[601] Griechenland (Gesch.). I. Älteste Zeit. Die älteste Geschichte G-s u. seiner Bewohner ist in mythisches Dunkel gehüllt. Als Ahnen der späteren hellenischen Abkömmlinge werden verschiedene Völker u. Stämme genannt, die in Zersplitterung lebten, aber mehr od. minder dem Mythus angehören. Neben den unbedeutenden od. bald verschwindenden Namen, wie den Karern u. Lelegern, Kureten, Dryopern, Myrmidonen, Lapithen, Phlegyern, Aonen, Dolopern, traten die der Pelasger u. der Hellenen hervor. Beide Völker gehörten wahrscheinlich demselben Zweige des großen Indogermanischen Stammes an, hatten jedoch getrennt verschiedene Bildung erlangt u. legten erst später nach mannichfaltiger freundlicher; wie feindlicher Berührung, den Grund zur griechischen Nationalität. In früherer Zeit waren die Pelasger (s.d.) vorherrschend; sie hatten ihre Wohnsitze im Peloponnes, finden sich dann aber auch in Attika, besetzten einen Theil von Thessalien, Epiros, Thesprotien, sowie auf mehren Inseln des Ägäischen Meeres, u. erreichten in einzelnen Zweigen selbst die Küsten u. Inseln des westlichen G-s, bis ihr Name allerwärts verschwindet u. ihre Nationalität in die anderer einwandernder Stämme aufgeht. Überall erscheinen die Pelasger als ein gesittetes Volk; sie trieben Ackerbau u. Viehzucht u. pflanzten den Ölbaum zunächst in Attika an; sie bauten Burgen u. gründeten Städte u. Staaten, wie Sikyon u. Argos; von ihnen stammen die Kyklopischen Mauern u. die unterirdischen Bauten in Mykenä u. Orchomenos; sie waren im Besitz einer reineren Auffassung des Göttlichen, unter Anderem versinnlicht in dem Orakel des pelasgischen Zeus in Dodona. Die Ursitze der Hellenen sind in Phokis um den Parnassos zu suchen. Obgleich Anfangs schwach, breiteten sie sich doch unter ihrem mythischen Haupte u. Herrscher Deukalion (nach dessen Sohne Hellen sie sich benannten) bald über ihre Nachbarn aus. Zuerst wandten sie sich in ihren vier Stämmen, den Doriern, Achäern, Ionern u. Äolern (die sich so nach den Söhnen u. Enkeln des Hellen nannten) nach Thessalien u. Phthiotis, dann nach anderen Theilen des Landes. Von den Äolern, die sich zuerst abtrennten, wurden Theile Thessaliens (Iolkos u. Pherä), Pierien u. Päonien, ein Theil von Epiros, ferner der Isthmus von Korinth u. im Peloponnes Striche von Elis, Argolis u. Messenien hellenisirt. Die Ioner besetzten Attika, Agialea u. andere Theile des Peloponnes, im eigentlichen Hellas Böotien, Phokis, Ätolien, Akarnanien, sowie die Inseln Euboä u. Kephalonia, wurden aber später durch die Dorier wieder von dem griechischen Festlande verdrängt, worauf sie in Ionien an der Westküste Kleinasiens neue Wohnsitze fanden. Die Achäer siedelten sich Anfangs in Argolis u. Lakonika wieder an, wurden aber ebenfalls später durch die Dorier verdrängt, worauf sie sich in dem damaligen Ionien festsetzten, das nach ihnen dann den Namen Achaia führte. Die Dorier als selbständiger Stamm, gebieten zuerst in den Landschaften Phthiotis u. Hestiäotis, verbreiteten sich aber am Pindos bis nach Macedonien hinein; ein Theil gründete hierauf die Doris Tetrapolis, von wo aus sie später unter den Herakliden ihre Züge nach dem Peloponnes unternahmen. Diese Wanderungen der Stämme müssen zwischen dem 16. u. 14. Jahrh. v. Chr. stattgefunden haben. In denselben Zeitraum fällt auch die Beimischung orientalischer Elemente, welche die Mythe als Einwanderungen aus Asien u. Afrika dargestellt hat. So wanderten Kekrops (um 1550) in Attika u. Danaos (um 1500) aus Ägypten ein, Pelops aus Phrygien u. Kadmos aus Phönicien. Wurden durch diese Berührungen mit dem civilisirteren Orient den Griechen auch neue Bildungselemente von großem Einfluß zugeführt, so wirkten diese doch nicht störend auf die Originalität des griechischen Geisteslebens. Schreibkunst, Getreide- u. Weinbau fing an, die Kunst, Pferde zu bändigen u. vor die Wagen zu spannen, wurde geübt (Erechtheus) u. die Bearbeitung der Metalle (Kupfer u. Eisen) war schon von Kadmos u. den Idäischen Daktylen gelehrt; durch die Vereinigung mehrerer Dörfer entstanden Städte (Kekropia, Kadmea u.a.) u. mit ihnen städtische Gewerbe u. Verkehr nach Maß u. Gewicht. Minos I. von Kreta hielt zuerst eine Flotte im Ägäischen Meer gegen die Karer u. Phönicier, Handel u. Schifffahrt gediehen seitdem; verschiedene Künste des gesellschaftlichen Lebens wurden von Dädalos u. seinen Schülern erfunden, od. um diese Zeit den Griechen bekannt; Orpheus führte Götterlehre u. symbolische Religionsgebräuche ein; das Orakel in Dodona u. die Pythia in Delphi wurden befragt u. in den Mysterien in Eleusis u. durch die Priesterfamilie der Eumolpiden daselbst entwickelte sich der Glaube an Gott u. Unsterblichkeit; Dichter, welche zur Lyra sangen, wurden auch die ersten Lehrer der Griechen u. die Gesänge dieser Naturweisen von Musäos, Amphion, Linos, Thamyris u. And. durch Tradition od. in Volksliedern fortgepflanzt. Einzelne große u. tapfere Männer (Heroen) machten sich um die Sicherheit der Länder u. deren weitere Cultur verdient, wie Perseus, Herakles, Theseus; den Ruhm ihrer Thaten befangen Dichter, die Sage erhob sie zu Halbgöttern u. sie wurden sogar Gegenstände der öffentlichen Verehrung (vgl. Griechische Mythologie). Die Jahrhunderte dieser Halbcultur (14001200 v. Chr.) sind das Heroische Zeitalter G-s. Der Argonautenzug (s.d.) in der Mitte des 14. Jahrh., wozu sich G-s Helden[601] vereinigten, war ein Raubzug nach Asien, den die Nachwelt hinsichtlich seiner Theilnehmer u. deren Rückkehr auf das Willkührlichste erweitert hat. 1320 v. Chr. war der Thebanische Krieg u. 1307 der Zug der Epigonen gegen Theben (s.b.).
II. Vom Trojanischen Kriege bis zu den Perserkriegen. Die erste gemeinsame That der damals bedeutenden hellenischen Stämme war der Trojanische Krieg (s. d) 12943284 v. Chr., ein Rachezug gegen Paris, Sohn des trojanischen Königs Priamos, unternommen, welcher des spartanischen Königs Menelaos Gemahlin, Helena, entführt hatte. Dieser Krieg machte in der griechischen Geschichte Epoche; denn mit Trojas Zerstörung beginnt die historische Zeit G-s. Fast eben so wichtig für G. wurde die Rückkehr der Herakliden. Diese Herakliden waren die Nachkommen des Herakles; dieser ihr Ahn hatte ihnen Ansprüche auf die meisten peloponnesischen Staaten, bes. auf die des Eurystheus, Königs von Mykenä, hinterlassen. Schon Hyllos, Sohn des Herakles, u. nach ihm Kleodäos, Sohn des Hyllos, u. Aristomachos, Sohn des Kleodäos, suchte gegen Eurystheus u. dessen Nachfolger, Atreus, die väterlichen Ansprüche geltend zu machen, jedoch vergebens. Endlich gelang es den Söhnen des Aristomachos, an der Spitze eines großen Heeres Dorier u. Ätoler, um 1190 festen Fuß im Peloponnes zu fassen. Von diesen eroberte Temenos Argos, Aristodemos aber Lakonika, dessen Eroberung jedoch, da er selbst gefallen war, seine Söhne Eurysthenes u. Prokles vollendeten; Kresphontes endlich eroberte Messenien. Die Achäer, die sich nicht unterwarfen, zogen nach der Nordküste des Peloponnes, wo sie die Ioner nach Attika drängten. Dort wurde ihr östlicher Nachbar Aletes, ein Seitenverwandter des Herakles, welcher mit den Herakliden zurückgekommen war u. sich jn Korinth festgesetzt hatte; endlich besetzten die Ätoler unter Oxylos einen Theil von Elis. Diese 5 Reiche waren die ältesten G-s. In Folge der Rückkehr der Herakliden geschahen auch die Auswanderungen vieler Griechen nach der Küste Kleinasiens, sie stifteten dort die drei Bundesstaaten Äolis, Ionia u. Doris. Nach der Wiederherstellung eines beharrlichen Ruhestandes trat in G. eine neue politische Ordnung der Dinge ein; jede Stadt war der Mittelpunkt eines Freistaates, u. eine Menge kleiner Republiken entstanden neben einander; sie waren einzeln an Sitten, Gesetzen u. Einrichtungen sehr verschieden, aber alle waren von regem Freiheitssinn u. von einem Nationalegoismus beseelt, der sie alle andere Völker außer sich als Barbaren ansehen ließ. Ungeachtet die Griechen durch so viele Regierungen von einander abgesondert waren, so verknüpften Nationalbande sie doch wieder zu einem Ganzen, so eine gemeinschaftliche Sprache, das Staatsorakel in Delphi, die heiligen Kampfspiele, bes. die Olympischen (s.d.), u. die verschiedenen Amphiktyonenbünde (s.d.). Doch waren die kleinen Völkerschaften zu keinem System föderirt, noch hatten sie sich einander ihre Verfassung, ihr Gebiet, ihre Freiheit u. Unabhängigkeit garantirt u. daher sich weder gegen auswärtige Mächte, noch gegen innere Usurpatoren (Tyrannen) geschützt. Nur durch den Geist der beiden anführenden Staaten, Sparta u. Athen, die durch ihr Übergewicht (Hegemonie) gleichsam die Nation ausmachten, durch ein gewisses Kraftgefühl u. bisweilen durch ein gemeinschaftliches Interesse, welches aus dem Bedürfniß der Vertheidigung bei äußeren Angriffen entstand, wurde dieser Mangel allgemeiner Staatsverbindung ersetzt. Sparta legte durch die Eroberung von Messenien, nach 50jährigem Kampfe (Messenische Kriege, s.d.), den Grund zu seiner politischen Größe. Athen war der Schauplatz innerer Parteistreitigkeiten zwischen Volk u. Aristokraten, bis sich Pisistratos der Oberherrschaft bemächtigt hatte (561 v. Chr.). Die Unruhen, welche nach Vertreibung der Pisistratiden die Republik aufs Neue erschütterten (510 v. Chr.), so wie die kleinen Kriege, in welche die Athener wegen Hippias mit den Lacedämoniern verwickelt wurden, hatten das Gute für die Griechen, daß sie ihre Kräfte in Thätigkeit erhielten u. sie zum großen Kampf für Freiheit u. Vaterland vorbereiteten.
III. Von den Perserkriegen bis zum Ende des Peloponnesischen Krieges. In den langen Perserkriegen (s.d.) seit 493 zeigten die Griechen die heldenmüthigste Anstrengung ihrer Kräfte. Ausgenommen die Thessaler, Böoter u. Lokrer, schlossen sich nach u. nach (bis zum Jahr 480) alle Staaten G-s den Athenern u. Spartanern an. Zu der gemeinschaftlichen Armee u. Flotte gegen Persien gab jeder Staat Schiffe. Mannschaft u. Geld; von dem letzteren, welches durch die Hellenotamiä einkassirt wurde, bildeten sie einen Schatz, der 469 auf Delos niedergelegt u. unter Leitung der Athener verwaltet wurde. Die Siege, welche sie erfochten, gaben dem hellenischen Geist den hohen Schwung, daß er größtentheils erst nach dieser Zeit in veredelndem Hochgefühl die vollendeten Werke der Schönen Künste schuf, welche Jahrhunderte hindurch die ideale Norm für Alles geblieben sind, was auf anderem Boden für Wissenschaften u. Künste blühete u. reiste. Aber jene Siege, die ihren Namen verewigt haben, entwickelten auch den ersten Keim des Sittenverderbnisses, u. das Ende der Persischen Kriege ist der Anfang der Ausartung der Griechen. Die reiche Beute, welche sie von den Asiaten gemacht hatten, erweckte in ihnen den Hang zur asiatischen Üppigkeit. Sie lernten durch die Ausbreitung der Schifffahrt u. Handlung die Gegenstände des verfeinerten Lebensgenusses kennen u. den Reichthum als ein Mittel, die neuen Bedürfnisse zu befriedigen. Selbst die Nationalzusammenkünfte bei den heiligen Spielen singen an schädlich zu werden, indem sie dem Luxus Nahrung gaben u. durch ihren Aufwand die Kassen der Staaten u. der einzelnen Familien erschöpfen halfen. Mit der Furcht vor fremder Unterjochung, welche G. in Einigkeit erhalten hatte, verschwand der innere Friede. Überall war die Volksregierung die Quelle unaufhörlicher Zwistigkeiten in den Städten u. die Ursache immer weiter verbreiteter Unruhen. Die Griechen hatten seitdem kein gemeinsames, sondern stets ein getheiltes Interesse u. Vaterland; jeder Bürger liebte vorzugsweise nur den kleinen Staat, bei welchem er selbst mitwirkendes Glied war. Hierdurch wurden häufige Collisionen u. gegenseitige Spannungen der Nachbarstaaten unvermeidlich. Diese verschiedenen politischen Interessen trennten u. entzweiten G. mit den beiden Hauptstaaten, Sparta u. Athen. Jenes hatte, um seine Grundverfassung zu erhalten, auf jede [602] Idee von Vergrößerung Verzicht gethan u. daher keinen Antheil an der weiteren Fortsetzung des Krieges gegen die Perser genommen, dadurch aber hatte Athen die Herrschaft zur See (Thalassokratie) gewonnen. Sein Glück u. der Reichthum, der ihm dadurch zugeflossen, erhöhte, zumal unter Perikles, das Vertrauen auf seine Kräfte, aber auch seinen Übermuth gegen andere griechische Staaten, wie Megara, Samos, Byzanz, Korinth. Sparta sah sich seines Vorranges beraubt u. G. mit Unterdrückung bedroht. Der Peloponnesische Krieg brach aus (431 v. Chr.), u. die Hegemonie, welche Athen seit Aristides behauptete, u. die so viel Besorgniß erregt hatte (470406 v. Chr.), ging nach der Demüthigung Athens an die Spartaner über (404371 v. Chr.), unter deren härterem Joch sofort die eroberten Inseln u. Städte seufzten, u. deren Habgier jetzt um so unersättlicher war, da Lykurgs Gesetze nicht mehr galten u. der Krieg gegen Persien ungewöhnliche Hülfsmittel erheischte.
IV, Vom Peloponnesischen Kriege bis zur Übermacht Macedoniens. Im Korinthischen Kriege (394 v. Chr.) siegte Sparta über die verbundenen Griechen bei Koronea u. rächte sich an ihnen durch den schimpflichen Antalkidischen Frieden (s. Lakonika [Gesch.]), dessen Vollziehung den Spartanern überlassen wurde, die auf diese Weise ihr verhaßtes Ansehen in G. erhielten. An dem gemißhandelten Theben brach sich ihre Macht (Thebanischer Krieg, s.d.); mehr noch sank dieselbe nach dem Verlust von Messenien. Ihre Stelle in der Hegemonie nahmen sofort die Thebaner ein (371362 v. Chr.), aber nur so lange, als Epaminondas lebte, auf dem allein ihre Stärke ruhte. Mit seinem Tode erlosch auf kurze Zeit der Bürgerkrieg in G., an dessen Grenze sich aber unterdeß eine Macht gebildet hatte, die zwar als barbarisch verachtet, doch bald den Griechen furchtbar wurde. Philippos von Macedonien machte den Anfang zur projectirten Unterjochung G-s mit der Wegnahme von Amphipolis u. einiger anderen griechischen Besitzungen an der thracischen Küste, wodurch er sich die See öffnete. Athen, für dessen Handel sie wichtig waren, befand sich außer Stand, Philipps erste Feindseligkeiten zu hindern, denn es war in den Krieg (Bundesgenossenkrieg, 358356 v. Chr., s. Athen, Gesch. IV.) gegen Byzanz u. die Inseln Chios, Kos, Samos, Rhodos verwickelt, die sich seiner Herrschaft zu entziehen suchten, u. mußte zuletzt mit ihnen auf, von den Bundesgenossen vorgeschriebene Bedingungen Frieden schließen, weil der persische König mit Hülfsleistung drohte. Im Phokischen Kriege (s.d.), der hierauf G. verheerte (356346 v. Chr.), nahm Philipp gegen die Phokäer u. deren Bundesgenossen, die Athener, um so lieber Antheil, weil er sich unter religiösem Vorwand einmischen u. Olynthos u. der übrigen Städte auf Chalkidike sich bemächtigen konnte, wodurch er sich den Weg nach G. bahnte. Vergebens kämpfte Demosthenes gegen die Indolenz seiner ausgearteten Landsleute; während Athen sich durch trügerische Unterhandlungen einschläfern ließ, hatte Philipp seine Eroberungen gesichert. Ohne Widerstand ging er durch die Thermopylen, versammelte in Delphi die Amphiktyonen u. ließ über Phokis das Strafurtheil sprechen, wodurch es seine 2 Stimmen auf dem Reichstag verlor, die nun Macedonien erhielt, das sich so unmittelbar in die inneren Staatsangelegenheiten der Griechen mischen u. durch seine Bundesgenossen, die Thebaner u. Thessalier, die Beschlüsse des Reichstages lenken konnte. Philipps geheime Agenten u. bestochene Anhänger in allen beträchtlichen Städten unterließen außerdem nichts, den Einfluß zu vermehren od. widerrechtliche Eingriffe der Macedonier zu entschuldigen. Phokion hemmte noch die raschen Fortschritte der macedonischen Waffen auf Euböa u. gegen Byzanz u. rieth zum Frieden mit Philipp, selbst als dieser ins Herz von G. eingedrungen war u. Elatea überfallen hatte. Aber die Einnahme dieser Stadt u. der Aufruf des Demosthenes setzte G. auf einmal in Bewegung. Athener, Thebaner, Achäer, Korinthier u. andere Völker vereinigten ihre Heere auf dem Schlachtfelde bei Chäronea, aber Philipps Sieg den 3. Aug. 338 v. Chr. wurde das Grab der griechischen Freiheit u. der Anfang der macedonischen Herrschaft in G.
V. G. unter Macedonischer Oberherrschaft. König Philipp versammelte sofort die griechischen Abgeordneten in Korinth u. ließ sich zum Oberfeldherrn der griechischen Bundesarmee ernennen, womit er die Griechen an den Persern rächen wollte (336 v. Chr.). Die Eroberung G-s war aber seinem Sohne, Alexander dem Großen, vorbehalten, dem sich G. nach Thebens Schicksal (335) aufs Neue unterwerfen mußte. Allein nach seinem Tode u. bei den fortwährenden Streitigkeiten seiner Feldherren versuchte es G. vergebens wieder, sich zur Unabhängigkeit zu erheben. (322 v. Chr., Lamischer Krieg, s.d.), denn die getheilten u. übel geleiteten Versuche zur Wiedererlangung der Freiheit stürzten es nur tiefer in die Knechtschaft; bes. Athen mußte die Rache des Siegers empfinden, das aber auch keiner Freiheit mehr fähig war. Seitdem Antigonos Gonatas die macedonische Oberherrschaftwieder hergestellt hatte (266 v. Chr.), wurden die Griechen nach der Zerstückelung des Reiches Alexanders des Großen unter seine Heerführer unter dem Titel von Bundesgenossen wie Untergebene behandelt u. geschützt, selbst diejenigen, welche sich in vielen Städten der Regierung bemächtigt hatten. Gegen sie erhob sich mitten unter den Trümmern der. Peloponnesischen Republiken der Achäische Bund (s.u. Achaia [Gesch.]) u. schien neben dem Ätolischen Bunde (s.u. Ätolien [Gesch.]), die letzten Strahlen von Freiheit über G. zu verbreiten u. die Unabhängigkeit gegen Macedonien zu behaupten; allein die Eifersucht wurde bald die Klippe, woran beide Bünde scheiterten, denn sie entzündete nicht nur den Kleomenischen Krieg (227 bis 222 v. Chr.), u. Aratos selbst rief die Macedonier zu Hülfe u. räumte die Feldherrnstelle lieber dem König Antigonos Doson, als seinem Nebenbuhler Kleomenes III. von Sparta ein; sondern sie erzeugte auch (221217 v. Chr.) den Ätolischen od. Bundesgenossenkrieg (s.d. 2), wodurch Macedonien seine Oberherrschaft befestigte (Vergleich in Naupaktos). Unterdessen waren die Römer auf die griechischen Angelegenheiten aufmerksam geworden u. wußten sich bald einen Anhang zu verschaffen. Ganz G. theilte sich nun (211 v. Chr.) in die römische (ätolische) u. macedonische (achäische) Partei. Die letztere behielt (206 v. Chr.) unter ihrem Feldherrn Philopömen die Oberhand, da die Ätoler nicht hinlänglich von den Römern unterstützt wurden, welche bald darauf mit Philipp[603] IV. von Macedonien in Kampf geriethen u. ihn mit Beistand der Griechen bei Kynoskephalä (189 v. Chr.) bezwangen. Der macedonische König mußte im Frieden die Räumung aller griechischen Plätze versprechen, u. der römische Proconsul Q. Flamininus ließ bei der Feier der Isthmischen Spiele die Freiheit der griechischen Staaten ausrufen. Die Ätoler, hiermit unzufrieden u. durch das stolze Benehmen der Römer aufgebracht, riefen den König Antiochos den Großen von Syrien zur Befreiung G-s, mußten sich aber nach der Übergabe von Ambrakia Rom unterwerfen (189 v. Chr.). Hingegen stand damals der Achäische Bund im höchsten Ansehen, selbst Sparta hatte ihm nach dem Tode des Tyrannen Nabis beitreten müssen, u. die Könige von Syrien u. Ägypten verbanden sich mit ihm. Roms Eifersucht erwachte u. suchte die Achäer durch Uneinigkeit u. Trennung zu schwächen; Messenien u. Elis fielen ab, u. Philopömen st. (183 v. Chr.). Im Krieg gegen Perseus erklärten sich die Achäer für die Römer, die aber keine Hülfe von denselben annahmen, sondern sie nach der Niederlage des Perseus wie Unterthanen u. Tausende derselben, die man als macedonisch gesinnt denuncirt hatte, wie Staatsverbrecher in den Gefängnissen Italiens behandelten. Ein noch strengeres Strafgericht erging über die Ätoler, die man auch der Anhänglichkeit an Macedonien beschuldigte; 550 wurden von der römischen Partei getödtet. Endlich gab Sparta, das unter dem Schutze der Römer den Bundesbeschlüssen keine Folge leisten wollte u. in kriegerische Händel mit den Achäern gerieth, die erste Veranlassung zu dem Achäischen Kriege (s. Achaia); Kritolaos, Feldherr des Bundes, wurde 147 von Metellus besiegt u. 146 Korinth zerstört; damit schloß der Krieg, u. G. wurde als Achaia eine römische Provinz.
VI. Griechenland unter römischer u. byzantinischer Herrschaft. Mit der Unterjochung G-s sanken auch die Griechen immer mehr, die verfeinerte Bildung, welche sie mit Kunst u. Wissenschaften sich angeeignet hatten, ging in Schwelgerei u. Luxus über u. der Volkscharakter verwischte sich immer mehr. Einzelne schwache Versuche, die Freiheit wieder zu erringen, wurden zwar noch gemacht, aber selbst der bedeutendste, bei Gelegenheit, als Mithridates, König von Pontos, ein zahlreiches Heer nach G. sandte (88 v. Chr.), scheiterte an der Übermacht der Römer. Sulla eroberte Athen, weil es sich bei diesem Versuch bes. thätig bewiesen hatte, u. züchtigte es hart. Sicilianische Seeräuber beunruhigten die Küsten G-s, bis sie Pompejus endlich (67 v. Chr.) bezwang u. einen Theil nach dem beinahe schon entvölkerten Peloponnes verpflanzte. Die Bürgerkriege Roms fanden in G. einen günstigen Tummelplatz. Der Streit zwischen Cäsar u. Pompejus wurde bei Pharsalos in Thessalien (48 v. Chr.), die Kriege zwischen Octavianus u. Antonius gegen Cassius u. Brutus, u. zwischen Octavianus u. Antonius gegen einander selbst, wurden in G. entschieden. Eine Ruhe trat nun ein, bis Nero, berauscht von den niedrigen Schmeicheleien der entarteten Griechen, ihnen alle Abgaben erließ u. wieder einen Schatten von Freiheit gab, den ihnen jedoch schon Vespasian wieder entriß, der sie, wie früher, von römischen Proconsuln beherrschen ließ. Nur Athen hatte noch seine eigenen Archonten, seinen Senat, freilich einzig von der Willkür der römischen Herrscher gelenkt. Dort war auch das letzte Asyl der Wissenschaften, selbst angesehene Römer studirten hier (s. Griechische Literatur). Im 3. Jahrh. n. Chr. verwüsteten zwei Mal (257 u. 269) die über die Donau in das sinkende Römische Reich hereingebrochenen Gothen G. u. eroberten selbst Athen. Unter den späteren römischen Kaisern wurde der Peloponnes als eigene Provinz unter dem alten Namen Hellas getrennt, da Achaias Grenze an der Korinthischen Meerenge aufhörte. 330 verlegte Constantin der Große den Sitz seines Reiches nach Byzanz, u. 395 zerfiel das Römische Reich durch die Theilung unter Theodosius des Großen Söhne, Arkadius u. Honorius, in zwei Hälften. Zu der einen Hälfte, welche Arkadius erhielt, u. welche den Namen Oströmisches od. Byzantinisches Reich annahm, gehörte G. als Provinz u. es theilte alle widrigen Schicksale dieses Reichs (s. Byzantinisches Reich). Das Christenthum war schon vor Constantin dem Gr. in G. eingeführt worden. Von griechischer Kunst, Wissenschaft u. Bildung war in G. selbst nichts mehr vorhanden, Alles war in der Hauptstadt des Oströmischen Reichs, Constantinopel, vereinigt, u. von aller Herrlichkeit war nichts mehr übrig, als daß das Oströmische Reich zugleich im gewöhnlichen Leben Griechisches Kaiserthum genannt wurde. Aberglaube u. Religionsstreitigkeiten erschütterten das Reich in seinen Grundfesten, fremde Völker drangen ungehindert ein. Als 1204 sich die Kreuzfahrer. Constantinopels bemächtigten u. Balduin von Flandern Kaiser wurde, hatte Leo Sgure, Beherrscher von Nauplia, die Unruhen benutzend, sich des Peloponnes bemächtigt, Bonifacius, Markgraf von Montserrat u. Herr von Thessalonich, besiegte ihn aber u. entriß ihm seine Eroberung bis auf Korinth u. Nauplia, die Leo Sgure besetzt hielt, u. selbst nach seinem Tode entrichtete ein Theil der Halbinsel seinen Erben Zins. Später unter den Lateinischen Kaisern besaßen mehrere kleine Fürsten den Peloponnes, unter Andern Ville Hardouin als Fürst von Achaia, Sparta u. Napoli di Malvasia, doch unterwarf ihn Kaiser Constantin Paläologos 1261 seiner Lehnsbarkeit; aber später waren noch andere Dynasten, wie Johann, Herzog von Patras, mit den Kaisern in Krieg begriffen u. behaupteten sich unabhängig. Die Catalonier, die sich um 1307 des Herzogthums Patras bemächtigt hatten, griffen nach dem Tode Johanns II., Herzogs von Patras, den Peloponnes an, wurden jedoch, nachdem sie ihn fast erobert hatten, mit Hülfe des Herzogs von Naxos abgewiesen, denn ähnliche Fürsten, wie auf dem Peloponnes, hatten auch auf den Inseln sich eingedrängt (z. B. auf Naxos, s.d.). Später drängten die Türken unter Osman u. Orkhan, wie die andern kleinen Fürsten in G., so auch die Fürsten von Morea, welches durch Heirath an die Familie Somariva gekommen war, lebhaft; dennoch erwehrte sich der Peloponnes ihrer Angriffe lange, ja er blieb auch mehrere Male, außer Constantinopel, die einzige Zuflucht der griechischen Kaiser, u. Städte darm dienten den Prinzen des griechischen Kaiserhauses zur Apanage. So hatten die Paläologen Demetrios u. Thomas, die Brüder des Kaisers Constantin Paläologos, zur Zeit der Einnahme von Constantinopel u. der Zerstörung des Griechischen Kaiserthums (1453) Städte des Peloponnes im [604] Besitz. Die lateinischen Fürstenthümer von Vostitza, Theben, Korinth, Sparta, die sich alle auch seit dem 13. Jahrh. gebildet hatten, wurden endlich unter der florentinischen Familie Acciajuoli als Herzogthum Athen vereinigt; der Letzte von diesen, Neri Acciajuoli wurde 1455 durch den Türkenkaiser Mahmud II. gezwungen abzudanken u. 1450 in Theben erdrosselt. S. Achaia, Morea, Athen, Theben etc.
VII. Griechenland unter der Herrschaft der Türken. Den Griechen wurde nach ihrer Unterwerfung durch die Türken Leben u. Eigenthum, ja selbst Anfangs ein gewisser Grad von Freiheit gesichert; dagegen wurden sie den Türken tributpflichtig. Bald darauf begann auch die Eroberung des Peloponnes; die beiden Fürsten Demetrios u. Thomas hatten dem Sultan Muhammed II. den Tribut vorenthalten, worauf dieser 1457 in den Peloponnes einfiel, denselben verwüstete, die Erneuerung des Vertrages erzwang, 1460 bei abermaliger Verweigerung des Tributs wieder einrückte u. sich des ganzen Peloponneses bis auf einige Seeplätze bemächtigte; 1497 eroberten die Türken Koron u. Modon u. nach u. nach alle, bis dahin noch in christlichen Händen gebliebenen Theile G-s. Die Insel Rhodus wurde 1522 den Johannitern, den Venetianern 1571 Cypern u. 1659 Kandia (Kreta) entrissen. Von nun an begann der Kampf zwischen den Venetianern u. Türken um Morea, in welchem endlich bis 1715 die Türken die Oberhand behielten, s. Venedig (Geich) u. Türken (Gesch.). Die bei der Eroberung von Constantinopel nach Italien geflüchteten Gelehrten weckten die Liebe zu den Wissenschaften im Occident, u. die dadurch weiter verbreitete Bildung in Deutschland erleichterte später die Fortschritte der Reformation (s. Griechische Literatur). G. selbst sank indessen immer mehr, die Griechen verwilderten entweder im offenen Kampfe gegen ihre Unterdrücker (wie die Sulioten, Mainoten u. andere Gebirgsvölker), od. vergeudeten ihr Blut im Kampfe für die Türken gegen andere Christen; die reichen Fanarioten waren in Constantinopel angesehen u. mehrere aus ihnen wußten sich durch Schlauheit Einfluß bei der Pforte zu verschaffen; das eigentliche Volk in G. blieb fortwährend im Besitz des Handels u. der Handwerke. Aber das Joch der türkischen Tyrannen lastete von Jahr zu Jahr schwerer auf ihnen, u. sie würden ohne Zweifel als Nationalität untergegangen sein, wenn sie nicht durch die gemeinsame Religion (das einzige, was ihnen einen ideellen Aufschwung geben konnte), so wie durch eine ziemlich selbständige Gemeindeverfassung (die sie vor einer politischen Verschmelzung mit den Türken bewahrte), erhalten worden wären. Von jedem Pascha willkührlich behandelt, ohne Recht bei dem Sultan zu finden, der zu schwach war, sie gegen seine Paschen zu schützen, versuchten sie mehrmals, sich zu befreien. Indessen fehlte es an Einheit u. hauptsächlich an Hülfe von außen her; wenigstens wurde diese von den europäischen Mächten nicht ausdauernd genug geleistet. Daher mißlangen solche Versuche gänzlich u. machten, daß das türkische Joch noch schwerer wurde, od. sie erloschen, wie die Insurrection unter Skanderbeg (s. Castriota), mit dem Tode dessen, der ihr Urheber gewesen war. Die noch am meisten ein günstiges Resultat versprechenden Erhebungen fanden auf Veranlassung Rußlands statt, namentlich 1770, wo die russische Flotte die türkische in Tschesme verbrannte u. die Griechen dadurch zur Empörung vermocht, aber von Rußland im Frieden von Kutschuk Kainardschi 1774 im Stich gelassen wurden. Von größerer Bedeutung waren die Vorkehrungen Rußlands, G. Hülfe zu bringen, im Jahr 1787, wo sich Rußland u. Österreich verbanden, um die Türken aus Europa zu vertreiben. Die Kaiserin Katharina II. von Rußland sandte zur Unterstützung der Griechen den Spezzioten Lambros Katechioni mit mehr als 200,000 Ducaten nach G., um eine allgemeine Bewaffnung zu bewirken, Andere Emissäre, wie Sottiri, sandte sie nach dem Archipelagus, um ganz G. zum Aufstand zu reizen, Psaro u. Andere nach Sicilien, um von da aus Waffen u. Munition nach G. zu bringen. Abgeordnete erschienen in Petersburg, den fortdauernden Beistand der Kaiserin anflehend, u. erbaten sich einen russischen Prinzen (Constantin, der deshalb diesen Namen erhalten hatte u. als Grieche gekleidet u. erzogen wurde) zum Fürsten. Aber auch diese Bemühungen waren fruchtlos, denn Rußland verließ im Frieden von Jassy 1792 abermals die Sache der Griechen, u. diese mußten den Kampf auf eigene Hand fortführen; sie errangen durch denselben noch in dem nämlichen Jahre wenigstens ihre Unabhängigkeit von Ali Pascha u. das Recht freier Schifffahrt unter russischer Flagge. Von da an entwickelte sich der Handel G-s von Jahr zu Jahr mehr, die Wohlhabenheit stieg, Schulen wurden gegründet u. die bewegenden Ideen der Französischen Revolution verpflanzten sich zu Ende des 18. Jahrh. auch nach G.; die höhere Cultur, welche die Griechen durch Studien der Edeln u. Reichsten unter ihnen in fremden Ländern erlangten, die Maßregeln, welche Napoleon 18091812 unter der Hand zu einem zukünftigen Aufstand G-s treffen ließ, u. geheime Bündnisse 1814 u. 1815 zur Befreiung von der türkischen Herrschaft, bereiteten einen neuen Aufstand vor, der endlich 1821 ausbrach, s.u. Griechischer Freiheitskampf.
VIII. Griechenland als insurgirter, noch nicht von den Mächten Europas anerkannter Staat, bis zur Ankunft des Königs Otto in Griechenland. Als 1821 die Erhebung der Griechen erfolgte, war es eine der ersten Sorgen der insurgirten Bezirke, wenigstens eine Art Regierung zu constituiren. Dies gelang zunächst zu Kalamata in Messenien, wo ein Senat errichtet wurde; ebenso auf der Insel Hydra. Beide Behörden vereinigten sich, um G. eine Verfassung zu geben. In dem übrigen G. führten die Capitani die Oberherrschaft, jeder über seinen District. Später (im Novbr. 1821) wählte Westgriechenland (Akarnanien, Ätolien, Epirus) durch 30 Abgeordnete in Missolunghi eine Regierung von 10 Mitgledern, Ostgriechenland (Attika, Böotien, Euböa, Thessalien, Macedonien etc.) in Salona durch 33 Abgeordnete einen Areopag von 14 Gliedern, u. der Peloponnes u. die Inseln (Anfang Decembers) durch 60 Abgeordnete eine Regierung (Gerusia) von 20 Mitgliedern. Anfang 1822 kam durch 67 Abgeordnete aller griechischen Provinzen die erste griechische Nationalversammlung in Epidauros (Piada) zusammen, welche die Grundzüge einer Interimsverfassung aufstellte. Diese Nationalversammlung theilte sich in einen berathschlagenden Rath von 33 u. einen vollziehenden von 5 Gliedern; der letztere sollte für die Vollziehung der Gesetze[605] sorgen u. 8 Minister ernennen. Die Rechtspflege sollte unabhängig von beiden sein u. von Cantonsgerichten, Provinzgerichten u. einem obersten Appellationshof verwaltet werden. Die Centralversammlung hatte Anfangs in Korinth, später in Argos ihren Sitz. Maurokordatos wurde zum Präsidenten (Proedros) u. Theodor Negris zum Staatssecretär ernannt, die nur durch übereinstimmende Beschlüsse Gesetze geben konnten. Der Congreß erklärte zunächst am 22. Jan. 1822 die Vereinigung G-s zum unabhängigen Föderativstaat, so wie den Blockadestand jedes von den Türken besetzten Ortes. Im Herbst 1822 wurde die Nationalversammlung durch das Anrücken Churschid Paschas mit einem Heere durch die Thermopylen gegen Argos, den Sitz derselben, gesprengt, indessen wurde dessen Heer durch die griechischen Capitani bald zerstreut, u. es kam einezweite Nationalversammlung zu Astros, einem Dorfe im Peloponnes, zu Stande, die bis zum 29. April dauerte u. eine Regierung in Tripolitza mit Maurokordatos u. Kolokotronis als Präsidenten beschloß. Mauromichalis, Bey von der Maina, wurde Präsident des vollziehenden Rathes, Negris Staatssecretär. Man beschloß, daß statt der Provinzialregierung Präfecten (Eparchen) die Geschäfte leiten, der französische Code militaire als Militärgesetzbuch gelten, ein Strafgesetzbuch entworfen, eine Anleihe von 4050 Mill. Piaster gemacht werden u. eine Nationalregierung in Tripolitza (später in Salamis u. dann Ende 1823 in Argos) eingesetzt werden sollte. Von letzter wurde Maurokordatos Präsident, Kolokotronis Vicepräsident, Negris u. Demetr. Ypsilantis erhielten von letzter später ihre Entlassung. Mit dem 29. April schloß sich die zweite Nationalversammlung.
Die Uneinigkeit, die sich schon Anfangs unter den verschiedenen Capitani gezeigt hatte, erstreckte sich auch bald auf die Regierung, u. Kolokotronis, Odysseus, Kariaskakis u.a. nöthigten Anfang 1824 Maurokordatos, Morea auf einige Zeit zu verlassen u. nach Westgriechenland zu gehen. Der zu Kranidi in Argolis versammelte gesetzgebende Senat entsetzte den Präsidenten des Vollziehungsrathes, Mauromichalis, wegen eigennütziger u. despotischer Maßregeln, seines Postens, löste den ganzen Rath auf u. ernannte Konduriottis zum Präsidenten, Botassis zum Vicepräsidenten, erklärte Nauplia zur Hauptstadt von G. u. verlegte den Sitz der Centralregierung dahin. Der junge Panos Kolokotronis verschloß indessen der Regierung die Thore, u. die Regierungstruppen belagerten Nauplia. Im Juni unterwarf sich der alte Kolokotronis u. erhielt Amnestie, u. der Sitz der Regierung kam wirklich nach Nauplia. Im Oct. 1824 erhielt Notaros an Maurokordatos Stelle, der freiwillig abdankte, die Präsidentschaft des Senates, allein dies veranlaßte, da Kolokotronis übergangen worden war, nur neue Unruhen, welche die Gefangennehmung des Letzteren zur Folge hatten. Als im Juni 1825 Ibrahim Pascha, der von der Pforte zum Pascha von Morea ernannt worden war, in Morea landete, wurde Kolokotronis freigegeben u. stritt wieder tapfer gegen die Türken. Die Aussichten G-s verbesserten sich durch die günstigere Aufnahme, welche die griechischen Freiheitsbestrebungen seit Mitte 1825 bei den europäischen Cabineten, vorzüglich bei England u. Rußland, fanden. Im Jan. 1826 kam der neue englische Gesandte Sir Stratford Canning auf dem Wege nach Constantinopel nach Hydra, um sich mit Maurokordatos zu besprechen u. wirkte seitdem wesentlich für die Unabhängigkeit G-s. Anfang 1826 kam die dritte Nationalversammlung in Epidauros (Piada) zu Stande u. beschloß nach dem Fall von Missolunghi, an die Stelle der bisher bestehenden zwei Senate, auf einige Zett zwei provisorische Behörden, eine Executivdeputation u. einen Ausschuß der Nationalversammlung, zu errichten. Die Unterhandlungen mit England, den Prinzen Leopold von Sachsen-Koburg, Wittwer der Prinzessin von Wales, auf den zu bildenden griechischen Thron zu erheben u. so England gänzlich für G. zu gewinnen, scheiterten, u. der Congreß beschloß, das britische Cabmet nur um seine Vermittelung zu ersuchen, daß G. von den Mächten als ein, wenn schon der Pforte tributpflichtiger, so doch von derselben unabhängiger Staat anerkannt werde, als solcher den Frieden erlange, sich seine Beamten selbst wähle u. eine eigene Armee halte. Viele eiferten hiergegen, u. namentlich protestirte Demetrius Ypsilantis. Im Spätjahr verlegte die Regierung ihren Sitz von Nauplia nach der Insel Ägina, u. verbot, um sich unabhängig zu erhalten, allen Offizieren, ohne besonderen Paß dahin zu kommen.
Dies erregte aber den Unwillen der Capitani u. mehrte den inneren Zwist. So entstand, während Anfang 1827 eine vierte Nationalversammlung in Ägina zusammenkam, die bes. unter dem Einfluß der Inseln des Archipelagus stand u. sich mit der bestehenden Regierung in Übereinstimmung befand, gleichzeitig auch eine andere in Castri (Hermione), welche durch die feindseligen Capitani geleitet wurde. Beide wurden jedoch nach einigen Monaten durch die Briten Cochrane u. Church, die in griechische Dienste getreten waren, versöhnt, versammelten sich in Damala (Trözene), wähl ten den ehemaligen russischen Minister Capo d'Istrias auf 7 Jahre zu ihrem Präsidenten u. setzten ihm bis zu seiner Ankunft drei Stellvertreter, Georg Mauromichalis in Morea, Marko Milaëti für die Inseln u. Januli Nakos in Rumelien. Am 20. Oct. 1827 wurde in der Schlacht von Navarin (s.u. Griechischer Freiheitskrieg) die türkische Flotte vernichtet, u. am 18. Jan. 1828 langte Capo d'Istrias in Nauplia an, versöhnte die Parteien, übernahm, nachdem er am 4. Febr. den Eid in die Hände des Senates abgelegt hatte, die ausübende Gewalt, versprach die Nationalversammlung mit dem 1. April zusammen zu rufen u. ernannte sein Ministerium. Bis zum Zusammentritt der Nationalversammlung sollte der Staatsrath (Panhellenion) die Verantwortlichkeit mit dem Präsidenten theilen; dieser wurde in 3 Sectionen, die der Finanzen, des Innern u. des Krieges, getheilt; ein Ministerial- u. Kriegsrath gebildet, sowie im März eine strenge Verwaltungs- u. Aufsichtscommission (Phrontisterion). Am 25. April wurde G. in 13 Departements getheilt, von denen Morea 7, die Inseln aber 6 ausmachten, u. in jedes Departement ein außerordentlicher Commissarius, nach Art der Präfecten, für Verwaltung, Polizei u. Rechtspflege unter den Gemeinden gesendet. Außerdem that Capo d'Istrias viel, das Heer u. die Marine zu reorganisiren, obschon mit geringem Erfolg (s. Griechischer Freiheitskampf), u. versuchte Gleiches mit den im schlechten Zustand befindlichen Finanzen (von der in England contrahirten Anleihe waren nur 3/7 dem Staat zu Gute gekommen), erließ[606] ein Decret zu Errichtung einer Nationalbank u. forderte In- u. Ausländer auf, gegen 8 Proc. Gelder daselbst einzuleihen. Die Kaiserin Mutter von Rußland schenkte in dieselbe 200,000 Silberrubel, der Kaiser Nikolaus lieh ihr 2 Mill. Franken zu 5 Proc., auch das übrige Ausland sandte Beiträge, während von G. selbst fast gar nichts eingezahlt wurde. Um der größten Noth zu steuern, bewilligten Frankreich u. England dem Präsidenten eine monatliche Subsidie von 1 Mill. Franken auf unbestimmte Zeit. Eine andere Finanzspeculation Capo d'Istrias war die Annullirung aller früheren Pachtcontracte über Staatsabgaben u. die neue Versteigerung derselben. Die drückendste Sorge verschwand für G. im Herbst 1828 durch die glücklich erzwungene Räumung Moreas von den Truppen Ibrahim Paschas, die durch das Erscheinen der französischen Expedition von 15,000 Mann unter General Maison noch beschleunigt wurde. Der größte Theil dieses französischen Hülfscorps zog zwar bald wieder ab (Mai 1829), ließ aber die aus 4 Infanterieregimentern u. der nöthigen Artillerie bestehende Division Schneider zum Schutz des Landes zurück. Die weitere Thätigkeit Capo d'Istrias ging darauf aus, G. zu europäisiren, u. er begann damit, Elementarschulen zu errichten, den Ackerbau zu heben, Postanstalten u. andere europäische Institute vorzubereiten, machte sich aber durch Starrsinn, Steuerauflage u. die durch Ausbruch der Pest auf einigen Inseln gebotenen strengen Sanitätsmaßregeln, viele Feinde. Maurokordatos legte bereits im August 1828 seine Ämter nieder, u. von da an sank der Präsident mehr u. mehr in der Gunst des Volkes. Dennoch wurde am 23. Juli 1829, lange nach der Zeit, wo es versprochen war, die fünfte Nationalversammlung in Argos fast ohne Opposition eröffnet u. alle Vorschläge der Regierung angenommen, so daß sie am 10. Aug. schon wieder vertagt werden konnte. An die Stelle des Panhellenion trat ein Senat von 27 Mitgliedern, deren Erwählung fast ganz von dem Präsidenten abhing, so wie ihm überhaupt eine fast dictatorische Gewalt eingeräumt wurde. Die größte Sorge machte indeß die Lage der Finanzen. Die Einkünfte des Staates betrugen höchstens 16 Millionen türkische Piaster, während das Militärbudget allein 15 Mill. erforderte; daher blieb der Sold für die Truppen oft aus, was auf die Stimmung des Heeres höchst ungünstig einwirkte.
Am 3. Februar 1830 erfolgte von der Londoner Conferenz, die schon nach der Schlacht von Navarin die Selbständigkeit G-s unter Anerkennung der türkischen Tributansprüche (die jedoch 1829 durch Rußland im Frieden von Navarin beseitigt worden waren) ausgesprochen hatte, der Antrag der unabhängigen Krone G-s an den Prinzen Leopold von Sachsen-Koburg. Dieser erklärte sie unter der Bedingung annehmen zu wollen, daß die Verfassung von G. von England, Rußland u. Frankreich völlig garantirt, die religiösen u. bürgerlichen Rechte der Griechen auf den türkisch verbleibenden Inseln Kandia u. Samos festgesetzt, die Grenze an einigen Orten geändert u. eine Unterstützung an Geld u. Truppen gewährt würde. Der Präsident theilte hierauf dem Prinzen die wahre Lage G-s mit, sowie, daß die Nationalversammlung von Argos die einzelnen von den Großmächten gestellten Bedingungen nicht annehmen könne, lud ihn aber zugleich dringendst ein, bald nach G. zu kommen u. wenigstens 1 Mill Fr. zu Bezahlung des Heeres mitzubringen. Hierdurch u. weil die drei pacificirenden Mächte wohl auf seinen ersten u. letzten, nicht aber auf seine anderen Bedingungen eingingen, so wie durch einen Aufenthalt in Paris, wo er sich noch mehr von der äußersten Verworrenheit der griechischen Zustände überzeugte, fühlte sich der Prinz Leopold bewogen, am. 21. Mai die Krone G-s auszuschlagen. Dagegen hatte die Pforte die Vorschläge der drei Möchte am 24. April vollständig angenommen. Die drei Großmächte ersuchten nun durch ein Protokoll vom 27. Juni Capo d'Istrias, die Regierung einstweilen noch fortzuführen, was dieser auch trotz aller Schwierigkeiten, welche bes. die Finanzen machten, annahm. Zwar hob sich der Handel allmälig wieder; schon zeigten sich griechische Schiffe unter fremder Flagge in Constantinopel; in Syra bildete sich eine Assecuranzgesellschaft; Hydra wurde auf 5 Jahre zum Freihafen erklärt: aber trotz alledem konnten weder der Präsident, noch der am 1. Oct. 1829 eingesetzte Senat Mittel finden, das Deficit im Budget von 1828 von 15 Mill. türkischen Piastern zu decken, da die seither durch Eynard u.a. den Griechen zugeflossenen Zuschüsse fast gänzlich ausblieben. Dadurch, daß Capo d'Istrias jüngerer Bruder, Augustin Capo d'Istrias, Ende 1820 den Oberbefehl über die Armee, u. sein älterer Bruder, Viaro Capo d'Istrias, die Intendanz der Marine erhielt u. fast in alle Fächer Landsleute des Präsidenten eingeschoben wurden, steigerte sich die Unzufriedenheit immer mehr. Demetrius Ypsilantis u. General Church nahmen ihren Abschied, u. die Volksstimme beschuldigte Capo d'Istrias der ehrgeizigsten Absichten u. der Verfolgung russischer Interessen. Aufstände in Syra u. in der Maina waren die Folge hiervon; Capo d'Istrias unterdrückte dieselben indessen bald durch, ihm ergebene Truppen unter Kolokotronis u. die von den drei Mächten vorgeschossenen 11/2 Mill. Franken u. brauchte die Truppen, die Steuern einzutreiben. Die Juliereignisse von 1830 brachten nicht nur die Conferenzen über die griechischen Angelegenheiten, sondern auch eine Anleihe von 10 Mill. Franken, welche G. in Frankreich machen wollte, ins Stocken u. warfen das griechische Finanzsystem so in Verwirrung, daß der Präsident sowohl hinsichtlich der Grundsteuer (die in Naturalien gezahlt werden sollte), als hinsichtlich der Zölle zu Nothmaßregeln gezwungen wurde, welche die Unzufriedenheit mehrten, ohne die Finanzen zu verbessern. Anfangs 1831 konnte nicht einmal die Besoldung der Beamten vollständig ausgezahlt werden, u. alle Versuche, im Lande selbst eine Anleihe zu eröffnen, od. von den vermittelnden Mächten Hülfe zu erhalten, mißlangen. Im März 1831 kam die allgemeine Erbitterung, bes. durch die Hydrioten genährt, zum Ausbruch, u. es bildete sich auf Hydra eine aus 7 Mitgliedern bestehende provisorische Regierung, an deren Spitze Miaulis, Konduriottis u. Tombasis standen. Ipsara folgte dem Beispiel Hydras u. beide Inseln steckten die dreifarbige französische Fahne auf, zum Zeichen, daß sie sich bis zur endlichen Entscheidung unter französischen Schutz begaben. Capo d'Istrias, welcher Hydra persönlich besuchen wollte, mußte unverrichteter Sache nach Nauplia zurückkehren, da man ihm die Landung u. den Gehorsam weigerte, [607] Syra u. die Maina, wo der Häuptling Pietro Mauromichalis im Fort Itschkale fest gehalten wurde, erhoben sich ebenfalls. Die griechischen Truppen (unter denen noch dazu ein, jedoch bald gestillter Aufruhr in Eleusis ausbrach), waren selbst im Verein mit den französischen zu schwach, die Ordnung herzustellen. Der Präsident begab sich deshalb im April selbst nach Marathonisi. Die Mainoten verlangten vor Allem die Freilassung Mauromichalis, wie die Proclamation einer Verfassung, welche die Rechte der Bürger sicher stelle. Um letzter Anforderung zu genügen, versprach der Präsident im Sept. 1831 eine Nationalversammlung nach Argos zu berufen u. entließ wenigstens zum Schein seinen Bruder, den Kriegsminister Viaro Capo d'Istrias, u. den allgemein gehaßten Minister der Justiz, Genetas. Am 30. Juli kam der Admiral Miaulis mit etwa 200 Hydrioten nach Poros, bemächtigte sich der dort abgetakelt liegenden griechischen Flotte u. besetzte das Hafenfort Heidegger, wurde aber sogleich durch ein Corps griechischer Landtruppen unter Nikitas zu Lande u. durch die russische Flotte unter Admiral Riccord auf Aufforderung der Regierung zur See blockirt. Am 6. Aug. kam es zwischen zwei Schiffen beider Flotten zu einem unentschiedenen Gefecht, u. da Miaulis fürchtete, die russische Flotte möchte sich der griechischen Flotille bemächtigen, so zündete er am 13. Aug. sämmtliche griechischen Schiffe an, unter ihnen auch die Fregatte Hellas, zerstörte so 28 Fahrzeuge (gegen 12 Mill. Thlr. an Werth) u. sprengte das Fort Heidegger in die Luft; von der griechischen Flotte wurden nur die beiden Dampfboote gerettet. Miaulis, der nach Hydra geflüchtet war, Maurokordatos u. Konduriottis wurden für Hochverräther erklärt. Als am 20. Sept. die sechste Nationalversammlung in Argos zusammentreten sollte, war noch kein einziger Abgeordneter in Argos eingetroffen, während sich deren 60 in Hydra sammelten, wo man eine Gegenversammlung zu eröffnen drohte. Mitten in dieser Verwirrung erschossen Constantin u. Georg Mauromichalis, aufgebracht über die Härte, mit der ihr Bruder u. Vater Pietro Mauromichalis von Capo d'Istrias behandelt wurden, den Präsidenten Capo d'Istrias am 9. Oct., als er eben zu Argos in die Kirche gehen wollte, meuchlings. Constantin Mauromichalis wurde sogleich niedergemacht, Georg aber ergriffen u. später hingerichtet.
In Folge davon versammelte sich der Senat in Nauplia u. ernannte kraft eines früheren, den Fall des Todes des Präsidenten vorsehenden Decretes der Nationalversammlung, eine Regierungscommission, welche aus Augustin Capo d'Istrias, Theodor Kolokotronis u. Johann Kolettis bestand. Die Hydrioten, um der neuen Regierung entgegenzukommen, erklärten durch Miaulis, sich bei der sechsten Nationalversammlung betheiligen zu wollen. Die Regierung wies jedoch das Anerbieten der Opposition mit Bestimmtheit zurück u. ließ 6 Schiffe ausrüsten, welche zunächst die kleinen Inseln unterwerfen sollten; doch beharrten diese, sowie Syra, Hydra u. die Maina im Widerstand, u. als im Nov. 1831 die Deputirten von Rumelien u. Ostgriechenland eintrafen, sah sich die Regierung durch die Aufforderung derselben sehr bald genöthigt, die Deputirten von Hydra u. der Maina zur Nationalversammlung zuzulassen. Am 19. Dec. wurde die Nationalversammlung in Argos, obschon statt des Minimum von 140 Deputirten nur 80 gegenwärtig waren, eröffnet u. am 20. Augustin Capod'Istrias zum provisorischen Präsidenten erwählt. Aber gleich beim Beginn des Congresses zogen sich die Rumelioten, deren Wünsche nicht berücksichtigt worden waren, zurück; Capo di Istrias verließ deshalb Argos u. verlegte den Congreß nach Nauplia. Am 21. Dec. kam es zu Thätlichkeiten zwischen den Rumelioten u. den Regierungstruppen, am 23. zum wirklichen Gefecht, u. erst am 24. stiftete der englische Gesandte, Stratford Canning, der am 20. Dec. in Nauplia angekommen war, im Verein mit den Residenten der drei Mächte, Friede, u. die Rumelioten, die sich zu Argos in Häusern verbarricadirt hatten, aber an Zahl bei Weitem die Schwächeren waren, erhielten am 25. freien Abzug nach Korinth. Hier beschlossen sie sogleich im Verein mit mehreren Capitani eine Gegennationalversammlung in Perachore zu constituiren, eine Regierungscommission für Rumelien, den Peloponnes u. die Inseln zu errichten, neue Provinzialgouverneurs zu ernennen u. Megara zu besetzen. Rumelien wurde sogleich zu den Waffen gerufen, u. bereits im Jan. 1832 waren 8000 Mann bei Megara versammelt; die Nationalversammlung in Perachore zählte 145 Mitglieder, während die in Argos bis unter 80 geschmolzen war. Auch war Miaulis thätig, eine kleine Marine herzustellen. Vergebens griff Augustin Capo d'Istrias, um aus diesem Parteikampf als Sieger hervorzugehen, zu den äußersten Mitteln u. versuchte die Armee um 5000 Mann zu verstärken, einen Theil der Nationalgüter um jeden Preis zu verkaufen, aus Kanonen Münzen zu schlagen, das Papiergeld zu vermehren u. selbst die Staatseinkünfte für 1833 weit unter ihrem Ertrage zu verpachten. Die allgemeine Verwirrung stieg immer höher; die beiden Nationalversammlungen erklärten sich gegenseitig für Verräther u. die Truppen wurden handgemein, wobei sich überall die Rumelioten unter Kolettis überlegen zeigten. Ein Conferenzprotokoll vom 7. Jan., in welchem die, von der Nationalversammlung in Argos eingesetzte provisorische Regierung als Nationalregierung G-s von den drei vermittelnden Mächten anerkannt u. versprochen wurde, daß die Befehlshaber der im Archipelagus befindlichen Geschwader der drei Mächte dieser Regierung das erforderliche Ansehen sichern würden; daß ferner die erbetenen Geldvorschüsse auf Rechnung der garantirten Anleihe an die provisorische Regierung gewährt u. daß die Wahl eines Souveräns für G. nächstens erfolgen würde, besserte die Lage Augustins Capo d'Istrias zwar einigermaßen, aber die Rumelioten u. Griechen von den Inseln legten dessenungeachtet die Waffen nicht nieder, wollten vielmehr mach Nauplia vordringen u. gaben diesen Plan selbst dann nicht auf, als am 17. März die Nachricht von der Wahl des Prinzen Otto von Baiern zum König von G. dort ankam u. überall mit Freuden aufgenommen wurde.
IX. Griechenland als neues Königreich. A) Bis zur Ankunft des Königs Otto. Die Admirale der verbündeten Flotte u. die Gesandten der drei großen Mächte wollten verhindern, daß jetzt, wo die definitive Entscheidung der griechischen Verhältnisse nahe schien, noch Blut vergossen werde, u. machten daher im Verein mit dem gerade anwesenden Hofrath Thiersch aus München den Vorschlag, daß die[608] noch gefangen gehaltenen Glieder der Familie Mauromichalis entlassen, der Isthmus sogleich von den Truppen der verbündeten Mächte besetzt u. so die Rumelioten vom weiteren Vordringen abgehalten u. Thiersch nach Perachore zu Kolettis geschickt werde, um dort einen Vergleich zu Stande zu bringen. Doch die Rumelioten kamen zuvor, vertrieben Anfangs April die Regierungstruppen vom Isthmus, zogen in Argos ein u. bedrohten Nauplia. In dieser Verlegenheit kam das Conferenzprotokoll vom 8. März in Nauplia an, welches verlangte, daß bis zur Ankunft des königlichen Statthalters eine neue Nationalregierung eingesetzt werden solle. Augustin Capo d'Istrias, sich auf diese Weise von aller Hülfe verlassen sehend, legte am 13. April seine Würde im Senat nieder u. verließ am 13. April auf einem russischen Schiffe Nauplia, eben als Kolokotronis, welcher mit Metaxas, Baduris u. Zaimis die neue Regierungscommission bilden sollte, dort ankam, um den Verhandlungen beizuwohnen. Für die Rumelioten wurde Kolettis zu denselben zugezogen. Nach heftigen Debatten wurde am 15. April eine neue Regierungscommission aus sieben Mitgliedern (Konduriotis, Demetrios Ypsilantis, Zaimis, Kolettis, Metaxas, Kosta Bozzaris u. Demetrios Plaputas [Koliopulos]) erwählt, am 26. April eingesetzt u. um 30. April die Nationalversammlung einberufen Trotzdem dauerten die Unruhen noch immer fort, besonders als sich nach der Auflösung des Taktischen Corps in Nauplia u. anderen Plätzen die Soldaten in größerer Anzahl zu den Palikarenanführern beider Parteien begaben. Ende Juni wurde die Nationalversammlung nach Nauplia berufen u. am 8. August der Prinz Otto von Baiern einstimmig von derselben als König Otto I. von G. anerkannt Zugleich hatte die Nationalversammlung die Auflösung des Senats beschlossen u. dem Volke bekannt gemacht, daß sie eine monarchische Verfassung entwerfen u. die Nationalgüter zweckmäßig vertheilen würde. Dagegen protestirten aber am 10. Aug. die Residenten der drei Mächte, da vor Ankunft der Regentschaft weder Nationalgüter veräußert, noch Fundamentalgesetze beschlossen werden könnten. Am 22. August drang ein Hause Rumelioten in das Sitzungshaus ein, ergriff neun der angesehensten Deputirten, schleppte sie als Gefangene nach Archia u. erklärte, sie nur gegen eine Summe von 100,000 türkischen Piastern, als ihrem rückständigen Sold, wieder frei geben zu wollen. Wirklich schaffte Kolettis innerhalb einer Woche die verlangte Summe u. dadurch den Gefangenen ihre Freiheit. Am 1. September vertagte sich der Congreß auf eine Depesche des Königs Ludwig von Baiern, in welcher er verkündete, daß die Regentschaft spätestens zu Anfang November von München abreisen würde. Am 5. Septbr. reiste eine Deputation (Miaulis, Kosta Bozzaris u. Demetrios Plaputas) nach München ab, um dem neuen König im Namen der Nation ihre Huldigung zu bringen. Auch diese Wahl erzeugte neue Wirren; Konduriotis verließ Nauplia unwillig u. nur Kolettis, Zaimis u. Metaxas blieben, führten zwar ihre Geschäfte fort, aber ihren Decreten leistete Niemand Folge. So entstand völlige Anarchie, die namentlich auf die Finanzen sehr schädlich einwirkte. Die Regierung verkaufte, um sich nur die nöthigsten Subsistenzmittel zu verschaffen, alle öffentlichen Gebäude u. selbst die Bauplätze, fuhr fort aus Kanonen Geld prägen zu lassen, ja sie veräußerte selbst 700 Gewehre. Bei solcher Lage der Regierung konnten sich ihre Gegner Kolokotronis, Zavellas u. andere, immer weiter ausbreiten. Kolokotronis schlug im August die Generale der Regierung Christos u. Grivas, besetzte Argos u. streifte im September gegen Nauplia, besetzte später Tripolitza u. Korinth, worauf der Senat, sich nicht mehr in Nauplia sicher glaubend, am 29. November nach Spezzia u. von da nach Astros flüchtete. Am 5. October wurde die Regentschaft zu München aus den Staatsräthen Graf Armansperg u.v. Maurer, so wie dem General Heidegger u. dem ihr zugeordneten Appellationsrath v. Abel gebildet. Die griechische Deputation wurde am 15. dem König Otto in München vorgestellt, aber die Schwierigkeiten, die sich der Anwerbung eines Truppencorps von 2500 Mann entgegenstellten, verzögerten seine Abreise, u. der König Ludwig von Baiern sah sich endlich genöthigt, ein eben so starkes baierisches Corps zu bewilligen, das aber erst gegen das Ende December in Triest eintreffen konnte. Das Obercommando über dasselbe führte der General von Hertling, die Cavallerie befehligte Prinz Eduard von Sachsen-Altenburg, der Oheim des Königs Otto. Große Schwierigkeiten machte das Aufbringen der ersten Serie (20 Millionen Franken) der Anleihe bei den Großmächten (60 Millionen Franken Frankreich, England u. Rußland zu gleichen Theilen). Im Juli 1832 hatte die Pforte gegen eine Entschädigung von 12 Millionen Franken ihre Zustimmung zu einer Erweiterung der Grenzen G-s bis zu dem Meerbusen von Arta u. Volo gegeben; u. da nun diese 12 Millionen von der ersten Serie der Anleihe bezahlt werden sollten, der R. st von 8 Millionen aber für den ersten Bedarf der Regentschaft zu gering war, so bewilligten die drei Großmächte die alsbaldige Auszahlung des zweiten Drittheils. König Otto reiste am 6. December von München über Rom nach Neapel, von wo er sich nach G. einschiffen wollte; die Mitglieder der Regentschaft folgten schon am 10. u. 13. December, worauf Ende December das baierische Truppencorps in Triest eingeschifft wurde. Am 15. Januar 1833 zogen 500 Mann Franzosen auf Wunsch der Regierung in Argos ein, um die Landung des Königs, von der man glaubte, daß sie dort erfolgen würde, vorzubereiten; aber schon am Abend des 16. wurden sie von 6800 Palikaren unter Chrysiotis u. Zongas in ihren Kasernen überfallen. In einem blutigen Gefecht wurden die Palikaren geschlagen u. so die letzten Hoffnungen der Kolokotronischen Partei vernichtet, denn auch die letzten irregulären Truppen wurden nun aus Argos entfernt.
B) Von der Ankunft des Königs Otto u. der Regentschaft bis zur Selbstregierung des Königs. Am 30. Januar 1833 kam König Otto mit 33 Schiffen in dem Hafen von Nauplia an. Bis zum 5. Februar war die Ausschiffung der Truppen vollendet, worauf am 6. Februar der feierliche Einzug des Königs in Nauplia stattfand. Die baierischen Truppen lösten die französischen, die nun bis Anfang Augusts nach u. nach nach Frankreich zurückkehrten, in den meisten Standquartieren ab u. besetzten im März auch Patras u. Missolunghi. Kolokotronis aber räumte das wohlbefestigte Karitene u. die[609] Türken im April Athen u. Negroponte. Am 6. Februar erklärte die Regentschaft, daß die Minister provisorisch in ihren Stellen bleiben u. für sechs Monate auch die Staatseinkünfte wie bisher erhoben werden sollten. Der Staat wurde hierauf in drei Generalgouvernements, Morea, Livadien u. die Inseln, getheilt u. für das erste Demetr. Plaputas, für das zweite Kolettis u. für das dritte Zaimis zu Generalgouverneurs ernannt. Ein neues Münzregulativ bestimmte, daß als Nationalmünze blos Drachmen u. Lepten gebraucht werden sollten. Das Kriegsdepartement wurde ebenfalls neu geordnet, indem die unregelmäßigen Truppen fürs Erste entlassen u. dagegen 4000 Mann der ehemaligen Taktiker in Nauplia zusammengezogen wurden; andere 4000 Mann von den Nationaltruppen sollten in die Grenzfestungen vertheilt werden. Eine Commission von vier Mitgliedern, unter ihnen Kanaris u. Sachturis, nahm die Vorarbeiten zur Bildung einer Marine vor. Durch Einwanderung begüterter griechischen Familien aus der Türkei stieg der Werth des Grundeigenthums, besonders in Euböa u. Attika, um das Doppelte, u. im Handel u. Wandel zeigte sich überall Vertrauen u. Thätigkeit. Nicht so leicht war es dagegen, das wilde, seit 12 Jahren an Krieg gewohnte Volk zur Ordnung zurückzuführen. Die Maina u. Hydra wollten den Huldigungseid auf die Gesetze nicht leisten; in Argos wollten die aufgelösten Palikaren weder ohne Bezahlung ihres Soldrückstandes unter das reguläre Militär treten, noch auch auseinander gehen, u. mußten daher von dem baierischen Militär mit Gewalt zerstreut u. zur Rückkehr in ihre Heimath gezwungen werden. Ein Theil von ihnen verbreitete sich plündernd u. Excesse aller Art begehend über das platte Land, während andere an die nördliche Grenze G-s zogen u. sich dort mit einem albanesischen Streifcorps vereinigten, das unter Taphil Buza die türkischen Grenzen bedrohte u. den Schein annahm, als handle es im Einverständniß mit der griechischen Regierung u. dem Vicekönig von Ägypten. Dieses Corps überfiel in der Nacht zum 26. Mai Arta, plünderte es drei Tage lang u. führte den englischen Consul u. den griechischen Bischof mit sich fort. Am 28. Mai versuchte Taphil Buza vergebens Missolunghi zu überfallen, wich aber dann über die Grenze.
Die Regentschaft ging nun mit kräftiger Hand an die Reorganisation des Landes, stieß aber dabei auf große Schwierigkeiten, zunächst bei der Bildung eines regulären Militärs. Zu den Jägerbataillons, welche aus den Palikaren errichtet werden sollten, fand sich keine Mannschaft, u. das Gendarmeriecorps, das aus 1000 Mann bestehen sollte, erreichte in den ersten Monaten kaum die Stärke von 200 Mann. Der Stamm der eigentlichen griechischen Regimenter sollte aus geworbenen Deutschen bestehen, diese langten aber sehr langsam an, während die Griechen selbst sehr wenig Luft zeigten, in diese Regimenter einzutreten Nicht mindere Schwierigkeiten machte die Organisation der Staatsbehörden. Man begann dieselbe im April 1833 mit der Auflösung des bisherigen interimistischen Ministeriums, behielt nur Trikupis u. Maurokordatos bei u. decretirte hierauf in neun ausführlichen Verordnungen die Organisation u. Bestimmungen der Ministerien, sowie eine neue Eintheilung des Königreichs in 10 Kreise (Nomen) u. 42 Bezirke (Eparchien). Zur Hauptstadt u. Residenz wurde vor der Hand Nauplia bestimmt, welches bald einen lebendigeren Verkehr mit regelmäßigen Postverbindungen zu Land u. zu Meer u. eine Dampfschifffahrtverbindung mit Triest erhielt. Mit der Abfassung neuer Gesetzbücher u. dem Entwurfe einer Gerichtsordnung wurde der Staatsrath v. Maurer beauftragt. Die Schulen, welche allgemein in Verfall gekommen waren, sollten durch eine eigene Commission reformirt werden; doch konnte der Schulplan, den dieselbe nach fünf Monaten vorlegte, aus Mangel an Geld u. Lehrern nicht ins Leben treten; was daher für die Schulen geschah, geschah lediglich durch die Gemeinden. Eine andere Commission, bestehend aus v. Maurer, Trikupis u. Schinas, erhielt den Auftrag, die kirchlichen Angelegenheiten zu ordnen, u. eine von ihnen einberufene Versammlung der Metropoliten u. Bischöfe in Nauplia sprach am 27. Juli die völlige Unabhängigkeit der Griechischen Kirche aus. Eine permanente heilige Synode, deren Mitglieder der König jährlich ernannte, wurde die höchste geistliche Macht in G., die Verwaltung der Kirche aber in die Hand des Königs gelegt. Die jährliche Einnahme G-s war im Durchschnitt auf acht Millionen Drachmen berechnet worden, betrug aber nur sechs Millionen (also eine Million spanischer Piaster), obgleich der Zehent allein schon eine höhere Summe hätte betragen müssen. Obgleich also das gänzlich verfallene Finanzwesen einer durchgehenden gründlichen Reform bedurfte, sah man sich doch fürs erste genöthigt, das Pachtsystem beizubehalten. Eine Controle beim Hauptzollamt in Syra erhöhte vom Januar bis October 1833 die monatlichen Einkünfte desselben von 24,000 bis auf 90,000 Drachmen. Ähnliche Controlen wurden auch bei anderen Zollämtern errichtet. Zur Erleichterung des inneren Verkehrs wurden sieben Straßen abgesteckt, die von den Häfen ausgehend allmälig nach dem Binnenlande fortgeführt werden sollten. Auch auf Heranbildung eines tüchtigen Handwerkerstandes, an dem es im Innern des Landes gänzlich fehlte, war die Regierung bedacht. Für die Herstellung einer Kriegsmarine war ebenfalls eine Commission ernannt worden, u. schon im April hatten die Marineoffiziere Sachturis, Kalandruzzis u. Kanaris im Hafen von Poros zwei kleine Escadres ausgerüstet, welche gegen die Seeräuber kreuzten u. diesen, unterstützt von strengen Gesetzen, welche von den Gerichtshöfen in Theben u. Nauplia gegen dieselben in Anwendung gebracht wurden, bald unterdrückten. Zur Belohnung für Verdienst stiftete König Otto am 1. Juni den Orden des Erlösers u. erließ ein zweites Amnestiedecret.
Durch die verschiedenen Maßregeln, welche die Regentschaft traf, um an die Stelle des alten Unwesens Ordnung u. strenges Recht zu setzen, regte sie die alten Parteigänger, die darin ihren Vortheil nicht fanden, gegen sich auf. An der Spitze der Mißvergnügten stand Theodor Kolokotronis; durch sein Organ, die Zeitschrift Chronos bearbeitet, faßte die alte Partei Capo d'Istrias im Juli den Beschluß, an den König von Baiern u. den Kaiser von Rußland eine Adresse zu richten u. in derselben um Entfernung der Ausländer u. um Umänderung der Regentschaft, bei welcher von den bisherigen nur der Graf Armansperg verbleiben sollte, zu bitten. Offenbar war diese Adresse nur ein Vorwand um [610] Kolokotronis' Anhang zu vergrößern. Bewaffnete Banden Kolokotronis' u. des von dem Gouverneuramt über Livadien bald wieder entbundenen Demetrios Plaputas (Kaliopulos) beunruhigten seit dem August das Festland u. den Peloponnes, u. am 16. September sollte an mehreren Orten zugleich ein Aufstand losbrechen, durch welchen die Regentschaft entsetzt u. eine neue Regierung eingesetzt werden sollte. Die Regierung wurde jedoch zeitig genug davon unterrichtet u. ließ Kolokotronis u. Plaputas verhaften. Nach einem mißlungenen Versuch, sie aus dem Fort Itschkale bei Nauplia zu befreien, wurden sie um 7. Juni 1834 vom Gerichtshofe zu Nauplia zum Tode verurtheilt, das Urtheil aber später in 20jährige Kettenstrafe gemildert. Vom November 1833 an begannen die baierischen Truppen nach u. nach in die Heimath zurückzukehren, da die Werbung für G. seit dem October 1833 besser von Statten ging, u. im März 1834 war nur noch ein Bataillon u. eine sechspfündige Batterie Baiern in G. Die Verschwörung Kolokotronis' wurde Veranlassung zu einer Spaltung der Regentschaft in zwei Parteien. Man beschuldigte nämlich den Grafen Armansperg, welchen die Capodistrianische Partei allein hatte beibehalten wollen, jenen Umtrieben nicht fremd gewesen zu sein; es kam zu Mißhelligkeiten zwischen Armansperg einer- u. Maurer u. General Heidegger andererseits, da erster als Präsident der Regentschaft sowohl von dem Minister Maurokordatos als von dem englischen Gesandten Dawkins bei fast allen wichtigen Fragen Unterstützung gefunden hatte. Am 2. Mai 1834 beschloß die Majorität der Regentschaft, daß ein officieller Verkehr zwischen den fremden Gesandten u. Armansperg allein nicht mehr stattfinden könne, sondern daß dieser blos mit der Gesammtheit gepflogen werden dürfe. Armansperg gab nur gezwungen seine Einwilligung hierzu; das Mißverhältniß wurde aber dadurch nur noch entschiedener, so daß am 12. Juni Maurokordatos aus dem Ministerium trat. Der König von Baiern befahl indessen Ende Juni, daß Armansperg in seine alten Verhältnisse als Haupt der Regentschaft zurückkehren sollte, u. rief Maurer u. Abel, die sich um die juristische u. administrative Gesetzgebung G-s große Verdienste erworben hatten, zurück. Erster wurde durch den Staatsrath v. Kobell, der andere durch den Finanzdirector v. Greiner ersetzt.
Anfangs 1834 begannen die Mainoten räuberische Streifzüge in dem übrigen Peloponnes zu unternehmen. Sie hatten gleich Anfangs dem König Otto den Eid nicht geleistet (s. oben), glaubten sich später durch die Einsetzung der permanenten heiligen Synode in ihren Glaubensansichten verletzt u. deshalb nicht zum Gehorsam gegen König Otto verpflichtet. Die Regentschaft sandte daher im April 1834 Truppen gegen dieselben; diese hatten aber kaum in der Westmaina einige Thürme zerstört, als sich die ganze Gegend erhob; zwei Angriffe des Generals v. Ott in der Ostmaina wurden im Juni abgeschlagen, während in der Westmaina die Baiern u. Griechen sogar gesprengt wurden u. sich theilweis von den Mainoten ihren Abzug erkaufen mußten. Die Maina wurde nun unter General Schmalz zu Lande u. durch ein Geschwader unter Kanaris zur See streng blockirt, worauf, da die Mauromichalis mit gutem Beispiele vorausgingen, 800 Thürme nach u. nach zerstört u. das Geschütz der Regentschaft ausgeliefert wurde. Ein anderer Aufstand, der sich von der Vaterstadt Kolokotronis', Karytene, aus, über Arkadien u. Messenien verbreitete u. an dessen Spitze ein Neffe des Plaputas, Kolias Plaputas, stand, wurde von dem jüngeren Grivas mit einer Schaar Palikaren durch den Sieg bei Solu am 21. August unterdrückt. Außer diesen Hauptunruhen dauerte im Norden G-s der kleine Krieg mit den Räuberbanden, welche die Gendarmen zu unterdrücken nicht stark genug waren, noch längere Zeit fort. Am 30. September 1834 erschien das Decret, welches die Residenz nach Athen verlegte, u. bereits am 10. Januar 1835 bezog der König die neue Hauptstadt. Die Ausbildung der griechischen Truppen durch Stämme ihnen beigemischter Deutscher hatte sich als völlig unzweckmäßig bewiesen; der neue Kriegsminister Oberst Lesuire gab daher dieses Unternehmen wieder auf, u. seitdem fand sich mehr Luft unter den Griechen, in die neue Armee zu treten. Hierzu trug auch wohl bei, daß man einige Nationalbataillone in griechischer Kleidung bildete, während man die deutschen Truppen in besondere Bataillone formirte u. diese im December unter den Oberbefehl des bisher in Argos privatisirenden Generals Church stellte.
C) Seit der Selbstregierung des Königs Otto bis zur Gebung der Constitution. Am 1. Juni 1835 ergriff König Otto die Zügel der Regierung selbst, erließ eine Proclamation an das Volk, ernannte den Grafen Armansperg zum Erzkanzler des Reichs, begnadigte die Gefangenen Plaputas u. Kolokotronis u. ernannte den älteren Sohn des Letzteren zum Obersten, während General Heidegger, der Geheime Rath v. Greiner u. der Staatsrath v. Kobell nach Deutschland zurückkehrten. Am 7. Juni 1835 erließ der König ein Dotationsgesetz, durch welches jedes gesetzlich anerkannte Familienhaupt das Recht erhielt, unter dem Titel einer hellenischen Dotation für 2000 Drachmen Nationalgut zu beanspruchen, das entweder aus culturfähigen, od. aus bereits cultivirten Grundstücken, aus Mühlen, Häusern, Bauplätzen etc. bestehen konnte. Zu diesem Behufe erhielt jedes Familienoberhaupt einen Credit von 2000 Drachmen; derselbe durfte jedoch nur zum Ankauf von Nationalgütern benutzt werden; diese Güter waren zehntfrei u. gaben blos drei Procent Grundsteuer u., wenn das Capital nicht abgelöst wurde, auf 36 Jahre eine Annuität von sechs Procent. Auf diese Weise erhielt ein großer Theil der bisher besitzlosen Klassen Grundeigenthum, u. der Staat die Aussicht auf die Einnahme großer Summen in der Zukunft. Im September über 1835 erschien ein neues Conscriptionsgesetz, wodurch besonders die Werbung der Ausländer beschränkt wurde, u. am 30. September das Gesetz über die Bildung eines Staatsraths, in welchem General Church der einzige Ausländer war. Um die Entwickelung der inneren Kräfte des Staates zu befördern, wurden Straßen angelegt, die Posteneinrichtungen verbessert, eine Dampfschifffahrt nach Smyrna eröffnet u. der erste Grund zu einer Hypothesen ordnung gelegt. Die Aufrechthaltung der Ordnung nahm aber noch immer die Thätigkeit der Regierung in Anspruch. Im Juni 1835 vermehrten sich in den Kreisen von Akarnanien, Ätolien, Phokis u. Lokris die Räubereien auf[611] eine solche Art, daß Truppen dorthin gesandt u. am 17. Juli das Kriegsgesetz verkündet werden mußte, u. kaum waren die Truppen im Stande, das schwach besetzte Missolunghi, welches die Räuber plündern wollten, mit Hülfe der Palikaren zu erhalten; letztere zerstreuten unter Theodor Grivas, Rezos u. Guras die Horden u. jagten sie über die Grenze. Um die Ruhe dauernd aufrecht zu erhalten, wurde eine Grenzwehr aus Palikaren gebildet, die zugleich das Einschleppen der Pest verhindern sollte, aber freilich auch große Kosten verursachte. Im December 1835 kam König Ludwig von Baiern nach Athen u. blieb dort bis April 1836. Bald darauf (Mai 1836) besuchte König Otto auf einige Zeit Deutschland u. beauftragte während seiner Abwesenheit das Gesammtministerium, unter dem Vorsitze des Staatskanzlers Armansperg mit der Leitung der Regierungsgeschäfte; er kehrte am 14. Febr. 1837 mit seiner jungen Gemahlin, der Prinzessin Amalie von Oldenburg, nach Athen zurück. Während dieser Zeit fiel in G. keine Störung vor, ja die Räubereien hörten, vermöge des Gesetzes, durch welches die Gemeinden verpflichtet wurden, den in ihren Bezirken durch Räubereien verursachten Schaden zu ersetzen, fast ganz auf. Während der Abwesenheit des Königs wurde auch die Verwaltung der Gemeinden geordnet u. die bisherige Provinzialverwaltung vereinfacht. Für die Justizpflege, für die Colonisirung der Skioten u. Ipsarioten, denen man die rechte Seite des Piräos u. einen Theil Eretrias einräumte, für Hebung des Handels u. der Schifffahrt war die Regierung sehr thätig. Ein zweiter Versuch zur Errichtung einer Nationalbank scheiterte abermals an dem wenigen Vertrauen, das G. im Ausland genoß. 1836 wurde die Eintheilung von 1833 aufgehoben u. die in 30 Gouvernements verfügt (s. Griechenland Geogr.).
In Baiern waren indessen Armanspergs Feinde thätig gewesen; hatten seine Bemühungen. G. vom baierischen Hofe unabhängiger zu machen u. seine Regierungsweise als Staatskanzler als an Autonomie streifend verdächtigt u. den bairischen Hof dahin gebracht, in der Person des Regierungspräsidenten von Rudhart ihm einen Nachfolger zu geben. Rudhart traf mit dem König Otto am 14. Februar 1837 im Piräos ein, der König ertheilte dem Grafen Armansperg sogleich den Abschied; die Stelle des Staatskanzlers wurde aufgehoben, doch trat Rudhart als Präsident in den Ministerrath ein. Da ihn die Anhänger Armanspergs als ihren Gegner betrachteten, so suchte er Freunde unter der Gegenpartei, welche ihn sehr bald gegen Armanspergs Einrichtungen einnahm. Dadurch entstand ein Schwanken u. Stocken, Mißgriffe blieben nicht aus, von denen der größte die Bildung des neuen Ministeriums (Apr. 1837) war, in welches Polyzoides als Minister des Innern, Botassis als Finanz- u. Paikas als Justizminister eintraten. Die Geldnoth, die noch mehr wuchs, da letzt nicht blos Rußland, sondern auch Frankreich die Auszahlung der dritten Serie der Anleihe verweigerte, verschlimmerte die allgemeine Mißstimmung noch mehr, u. so erschallten jetzt aus allen Theilen des Landes eine Menge Klagen über die Regierung, bes. über Rudhart, der sich Alles, was er thäte, von Baiern vorschreiben lasse, welches fortwährend über G. eine Vormundschaft ausüben u. sich als Mutterland betrachtet wissen wolle Hierzu kamen noch Unglücksfälle, wie ein Erdbeben im Mai zu Poros u. Athen u. die zu derselben Zeit auf Poros ausbrechende Pest, welche ebenfalls höchst ungünstig auf die allgemeine Stimmung einwirkten. Unter solchen Verhältnissen verfehlte selbst die Eröffnung der Universität zu Athen (27. Mai 1837) einen wohlthätigen Einfluß zu äußern, wie denn überhaupt alle von der Regierung getroffene Maßregeln u. Verbesserungen von den Griechen mit entschiedenem Mißtrauen aufgenommen u. die Spannung zwischen Griechen u. Ausländern immer größer wurde. Die meisten der Letztern nahmen in Folge davon ihren Abschied, u. auch der Minister Rudhart erhielt am 8. December 1837 seine Entlassung; an seine Stelle trat der Grieche Zographos als Minister des Auswärtigen u. des königlichen Hauses. Die geworbenen deutschen Soldaten, deren Dienstzeit jetzt verflossen war, verließen G. ebenfalls u. nur mehrere Offiziere, so wie der Ministerialrath Gebhardt u. einige beim Forstwesen u. andern Verwaltungsfächern angestellte Baiern blieben noch in G. zurück. Aber nur zu bald zeigte es sich, daß auch das neue nationale Ministerium seiner Aufgabe nicht gewachsen war. In seiner Politik dem Auslande gegenüber unsicher u. schwankend u. fast gänzlich unter dem Einfluß des englischen Gesandten stehend, war es in Bezug auf innere Fragen eben so wenig selbständig als einig, u. schon im Juni 1839 schied der Finanzminister aus; an seine Stelle trat eine Finanzcommission unter der Leitung Tissamenos'. Anfang Jan. 1840 wurde eine weit verzweigte Verschwörung entdeckt, an deren Spitze Augustin Capo d'Istrias u. der Oberst Nikitas Stammatopulos standen. Die Untersuchung führte zur Entdeckung einer Verbindung (Philorthodoxe Gesellschaft), welche unter dem Vorwand der Aufrechthaltung der bedrohten Griechischen Kirche den Zweck hatte, die gegenwärtige Regierung von Rußland abhängig zu machen u. die Christen in der Türkei, namentlich in Thessalien, Epiros u. Macedonien, zu insurgiren. Diese Verbindung war weit verzweigt u. ihre Existenz der griechischen Regierung von Constantinopel aus bekannt geworden, wohin Zographos gesandt worden war, um einen Handelsvertrag mit der Türkei abzuschließen. Da sich die griechische Regierung zur Unterdrückung dieses Bundes bereit zeigte, so kam der Vertrag zwar schnell zu Stande; doch verweigerte der König, da er für G. keineswegs günstig war, die Ratification, schickte aber Christides zur Wiederaufnahme der Verhandlungen nach Constantinopel. Im Juni 1840 löste sich das bisherige Ministerium auf u. wurde durch Paikos, Theocharis u. General Schmal; ersetzt. Unter dem neuen Ministerium gestalteten sich die materiellen Interessen des Landes günstiger, der Landbau hob sich, die Finanzen besserten sich u. Alles ging einer gedeihlichen Entwickelung entgegen. Als aber bei dem siegreichen Vordringen Ibrahim Pascha's gegen die Türken die Bewegungen unter der christlichen Bevölkerung des Türkischen Reiches u. bes. auf den türkischen Inseln des Archipelagus begannen, u. die Insulaner die Zeit für geeignet hielten, sich von der türkischen Herrschaft loszureißen, in ganz G. die lebhafteste Sympathie fanden, Waffen u. Munition von den Griechen geliefert erhielten u. G. auf diese Weise mit den vier Großmächten, welche die Integrität der Türkei garantirt hatten, in Conflict kam, zeigte[612] sich das Ministerium rathlos u. ohne Mittel, dem Willen des Volks kraftvoll gegenüber zu treten. Der König entließ daher auf den Rath der Gesandten das Ministerium u. bildete ein neues, in welchem Maurokordatos als Minister des Innern an die Spitze der Verwaltung trat, Christides das Ministerium des Auswärtigen u. des königlichen Hauses, Melas das der Justiz, Metaxas das des Kriegs, Kriezis die Marine u. Valetta den Cultus übernahm. Die Finanzen blieben unter der Leitung der Finanzcommission (Juli 1841). Auf das Ansuchen des neuen Ministeriums verließen 70 Baiern den griechischen Dienst u. kehrten nach Deutschland zurück. Wenn auch der neue Ministerpräsident den besten Willen hatte, die Verwaltung des Landes zu reformiren u. eine Constitution für dasselbe vorzubereiten, so stieß er doch bald auf große Hindernisse. Man hielt ihn für einen Vertreter des englischen Interesses, u. er fand deshalb nicht nur in G. selbst, sondern auch namentlich bei den fremden Diplomaten Opposition, so daß er sich genöthigt sah, schon im Aug. 1841 seine Entlassung einzureichen u. mit Melas u. Valetta aus der Verwaltung zu scheiden. An seine Stelle trat Christides, Rezos-Nerulos wurde Minister des Auswärtigen u. des Cultus u. Relly Justizminister, worauf im September auch Metaxas austrat u. durch den Obersten Vlachopulos ersetzt wurde. Im Spätjahr 1841 begannen die Rüstungen der Pforte, welche zwar nicht sowohl gegen G. als gegen aufrührerische Paschas gerichtet waren, aber doch wegen der zugleich erfolgenden Reclamationen gegen die frühere Theilnahme von Griechen an den Erhebungen Kandias, sowie wegen verschiedener anderer Ansprüche, welche die Pforte machte, zu Gegenmaßregeln nöthigte, bis Mitte 1842 die Vermittlung der europäischen Diplomaten, bes. Sir Stratford Cannings, des englischen Gesandten in Constantinopel, auch diese Besorgniß zerstreute, worauf auch (Ende. 1842) Frankreich 1 Mill. Franken zu Bezahlung der Zinsen der griechischen Staatsschuld vorschoß.
D) Seit der Constitutionsverleihung bis zur Gegenwart. Dennoch war die Lage der Regierung, ja selbst der Dynastie, noch immer eine vielfach gefährdete, u. zwar eben so sehr durch innere Bewegungen u. Intriguen, als durch die völlige Abhängigkeit von 3 Großmächten, deren jede eine Partei im Lande hatte: der russische Gesandte verfügte über die Orthodoxie u. die von Capodistrias Verwaltung zurückgebliebenen Beamten (diese Partei führt in G. den Namen Napisten); der französische über die nationale Partei, welche Vergrößerung des Reichs durch die griechisch-türkischen Provinzen erstrebte; der englische endlich vertrat den Liberalismus u. wirkte für Herstellung einer Constitution. Eine geflissentlich veröffentlichte russische Note vom 7. März 1843, welche von der Beschwerde über Nichtzahlung der Staatsschuldzinsen ausgehend, auf größere Ersparungen drang u. das Verfahren der Regierung in den schwärzesten Farben malte, war offenbar darauf berechnet, dieselbe vor dem Volke bloßzustellen. Den baierischen Einfluß glaubten die Schutzmächte am sichersten durch Herstellung einer Constitution zu paralysiren, indem sie von einem Repräsentativsystem sich einen noch größeren Einfluß auf die Gestaltung der Verhältnisse versprachen. Demzufolge wurde Seitens der 3 Schutzmächte dem König Otto am 5. Sept. 1843 eine Collectivnote überreicht, worin Zusammenberufung einer Nationalversammlung u. außerdem Anweisung der ergiebigsten Steuern zur Deckung der Zinsen u. Tilgung der Anleihe, sowie Entfernung aller Fremden aus dem griechischen Staatsdienste gefordert wurden. Anscheinend im Zusammenhange hiermit brach am 15. Sept. 1843 die Revolution in Athen aus, bei welcher auch die Truppen unter Kalergis sich von der Regierung abwandten. Der König willigte in die Entlassung des bisherigen u. Annahme eines neuen sogenannten nationalen Ministeriums u. versprach, alle Fremden zu entlassen u. eine Nationalversammlung behufs Entwerfung einer Constitution zu berufen. England u. Frankreich gaben ihre Genehmigung dazu bereits im Oct. 1843, Rußland im Juni 1844; Baiern u. Österreich dagegen erkannten die Revolution erst an, als sie als unabänderliche Thatsache feststand. Im Lande selbst war die Revolution von den nachtheiligsten Folgen, indem sie zu Auflösung aller Ordnung, wiederholten Aufständen u. Bildung von Räuberbanden führte u. somit auch die finanziellen Zustände nur noch verschlimmerte. Im neuen Ministerium waren beide Hauptparteien des Landes, die nationale wie die orthodoxe, vertreten; Präsident war der Napist Metaxas, neben welchem Kolettis als Haupt der Nationalen stand. Am 20. November 1843 wurde die Nationalversammlung eröffnet, nachdem bereits die Entwerfung der Verfassung zu den heftigsten Kämpfen im Schooße der Regierung geführt hatte. In der Versammlung selbst bildeten die Bürgerrechtsfrage, welche ziemlich illiberal zu Gunsten der eingebornen Griechen entschieden wurde, das Ein- od. Zweikammersystem, die Wahlart des Senats wie die Dauer der Senatorenwürde die bedeutendsten Differenzpunkte. Am 16. März wurde die Coustitution vom König angenommen u. am 30. beschworen u. darauf die Nationalversammlung aufgelöst. Schon während der Verhandlungen über die Verfassung waren die Parteistreitigkeiten im Ministerium so heftig geworden, daß Palamides u. Metaxas austraten. Nachdem auch Kolettis niedergelegt hatte, erhielt Alex. Maurokordatos alle Macht in die Hände. Das vorzüglich unter englischem Einfluß gebildete neue Ministerium vom 11. April 1644 rief durch die ausschließliche Begünstigung seiner Anhänger bei Stellenbesetzung, zahllose Bedrückungen, Verweisungen, Einkerkerungen, Mißhandlungen, die Vergeudung der Staatsmittel zu Parteizwecken die heftigste Opposition der. Presse u. dann an vielen Orten offene Aufstände hervor. Der bedeutendste davon unter Leitung von Th. Grivas in Akarnanien, lange vergeblich von Regierungstruppen bekämpft, wurde nur durch die Verlockung des Grivas nach Athen gedämpft, von wo derselbe jedoch auf ein französisches Schiff flüchtete. Ein anderer in Athen am 23. Juni wurde nur durch das energische Einschreiten des Kalergis unterdrückt. Dazu hatte das Räuberunwesen wieder den höchsten Grad erreicht. Vollständig wurde die Verwirrung jedoch erst, als die Zeit der Kammerwahlen kam, hinsichtlich deren die Regierung kein Mittel scheute, um ihren Anhängern den Sieg zu verschaffen. Die Staatsverwaltung lag hierbei gänzlich darnieder; um die Hebung der allgemeinen Wohlfahrt kümmerte sich in der ersten[613] Aufregung Niemand. Unter diesen Umständen blieb dem König nichts übrig, als das Ministerium (8. August) zu entlassen, worauf Kolettis, Führer der nationalen Partei, am 20. August 1844 ein neues Ministerium bildete, welches eine Verbindung der französischen u. russischen Partei repräsentirte u. ebenfalls mit einer, doch noch ziemlich milden Beamtenproscription begann, während die neue Kammer um so schonungsloser bei den Wahlprüfungen zu Werke ging u. alle Maurokordatisten, ja Maurokordatos selbst, aus der Kammer stieß. Der Ausbruch einer neuen Verschwörung, bei welcher offenbar auch fremde Einflüsse thätig gewesen waren, wurde nur durch die Energie des Ministeriums verhindert. Das Cabinet Kolettis brachte dem Lande vielfache wesentliche Verbesserungen. Durch das Gesetz über die Reorganisation der Ministerien wurde die Überzahl der Beamten vermindert u. den im Amte bleibenden ein besserer Gehalt gesichert, während die Forderungen von Privaten u. Gemeinden an den Schatz aus den Zeiten der Befreiungskriege auf 25 Mill. Drachmen ermäßigt u. durch dreiprocentige Staatspapiere gedeckt, ferner eine neue zweckmäßigere Eintheilung des Landes in Nomarchien, Eparchien u. Demen nach französische Muster eingeführt, ein Gesetz über Bestrafung des Seeraubes u. der Baratterie gegeben u. der zu Erpressungen u. Unterschleifen führende Steuerpacht aufgehoben wurde. Endlich ward u.a., trotz heftiger Opposition in der Kammer, das Räubergesetz durchgesetzt, wonach alle Gemeindeglieder von 2050 Jahren verpflichtet sein sollten, dem Aufrufe der Behörden zur Gegenwehr wider Räuber Folge zu leisten. Der Zustand des Landes war in dieser Zeit ein ziemlich befriedigender. Es war Vertrauen da; die Unruhen waren meist gestillt, Ackerbau, Gewerbe, Handel hoben sich. Freilich fehlte es nicht an Opposition der unterdrückten Partei, doch wo dieselbe zu offner Gewalt überging, wußte die Regierung sie durch rasche u. kräftige Maßregeln schnell zu unterdrücken. Die dem Lande so vortheilhafte Vereinigung der orthodoxen u. nationalen Partei löste sich freilich, als die Verhältnisse der Kirche zur Sprache kamen. Die Folgen hiervon zeigten sich denn auch bereits in der Kammersitzung von 1846. Die bisherige ministerielle Majorität erwies sich plötzlich als unzuverlässig; dazu wurden auch durch die Sonderinteressen der einzelnen Landestheile neue, dem Ministerium ungünstige Parteibildungen veranlaßt. Die Regierung erfuhr die härtesten Angriffe, u. diese wurden nur verstärkt, als der Finanzminister erklärte, er könne kein Budget vorlegen, da in seinem Ministerium Alles in Verwirrung sei. Doch gelang es Kolettis noch einmal, die Gegner durch eine glänzende Rede zurückzuschlagen. Im Jahr 1847 wurde durch neuen Abfall von Kammermitgliedern die Lage des Ministeriums immer schwieriger, so daß Kolettis sich zu einer durchgreifenden Veränderung im Ministerium gedrängt sah. Es blieben blos er u. Tzavellas; doch auch die neue Zusammensetzung (Kolokotronis, Metaxas u.a.) befriedigte die Opposition nicht. Die Minister erhielten bei dem Gesetzentwurf über die Zehnterhebung für das Jahr 1847 eine Majorität von nur 1 Stimme u. lösten in Folge dessen am 26. April die Kammer auf.
Doch stand die hierdurch verursachte Schwierigkeit der Lage in keinem Verhältniß zu den Verlegenheiten, welche der Regierung von Außen her bereitet wurden. König Otto hatte sich im Sept. 1843 durch das Drängen der 3 Großmächte auf Bezahlung der Schuld zu dem Versprechen genöthigt gesehen, daß jeder der Mächte jährlich 1 Mill. ausgezahlt u. auf die Zehnten u. Zölle angewiesen werden solle; dies war ohne die Verfassung u. wider die öffentliche Meinung geschehen, u. die Septemberrevolution dadurch wenigstens beschleunigt worden. Nach dieser waren die Forderungen eine Zeit lang verstummt, bis England nach dem Siege der nationalen Partei allmälig mit denselben wieder hervortrat. Griechischer Seits zeigte man sich nicht geneigt, die Septemberübereinkunft anzuerkennen, u. die Angelegenheit führte nun zu einem weitläufigen Notenwechsel. Im Jahr 1847 wurde das Drängen Englands um so rücksichtsloser, je mehr dasselbe seine Handelsinteressen durch das Aufblühen der griechischen Handelsmarine gefährdet sah. Hierzu kam noch ein drohendes Zerwürfniß mit der Pforte, welches in einer geringfügigen Veranlassung seinen Grund hatte. Ein Adjutant des Königs, Obrist Karatassos, welcher vom König beurlaubt in Privatgeschäften nach Constantinopel reisen wollte, suchte das Paßvisum des türkischen Gesandten in Athen, Mussurus, nach. Dieser verweigerte dasselbe, weil sich Karatassos im Jahr 1841 als Chef eines Insurgentenhausens in die Unruhen an der Grenze verwickelt hätte, u. da diese Weigerung als eine persönliche Kränkung des Königs aufgenommen u. gegen den türkischen Gesandten verletzende Äußerungen gethan wurden, so verlangte dieser am 11. Febr. innerhalb 3 Tage Genugthuung, u. als diese verweigert wurde, verließ er am 14. mit dem gesammten Gesandtschaftspersonal Athen, u. da es zu keiner Verständigung zwischen den beiden Staaten kam, so brach die Pforte am 1. April die diplomatischen Beziehungen zu G. wirklich ab mit der Drohung, den Griechen die Küstenschifffahrt zu verbieten u. die Dardanellen zu verschließen. Zugleich schickte England 3 Schiffe in den Piräos, obschon die Zahlung der fälligen Zinsen durch Vermittlung des Banquier Eynard (s.d.) erfolgt war. Endlich trat Österreich auf G-s Ansuchen vermittelnd ein u. machte unter dem 19. Mai Vorschläge zur Ausgleichung zwischen der Pforte u. G., u. so wurde im Spätjahr die Streitfrage durch Entscheidung der 5 Großmächte u. ein Nachgeben von Seiten Griechenlands beigelegt. Am 21. Febr. 1848 kehrte Mussurus nach Athen zurück.
Inzwischen war mitten in den schlimmsten Wirrnissen der Ministerpräsident Kolettis am 12. September 1847 gestorben, worauf von Neuem ein Ministerium Maurokordatos ans Ruder kam. Übrigens waren auch 1847 mehrere Aufstände in G. vorgekommen, so der durch den Generalmajor Theodor Grivas im Juni erregte u. im August der des, aus der Festung Chalkis entkommenen Krizlotis, welcher von Gardakiotis Grivas geschlagen wurde. Die Aufnahme Grivas' im Hause des englischen Consuls in Prevesa führte zu Beschwerden der Regierung bei dem englischen Cabinet; in dem hieraus entstehenden Notenwechsel erhob Lord Palmerston aufs Neue die heftigsten Anklagen gegen das System der griechischen Regierung, welcher er Bestechung, Gewaltthätigkeit, Ungerechtigkeit u. Tyrannei vorwarf. Die am 9. Aug.[614] eröffneten neuen Kammern gaben dem König am 15. Dec. einen Beweis der Anhänglichkeit durch den Beschluß, der Krone das Recht einzuräumen, nöthigen Falls noch weitere 35 Senatoren zu ernennen. Der Schluß des Jahres 1847 wurde noch durch einen gefährlichen Aufstand in Patras bezeichnet, der wohl nur zu früh losbrach, um die Pläne einer weitverzweigten Verschwörung gelingen zu lassen. Obgleich die gerichtlichen Untersuchungen die Theilnahme des englischen Consuls an dem Unternehmen fast zweifellos herausstellten, so erhob doch Lord Palmerston eine drohende Anklage darüber, daß auf die unter Englands Schutz Stehenden gefeuert worden sei, u. gründete darauf seine Anforderungen an G. (s. unt.). Das Ministerium Maurokordatos vermochte sich gegenüber der Opposition im Senat, wie bei den wiederholten Niederlagen in der Deputirtenkammer, u. da der König auf die Forderung einer verfassungswidrigen Auflösung der Kammern nicht eingehen konnte, nur kurze Zeit zu halten. Ihm folgte am 20. März 1848 ein Ministerium Konduriotis, mit welchem wieder eine bedeutende Veränderung im Beamtenpersonal eintrat. Auch dieses Ministerium enthielt zum Mißvergnügen Rußlands noch immer französisches Element in sich. Die Februarrevolution von 1848 u. die darauf folgenden Ereignisse rief auch in G. große Aufregung u. die Neubelebung des alten Wunsches nach der Wiederherstellung des einstigen Kaiserreiches hervor; doch bewahrte gerade in dieser Zeit das Volk eine besonnene u. würdige Haltung, so sehr auch die radicale Presse diese wankend zu machen suchte; Stimmen für republikanische Erhebung blieben vereinzelt. Ein Amnestiedecret wurde vom König am Tage der Revolutionsfeier für alle in Folge der Wahlbewegungen des vorigen Jahres wie bei den Aufständen in Euböa u. Akarnanien Compromittirten erlassen. Bei alledem fehlte es nicht an Aufständen in den verschiedenen Gegenden. Im August war die Ruhe zurückgekehrt, freilich immer nur vorübergehend, da die Aufständischen trotz aller Beschwerden der griechischen Regierung stets Schutz u. Unterstützung auf türkischem. Boden fanden. Das schon am 7. Juli theilweis ergänzte Ministerium vermochte sich bei der andauernden Uneinigkeit in seinem Schooße nur bis October zu halten, worauf ein Ministerium Kanaris zu Stande kam, seinen Hauptbestandtheilen nach der nationalen Partei zugehörig u. darum wieder nicht im Sinne Englands. Am 9. November fand die Kammereröffnung statt. Das Jahr 1849 verging für G. im Ganzen ohne bedeutendere Ereignisse, obschon auch da das Ränkespiel der Parteien das Land nicht zu jener Ruhe kommen ließ, die für sein Gedeihen so nothwendig war. Im Ministerium fand ein fast beständiger Wechsel statt. Das Räuberunwesen zeigte sich auch in diesem Jahre von Neuem bald hier, bald da, im Anfange des Jahres bes. in Böotien; ja es erschien jetzt eine Räuberbande sogar in der Hauptstadt organisirt. Im westlichen G. trieb es der gegen die Räuber entsandte General Tzinos in Grausamkeiten u. Erpressungen fast eben so schlimm, als die Räuber selbst, u. die über ihn in der Kammer laut werdenden Klagen bewirkten endlich seine Abberufung. Noch am Ende des Jahres trieben die Räuber im Norden u. im Peloponnes ungestört ihr grausames Wesen.
Hinsichtlich der auswärtigen Politik war bes. der von England erhobene Anspruch auf die Inseln Elaphonisi u. Sapienza (an der Westküste von Morea), als zu den Ionischen Inseln gehörig, in den Vordergrund getreten, der durch Note vom 29. November vom Minister des Äußeren, Glarakis, als unbegründet zurückgewiesen wurde, worauf England im December mit noch weit ausgedehnteren Forderungen hervortrat, deren weitere Verfolgung das Jahr 1850 für G. so verhängnißvoll machte. Die Anforderungen Englands, welche sich zunächst auf Entschädigungen für englische Unterthanen, die in verschiedenen Aufständen gelitten hatten, bezogen u. sich endlich bis zu dem Verlangen einer vollständigen Abtretung der beiden genannten Inseln steigerten, waren im Grunde nur ein Vorwand zu gewaltsamem Einschreiten, um den Einfluß Englands im Mittelmeer u. in der Levante zu sichern u. zu vermehren. Mitte Januar erschien eine englische Flotte unter Viceadmiral Parker im Piräos. Am 16. Januar erklärte der britische Gesandte zu Athen, Thomas Wyse, gemeinschaftlich mit Admiral Parker dem griechischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten, daß, wenn G. den Forderungen Englands nicht in vollster Ausdehnung nachkäme, Zwangsmaßregeln eintreten würden. Da das griechische Ministerium hierauf die schiedsrichterliche Entscheidung der übrigen Schutzmächte anrief, so antwortete der britische Gesandte am 17. Januar durch einfache Friststellung von 24 Stunden. Parker sperrte darauf am 18. alle griechische Küsten gegen griechische Fahrzeuge u. verlangte von der griechischen Regierung das Verbot gegen das Auslaufen von königlichen Kriegsschiffen, während Wyse die angebotene Vermittelung des russischen u. französischen Gesandten zurückwies. Durch Noten vom 19. Januar erhoben der französische u. russische Gesandte ernstliche Einsprache; unter gleichem Datum erklärte die griechische Regierung, daß sie, obschon ihres Rechtes sich bewußt, der Gewalt gegenüber Alles ruhig über sich ergehen lassen werde. Schon am 20. dehnte Admiral Parker das Verbot des Auslaufens griechischer Schiffe aus griechischen Häfen auch auf die Handelsschiffe aus. Nach langen Verhandlungen erklärte endlich am 5. Februar Lord Palmerston in London dem deshalb außerordentlich abgesandten französischen Botschafter Drouyn de Lhuys, daß England die französische Vermittelung annehme u. von weiteren Zwangsmaßregeln gegen G. abstehen werde Trotzdem erklärte noch unter dem 10. Februar der britische Gesandte zu Athen dem griechischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten, er habe die Besitznahme der Inseln Elaphonisi u. Sapienza befohlen, weshalb alle nichtionischen Unterthanen dieselben verlassen müßten; auch dauerten während des ganzen Februar, ungeachtet des drohenden Einspruchs des russischen Gesandten, die Blockade u. das Aufbringen griechischer Regierungs- u. Handelsschiffe fort. Die Lage G-s war trostlos. Der griechische Credit nach Außen war nun vollends vernichtet; zugleich singen bereits im Inneren Handel u. Wandel zu stocken an u. die Theuerung nahm überhand; die Staatskassen waren völlig leer, Hierzu hatten Überschwemmungen im Spätherbst u. ein ganz ungewöhnlich strenger Winter die Noth des Landes auf den Gipfel getrieben. Es war viel Vieh erfroren, die Orangen- u. Citronenbäume[615] vernichtet, die Olivenernte auf eine Reihe von Jahren hin zerstört. Somit waren die drei Hauptquellen: der Staatseinnahmen verstopft: Zölle, Viehsteuer, Zehnten- u. Grundsteuer. Anfangs März kam endlich der französische außerordentliche Bevollmächtigte Le Gros in G. an u. begann seine Vermittelungsversuche; da aber diese keinen Erfolg hatten, so erklärte Le Gros seine Mission für beendet, worauf sofort am 25. April die vorher etwas erleichterte Blockade wieder verschärft u. wieder eine Menge griechischer Schiffe aufgebracht wurde. Da erklärte endlich die griechische. Regierung am 27. April ihre Bereitwilligkeit, dem Ultimatum des englischen Gesandten vom 26. April zu entsprechen. Die Bedingungen waren folgende: Zahlung von 168,068 Drachmen; die griechische Regierung spricht ihr tiefes Bedauern über die Vorgänge in Patras aus; 150,000 Drachmen werden deponirt, bis die Verluste der beschädigten englischen Unterthanen ermittelt sind; die griechische Regierung macht sich verbindlich, für sich selbst nie eine Reclamation an die englische Regierung zu stellen, noch die ungefähren Verluste dritter Personen in Folge der Blockade der englischen Flotte zu unterstützen. Am 29. April kehrte die britische Gesandtschaft wieder nach Athen zurück. Die aufgebrachten Schiffe wurden zurückgegeben, u. die endlich zwischen England u. Frankreich verabredete Übereinkunft wurde am 20. Juli zu Athen von dem britischen Gesandten u. dem griechischen Minister des Auswärtigen unterzeichnet.
Die Lage des Landes war eine betrübte; die Finanzen waren so zerrüttet, daß die Beamten seit Monaten keine Besoldung erhalten hatten; das Nepoten- und Bestechungssystem herrschte ungescheut; das Räuber- u. Parteiunwesen nahm in höchst bedenklicher Weise zu, u. rief im Mai wieder eine drohende Erklärung der türkischen Regierung hervor. Zu den zahllos begangenen Mordthaten gehörte auch die am 1. September an dem Cultminister Korsiotakis aus Parteihaß verübte. Im August reiste König Otto nach Baiern. Der Streitpunkt, ob während seiner Abwesenheit die Regentschaft der Königin od. dem Ministerium zu übertragen sei, führte, da man sich für das Erstere entschied, zum Rücktritt des Ministeriums Londos; an der Spitze des neuen Cabinets stand Kriezis. Am 11. November eröffnete die Königin das Parlament, dessen Zusammensetzung überwiegend ministeriell ausgefallen war. Das Jahr 1851 änderte in der traurigen Lage des Landes wenig. Die sogenannten Räuberbanden, unter denen sich oft nur die unzufriedene Parteiopposition verbarg, übten ihr Unwesen nach wie vor, u. die Gemeinden sanken immer tiefer in Schulden. Am 13. Mai kehrte König Otto nach fast neunmonatlicher Abwesenheit zurück. Die Spaltung zwischen Senat u. Ministerium führte im Juni zu einer theilweisen Umbildung desselben. Der Sena:, welcher sich eine Zeitlang widerspenstig gezeigt hatte, nahm seine Sitzungen wieder auf u. bewilligte endlich das Budget u. eine neue Kassenorganisation.
Eine am 29. Juni 1850 mit dem Patriarchen zu Constantinopel abgeschlossene Übereinkunst, wonach derselbe die Unabhängigkeit der Kirche des Konigreichs G. unter einigen die Aufrechthaltung der Autorität der Mutterkirche bezweckenden Bedingungen anerkannte, hatte große Aufregung zur Folge, als die griechische Regierung den Kammern zu Anfang des Jahres 1852 einen Gesetzentwurf über die Organisation des Cultus vorlegte, welcher den Grundsatz an der Spitze hatte, daß die höchste kirchliche Autorität ihren Sitz in der Heiligen Synode zu Athen unter der Souveränetät des Königs haben sollte. Die Einen verlangten, daß G. seine kirchlichen Angelegenheiten ohne Hinzuziehung des Patriarchen zu Constantinopel ordnen sollte; die Anderen, daß die Kirche nicht unter den Staat gestellt werden dürfe, namentlich da König Otto römisch katholisch sei. Ein Mönch, Christophoros Porpulaki, suchte bes. durch Predigten die Menge gegen den König aufzuwiegeln u. dann in der Maina Volksaufläufe zu erregen, bis er gefangen genommen wurde. Die Regierung schlug nun selbst vor, die Worte, wonach die Kirche unter den Staat gestellt werde, wegzulassen, u. mit dieser Abänderung fand das Gesetz in beiden Kammern ohne Verhandlung Annahme, s. Griechische Kirche IV. In demselben Jahre wurde bei der Kinderlosigkeit des Königs, mit Genehmigung der drei Schutzmächte, für den Fall, daß König Otto ohne rechtmäßige Nachkommen sterben würde, sein jüngster Bruder, Prinz Adalbert von Baiern, zum Thronfolger unter der nach §. 40 der griechischen Verfassung von 1843 festgestellten Bedingung bestimmt, bei der Thronbesteigung sich zum griechisch-katholischen Glauben zu bekennen. Die Bevollmächtigten Englands, Frankreichs, Rußlands, Griechenlands u. Baierns unterzeichneten darüber zu London am 26. November ein Protokoll.
So viel auch für Unterrichtsanstalten aller Art gethan wurde, wollten sich doch im Allgemeinen die volkswirthschaftlichen u. Finanzzustände des Landes nicht bessern. Die Einfuhr war sehr bedeutend, die Ausfuhr nur gering; das Land baute nicht einmal genug zu seiner eigenen Ernährung, jedoch war Handel u. Schifffahrt im Aufschwung begriffen. Man beschäftigte sich viel mit Vergrößerungsplänen, ohne die Quellen des kleinen Besitzes gehörig auszubeuten, u. als in den Jahren 1853 u. 1854 der Orientalische Krieg sich vorbereitete u. ausbrach, faßte man ganz ernstlich die Möglichkeit ins Auge, daß das Königreich G. die Erbschaft des Byzantinischen Kaiserreichs antreten könne, Die griechische Regierung hoffte auf den Sieg der russischen Waffen u. wurde von der russischen Regierung, die eine monatliche Geldunterstützung zusagte u. später gab, in dieser Gesinnung bestärkt. Unter dem Vorwande, dem Nothstande des Landes abhelfen zu wollen, nahm sie eine Anleihe von 5 Mill. Drachmen auf, die aber zum Ankaufe von Kriegsbedürfnissen verwandt wurden. Im Auslande veranstalteten Griechen Privatsammlungen zu demselben Zwecke. Agenten der Regierung förderten einen Aufstand in den benachbarten türkischen Provinzen, der am 27. Jan. auch wirklich im Epirus ausbrach u. sich von da weiter über Thessalien u. Macedonien verbreitete. An der Spitze stand Karaiskakis, welcher offen die Herstellung eines hellenischen Kaiserthums als Zweck angab, Viele Freiwillige, Soldaten, selbst höhere Offiziere, unter Anderen der Adjutant des Königs Spiro-Mylios, ganze Corps eilten aus dem Königreiche zu den Aufständischen, unter denen sich die königlich griechischen Offiziere Grivas, Hadschi-Petros, Romgos, Tzavellas u.a. hervorthaten[616] Während die Griechen sich vieler Grausamkeiten u. Gräuel schuldig machten, zeichnete sich der türkische Oberbefehlshaber Fuad-Effendi, durch die ihm unter dem Schutz englischer u. französischer Schiffe zukommenden Truppen u. Kriegsbedürfnisse verstärkt, durch Tapferkeit, Klugheit u. Mäßigung aus. Allen Beschwerden der türkischen Gesandtschaft zu Athen ungeachtet wurde dem Aufstand von Seiten der griechischen Regierung so offen Vorschub geleistet, daß der britische Bevollmächtigte in Athen diese Verhältnisse einen Krieg ohne Kriegserklärung nannte u. im Verein mit den Gesandten Österreichs, Preußens u. Baierns ernstliche Vorstellungen dagegen machte, aber vergeblich. Der diplomatische Verkehr zwischen G. u. der Türkei wurde gänzlich abgebrochen u. den Griechen besohlen, das Türkische Reich binnen vierzehn Tagen zu verlassen. Der Aufstand wurde schon im April bei Arta, Mezzoro u. Velo u. durch die Einnahme von Peta von den Türken besiegt, während England u. Frankreich ankündigten, daß sie eine andere Regierung einsetzen würden, wenn die bestehende außer Staude sei, die türkenfeindliche Bewegung zu bemeistern. Als letztes Wort verlangten sie am 13. Mai eine vollkommene Neutralitätserklärung bei dem Orientalischen Kampfe, öffentliche Mißbilligung alles bisher Geschehenen u. Anerkennung der Unverletzlichkeit des Türkischen Reiches; u. da bis zum 25. Mai eine zustimmende Antwort nicht erfolgte, so besetzten am folgenden Tage französisch-englische Truppen unter General Forey den Piräus, worauf der König unter dem Drange von Seiten der. Gesandten Frankreichs, Englands, Preußens u. Österreichs seine bisherigen Minister entließ u. das Versprechen strenger Neutralität gab. Zugleich wurde die zweite Kammer aufgelöst. Die neuen Minister beeiferten sich mehr den Willen der Schutzmächte, als den des Königs auszuführen, jedoch ließen sich bes. Frankreich u. Österreich angelegen sein, die abgebrochenen Freundschaftsverhältnisse zwischen G. u. der Türkei wieder herzustellen, da Handel u. Schifffahrt, an deren Stelle Seeräuberei getreten war, danieder lagen, u. an der türkischen Grenze zahlreiche Räuberbanden, von den Mißhelligkeiten begünstigt, ihr Unwesen trieben. Erst am 8. Juni 1855 kam jedoch ein auf gegenseitigen Vergünstigungen ruhender Handels- u. Schifffahrtsvertrag zwischen G. u. der Türkei zu Stande. Zugleich hatte eine Veränderung im Ministerium stattgefunden, die den Willen des Königs im Sinne Frankreichs u. Englands noch mehr beschränkte. Der Kriegsminister Kalergis legte es förmlich darauf an, das Königthum herabzuwürdigen. In dieser Bedrängniß rief der König die Vermittelung Österreichs, Preußens u. Baierns an. Frankreich u. England willigten mit der Erklärung, daß sie nunmehr den König selbst für jede Regierungshandlung verantwortlich machen würden, darein, daß derselbe durch den Senator Bulgaris ein neues Ministerium bilden ließ (4. Octbr. 1855). Trikupis, bis dahin griechischer Gesandter in England u. englisch gesinnt wurde Präsident u. Minister des Äußeren, jedoch bald darauf durch Xangabis ersetzt, Bulgaris des Inneren, Smolenitzis des Krieges, Miaulis des Seewesens, Sclivergos der Finanzen u. Potlis für Justiz. Zur Unterdrückung des Räuberwesens schloß die Regierung mit der türkischen eine Übereinkunft (20. April 1856) zur gegenseitigen Bewachung der Grenzen u. Hülfeleistung durch die bewaffnete Macht, vorläufig auf sechs Jahr. Nach Abschluß des Pariser Friedens besserten sich die Beziehungen zu Frankreich u. England, da die griechische Regierung endlich den guten Willen zeigte, wenigstens einen Theil der Zinsen der griechischen Staatsschuld jährlich abzutragen, für welche England, Frankreich u. Rußland die Bürgschaft übernommen hatten. Allerdings hatten sich die Schutzmächte ausbedungen, daß ihre Gesandten zu Athen als Prüfungscommission die Finanzoperationen der griechischen Regierung überwachen sollten. In Folge dessen räumten die englisch-französischen Truppen am 27. Februar 1857.
Die Arbeiten beider Kammern brachten ein Gesetz, welches die Versammlungszeit derselben auf 6 Monate beschränkte, eine Verbesserung des Hypothekenwesens u. ein Budget für 1858 mit 18,275,307 Drachmen Einnahmen (4,386,073 Thlrn.) u. 17,946,349 Drachmen Ausgaben, also ein Überschuß von ungefähr 72,000 Thalern. Der Bau eines sich über ganz G. erstreckenden Hauptstraßennetzes wurde begonnen u. sollte in acht Jahren vollendet sein. Die Regierung beförderte die Bildung von Gesellschaften zur Führung einer Eisenbahn von Athen nach Piräus, woran im Jahre 1858 gebaut wurde, zum Abbau des Parischen Marmors, wovon im Frühjahr 1858 die erste Sendung nach Rom ging, u. zur Versicherung gegen Feuersgefahr. Sie beschäftigte sich selbst mit Einführung der Gasbeleuchtung u. mit der Verbreitung von Kenntnissen eines besseren Weinbaues u. einer besseren Weinbereitung. Eine griechische Dampfschifffahrtsgesellschaft bildete sich, um den Verkehr an den griechischen Küsten zu vermitteln, eine andere, um einen regelmäßigen Eilwagendienst zwischen Nauplia u. Tripolitza einzurichten. Die entschiedensten Fortschritte machte G. im Unterrichtswesen u. in der Schifffahrt. Im Jahre 185556 zählte Athen 43 Professoren u. 590 Studirende, darunter 235 ausländische Griechen; Unterrichtsanstalten aller Art sind entstanden u. werden unterhalten mit Hülfe von außerordentlich reichen u. zahlreichen Stiftungen, großentheils im Auslande reich gewordener u. gestorbener Griechen. Im Jahre 1821 waren etwa 400 griechische Schiffe auf dem Meere; 1845 schon 3500 mit 5,000 Matrosen; im Jahre 1855 aber 5000 mit ungefähr 30,000 Matrosen. Bei dieser Thätigkeit für die öffentliche Wohlfahrt verschwanden die Parteiungen. Das Ministerium erhielt sich daher auch im Wesentlichen, obwohl im November 1857 Bulgaris aus dem Ministerium trat, welches von da an auf folgende Weise zusammengesetzt war: Ath. Miaulis, Präsident u. Minister der Marine, Rizos Rangabis, des Äußeren, Provilegios, des Inneren, Cumunduris, der Finanzen, G. Rhallis, der Justiz, Leonidas Smolenitzis, des Krieges, Christopulos, des Cultus. Ein Gesetz über das Verfahren bei politischen Verbrechen u. Preßvergehen vor den Geschworenen wurde von den Kammern angenommen, eben so ein Zollgesetz, welches die Eingangszölle bedeutend herabsetzt u. die Ausgangszölle im Laufe von zehn Jahren allmälig aufhebt. Zu Anfange des Jahres 1858 wurde mehrtägig ein Jubelfest zur Erinnerung der Ankunft des Königs Otto vor Nauplia im Januar 1833 gefeiert, welches unverkennbar von großer Anhänglichkeit des griechischen Volkes an seinen[617] König zeugte. Am 17. Januar 1858 langte das königliche Paar in Chalkis am Euripus an, um die Meerenge u. die darüber geschlagenen beweglichen eisernen Brücken feierlich für Schifffahrt u. Verkehr zu eröffnen. Die griechische Regierung hatte die Meerenge bis zu einer Tiefe von 51/2 Meter ausbaggern u. die zwei Brücken, welche von der Insel zu dem venetianischen Thurmgebände in der Mitte u. von da aus Festland führen, in Zugbrücken verwandeln lassen, so daß nunmehr die größten Schiffe zur Erleichterung ihrer Reise durchfahren können. Ein heftiges Erdbeben zerstörte am 25. Febr. Korinth, so daß es an der bisherigen Stelle nicht wieder aufgebaut werden konnte. Der laut ausgesprochene Wunsch der Griechen der Ionischen Inseln, der sich auch durch enthusiastische Bewillkommnung des Königs Otto in Korfu (3. Juli) bei seiner Durchreife nach Deutschland kund gab, mit dem Königreiche vereint zu werden, fand bei dem englischen Cabinet nicht die mindeste Berücksichtigung. Ein Telegraphennetz, über welches die griechische Regierung mit Österreich u. England sich verständigt hatte, u. welches den Telegraphenverkehr zwischen G. u. Ägypten, Constantinopel u. Triest herstellen soll, war zu Ende des Jahres 1858 so weit vollendet, daß Athen mit Syra u. Chios, Constantinopel u. Kreta in telegraphischer Verbindung stand.
Vgl. Mitford, History of Greece, n.A. Lond. 1830, 8 Bde. (deutsch von Eichstädt, Lpz. 18028, 6 Bde.); Gillies, Hist. of ancient G., Lond. 1786, 4 Bde. (deutsch 1787 ff.); Ottfried Müller. Geschichte der hellenischen Stämme u. Städte, Bresl. 182024, 3 Bde.; 2. Aufl., von Schneidewin, 1844; Pouqueville, Hist. de la régénération de la G. 1740 1824, Par. 1824, 4 Bde; Rizo-Nerulos, Histoire moderne de la Grèce. Genf 1828 (deutsch von Eisenbach, Lpz. 1830); Falmerayer, Geschichte der Halbinsel Morea während des Mittelalters, Stuttg. 1830; Emerson, The hist. of modern G., Lond. 1830, 2 Bde.; Müller, Geschichte von G. u. Schilderung seiner jetzigen Bewohner, Lpz. 1831; Zinkeisen, Geschichte G-s vom Anfange geschichtlicher Kunde bis auf unsere Tage, 1. bis 4. Thl., ebd. 183240; von Maurer, Das griechische Volk, Heidelb. 1835; Heinze, Der Hellenische Nationalcongreß, Lpz. 1845; Droysen, Geschichte des Hellenismus, Hamb. 183644, 2 Bde.; Grote, History of Greece, 8 Bde., 2. Aufl. Lond. 1851 (deutsch von Meißner, Lpz 1851 ff.); Finlay, Geschichte G-s. von seiner Eroberung durch die Kreuzfahrer bis zur Besitznahme durch die Türken, deutsch von Reiching, Tübing. 1853; Pellion, La Grèce et les Capodistrias. pendant l'occupation française de 182834, Paris 1855; Curtius, Geschichte von Griechenland, Lpz. 1856 bis 1858, 1. u. 2. Bd.; Mone, Griechische Geschichte, Berl. 1858.
Brockhaus-1809: Griechenland · Griechenland
DamenConvLex-1834: Griechenland (Literatur) · Griechenland (Moden) · Griechenland (v Geschichte) · Griechenland (Frauen) · Griechenland (Geographie) · Griechenland (Kunst)
Meyers-1905: Griechenland [2] · Griechenland [1]
Pierer-1857: Griechenland [3] · Griechenland [5] · Griechenland [1] · Griechenland [2]
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