans, inde puer, adolescens, post iuvenis, vir, senes decrepitus. (Bovill, III, 188.)
205. Zehn Jahr Besitz ist so gut als ein Friedbann. – Graf, 95, 181.
Eine von den verschiedenen Verjährungsfristen, die unter dem Einflusse des römischen Rechts zur Geltung gekommen sind.
Altfries.: X jeer besitinghe is ney da riucht also gued so en ferdbann. (Hettema, XXXVI, 11.)
206. Zehn Jahr ein Kind, zwanzig das wilde Ding, dreissig ein Mann, vierzig ein Stamm, funfzig mag noch stehen, sechzig abwärts gehen, siebzig alter Greis, achtzig vor allem weiss, neunzig ein Spott, hundert da Gnad' ihm Gott. – Schmeller.
207. Zehn Jahr ein Knab', zwanzig Jahr ein Jüngling, dreissig Jahr ein Mann, vierzig Jahr Stillstand, funfzig Jahr tritts Alter an, sechzig Jahre ein Greis, siebzig Jahre weiss, achtzig Jahre Kinderspott, neunzig hohe Gnad' von Gott, hundert Jahr mit der Axt vorn Kopp. – Frischbier2, 1780.
208. Zehn Jahr kindisch und klein, zwanzig Jahr ein Jungfräulein, dreissig Jahr eine Frau Simon, vierzig Jahr eine Matron', funfzig Jahre voll Religion, sechzig Jahr wol auswarten kann, siebenzig Jahr viel hässlicher noch, neunzig Jahr der Welt schab ab, hundert Jahre füllet das Grab.
Noch mag hier ein anderer, wenn auch nicht sprichwörtlicher Reim Platz finden: »Die ersten zehn Jährechen galt's Kupferstich und Märchen. Von zehn Jahren bis zwanzig, da liebte Spiel und Tanz ich. Von zwanzig bis zu dreissig, trank, küsst' und scherzt' ich fleissig. Von dreissig bis zu vierzig, der Lebensfreund geniert sich. Von vierzig bis zu funfzig, da zeigt wol die Vernunft sich. Doch komm' ich bis zu sechzig und sehe Wein, so lechz' ich. Auch zeigt mein Herz bei siebenzig, noch seinen Freunden liebend sich. Wenn's hoch kommt, sind es achtzig; je nun, vielleicht es macht sich. Ich wollt', ich würde neunzig, für meine Kinder einzig. Und brächt' ich's gar bis hundert, drob wär' ich sehr verwundert.« – »Mit zwanzig Jahren zwingst du dich zu weinen, mit vierzigen aber heiter zu scheinen.« (L. Schücking, Welt und Zeit, 21, 823.) Der Franzose stellt folgende Stufenleiter des Alters auf: A vingt ans on dévore le plaisir, à trente ans on le goûte, à quarante ans on le ménage, à cinquante ans on le cherche, à soixante ans on le regrette.
209. Zwê Jôr äm Haus, am dräte nor eraus. – Schuster, 417.
Auf Dienstboten bezüglich.
210. X Jar ain Kitz, XX Jar ain kalb, XXX Jar ain Stier, XL Jan ein lev, L Jar ein fuchs, LX Jar ein wolf, LXX Jar ain katz, LXXX Jar ain hund, LXXXX Jar ain esel, C Jar ain gans. – Haltaus, Liederbuch, LXIX, 2, 13.
*211. Binnen Jahr und Tag.
Dän.: Inden dag og aar. (Prov. dan., 3.)
*212. Das ganze Jahr schicker (betrunken) un am Purim nüchtern. – Tendlau, 885.
Von einem, der die Erwartung insofern täuscht, als er sich anders zeigt, als Sitte, Zeit, Gewohnheit, Umstände erfordern. Das ganze Jahr berauscht (schickor), fröhlicher Laune, und gerade am Purimfeste, wo jeder sich der Freude hingibt, ernst und verstimmt.
*213. Das lass ich ein gutes Jahr bleiben (haben). – Herberger, I, 2, 587.
*214. Das macht mich um ein Jahr älter. – Eiselein, 346.
Lat.: Discedo, crede, senior anno protinus. (Eiselein, 346.)
[995] *215. Dass dich ein böss iar ankomme! – Agricola I, 472; Henisch, 461, 50; für Tirol: Schöpf, 291.
»Das dich ein bös jar an gehe vnd alles übel!« (Comedia Vgolini.). Ein alter sprichwörtlicher Fluch, in dem man wünscht, dass jemand keine gute Stunde haben möge!
Holl.: Dat hem een boos jaar aankome. – Dat u het goede jaar hale! (Harrebomée, I, 348b u. 349a.)
*216. Der wird auch mit vierzig Jahren nicht gescheit. (Oberösterreich.)
*217. Die Jahre melden sich.
Man fühlt das herannahende Alter.
Holl.: De jaren melden sich zelven. (Harrebomée, I, 349a.)
*218. Dies Jahr wächst wenig Wein auf dem Schwarzwalde. – Reinsberg IV, 106; Simrock, 9342.
Ein Scherzwort zur Schilderung des schwarzwälder Klimas, das alle Jahre eintrifft, da auf dem Schwarzwald überhaupt wenig Wein wächst.
*219. Du magst dat gode Jâr dân hebben. – Dähnert, 204a.
Um zu sagen: Du hast das wol nicht gethan.
*220. Ein gut Jahr haben lassen. – Grimmelshausen, Vogelnest, II.
Sich nicht darum kümmern.
*221. Einem ein gut Jahr wünschen.
Dän.: I sige hende saa mangt et godt aar, som linden bær løv, og hinden bær haar. (Prov. dan., 3.)
*222. Einem 's neue Jahr abkaufen. (Oberösterreich.)
Im Böhmerwalde schleicht sich in der Neujahrsnacht der Knecht, welcher zuerst erwacht, zum Bette eines Mitknechts, weckt ihn auf und wünscht ihm Glück zum neuen Jahr. Dieser ärgert sich nun, dass ihm jener zuvorgekommen ist. Einem das neue Jahr abkaufen, heisst, ihm in irgendeiner Angelegenheit zuvorkommen.
*223. Em gruet för ên natt Jâr. – Dähnert, 204a.
Ihm ist vor Schelten und Strafe bange.
*224. Em sull nêge Johr vom Dod dreme. – Frischbier2, 1783.
Eine so derbe Maulschelle (Ohrfeige, Mutzkopf) soll er erhalten.
*225. Enem det noa Jôr ôfgewännen. (Siebenbürg.-sächs.) – Frommann, V, 177, 218.
Einem das neue Jahr abgewinnen, d.h. Herr über ihn werden, ihm zuvorkommen. (S. 222.)
*226. Er hat schon Jahre auf dem Halse.
Ist schon alt.
Frz.: Être sur le penchant de l'âge. (Kritzinger, 14a.)
*227. Er hat viel jar sein zins gegeben. – Eyering, II, 125.
*228. Er ist diss Jahr nicht erst jung worden. – Lehmann, 8, 43.
Von einem Manne, der Erfahrung besitzt.
*229. Er ist ein Jahr zu früh geboren, was er gewinnt, ist alles vorgessen Brot. – Eiselein, 623.
*230. Er (sie) ist in den besten Jahren.
Kraftalter.
*231. Er ist noch nicht vierzig Jahr.
Hat das Schwabenalter noch nicht erreicht, der Verstand kann noch kommen.
*232. Er (sie) ist schon bei Jahren.
Ziemlich alt.
*233. Er ist schon sieben Jahr und hat noch keinen Zahn. (Altgr.)
An Jahren alt, an Verstande jung; lange geharrt und noch kein Ansehen, kein Amt.
*234. Es ist schon über Jahr und Tag. – Eisenhart, 235; Hillebrand, 47.
Von der einjährigen Verjährungsfrist, die bei den alten Deutschen wahrscheinlich in Brauch war, ehe die dreissigjährige nach dem römischen Recht üblich wurde. Das Wort »Tag« hat im Mittelalter ausser der gewöhnlichen Bedeutung auch noch die besondere, dass man darunter die Frist verstand, die einem Verklagten zur Vernehmlassung auf die wider ihn angestellte Klage eingeräumt wurde. Es wird daher nicht einerlei Zeitraum mit dem Worte »Tag« bezeichnet; bald versteht man blos 24 Stunden, bald mehr, und in der Regel einen Zeitraum von 6 Wochen und 3 Tagen darunter, sodass Jahr und Tag so viel ist, wie 1 Jahr 6 Wochen und 3 Tage.
*235. Es wird nicht dreissig Jahre dauern.
Ermunterung zum Ausharren, das Uebel wird vorübergehen.
Mhd.: Die wîsen jehent und ist auch wâr, daz kein unmâze nie gewerte drîzec jâr. (Rinkenberc.) – Kein unvuog weret drîzig jâr. (Boner.) (Zingerle, 77.)
[996] *236. Et is schon in ûlen Jahren as de Kau (Kuh) Bartelt (Bartel) hadde un de Bulle Jaust. (Osnabrück.)
Wird 'denen zur Antwort gegeben, die etwas zu genau wissen wollen.
*237. Hoat mirs doch an Johre nicht su gut geschmackt. – Gomolcke, 424.
Um Genuss und Wohlbefinden zu bezeichnen.
*238. Hochbeende Jaren. – Eichwald, 890; für Mecklenburg: Lauremberg, Anh. II.
D.i. schlechte Jahre, so hochbeinig und dürr wie die Kühe in Pharao's Traum.
*239. Ich will vor zehn Jahren nichts mehr davon hören.
Dän.: Tal mig til om syv aar. (Prov. dan., 3.)
*240. In dem Jahre, da die Pegnitz brannte. (Nürnberg.) – Frommann, III, 355.
Um zu sagen, dass etwas nie geschehen oder dass man nicht wisse, wann es geschehen sei.
*241. Jahr und Tag.
Wird durch altdeutschen Rechtsbrauch erklärt, nach welchem der Frist ein Tag zugegeben wurde, z.B. bei der dreissigjährigen Verjährungsfrist: dreissig Jahre und ein Tag. Jahr und Tag bedeutete aber 1 Jahr 6 Wochen und 3 Tage. Es scheint, dass eine Frist, nach einem alten Meistersange, 1 Jahr 1 Monat 1 Woche und 1 Tag gewährt habe (vgl. Lessing's Werke, X, 2, 11): »sy sprach, jr wert mir geben frist, ein Tag, ein wochen, ein monat und ein Jahr.« – »Vnd sprach, wollt lieber jar vnd tag fünfhundert flor (flöhe) in einem Sack zu velde tragen.« (Waldis, II, 88, 27.)
*242. Jâr ût, Jâr in. – Dähnert, 204a.
D.h. allezeit.
*243. Jemand ins lange Jahr miethen.
*244. Man wird noch nach langen Jahren davon reden.
Lat.: Id fama anus loquetur. (Seybold, 226.)
*245. Neun Jahr im Siebenjährigen Kriege. – Eiselein, 346.
*246. Nun kommen noch sieben schlimme Jahre, dann hört die gute Zeit auf.
Scherzhafte Verzweiflung an einer bessern Zukunft.
*247. Tausend Jahre nach der Ewigkeit.
Wird etwas geschehen, oder bis dahin soll etwas dauern. Zu einer Person, die in einem Augenblicke des Zorns versichert, dass sie niemals an einen bezeichneten Ort wieder hingehen werde und wenn sie auf hundert Jahre lebte, pflegt der Franzose zu sagen: Cent ans ce n'est guère, mais jamais c'est beaucoup.
*248. Ueber ein Jahr wollen wir sehen, ob er zu loben oder zu schelten sei. – Sailer, 326.
Von einem neugewählten Beamten oder Diener.
*249. Ueber hundert Jahre kommen die Heiden ins Land!
Von Uebeln, die einen nicht berühren können. »Ich thu's diss Jahr nicht; auffs ander Jahr kommen die Heyden.« (Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 35.)
Dän.: Om hundrede aar hvor ere vi da? (Prov. dan., 3.)
Holl.: Over honderd jaar komen de Heidenen in't land. (Harrebomée, I, 351a.)
*250. Up et Jahr, wenn de Katt Hennrich on de Wasser Wölk hêt. – Frischbier2, 1785.
Wasser ist ein Hunde-, Wölk ein Personenname.
*251. Vorm Jahre hat's gebrannt, und dies Jahr riecht er es.
*252. Wat to'm goden Jâr? – Dähnert, 204a.
Wird gesagt, wenn man sich über schlechte Handlungen wundert.
*253. Zu Jahren kommen.
Frz.: Décliner sur l'âge. (Kritzinger, 205.)
254. Alle sieben Jahre ändert sich die halbe Welt. – Horn, Spinnstube, 1846, S. 178.
255. Alle Jahre einmal mit vollem Sack ist besser als alle Tag mit leerem Beutel. – Storch, Freiknecht, II, 265.
256. Alle Jahr wird ein Feld lar (leer). – Wirth, 187.
257. Das Jahr bringt Früchte, nicht die Erde (der Boden).
Lat.: Annus fructificat, non terra.
258. Dreiundzwanzig Jahr und nichts für die Unsterblichkeit gethan.
Aus Schiller's Don Carlos in den Volksmann übergegangen, um auszudrücken: Schon so alt, und noch so wenig geleistet.
259. Ein Jahr soll's sein? Ein Blitz war es. – Merx, 28.
So schnell ist's entflohen.
260. Es ist der jar ain kint und der witz ain man. – Zingerle, 88.
261. Ich bin zehn Jahr in Hamburg gewesen, habe stets Stiefeln ohne Sohlen getragen, aber immer 'n Hut, sagte der Bummler zum Schutzmann.
262. Ich bin über meine sieben Jahre hinaus. – Horn, Spinnstube, 1857, S. 42.
Ich bin kein Kind mehr.
263. In dem einen Jahr bekommen die Herren alles und die Bauern nichts, in dem andern bekommen die Bauern nichts und die Herren alles. (Rumänisch.)
Der rumänische Landmann war recht- und besitzlos; die kärgliche Frucht seiner Arbeit musste er mit dem Herrn und dem Popen theilen, eine Theilung, bei der noch heute das obige Sprichwort angewandt wird. (Schles. Presse, 1877, Nr. 318.)
264. In hundert Jahren ist's eins.
In Schwaben als Beruhigungspflaster für alle Versäumnisse oder Misgriffe.
265. In hundert Jahren und hundert Monden kehren die Wasser wieder zurück, wo sie wohnten.
It.: In cent' anni e centi mesi torna l'acqua a' suoi paesi. (Giani, 28.)
266. Jedes Jahr ein gutes End, wenn's Johannesfeuer brennt. – Westböhmische Zeitung, Nr. 24.
267. Mit den Jahren findet sich alles.
268. Mit zwanzig Jahren eine junge Frau, mit dreissig Jahren eine hübsche Frau, mit vierzig Jahren eine gesetzte Frau, mit fünfzig eine welke Frau.
It.: Di venti zittella, di trenta donna bella, di quaranta donna fatta, di cinquanta vecchia molta. (Giani, 557.)
269. Nach den jaren, muss man geparen. – Hofmann, 31, 63.
Danach die Zeit ist, danach muss man sich halten.
270. Nähre mich dies Jahr, ich nähre dich das nächste.
271. Nein, fünf Jahre Aufenthalt, sagte der Sträfling, als der Zug in Jauer hielt, und der Schaffner rief, fünf Minuten Aufenthalt.
272. Was im Jahre nicht kommt, das kommt an einem Tage. – Merx, 259.
273. Wenn das Jahr viel Schwämme bringt, der Landmann dann mit Hunger ringt.
It.: Anno fugato – Anno tribolato. (Giani, 105.)
274. Wer brav in jungen Jahren, schafft Freude seinen grauen Haaren.
Lat.: Juventa bene instituta tibicen senii est. (Sailer, Sprüche, 41.)
[1463] 275. Wer dreissig Jahre alt, nicht besser wird sein, schleppt seine Fehler bis ins Grab hinein.
It.: Chi a trent' anni non è corretto, porta fin al sepolcro il suo difetto. (Giani, 407.)
276. Wer Ein Jahr übel lebt, muss zehn Jahre dafür büssen.
Engl.: He that lives not well one year, sorrows for it seven. (Bohn II, 13.)
277. Wer sehen will ein frühes Jahr, gib fleissig achtung, sag ich fürwar.
»Auff die Plejades, sonst die Gluck Henn genandt, die in dem Stier hat ihren Standt. Dann vor ihrem Vndergang mit der Sonnen Regen, verbringen dess Jahrs reichlichen Segen. Regnet es aber in Vndergangszeit, ein mittelmässigs Jahr bedeut. Regnet es aber nach ihrem Niedergang, bleibt vns ein spat Jahr zum Vnderpfand.« (Lins. Weinmonat.)
278. Wilt du ein gutes Jahr haben, so verheirate dich; wilt du zwei gute Jahr haben, so heirate nicht. – Harssdörffer, 2737.
279. Zehen jar der beste, zwölff jar ein Mörder, zehen ein waiss.
»Vom Keyser Constantinus ist ein gemein Sprichwort gewesen: Zehn jar u.s.w. dass er als viel verschenckt.« (Aventin, CCXLIXb.)
*280. A Juhr mit a Midtwoch. (Jüd.-deutsch. Warschau.)
Zur Bezeichnung eines langen Wartens. Im Talmud heisst es, dass ein Mädchen von ihrer Verlobung bis zur Hochzeit ein ganzes Jahr warten müsse und die Hochzeit einer Jungfrau nur am Mittwoch stattfinden solle. Hat nun das Mädchen ein volles Jahr gewartet, so muss es noch obendrein bis zur nächsten Mittwoch warten.
*281. Das nächste Jahr in Jerusalem.
Ein alter Festwunsch der Juden zum neuen Jahre.
*282. Das tolle Jahr.
So pflegt man von mancher Seite jetzt das Jahr 1848 zu nennen. Uebrigens ist der Ausdruck schon früher vorhanden gewesen.
*283. Die hat Jahre auf dem Buckel. – Klix, 31.
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