[137⇒] Marokko oder das Sultanat Maghreb al-akßâ (d.h. der äußerste Westen), nordwestlichster Teil Afrikas [Karten: Afrika I u. II], ohne Tuat und die Sahara 439.240 (456.000) qkm, etwa 8 Mill. E.; vom Atlas (s.d.) durchzogen; wichtigste Flüsse die Muluja (520 km) und der Tensift (660 km). Die Bevölkerung größtenteils (5 Mill.) Berbern; 3 Mill. Araber und Mauren (mohammed., arabisch sprechende, arab.-berber. Mischrasse in den Städten [Tafel: Menschenrassen, 36]), 200.000 Neger, 150.000 Juden und 4-5000 Europäer. Ackerbau (Weizen, Gerste, Mais, Durra), mit sehr ungleichen Ernten, und Viehzucht; Industrie in roten Mützen (Fes), feinem Leder (Maroquin), Seidenweberei, Teppichen und Töpferei; Handel s. Beilage: ⇒ Afrika; Karawanenhandel nach Timbuktu und Senegambien. – Verfassung despotisch; Teil des Herrschers Emir el-Mumenin, d.i. Fürst der Gläubigen. Ein großer Teil des Landes im N. und W. ist Rebellenland; Hauptstädte M. und Fes. Stehendes Heer 10.000 Mann Infanterie, 5000 Mann Kavallerie, 6-7000 Gendarmen; im Kriege etwa 300.000 Mann Landsturm. Wappen: in Grün drei silberne Halbmonde; Flagge rot [Tafel: Flaggen].
Geschichte. M., Mauretanĭa Tingitāna der Römer, kam um 700 n.Chr. unter die Herrschaft der Araber, wurde unter den Almoraviden unabhängig; auf sie folgten 1150 die Almohaden, 1275 die Meriniden, auf diese 1361 die Sanditen und Anfang des 16. Jahrh. die Scherife von Tafilet, die ihre Herrschaft bis nach Guinea ausbreiteten. Um 1603 zerfiel das Reich durch innere Kämpfe; im 17. Jahrh. begründete Mulei Scherif die Dynastie der 2. Scherife (Aliden), von denen Mulei-Soliman (1794-1822) und Abd ur-Rahmân bessere Zustände herbeiführten. Unter dessen Sohne Sidi Mohammed (1859-73) geriet M. in Krieg mit Spanien, mußte 26. April 1860 20 Mill. Piaster zahlen und einiges Gebiet abtreten. Ihm folgte Sultan Mulei-Hassan (1873-94), diesem Abd ul-Asis. Unter ihm mehrfach Erhebungen unbotmäßiger Stämme, Aufruhr unter dem Prätendenten Bu-Hamara und Konflikte mit den europ. Mächten. Frankreich besetzte die Oasen von Tuât (1900) und Figig (1903) und erlangte 8. April 1904 Englands Anerkennung als europ. Vormacht in M. Wegen eines darüber mit Deutschland ausgebrochenen Konflikts wurde eine internationale Konferenz berufen, die vom 17. Jan. bis 7. April 1906 in Algeciras tagte. – Vgl. Rohlfs (4. Aufl. 1884), Lenz (2. Aufl. 1892), Diercks (1894), Meakin (engl., 3 Bde., 1899-1902), Mohr (1902), Kampffmeyer (1903), Aubin (frz., 1904; deutsch 1905), Schanz (1905). [⇐137]
[337⇒] Marokko (von den Arabern Maghrib el Aksa, »der äußerste Westen«, oder El Gharb el Djoani genannt), Sultanat im NW. Afrikas, zwischen 2736° nördl. Br. und 013° östl. L., im N. vom Mittelländischen Meer, im W. vom Atlantischen Ozean, im O. von Algerien und im S. von der Sahara begrenzt (s. Karte »Algerien, Marokko und Tunis«, im 1. Bd.). Nach der letzten Richtung hin ist die Grenze aber ganz unbestimmt. Von dem ganzen auf etwa 800,000 qkm berechneten Gebiet sind aber nur 456,000 qkm dem Sultan von M. wirklich untertan, nämlich das Beled el Machzen (»Land der Konskription«) genannte Gebiet, bestehend aus dem ehemaligen Königreich Fes mit Tanger und Tetuan, dem eigentlichen Königreich M., dem Sus an der Küste südlich vom Kap Ghir, die Oasen Tafilelt und Figig und das Land Udjda im NO. Dagegen heißen Beled es Siba die Regionen, deren verschiedene Stämme Steuern und Militärdienst verweigern und nur gelegentlich unterworfen werden: das Er Rif am Mittelmeer von Melilla bis Tetuan, die zentralen Teile des Atlas und im S. von Udjda das Territorium, dessen Mittelpunkt der Schott Tigri bildet. Tidikelt, Tuat, Gurara und andre Oasen der Sahara erkennen höchstens die religiöse Oberhoheit des Sultans an (vgl. Machzen).
[Oberflächengestaltung.] M. hat 1750 km Küstenlänge; 425 km am Mittelmeer, 60 km an der Meerenge von Gibraltar und 12001300 km am Atlantischen Ozean. Die Mittelmeerküste, steil und schutzlos, besitzt in Tanger an der Meerenge eine mittelmäßige Reede und als Inseln die kahlen Felsen Islas Chafarinas, Alhucemas, Velez de la Gomera, Peregil. Die niedrige, infellose atlantische Küste ist ebenso ungünstig für die Schiffahrt, zum Teil infolge der anhaltenden heftigen Winde. Die Häfen von Araïsch und Rabat sind Flußmündungen, die übrigen Landungsplätze offene Reeden. Nach Th. Fischer zerfällt [⇐337][338⇒] M. in vier parallel laufende Gürtel: Gebirgsland des Atlas, Zone der subatlantischen Berieselungsoasen (Hochebene), Steppe und Kulturland (»Tirs«, Schwarzerde). Am Mittelmeer erhebt sich das 60 km breite Atlasvorland, ein Schollenland (Beni Hassan 2010 m), an dies schließen sich südlich weitere Höhenzüge bis zur mächtigen Gebirgskette des Großen Atlas (s. Atlas), der sich, ein altes Faltenland, vom Kap Ghir in nordöstlicher Richtung bis zur algerischen Grenze hinzieht bei einer mittlern Höhe von 3650 m und Pässen von 11001500 m, die durch einzelne Gipfel noch um 150240 m überragt werden. Südlich des stellenweise nur 30 km breiten Gebirges zieht parallel der 2000 m hohe Antiatlas, dann folgt die Wüstenregion. Der westliche Teil gegen den Atlantischen Ozean (190,000 qkm) ist ebenes, fruchtbares Land, während der Atlas mit den Hochsteppen etwa 70,000 qkm bedeckt. Über den geologischen Bau von M. s. die Artikel »Afrika«, S. 136, und »Atlas«. Das Mineralreich liefert Kupfererze, Eisen (besonders im Atlas) Silber, Waschgold (bei Sus), Antimon, Blei, auch Schwefel, Steinsalz und Salpeter. Im Rif finden sich Bergkristalle und Amethyste. Die nur periodisch sehr wasserreichen, zuweilen ganz trocknen Flüsse nehmen mit der Annäherung aus Meer an Größe ab, führen insgesamt nur 225 cbm Wasser in der Sekunde dem Meere zu, haben Barren an ihren Mündungen und sind nicht schiffbar. In den Atlantischen Ozean münden der Bu Regreg, der fischreiche Um-er-Rbia (»Mutter der Kräuter«), der Tensist (660 km) und Sus, in das Mittelmeer der Muluja (520 km). Die Flüsse, die am Südabhang des Atlas entspringen, versiegen meist bald oder werden Wadis (Draa, Nun, Sus, Sussana); einzelne enden in Oasen. Die Wadis Tafilelt, Ghir und Saura verlieren sich in den Salzseen der marokkanischen Sahara. Von Seen sind nur nennenswert die Strandseen Laguna Puerto Nuevo an der mittelländischen, und die Merdja Ras-e-Dura an der atlantischen Küste. Das Klima, in den Küstenstrichen angenehm und beständig, an der atlantischen Küste infolge des kalten Auftriebwassers oft nebelig, im Innern drückend heiß, zum Teil heftigen Regen ausgesetzt, ist noch wenig bekannt. Im Gebirge bleiben die höchsten Kuppen das ganze Jahr mit Schnee bedeckt; südlich vom Atlas beginnt das heiße und trockne Wüstenklima mit gelegentlichen, wolkenbruchartigen Niederschlägen. Mogador: mittlere Jahrestemperatur 19°, Januar 16,4°, April 19,7°, Juli 22,4°, Oktober 20,9°; mittlere Jahresextreme 27,8° und 11,9°. Kap Juby: 18,2° im Jahresmittel. In der Stadt M. (490 m) betragen dagegen die Extreme 39° und -1,1°, das Jahresmittel 2122°. Winterregen sind vorherrschend. Der Regenfall beträgt in Tanger 815 mm im Jahr. Die Flora, nur lückenhaft bekannt, ist der spanischen am nächsten verwandt, besonders durch die Retembüsche (Retama monosperma). Die gebirgigen Teile des Landes bedecken neben Palmen Tamarinden, Feigenbäume und Mimosen, in größern Höhen neben immergrünen Eichen, Zedern, Fichten und Tannen; doch wird die Waldverwüstung, besonders in dem Hochgebirge, noch immer fortgesetzt. Als Vertreter tropischer Familien reicht die dornige Sapotazee Argania wälderbildend bis an den Atlantischen Ozean. Die Droserazee Drosophyllum, die Leguminosengattung Pterospartum und die Labiate Cleonia erinnern an Spanien. Die Gattung Apteranthes, eine sukkulente Asklepiadazee, versetzt nach M. eine Pflanzenform des südlichen Afrika, mit dessen Stapelien sie verwandt ist. Der Hohe und Kleine Atlas zeigen vier eigentümliche Bäume: die Konifere Callitris quadrivalvis, zu einer sonst nur noch in Australien vertretenen Gattung gehörig. die Esche Fraxinus dimorpha, die Terebinthazee Pistacia atlantica und eine Piree, Pirus longipes. Das dazwischen liegende Steppengebiet zeichnet sich durch hohe, harte Gräser aus, wie Avena filifolia und A. bromoides, Festuca granatensis und Stipa tenacissima, das Espartogras (Halfa, in Algerien technisch verwendet). An Kulturgewächsen finden sich Dattelpalmen, Bananen, Orangen, Zitronen, Granaten und Mandeln. Die Tierwelt von M., zur mittelländischen Subregion der paläarktischen Region gehörig, ähnelt der Algeriens; die größern Sänger (Löwen, Panther etc.) sind jetzt selten; häufig wilde Schweine. Im S. von M. treten Antilopen und Strauße auf, als Landplage Heuschrecken. Pferde und Maultiere sind vorzüglich, Kamele gibt es viel im S., dazu große Herden von Schafen, Ziegen und Rindern; nur die Ausfuhr der letztern ist gestattet. Fische sind zahlreich in den Flüssen wie im Meer; ebenso ist die Insektenwelt reich vertreten.
[Bevölkerung.] Die Zahl der Bewohner wurde von Tissot auf 12, von Rohlfs auf 6,5, von Lenz auf 8 Mill., nach den neuesten Berechnungen auf 7 Mill. geschätzt. Davon zählen die Berber (s. d.), die in Amazirghen, Schelluh (Schloh) und Kabylen zerfallen, gegen 4 Mill., die als Eroberer ins Land gekommenen Araber (s. Tafel »Afrikanische Völker I«, Fig. 3) nebst den ihnen eng verwandten, aus Spanien vertriebenen Mauren gegen 3 Mill., die aus Spanien, Portugal, Frankreich, England und Holland im 13.15. Jahrh. vertriebenen Juden 100150,000, die Neger (größtenteils Sklaven, die den Typus der Bevölkerung stark beeinflussen) 200,000, die Europäer, meist Spanier und Franzosen in den Hafenplätzen, 40005000. Die Berber bewohnen in zwei Stämmen den Atlas und die südlichen Abhänge desselben und sind nur dem Namen nach dem Sultan untertan. Die Araber (bisher ziemlich rein erhalten) sind Nomaden, die Mauren dagegen in den Städten eine veredeltere Rasse, am meisten der Zivilisation zugänglich (Schriftgelehrte, Richter, Paschas, Notare, überhaupt die Beamten, auch Kaufleute). Die Juden, meist den reichern Gesellschaftsschichten der Hauptstädte, besonders der Küstenstädte, angehörend, sind Bankiers, Händler und Handwerker, dabei aber verachtet und beständig verfolgt. Eigentliche Landessprache ist das Arabische, die Stämme des Atlas und des Südens sprechen das Schlöch, die Neger das Guenagui, die Juden unter sich Hebräisch. Religion ist der Islam; der Großscherif von Fes (zugleich Großmeister des mächtigen Ordens von Mulei Tajeb) hat eine Macht, die der des Sultans nahekommt und sich bis Ägypten erstreckt.
[Erwerbszweige.] Der für den Ackerbau vorzügliche Boden wird infolge der Bedrückungen und Erpressungen der Beamten sowie des erst in den letzten Jahren zeitweilig aufgehobenen Ausfuhrverbots von Weizen, Gerste, Mais und Durra sehr lässig und sehr primitiv betrieben, und zwar hauptsächlich von den Berbern, die auch Händler und Kaufleute sind. Indes versteht man sich vortrefflich auf künstliche Bewässerung. Hauptkulturen sind Bohnen, Erbsen, Linsen, Gerste, Fenchel, Koriander, Datteln, Kanariensamen, Kümmel. Südfrüchte aller Art gedeihen vorzüglich, auch Wein und Öl. Mandeln und Datteln bilden einen bedeutenden Ausfuhrartikel. Die Viehzucht, von den Arabern betrieben, gleichfalls [⇐338][339⇒] auf sehr niedriger Stufe, trotz günstiger Bedingungen, zählt etwa 500,000 Pferde, 4 Mill. Maulesel und Esel, 500,000 Kamele, 56 Mill. Rinder, 40 Mill. (?) Schafe und 1012 Mill. Ziegen. Bergbau wird, da das Suchen nach Mineralien verboten ist, nur von halb unabhängigen Völkern des Atlas auf das dort sehr häufige Eisen betrieben; eine Kupfergrube wurde früher für den Sultan im Sus ausgebeutet. Das Metall kommt an mehreren Stellen vor, ebenso wie Gold, Antimon, Schwefel, silberhaltiges Blei, Steinsalz, Kohle, Töpfererde, Gips, Marmor, Ocker, Amethyste etc. Von den Erzeugnissen der zum Teil geschmackvollen und originellen, aber seit Jahrhunderten stationär gebliebenen Industrie erfreuen sich Seiden- und Wollgewebe, Teppiche, Stickereien, Leder- und Töpferarbeiten, Waffen auch im Ausland eines guten Rufes. Mit Europa ist der Handel über die acht Häfen: Casablanca, Araisch, Masagan, Mogador, Rabat, Saffi, Tanger und Tetuan freigegeben, die Karawanen nach dem Sudân gehen besonders von Fes aus. Doch wird er sehr erschwert durch das bestehende Ausfuhrverbot gegen eine Menge von Gegenständen. Über die genannten Häfen betrug 1902 die Einfuhr 43 Mill., die Ausfuhr 32 Mill. Mk. Die Einfuhr besteht namentlich in Baumwolle und Baumwollenstoffen, Zucker, Eßwaren, Tee, Seide, Tuch, Eisen und Eisenwaren, Porzellan- und Glaswaren, Wein und Spiritus, Petroleum, Tabak etc., die Ausfuhr in Wolle, Ochsen, Häuten und Fellen, Bohnen, Linsen, Erbsen, Mandeln, Gummi, Wachs, Elfenbein und Straußfedern (aus dem Sudân), Olivenöl, Pantoffeln, Datteln.
Der Handel hat in den letzten Jahren ganz außerordentlich zugenommen, namentlich der mit Deutschland, was besonders der Errichtung einer deutschen Dampferlinie zwischen Hamburg und Tanger (Atlaslinie) zu danken ist. In die oben genannten Häfen liefen 1900 Schiffe mit etwas über 1 Mill. Reg.-Ton. ein. Die Verkehrsmittel im Innern sind sehr schlecht; Eisenbahnen gibt es nicht, ebensowenig fahrbare Straßen; die Warenbeförderung erfolgt durch Lasttiere, im Süden Kamele, im Norden Maultiere, und die einzige für diesen Zweck leidliche Straße ist die von Fes nach Mekines. Postämter (M. gehört dem Weltpostverein nicht an) sind in Tanger unter Kontrolle von England, Frankreich, Deutschland und Spanien errichtet; Botenpost besteht zwischen Tanger und Mogador sowie nach Fes und Alkazar, Tetuan und den Küstenstädten Rabat, Araisch, Casablanca, Saffi, Masagan, ebenso zwischen Araïsch und Alkazar, Masagan und Marokko sowie Fes und Mekines. Ein Kabel verbindet Tanger mit Gibraltar.
Münzwesen: Nachdem die Prägung von Goldmünzen, worunter der Bendoki oder Butki = 65 Ockiat Silber rund 81/2 Mark wert, um 1855 und die von Silbermünzen etwas später aufgehört hatte, bildeten schlechte Kupfer- und fast sechseckige Messingmünzen von 3,63 g Sollgewicht des Fels oder der Delila die eigentliche Währung, neben der spanische 5 Pesetas-Stücke und andre Münzen der Mittelmeerstaaten reichlich umliefen. 1881 ward Silberwährung mit dem Mitskal von 29,116 g 9/10 sein zu 10 Okie oder Ukie = 4,697 Mk. Wert der Talerwährung eingeführt und seit 1891 in Paris und Berlin Scheidemünzen zu 5,21/2, 1 und 1/2 Okia Schraja von 835 Tausendteilen Feinheit angefertigt (die Okia oder Unze = 0,438 Mk., aber wie 1/2 Frank gerechnet). Schon 1902 erfolgte eine Wertverminderung: Währungsgeld ist der Piaster oder Rial von 10 Dirhem gleich dem Fünffrankstück; aus Silber gibt es Scheidemünzen zu 1/2, 1/4 Rial, 1 und 1/2 Dirhem, aus Bronze zu 10 Centimes oder Musunas (1/2 Dirhem), 5,2 und 1 Centime. Maße und Gewichte: Als Zeugmaß dienen das englische Yard und das Meter, im Verkehr der Mauren mit Spaniern der Dhra (Codo) von 8 Tomin = 57,1 cm. Das Getreidemaß Saah von 4 Muhd ist örtlich verschieden groß, die Kula für Öl in Tanger = 24,035 Lit., sonst = 15,155 Lit. Ein gewöhnlicher Kintâr, neben dem noch andre Zentnergewichte vorkommen, = 100 Artal, = 50,8 kg; aber der R'tal oder Rattl = 14 Uckie enthält in den südwestlichen Häfen 540 und in den nördlichen für Einfuhrartikel 508 g, für Landeserzeugnisse das 11/2fache.
Die Staatsform ist orientalisch-despotisch. Der Sultan, Emir el Mumenin (»Fürst der Gläubigen«), ist unumschränkter Herr. Neben den Beamten für den Hofhaushalt existieren solche für die allgemeinen Angelegenheiten. Zu letztern gehört der fast allmächtige Großwesir, zugleich Minister für auswärtige Angelegenheiten, Krieg und Finanzen. In Tanger, wo die diplomatischen Vertreter der fremden Mächte residieren müssen, befindet sich ein Vertreter des Sultans für auswärtige Angelegenheiten. Ehemals eingeteilt in die Königreiche Fes und M., bestehen jetzt nur noch die gleichnamigen Hauptstädte als Residenzen des Sultans. Das Reich wird nach Lenz eingeteilt in 44 Provinzen (35 nördlich, 9 südlich vom Atlas). Der Koran ist das einzige anerkannte Gesetzbuch, und das Zeugnis eines Christen oder Juden gilt gegenüber einem Mohammedaner nicht. Daher entscheiden die Konsuln bei Streitigkeiten zwischen ihren Staatsangehörigen und Eingebornen. Den obersten Richter, Kadi el Dschemma, ernennt der Sultan, auch die 20 Kadis der Provinzen; die halb unabhängigen Stämme haben teils vom Sultan eingesetzte, teils selbst gewählte Scheichs. An Städten ist M. verhältnismäßig nicht arm: Fes hat etwa 140,000, Marokko 80,000, Tanger 20,000 Einw.; außerdem kommen die Vertragshäfen (s. oben) in Betracht und die Presidios (s. d., vgl. Spanien). Über die neuesten Versuche Frankreichs, M. in seine Interessensphäre zu ziehen, s. unten (S. 342). Zur Erforschung des Landes hat sich in Paris 1904 das Comité du Maroc gebildet.
Über die Finanzen gibt es nur Schätzungen. Nach denen des deutschen Ministerresidenten Wever erreichen die Einnahmen gegen 10 Mill., die Ausgaben 4 Mill. Mk., so daß dem Sultan neben seinem schon in das Budget eingestellten Einkommen jährlich etwa 6 Mill. Mk. übrigbleiben, ungerechnet die durch Erpressung von Geschenken, Konfiskationen etc. gewonnenen Reichtümer.
Heerwesen. Die Landmacht besteht aus: 1) den Majaznias, einer Art Kriegerkaste, sie stellen die Hauptwaffe, die Kavallerie, auch die Leibwache des Sultans, die Polizei- und Gendarmerietruppe; 2) den Askars oder der Söldnertruppe, die nach Bedürfnis ausgehoben werden. Sie bilden die Infanterie, die ganz in den Hintergrund tritt; 3) den Nabais, Landsturm, welcher der Zahl nach den Hauptteil des Heeres bildet. Bei den Askars sind die einzelnen Stämme zu Bataillonen vereinigt, sonst fehlt eine feste Organisation. Die Ausbildung ist minderwertig. Trotz guter Anlagen des Mannes sind die Leistungen der Truppe wegen fehlender Disziplin mangelhaft, nur religiöse Vorstellungen halten sie zusammen. Bewaffnung: Hinterlader nach verschiedenen ältern Systemen, doch kommen auch noch Steinschlösser vor. Die Artillerie führt das verschiedenste [⇐339] [340⇒] Material vom glatten Geschütz bis zu Canet- und Pompomgeschützen, Mitrailleusen und 15 cm-Mörsern. Das Küstenartillerie-Material ist sehr vernachlässigt; 2 starke Bataillone Feldartillerie sind vorhanden. Die Angaben über Kriegsstärken sind sehr unsicher, der Sultan verfügt gegenwärtig nur über 10,000 Mann. M. stellte in den letzten Feldzügen den europäischen Truppen nie mehr als 4050,000 Mann entgegen. Eine Kriegsflotte besitzt der im 16. und 17. Jahrh. den christlichen Mächten, insbes. Spanien, durch seine Piratenschiffe furchtbare »Barbareskenstaat« (s. Berberei) längst nicht mehr, das letzte Kriegsschiff des Sultans liegt unbrauchbar im Hafen von Araïsch. Jetzt besitzt der Sultan nur noch einige Küstenkauffahrer, auch die berüchtigten Piraten des Rif haben sich seit dem Kriege mit Spanien 1896 zurückgezogen. Das Wappen (s. Tafel »Wappen IV«, Fig. 7) zeigt in Grün drei silberne Halbmonde; die Flagge ist rot (s. Tafel »Flaggen I«).
[Geschichte.] Die Geschichte Marokkos ist in älterer Zeit mit der der Berberei (s. d.) verbunden. Es hieß ursprünglich Mauretanien (s. d.) und stand unter eignen Königen. 42 n. Chr. wurde es von den Römern ihrem Reich einverleibt und in zwei Provinzen, Mauretania Tingitana im Westen (69 n. Chr. mit Spanien vereinigt) und Mauretania Caesariensis im Osten, geteilt. Nach der kurzen Herrschaft der Wandalen (429534) und des oströmischen Reiches (bis Ende des 7. Jahrh.) kam M. unter die Herrschaft der Araber, von denen es sich jedoch schon 739 wieder befreite. Doch 789 machten sich die Edrisiden zu Herrschern von M. (793 Gründung von Fes), wurden aber 986 von den Fatimiden unterworfen. Gegen diese erhoben sich wieder die Zeiriden, bis der von dem muslimischen Glaubenseiferer Abdallah ibn-Jasin (gest. 1059) eingesetzte Abu Bekr 1062 M. gründete und sein Nachfolger Jusuf ibn Taschfin, der sogar mit Papst Gregor VII. in diplomatischem Verkehr stand, die Herrschaft der Almoraviden (s. d.) erweiterte. An ihre Stelle traten 1147 die Almohaden, und seit 1269 die Meriniden (s. d.) bis zur Mitte des 15. Jahrh. 1509 kam an Stelle der Wattâsiden die sa'ditische Dynastie der ihren Ursprung vom Propheten (durch Abkunft aus dem Hause der Edrisiden, frühern Fürsten von Fes) ableitenden Scherifen auf, die sich bis 1654 hielt (Näheres darüber in der »Genealogia del serenissimo D. Filippo d'Africa, principe di Fessa e di Marocco«, Rom 1665). Trotz der innern Thronstreitigkeiten erlangte M. unter ihr gegen das Ende des 16. Jahrh. seine größte Ausdehnung, indem es den westlichen Teil von Algerien umfaßte und im S. bis zum Sudân reichte. Damals wurden auch die Portugiesen aus ihren Besitzungen vertrieben und König Sebastian bei Alkazar (oder Machâzin; 4. Aug. 1578) geschlagen. Seeräuberei wurde um diese Zeit selbst gegen die größern Mächte verübt. Nach dem Tode Al-Mançurs, des mächtigsten der Scherifen (1603), entstand ein Bruderkrieg unter seinen Söhnen (mit Abu Faris oder Buferes unterhandelte 1604 der englische Abenteurer Anthony Sherley im Namen Kaiser Rudolfs 11.), bis der älteste, Mulei Zidan, König von Fes, auch die Herrschaft von M. wiedererlangte. Unter ihm kamen die 1610 aus Spanien vertriebenen Mauren nach M. Mit dem Sohne von Mulei es-Scherif, einem südmarokkanischen, dem Tafilelt entstammenden Sprößling aus dem Hause des Propheten, kam 1667 eine Seitenlinie der Scherifen, die Dynastie der Aliden, Fileli oder Hoseini, auf den Thron. Ein Handelsvertrag mit Frankreich bedeutete für M. die Unabhängigkeit. Mulei Arschids Bruder, Mulei Ismail (16721727), erwarb sich den Ruf eines der grausamsten Tyrannen; gegen 5000 Menschen richtete er eigenhändig hin, zum Teil unter den ausgesuchtesten Martern. Über die Episode seiner Liebe zur Prinzessin Conti, einer Tochter Ludwigs XIV. und der Lavallière, vgl. die »Relation historique« von Freschot (Köln 1700). Nach seinem Tode stritt 172730 sein Sohn Ahmed el-Dehebi, schließlich erfolgreich, mit seinem Bruder Mulei Abdallah um die Thronfolge, starb jedoch schon 1729. Im J. 1757 folgte Mulei Sidi Mohammed, dessen Regierung sich durch Milde und das Bestreben, europäischer Kultur Eingang zu verschaffen, auszeichnete. Nach seinem Tode (1789) entstanden neue Kriege zwischen seinen Söhnen, bis sich endlich Mulei Yezid behauptete, dem 1794 sein jüngerer Bruder, Mulei Soliman, in der Regierung folgte. Dieser schaffte 1816 die Christensklaven ab, schritt 1817 gegen die Seeräuberei ein und trat mit den europäischen Mächten, namentlich mit Frankreich, in diplomatischen Verkehr. 1810 war Sidi Hescham von M. abgefallen.
Auf Mulei Soliman folgte 1822 der älteste Sohn seines Bruders Mulei Hescham, Mulei Abder-Rahmân. Dieser trat die Regierung unter ungünstigen Umständen an. Im Innern herrschten Aufstände gegen die weltliche Herrschaft des Sultans, religiöser Fanatismus und Haß gegen die Fremden. Handel und Verkehr lagen danieder. 1825 wurde die Westküste Marokkos durch Österreich und England, die sich beschwert fühlten, blockiert. Die Besitznahme Algeriens durch die Franzosen verwickelte M. in Konflikte mit Frankreich; die fanatisch muslimische Bevölkerung gewährte Abd el Kader Zuflucht und zwang den Sultan 1844, jenem 15,000 Mann zu Hilfe zu schicken, welche die Franzosen im Juni unversehens angriffen, aber zurückgeschlagen wurden. Nach Ablehnung des französischen Ultimatums bombardierte die französische Flotte unter dem Prinzen von Joinville im August Tanger und Mogador. Am 14. Aug. siegten die Franzosen unter Bugeaud über ein großes marokkanisches Heer unter Sidi Mohammed, einem Sohn des Sultans, beim Fluß Isly; das ganze Lager fiel in die Hände der Sieger. Auf Veranlassung Englands bot endlich der Sultan von M. Frankreich den Frieden an, der am 10. Sept. in Tanger zustande kam. Als Abd el Kader 1845 die algerischen Stämme nach M. übersiedeln und durch sie dies Land von neuem zum Kriege gegen Frankreich nötigen wollte, rief M. die Hilfe Frankreichs gegen ihn an, worauf dieses 1847 dem Sultan zur Unterwerfung seiner Untertanen verhalf und Abd el Kader 22. Dez. zur Ergebung zwang. Doch erneuerten sich die Konflikte mit Frankreich (1851 Beschießung von Saleh durch ein französisches Geschwader) und andern Mächten fortwährend, da die Regierung der Macht ermangelte, ihre Untertanen im Zaum zu halten und an Mißhandlungen der Fremden zu hindern, zumal die Regierungstruppen fast unaufhörlich mit dem Eintreiben der Abgaben beschäftigt sind. Im August 1856 wurde die Bemannung der preußischen Korvette Danzig unter dem Befehl des Prinzen Adalbert an der Rifküste von den wilden Bewohnern aus einem Hinterhalt mit Gewehrschüssen empfangen und mußte sich mit einem Verlust von 7 Toten und 18 Verwundeten zurückziehen.
Nachdem Abd er-Rahmân 1858 noch eine bedeutende Empörung unterdrückt hatte, starb er im August 1859 und hatte seinen ältesten Sohn, Sidi [⇐340] [341⇒] Mohammed, zum Nachfolger. Nur durch blutige Kämpfe vermochte sich dieser gegen seine vielen Nebenbuhler zu behaupten. Diese Unruhen sich zunutze machend, unternahmen die Rifbewohner im September Einfälle in die spanischen Besitzungen auf Nordafrika, wurden aber mit Verlust zurückgeschlagen. Spanien verlangte nun von der marokkanischen Regierung als Genugtuung für Unbilden und als Bürgschaft für die Sicherheit seiner afrikanischen Besitzungen die Abtretung eines Gebietes. Da die Unterhandlungen ergebnislos verliefen, erklärte Spanien 22. Okt. 1859 an M. den Krieg. Nach vielen kleinen, aber sehr blutigen Gefechten besetzten, während die Franzosen den Hafeneingang von Tetuan beschossen, die Spanier 5. Febr. 1860 die Stadt, und nach einer 23. März westlich von Tetuan erlittenen entscheidenden Niederlage baten die Marokkaner um Waffenstillstand. Der Friede van Tetuan (26. April 1860) bestimmte, daß M. an Spanien eine Entschädigung von 20 Mill. Piaster zahlen und bis zur Erlegung dieser Summe die Stadt Tetuan den Spaniern überlassen mußte. Vgl. E. Schlagintweit, Der spanischmarokkanische Krieg 1859 und 1860 (Leipz. 1863); Goeben, Reise- und Lagerbriefe aus Spanien und vom spanischen Heer in M. (Hannov. 186364). Diesem Frieden folgte 20. Nov. 1861 ein Handelsvertrag. 1870 züchtigten 3000 Franzosen mehrere Grenzstämme von Oran. 1873 starb Sidi Mohammed, und ihm folgte 25. Sept. sein Sohn Mulei Hassan, der wiederholt durch Gesandtschaften freundschaftliche Beziehungen zu den europäischen Mächten (seit 1873 deutsches Konsulat in Tanger) anknüpfte, dadurch aber Unruhen in seinem Reich erregte, ohne daß doch der öffentlichen Aussaugung gesteuert und Reformen angebahnt worden wären. Das Schutzrecht der europäischen Mächte in M. wurde 3. Juli 1880 auf einer Konferenz zu Madrid geregelt. Eine Demonstration von französischen, englischen, italienischen und spanischen Kriegsschiffen, die 1891 durch einen Aufruhr in Tanger veranlaßt war, wurde durch M. begütigt. 1893 kam es infolge von Gewalttätigkeiten der Rifioten bei Melilla zu einem neuen Konflikt mit Spanien, der durch Zahlung von 20 Mill. Pesetas und Bestrafung der Rifioten 1894 beigelegt wurde.
Mulei Hassan starb plötzlich 6. Juni 1894; er hatte seinen 16jährigen Lieblingssohn Abdul-Asis zum Nachfolger bestimmt, der von den Truppen zum Sultan ausgerufen wurde, dem aber die unbotmäßige Bevölkerung durch Gewalttaten an Europäern viele Schwierigkeiten bereitete. So geriet er durch Übergriffe von Rifpiraten, die 1896 das Erscheinen eines französischen Torpedobootzerstörers vor Tanger und 1897 eine Gesamtkundgebung der europäischen Mächte (unter Mitwirkung einer deutschen Fregatte) hervorriefen, in schwere Verlegenheiten. Unterm 27. Juni 1900 erlangte Spanien ein Abkommen über die Abgrenzung des Munigebiets. Anderseits wird die Unabhängigkeit Marokkos durch die Eifersucht der Mächte geschützt. Zunächst schien es so, als ob England den Besitz der Küstengebiete von Ceuta erstrebe, während sich Frankreich seiner Sudânpolitik wegen mehr mit den Oasen des Hinterlandes beschäftigte. Ein im J. 1900 gegen die Südoasen unternommener Feldzug mußte infolge ungünstiger Witterungsverhältnisse abgebrochen werden; um so bemerkenswertere Anstrengungen machte Frankreich 1901. General Servière nahm 1. März Ksour el-Kebir, die Hauptoase des Salzbeckens von Timmimun, und General Risbourg schloß mit dem Oberhaupte von Zaonjo Kersas am Oued Saoura (West-Tuat) einen Vertrag ab. Daraufhin wurde im April der franzosenfreundliche Großwesir Hadschi Muktar durch den Kriegsminister Kaïd M'heddi el-M'nebbi ersetzt, im Mai der Vertreter des Auswärtigen Mohammed el-Tores aus Tanger nach Marrakesch berufen und das Kanonenboot Beschir es-Salam nach Masagan beordert. Da Frankreich außerdem für die Vergewaltigung französischer Schutzbefohlener Entschädigung verlangte (Affaire Pouzet), unterstützte es das energische Auftreten Révoils, seines Residenten in Tanger, durch Entsendung des Kreuzers Assas, der am 8. Mai ein Ultimatum überbrachte; Ende Mai folgten die Kreuzer Pothuau, Du Chayla und Chanzy unter dem Admiral Caillard nach. Doch kam auch diesmal noch rechtzeitig eine gütliche Einigung zustande. Im Juni besuchte eine marokkanische Gesandtschaft England und danach auch Frankreich, dem unterm 20. Juli der Besitz der Tuat-Oasen bestätigt und eine polizeiliche Neuregelung der Süd- und Westgrenze Algeriens versprochen ward; über Berlin kehrte sie Ende Juli heim. Im Herbste drohten neue Verwickelungen mit Spanien wegen einiger Kinder, die im Nordwesten geraubt worden waren. Anfang 1902 setzte sich die alte Rivalität zwischen Frankreich und England am scherisianischen Hofe fort; dazu gesellten sich um dieselbe Zeit die Bemühungen Österreichs und Deutschlands, Handelsvorteile von M. zu erlangen. Frankreich erreichte im Februar die Ausweisung des ihm feindlichen arabischen Agitators Bu-Amama (»Vater des Turbans«, eigentlich Mohammed ben-el-Arba) aus der Oase Figig (s. d.) und deren friedliche Besetzung durch französische und marokkanische Kommissare, die jedoch 22. März unverrichteter Dinge abreisen mußten. Doch erlangte Frankreich durch die Protokolle vom 20. April und 9. Mai die Möglichkeit eines fernern Ausbaues der Südoranbahn, die gegenwärtig bei Béchar-Colomb endet, nach dem Tafilelt. Seit Oktober vermehrte sich die schwierige Lage Marokkos durch das von Tesa (Tasa, Tazza) ausgehende Auftreten des Propheten Omar Serhuni, der sich für Mulei Mohammed, den in Mekines gefangenen ältern Bruder des Sultans, ausgab und wegen seiner Vorliebe für Eselreiten Bu-Hamara (»Vater der Eselin«) oder der Rogi (nach einem Aufrührer von 1862) genannt wird; trotz verschiedener Schläge und Niederlagen, ja Totsagungen, hat er ebensowenig beseitigt werden können wie Bu-Amama, der seit Herbst 1904 mit jenem Hand in Hand arbeitet. Ende 1902 erhoben sich auch die Kabylen von Tetuan im Norden. Dennoch vermochte sich der reformfreundliche Sultan zu behaupten, indem er sich klugerweise mit seinem Bruder öffentlich aussöhnte; im Herbst 1903 brachte er das weitere Opfer, alle Fremden (darunter vor allem den Chefinstrukteur der Truppen, den Schotten Kaid Sir Harry Maclean, s. d.) zum Verlassen der Hauptstadt Fes zu nötigen (er kehrte erst Mitte Oktober 1905 zurück). Ende November 1903 reichte der Kriegsminister Si di M'heddi el-M'nebbi sein Entlassungsgesuch ein; sein Nachfolger wurde im Dezember Sidi Mohammed Gabbas, der als aufgeklärt, aber gemäßigt-konservativ galt.
Das Frühjahr 1904 brachte die (als unverbürgtes Gerücht schon seit September 1903 kursierende) Kunde, daß sich die beiden bisher rivalisierenden Staaten Frankreich und England unterm 8. April über eine Anzahl strittiger Fragen (so über den Sudân, über Ägypten, Madagaskar etc.) in einem Abkommen verständigt hatten, das den Einfluß auf M. künftig [⇐341][342⇒] den Franzosen allein überließ. England versprach, an M. kein Interesse mehr zu nehmen und der friedlichen Erschließung (pénétration pacifique) des Landes durch Frankreich sowie den hierzu nötigen administrativen, wirtschaftlichen, finanziellen und militärischen Reformen kein Hindernis zu bereiten; beide Regierungen verpflichteten sich, für 30 Jahre volle Handelsfreiheit in M., deren status quo verbürgt ward, aufrecht zu erhalten und keine Befestigungen an der Küste anzulegen. Andre Vertragspunkte betrafen die Vereinheitlichung der marokkanischen Schuld etc. Der den spanischen Anteil an M. sichernde Vertrag zwischen Frankreich und Spanien folgte unterm 6. Okt. und ward nach Art. 8 des Abkommens vom 8. April England mitgeteilt. Von einer amtlichen Mitteilung an die deutsche Regierung verlautete nichts. Daß die Quasi-Schutzherrschaft über M., die Frankreich übernommen zu haben schien, auch ihre unangenehmen Seiten habe, bewies bald darauf die Gefangennahme des Amerikaners Perdicaris durch den marokkanischen Häuptling Mulei Ahmed el-Raïsuli; die amerikanische Flottendemonstration vom 1. Juni erreichte die Freilassung des Entführten gegen demütigende Bedingungen, die der Räuber seinem Sultan abnötigte. Anderseits trat England wochenlang hartnäckig für den Exkriegsminister el-M'nebbi ein, der Mitte August wegen Unregelmäßigkeiten im Amte verhaftet werden sollte. So war das angebliche französische Protektorat über M. unmittelbar nach seinem Inkrafttreten bereits verschiedentlich durchlöchert. Den schwersten Stoß erlitten aber Frankreichs Aussichten durch das allzu stürmische Vorgehen seines eignen Ministers des Auswärtigen, Delcassé (s. d.), das, abgesehen von einer unerhört drohenden Sprache gegenüber der marokkanischen Regierung, wegen der Nichtachtung deutscher wirtschaftlicher Interessen das direkte Eingreifen der deutschen Reichsregierung veranlaßte. Während der französische Ministerresident Saint-René-Taillandier seit Februar 1905 in Fes mit dem Machzen (s. d.) und den ad hoc einberufenen marokkanischen Notabeln wegen der Ein- und Durchführung der von Frankreich gewünschten Reformen mühsam verhandelte und dem widerstrebenden Sultan glauben machen wollte, er vertrete nicht nur Frankreich, sondern ganz Europa, landete Kaiser Wilhelm II. auf seiner Mittelmeerfahrt 31. März in Tanger und betonte in nicht mißzuverstehender Weise die volle Souveränität des Sultans und seine Auffassung von der Politik der offenen Tür in M. für alle Völker. Diese bedeutungsvolle Kundgebung verschob mit einemmal alles, was bis dahin zwischen den drei Mächten Frankreich, England und Spanien einseitig verabredet worden war, zu Deutschlands und zu Marokkos Gunsten. Ein sofortiger greifbarer Erfolg war außer der Genugtuung, die M. für die Ermordung Siegfried Genthes (8. März 1904), des Berichterstatters der »Kölnischen Zeitung«, gewährte, die Erlangung des Rechts deutscher Küstenfrachtschiffahrt. Anderseits fand nun auch die Frage der Freilassung des auf seiner vierten Forschungsreise 2. März durch den Scheich Mohammed ben-Tabia gefangen genommenen Marquis de Segonzac eine glatte Lösung. Im übrigen machte Frankreich, das den in der Übertreibung seiner Eigeninteressen (prépondérance) gemachten Fehler einsah, gute Miene zum bösen Spiele: Delcassé nahm nach der Ablehnung der französischen Vorschläge durch M. (28. Mai) 6. Juni seine Entlassung; die Selbstenthüllung seiner im Vertrauen auf Englands Hilfe ernsthaft gehegten kriegerischen Absichten erregte im Oktober berechtigtes Aufsehen. Auf der Grundlage der noch zu Recht bestehenden Beschlüsse der internationalen Madrider Konferenz vom 3. Juli 1880 erreichte der außerordentliche Gesandte des Deutschen Reiches, Graf Tattenbach, der seit 13. Mai 1905 mit der marokkanischen Regierung unterhandelte, daß 30. Mai zur Regelung aller strittigen Fragen eine neue Konferenz der Madrider Signatarmächte (außer den west- und nordeuropäischen. Staaten auch Nordamerika) durch den Sultan einberufen werde. Die Zustimmungen der meisten Beteiligten zu dieser Art der Beseitigung der akut gewordenen Krisis liefen während des Juni 1905 ein. Inzwischen bemühten sich Spanien (von Melilla aus) und Deutschland mit Erfolg, bei der Vergebung wirtschaftlicher Aufgaben von M. besonders berücksichtigt zu werden. Am 8. Juli kamen der deutsche Botschafter in Paris, Fürst v. Radolin, und der französische Ministerpräsident Rouvier überein: 1) gleichzeitig ihre zurzeit in Fes weilenden Gesandtschaften nach Tanger zurückzurufen, sobald wie die Konferenz zusammengetreten sein werde, und 2) dem Sultan von M. gemeinschaftlich durch ihre Vertreter Ratschläge erteilen zu lassen zur Feststellung des von ihm der Konferenz vorzuschlagenden Programms: eine Einigung, die durch die deutscherseits erfolgte loyale Anerkennung der berechtigten Interessen Frankreichs als Nachbarstaats von M. zustande gekommen war. Die Souveränität und Unabhängigkeit des Sultans wie die Integrität seines Reiches sollten nach wie vor die Grundlage und Voraussetzung aller zu vereinbarenden Reformen bilden. Spanien und England machten ihr Erscheinen auf der Konferenz von der Annahme eines ihnen vorzulegenden Programms abhängig. Die Unsicherheit der Lage zeigte sich sofort wieder gelegentlich der Verhaftung eines in M. ansässigen Algeriers Bu Mzian (Ende August), wobei der französischen Rechtsauffassung, die von der des Sultans beträchtlich abwich, abermals nur durch ein militärisch unterstütztes Ultimatum Anfang September Geltung verschafft werden konnte. Unterm 28. Sept. einigten sich Deutschland (durch Radolin) und Frankreich (durch Rouvier) über den Entwurf der M.-Konferenz ferner dahin, daß das Programm die Einrichtung der Polizei, die Regelung der Überwachung und Unterdrückung des Waffenschmuggels, die Finanzreform (Staatsbank, Steuerwesen) und die Festsetzung gewisser Grundlinien zur Sicherung der wirtschaftlichen Freiheit umfassen solle. Als Versammlungsort der Konferenz wurde Algeciras in Südspanien vorgeschlagen. Der Sultan von M. stimmte dem zu und hielt auch einem in letzter Stunde zugunsten Madrids gemachten Gegenvorschläge gegenüber daran fest. Die Konferenz wurde 16. Jan. 1906 eröffnet.
[Literatur.] Vgl. außer den ältern Werken von Ali Bei el Abassy (1816), Jackson (1811), Graberg de Hemsö (1833), Drummond-Hay (1841), Renou (1846) und andern: L. Godard, Description et histoire du Maroc (Par. 1860, 2 Bde.); v. Maltzan, Drei Jahre im Nordwesten von Afrika (2. Aufl., Leipz. 1868, 4 Bde.); Rohlfs, Reise durch M. (4. Ausg., Norden 1884) und Mein erster Aufenthalt in M. (3. Ausg., das. 1885); Leared, Morocco and the Moors (London 1875); Pietsch, M., Briefe von der deutschen Gesandtschaftsreise nach Fes 1877 (Leipz. 1878); D. Hooker und J. Ball, Journal of a tour in Morocco and the Great Atlas (Lond. 1879); v. Conring, M., das Land und die Leute (Berl. 1880, neue Ausg. [⇐342][343⇒] 1884); De Amicis, Marokko (deutsch, Wien 1883); Lenz, Timbuktu. Reise durch M. etc. (2. Aufl., Leipz. 1892, 2 Bde.); Stutfield, El Maghreb (Lond. 1886); Horowitz, M., Land und Leute (Leipz. 1887); Jannasch, Die deutsche Handelsexpedition 1886 (Berl. 1887); Lamartinière, Morocco, journeys in the kingdom of Fez, etc. (Lond. 1889); Diercks, M., Materialien zur Kenntnis und Beurteilung des Scherifenreiches (Berl. 1894); R. J. Frisch, Le Maroc: géographie, organisation, politique (Par. 1895); Mouliéras, Le Maroc inconnu, 22 aus d'exploration 18721893 (das. 189699, 2 Bde.); Graham, Moghreb el Acksa; a journey in Morocco (Lond. 1898); verschiedene Forschungsberichte von Theobald Fischer (s. Fischer 14); Canal, Géographie générale du Maroc (Par. 1902); de Segonzac, Voyages an Maroc (das. 1903; dazu 1 Bd. Karten etc.); Aubin, Le Maroc d'aujourd'hui (das. 1904; deutsch, Berl. 1905); Cousin u. Saurin, Le Maroc (Par. 1905); M. Schanz, Nordafrika: M. (Halle 1905); Hübner, Eine Pforte zum schwarzen Erdteil (das. 1904), Militärische und geographische Betrachtungen über M. (Berl. 1905); E. Zabel, Tagebuch einer Reise durch M. (Altenb. 1905); Genthe, M., Reiseschilderungen (hrsg. von Wegener, Berl. 1905); Budgett Meakin, Life in Morocco (Lond. 1905); Mohr, M., politisch-wirtschaftliche Studie (Berl. 1903); Immanuel, M., eine militärpolitische und wirtschaftliche Frage unsrer Zeit (das. 1903). Karten: de Flotte de Roquevaire, Carte du Maroc 1: 1,000,000 (4 Blatt, Par. 1904) und Essai d'une carte hypsométrique du M. 1: 3,000;000 (in den »Annales de géographie«, 1901); von Langenbucher, 1: 2,000,000 (Berl. 1905).
Zur Geschichte: Chénier, Recherches historiques sur les Maures et histoire de l'empire de Maroc (Par. 1787, 3 Bde.); Dombay, Geschichte der Scherife oder der Könige des jetzt regierenden Hauses von M. (Wien 1801); Duprat, Essai historique sur les races anciennes et modernes de l'Afrique septentrionale (Par. 1845); Galindo y de Vera, Historia vicisundes y politica tradicion de Españaen las costas de Africa desde la monarquia Gotica (Madrid 1884); Diercks, Nordafrika im Lichte der Kulturgeschichte (Münch. 1886); Ezziani, Le Maroc de 1631 á 1812 (Par. 1886); Mercier, Histoire de l'Afrique septentrionale (das. 188890, 3 Bde.); Fagnan, L'Afrique septentrionale an XII. siècle (Constantine 1900) und Histoire de l'Afrique et de l'Espagne intitulée Al-Bayano 'l-Mogrib (Algier 1901); Werle, Deutschlands Beziehungen zu M. vom Beginn des Mittelalters bis zur Gegenwart (Koburg 1902); Meakin, The Moorish Empire (Lond. 1901); T. H. Weir, The Shaikhs of Morocco in the XVI. century (Edinb. 1904); M. Aflalo, The truth about Morocco (Lond. 1904; unparteiisch); Rouard de Card, Les relations de l'Espagne et du Maroc pendant le XVIII. et le XIX. siècles (Par. 1904); A. Cons, L'établissement des dynasties des Chérifs an Maroc et leur rivalité avec les Turcs de la régence d'Alger 1509 á 1830 (»Publications de l'Ecole des lettres d'Alger«, Bd. 29, das. 1904); Playfair u. Brown, Bibliography of Morocco (Lond. 1891); de Castries, Les sources inédites de l'histoire du Maroc, de 1530 à 1848 (Bd. 1, das. 1905). [⇐343]
[909⇒] Marokko (arabisch, Maghrib-el-Aksa, d. h. der äußerste Westen; der Name M. ist entstanden im 16. Jahrh. durch die Portugiesen u. Spanier aus dem arabischen Marrâkesch der Hauptstadt des Landes), 1) Sultanat im Nordwesten Afrika's; grenzt nördlich an das Mittelmeer, westlich an den Atlantischen Ocean, südlich an die Sahara, östlich an Algerien u. nimmt einen Flächenraum von etwa 13,500 QM. ein, von welchem Areal jedoch ein großer od. selbst der größere Theil Besitz einer tributären Bevölkerung ist, welche sich zu allen Zeiten in Unabhängigkeit erhalten haben. Die Küstenlänge beträgt zusammen 180 Mln., von denen 116 auf das Atlantische, 84 auf das Mittelmeer kommen. Im Ganzen ist das Land, mit Ausnahme der Küstengebiete, noch wenig erforscht. Im Innern fast durchaus gebirgig; indem der Atlas mit seinen Gliedern in nordöstlicher Richtung das ganze Land durchzieht u. hier seine höchsten, mit ewigem Schnee bedeckten Gipfel hat, tritt im Norden die Gebirgsformation mit dem Riff bis unmittelbar an das Meer heran u. nur an der Westküste ist dem Hochlande ein bald mehr, bald minder breiter Küstensaum vorgelagert, welcher mit dem Lande im Süden des Atlas das einzige Tiefland M-s bildet. M. ist ungemein reich an Flüssen u. Bächen, welche im Allgemeinen den Charakter der Gebirgsströme tragen, indem sie bald ungemein wasserreich, bald fast völlig trocken sind; kein einziger Fluß ist schiffbar, da sie sämmtlich an den Mündungen versandet sind; in das Mittelmeer mündet der Mulvia, Garet, Nakor, Râsen, in das Atlantische Meer Sebu, Umm-er-Rebia, Tensift, Sus, Run u. Dra, Maghagha, Lukkos, Bu Regreg; sudwärts fließen der Ziz u. Gir u. münden im südöstlichen Theile des Landes in Salzseen. Außer diesen Salzseen hat M. nur einige Seen, wie den großen Ed Debaïa. Das Klima des Landes ist eins der schönsten auf Erden, selbst in den niederen Küstenstrichen an der Westküste gemäßigt u. nur im Süden des Atlas durch die Winde aus der Sahara bisweilen unerträglich heiß; es gibt nur zwei Jahreszeiten, eine trockene u. eine nasse, die letztere vom October bis März. Mit wenigen Ausnahmen ist der Boden sehr fruchtbar, u. einige Striche des Innern nördlich vom Atlas, der südlichste Theil des Reichs in der Sahara u. der hierher gehörende Theil der mit Algerien gemeinschaftlichen Wüste Augad sind nackte, pflanzenlose Wüsten, selbst der Atlas ist zum großen Theile mit großen Urwaldungen bedeckt, bestehend aus Pinien, Thuyen, Cedern, Alepposichten, Lärchen, Pistazien, Stein- u. Korkeichen, Wallnußbäumen, Buchsbaum, Weihrauchbäumen u. im Süden der Arganbaum, der ein vortreffliches Öl liefert. In den Niederungen sind dagegen Wälder eine Seltenheit. An Getreide u. Hülsenfrüchten gibt es Durrah, Mais, Reis, Bohnen, Erbsen, Sesam; Südfrüchte, Mandeln u. Datteln bilden eine Hauptquelle des Reichthums des Landes; Wein, Tabak, Hanf, Baumwolle, Hennah wächst wild u. cultivirt, ebenso im Süden Indigo, Orseille, Trüffeln etc. Es gibt vortreffliche Pferde, Schafe, Rindvieh, Ziegen, Maulthiere u. Esel (auch wild), Affen, Wildschweine, Antilopen u. Strauße, wilde Büffel, Hyänen, Löwen, Luchse; sehr viel Bienen, großen Reichthum an Fischen, sowohl in den Flüssen als an der Seeküste; häufig aber treten auch Heuschrecken als Landplage auf. Das Mineralreich bietet Eisen, Kupfer, Blei, Silber u. Gold, doch ist die Ausbeute nur gering; Schwefel wird ganz im Süden nahe an der Küste, Steinsalz im Innern, Seesalz an der ganzen Meeresküste, Salpeter bei der Hauptstadt, vortreffliche Walkerde an mehren Orten gewonnen. Die Bevölkerung schätzt man auf 81/2 Millionen; davon sind ein großer Theil Araber (über 4 Mill. u. zwar zum größeren Theile Mauren, zum kleinern Theile Beduinen); gegen 33/4 Mill. Berbern, wovon 21/4 Mill. Amazirghen u. Tuariks, 11/2 Mill. Schilluks (im Süden) sind, über 1/2 Mill. Juden u. vielleicht 150200,000 Neger, meist Sklaven; die Zahl der Europäer ist sehr gering. Die Ureinwohner scheinen die Amazirghen u. Schilluks gewesen zu sein; diese haben sich auch ihre eigene Sprache zu erhalten gewußt, im Übrigen ist die herrschende Sprache die Arabische, wenn auch in vielerlei Dialekten; herrschende Religion ist die Muhammedanische, u. die Einw. sind höchst fanatisch; Hauptbeschäftigungen sind Ackerbau u. Viehzucht, nächst dem Handel u. dem Betrieb einiger Gewerbe, aber die letzten stehen ebenso wie der Ackerbau im Ganzen auf sehr niedriger Stufe, da der Despotismus der Regierung u. der Mangel persönlicher Sicherheit jeden Fortschritt hemmen. Gleichwohl gibt es einige Industriezweige, welche sich aus älterer Zeit her in bemerkenswerther Höhe erhalten haben; so die Fabrikation der berühmten rothen Fezze (zu Fez), Leibgürtel von Seide u. golddurchwirkt, rothe, gelbe u. grüne Leder aus Ziegenfellen (Maroquin u. Safian), sowie überhaupt durchgängig vorzügliche Gerbereien, allerlei Gegenstände aus Ziegenhaaren, Teppiche, wollene Burnus, Töpferwaaren, Seife, Erzarbeiten u.a. Der Ackerbau bringt vorzüglich Weizen, Durrah (mit mehr als 200sältigem Ertrage u. 23 Ernten im Jahr), Mais, Reis, Bohnen, Erbsen u. andere Hülsenfrüchte, wird jedoch nur eben für das eigene Consum des Landes betrieben; die Viehzucht beschäftigt sich hauptsächlich mit Rindvieh, Eseln, Maulthieren, Pferden, Ziegen, Schafen u. Kameelen, u. die Bienenzucht liefert ungeheure Mengen von Wachs u. Honig. Der Handel ist nicht unbeträchtlich, sowohl zu Lande mit dem Sudan, als zur See mit Europa u. der Levante, u. hat bes. in neuerer Zeit sehr gewonnen, seitdem die Regierung viele Ausfuhrverbote modificirt u. theilweise ganz aufgehoben hat. Im Sudan, wohin alljährlich sechs Karavanen gehen, werden Salz, Tabak, Waffen u.a. Erzeugnisse gegen Elfenbein, Weihrauch, Goldstaub, Straußfedern, Gummicopal, Baumwolle, Cardamom, Assa fötida, Indigo u. Sklaven vertauscht; der Handel zur See wird hauptsächlich durch die Häfen zu Tanger, Salé mit Rabbat u. Mogador vermittelt u. außer den Sudanwaaren werden auch Landeserzeugnisse in Menge ausgeführt, die Einfuhr besteht bes. in weißen baumwollenen Stoffen, Leinwand, Tuch, Seidenwaaren, Colonialwaaren, Arzneimittel, Specereien, eisernen u. kupfernen Geräthschaften, Porzellan- u. Glaswaaren u. hauptsächlich auch in geprägtem Gelde. Die geistige Entwickelung der Bevölkerung ist eine sehr niedere; in den Schulen wird nur mechanisch Lesen u. Schreiben, sowie das Unentbehrlichste aus dem Koran gelehrt. Die Regierungsform ist unumschränkt despotisch; an der Spitze des Staates steht der Sultan (Kaiser) [⇐909][910⇒] , welcher vorzugsweiseden Titel Emir-al-Mume-nin, d. h. Beherrscher der Rechtgläubigen, führt u. zugleich geistliches Oberhaupt ist. Die Regierung ist in der männlichen Nachkommenschaft des Sultan erblich, ohne Erstgeburtsrecht, so daß fast bei jedem Regentenwechsel Thronstreitigkeiten u. Bürgerkriege entstehen. Wo der Sultan residirt, da verwaltet er die Rechtspflege selbst u. ertheilt zu dem Zwecke häufig öffentliche Audienzen; einziges Gesetzbuch ist der Koran; die Strafen werden willkürlich verhängt u. sind meist sehr hart. Die Staatseinkünfte bestehen in directen u. indirecten Steuern, der Judensteuer, Zehnten, Zöllen, Geschenken etc. u. werden auf 810 Millionen Gulden veranschlagt; die Ausgaben sind viel geringer, u. der Überschuß kommt in die kaiserliche Schatzkammer zu Mequinez. Die bewaffnete Macht besteht im Frieden aus 36,000 Mann, wovon 10,000 Mann die kaiserliche Leibwache od. die Bukhari bilden; in Kriegszeiten werden alle waffenfähigen Männer unter die Waffen gerufen; die Festungen, deren man 24 zählt, sind in schlechtem Zustande, die bedeutendsten sind Mogador, Assi, Mazagan, Azamor, Nabal u. Salé; die Flotte ist seit dem Aufgeben des Seeraubes mehr u. mehr verfallen u. besteht nur aus einigen kleinen Fahrzeugen; die Flagge ist die türkische, aber ohne Halbmond. Behufs der Verwaltung ist das Land nördlich vom Atlas in 28 Provinzen von sehr verschiedenem Umfange getheilt, jeder stehtein Gouverneur (Kaide) vor; im Süden des Atlas liegen außerdem die Provinzen Tafilelt, Daraa, Guzzula, El Gharib u. Adrar; die Territorialabtheilung bei den freien Berbervölkern beruht nur auf der räumlichen Verbreitung der einzelnen Stämme, u. jeder Stamm steht unter einem selbstgewählten Scheich. Die sonst wohl übliche Eintheilung in die ursprünglich selbständigen Reiche, Fez, Marokko, Sus etc. ist im Lande selbst völlig unbekannt. Hauptstädte des Reiches sind Marokko u. Fez (Fâs). An der Küste besitzen die Spanier seit mehrern Jahrhunderten vier feste Plätze, die sogenannten Presidios, Ceuta, Peñon di Velez, Alhuzemas u. Melila, welche den Spaniern als Verbannungsorte dienen. Münzen, Maße u. Gewichte. M. u. Fez rechnen gewöhnlich nach Mitskals (Metikals) zu 10 Ukkien (Unzen) à 24 F'lus (im Singular Fels) im Werth von 13,96125 Mitskals = 1 seine Mark od. 1 Mitskal = 1 Thlr. 2 Sgr. 17/8 Pf.; geprägte Münzen a) in Gold: Dublonen zu 10 spanischen Piaster; Bu-t'ki od. Butaca zu 2 spanischen Piastern; der Metbu'o od. Goldducaten zu 11/2 Piaster; der Nusf zu 1/2 Piaster; b) in Silber: der Rial, runde u. viereckige, = 1 spanischer Piaster; die Ukkia od. Unze (Rial emtà sidi Emhhammed, Piaster Sidi Mohammeds) gilt 4 Musunen, 131/2 Ukkien = 1 spanischer Piaster; c) in Kupfer: Kirat: die kleinste Kupfermünze, 4 Kirat = 1 Fels, 4 F'lus = 1 Vierer, 24 Vierer = 1 Musuna, 96 Musunen = 1 Ukkia; 1 Pfund Kupfer gibt gesetzlich 150 Ukkien, 14,400 F'lus u. 57,600 Kirat. Maße: Längenmaß der Dhra'à (Codo, Arm, Elle) à 8 Tomnien ist 571 Millimeter lang; 100 Dhra'à = 57,1 Meter; jedes fremde Längenmaß wird Cāla genannt; Fruchtmaß: der Mudd (Almuda) in halbe u. Viertel getheilt, wiegt 121 Kilogr., 4 Mudd = 1 Sahh od. 58 Liter, sonst sind auch Cahiz, Fanega u.a. spanische Maße gebräuchlich; Ölmaß: Cula od. Coula hat 22 Pfd. des großen Centners od. circa 15 Liter; Gewicht: der gewöhnliche Cantaro (Centner) hat 100 Artal (Rotal, Rotoli od. Pfund) = 50,8 Kilogramme; ein anderer Centner in Mogador wiegt 53,98 Kilogramme, ein Zollcentner für Wolle, Öl, Kupfer etc. hält 45, ao Kilogramme, der Chintar-el arub soll nur 75, ein großer Centner aber 125 Pfund wiegen. 2) Der mittlere Theil des Reiches, südlich vom Atlas, nördlich von Fez, westlich vom Atlantischen Ocean begrenzt; 3210 QM., mit 31/2 Million Ew., durchströmt von den Flüssen Tensif u. Umm-er-Rebia mit ihren Zuflüssen, ist in 10 Provinzen eingetheilt u. enthält die Hauptstadt des Reiches; 3) Hauptstadt des Reichs (bei den Einwohnern Marrakesch), in der Provinz Erhammena, auf einer 1406 Fuß hohen Ebene, 3 Stunden im Umfang, mit vielen Gärten u. Feldern innerhalb der 30 Fuß hohen, mit Thürmen versehenen Mauern, hat 19 Moscheen, darunter Kutubia mit einem 210 Fuß hohen Thurme, ein spanisches Mönchskloster, großen Bazar, Maroquinfabriken, Getreidemagazine, kaiserlichen Palast von Marmor, Gerichtspalast; lebhafter Handel u. 30,000 (nach Anderen 109,000) Ew., darunter 5000 Juden, die einen besonderen Stadttheil bewohnen. Im 12. Jahrh., wo die arabische Cultur in höchster Blüthe stand, soll M, 700,000 Ew. gezählt haben.
Die Stadt M. ward 1052 an der Stelle des alten Martok von Yusuf Abu Tessin, dem zweiten Herrscher der Dynastie der Almoraviden gegründet u. wurde die Hauptstadt von Mogreb, dem westlichen Theil der Berberei. Zu dem Reiche gehörte noch Sale, Tanger, Ceuta u.a. Plätze in Afrika; dazu eroberte Yusuf 1091 in Spanien Cordova, Sevilla u. Almeria u. ließ sich in seiner Herrschaft über die Araber in Spanien vom Khalifen in Bagdad bestätigen. Ihm folgte 11061140 sein Sohn Abul Hassan Ali, welcher Mohadi, das Haupt der Almohaden, der 1129 M. belagerte, zurückwarf. Unter seinem Sohn Tessin el Masmudi (114045) begannen schon die Streitigkeiten mit den Almohaden, u. unter seinem Bruder Ishak wurde 1146 M. von Abdul Mumen nach neunmonatlicher Belagerung eingenommen, Ishak enthauptet u. die Dynastie der Almoraviden gestürzt. Nun herrschten die Almohaden in M.; Abdul Mumen hatte schon vor der Eroberung M-s Tlemesan, Fez, Mekues u. Ceuta erobert; er trieb die zurückkehrenden Almoraviden zurück, nahm 1151 Bugia u. stürzte dort die Dynastie der Beni-Hamad, eroberte 1159 Mahadia u. andere Plätze von den Franken u. vertrieb dieselben gänzlich aus Afrika; er st. 1163. Sein Enkel Abu Yacub (11631184) erhielt 1171 Murcia, Valencia, Jaen u.a. Theile Spaniens u. lebte meist in Spanien; eine Empörung des Statthalters von Kassa rief ihn nach Afrika; darauf belagerte er Santara in Portugal u. st. dort 1184. Sein Sohn Almansur Abu Yusuf (118499) vertrieb den Almoraviden Ali von Majorca aus Bugia, Cabes u. Capsa, entriß den Spaniern das 1199 eroberte Algarbien u. nahm Toledo; 1196 machte er mit ihnen Frieden, um seine Macht gegen die aus der Wüste anrückenden Marabuts wenden zu können. Erst seinem Sohn Abdallah Muhammed gelang es, die von Ali u. den Marabuts erregten Unruhen zu unterdrücken; dieser st. 1214, u. nach ihm regierten noch 9 Könige aus der Dynastie der Almohaden bis 1269 (1273), wo Abud Abbas nach dreijähriger Regierung von Abu Yusuf Yacub, dem Sohn Abdul Hakims aus der [⇐910][911⇒] Dynastie der Meriniten vertrieben wurde. Schon dessen Bruder Abu Yahia Abubekr (st. 1258) hatte M. u. Fez besessen, nachdem Abdul Hakim, der Stifter dieser Dynastie, 1213 ganz Mogreb erobert hatte. Unter den Meriniten hörte M. auf Hauptstadt zu sein. Nach Abu Yusuf Yacub regierten noch 16 Könige aus dieser Dynastie, welche 1361 unter Abu Muhammed Abdul Hakim Abu Ali Omar von den Oatazen (Olassiten) gestürzt wurde.
Den Oatazen folgte im Anfang des 16. Jahrh. die Saaditen. Diese führten ihr Geschlecht zurück auf Mulei Mehemed, einen Fürsten der westlichen Araber aus dem Geschlecht des Propheten Muhammed, der mit seinem Stamm von den Plünderungen der jährlich von Fez, M. u. Tlemsan nach Mekka ziehenden Karawanen lebte, bis er nach Tafilelt u. die angrenzenden Wüsten vertrieben wurde. Von seinen Nachkommen gelangten Mehemed u. Ahmed, Sohn Muhammed Husseins, zu großem Ansehen am Hofe in Fez. Von dem, 1516 befestigten sezischen Statthaltersitz Tarudant aus machten sie 1519 dem König von M. das Anerbieten, die Portugiesen aus den Besitzungen in seinem Lande zu vertreiben. Von ihm an seinen Hof geladen, erdrosselten sie ihn bei der Audienz, u. Ahmed nahm hierauf sogleich den Namen eines Königs von Tarudant u. M. an u. wurde vom König von Fez gegen das Versprechen eines jährlichen Tributs anerkannt. Indeß brauchte er alsbald den Titel Scherif u. verweigerte als solcher den Tribut. Dadurch, daß er 1536 den Portugiesen Sta. Cruz abnahm, brachte er das Übergewicht in jener Gegend immer mehr auf seine Seite. Mit seinem Bruder Mehemed, welcher sich den Königstitel beilegte, führte er deshalb 1540 u. 1545 Kriege, wurde aber besiegt. Nun zog Mehemed gegen Fez; eroberte 1552 Fez, gewann nach u. nach auch die Nebengebiete von Fez u. M., nahm seinem Bruder Ahmed Tafilelt ab u. eroberte Tlemsan u. Velez. 1557 wurde Mehemed ermordet, u. ihm folgte sein Sohn Abdallah. Sein Reich umfaßte die beiden Mauretanien, den größten Theil von Numidien u. noch 14 andere Provinzen; er verschönerte M. durch Prachtgebäude, bes. durch das Theologische Collegium von 260 Zimmern, u. st. 1572. Sein Sohn Mulei Mehemed wurde von seinem Oheim Mulei Moloch vom Throne gestürzt; um den Neffen in sein Reich zurückzuführen, nahm sich dessen der König Sebastian von Portugal an u. zog mit 1000 Schiffen u. 15,000 Mannnach M., landete bei Algila, wurde aber in der Schlacht bei Alcacar-Quivir 4. Aug. 1578 gänzlich geschlagen; Sebastian verschwand in der Schlacht, Mulei Mehemed ertrank u. Mulei Moloch starb. Nun kam das Reich an Ahmed, Abdallahs dritten Bruder, unter welchem es seine größte Ausdehnung (angeblich bis Guinea) erhielt. Nach seinem Tode 1603 entbrannten innere Kämpfe wegen der Nachfolge, bis endlich Ahmeds ältester Sohn, Mulei Sidan, König von Fez, wieder Herr von ganz M. wurde. Unter ihm kamen die von Philipp III. 1610 aus Spanien vertriebenen Mauren nach M. u. bemächtigten sich, durch ihre, gegen die christlichen Schiffe gerichteten Seeräubereien immer reicher u. kühner gemacht, der Stadt u. des Castells Rabat, wo sie eine republikanische Verfassung einführten u. sich von den Niederländern u. Franzosen unterstützt gegen den König, trotz seiner englischen Hülfe, hielten. Auf Mulei Sidan folgte 1634 sein Sohn Abdul Moloch, welcher 1635 von seinem Günstling Kidri Kirum (Krom) el Hadschi ermordet wurde; Gleiches geschah nach zwei Monaten Abdul Meleks Bruder Luellud; diesem folgte sein Oheim Mulei Scheik u. diesem 1654 Mulei Labesch, welcher 1667 auch von Kirum ermordet wurde.
Mit Mulei Labesch erlosch die Dynastie der Saaditen, u. Kirum schwang sich nun selbst auf den Thron. Gegen ihn erhob sich aber Mulei Arschid aus Janbo u. stürzte ihn 1669, u. mit diesem beginnt die Dynastie der Aliden od. Hoseini u. seitdem führt M. den Titel eines Sultanats od. Kaiserthums. Sein Bruder Mulei Ismael (16721727) eroberte Tanger u. El-Araisch von den Spaniern, war aber ein Wütherich, welcher 5000 Menschen eigenhändig hinrichtete u. die ausgesuchtesten Martern gegen seine Opfer ersann; nicht Günstlinge, nicht seine Frauen (deren er nach u. nach 8000 hatte), nicht seine eignen Kinder waren vor seiner Grausamkeit sicher; er st. 1727, 825 Söhne u. 342 Töchter hinterlassend. Seine Söhne Achmed Déby u. Mulei Abdallah bekriegten sich um das Reich; Letzter siegte 1730 u. regierte fast eben so grausam wie sein Vater bis 1757; er wurde in dieser Zeit siebenmal abgesetzt u. zurückgerufen. Ihm folgte sein Sohn Mulei Sidi Muhammed, der gegen Frankreich, Spanien u. Portugal Krieg führte, milder gegen seine Unterthanen war u. europäische Cultur in M. einzuführen begann; nach seinem Tode 1789 entstanden sogleich neue Kriege über die Thronfolge unter seinen Söhnen. Mulei Soliman folgte 1794 seinem ältern Bruder Jezid u. behauptete sich gegen seine übrigen Brüder, welche Statthalter in den einzelnen Provinzen waren. Bei dem Einfall der Franzosen in Ägypten stellte er ein Contingent gegen dieselben; schickte aber später (1807) einen Gesandten an den kaiserlichen Hof nach Paris, lebte auch mit den Bourbons fortwährend in gutem Vernehmen u. st. 1822.
Sein Nachfolger war der Kaiser Mulei Abderrahman, ältester Sohn seines Bruders Mulei Hescham. Beim Antritt seiner Herrschaft war der Zustand des Landes kein günstiger; die fruchtbare Provinz Riff stand schon längere Zeit auf dem Punkte, die Herrschaft des Kaisers abzuschütteln; Sus u. Waderun im Süden waren bereits fast unabhängig; in Fez überragte die religiöse Bedeutung der Marabuts bei weitem die politische Macht des weltlichen Herrschers. Überhaupt herrschte religiöser Fanatismus u. gegen die Fremden Haß; Handel u. Wohlstand des Landes standen auf sehr niedriger Stufe. Hinsichtlich seines Verhältnisses zu den civilisirten Staaten hatte der Kaiser möglichst allen Anstoß zu vermeiden gewußt, insgeheim jedoch hatte er Abdel Kader in Algier mehrfach gegen die Franzosen unterstützt u. auch bereits 1830 versucht, sich eines Theiles der Provinz Oran zu bemächtigen.1844 kam der Kaiser in einen schweren Conflict mit den europäischen Seemächten: der spanische Consularagent Darmon war, weil er einen Marrokkaner auf der Jagd verwundet hatte, trotz der Intervention des sardinischen Consularagenten, auf Befehl des Gouverneurs von Massagran ent. hauptet worden. Auf eine Satisfactionsforderung der zu Tanger residirenden auswärtigen Consuln vom 11. Febr. 1844 antwortete der Kaiser mit der Zusammenziehung eines Beobachtungsheeres von 56000 Mann bei Ceuta. Europäischer Seits stand Sardinien von der Verfolgung seiner Forderung ab, Spanien dagegen sandte eine Dampffregatte mit einer Gesandtschaft nach Tanger ah, die nun die [⇐911][912⇒] förmlichste Genugthuung fordern sollte, ließ es aber, aus Rücksicht auf England u. Frankreich, nicht bis zum Äußersten kommen u. nahm endlich die Vermittlung Englands an. Inzwischen waren auch die Franzosen, mit denen wieder Grenzstreitigkeiten entstanden waren, näher an das marokkanische Gebiet gerückt, um die Grenzen von Algier gegen Abdel Kader zu schützen. M. sandte den Prinzen El Mimun in die Grenzprovinz Uschda, um sich dort mit Abdel Kader zu vereinigen u. den Franzosen sich entgegenzustellen, welche in einem befestigten Lager nahe bei Uschda standen. Die Marokkaner, etwa 15,000 Mann stark bei Uschda versammelt, stellten die Forderung der Gebietserweiterung bis zur Tafna. Bei einer am 15. Juni am Mullah zwischen dem Kaid von Uschda u. dem französischen General Bedeau abgehaltenen Unterredung brach die marokkanische Reiterei gegen die französischen Reihen los, worauf sich ein Gefecht entspann, welches, da sich die Franzosen durch die Truppen Bugeauds verstärkt hatten, mit einer Niederlage der Marokkaner endete, die sich nach Uschda zurückzogen. Bugeaud verfolgte seinen Sieg bis nach Uschda, besetzte diese Stadt am 19. Juni u. drang dann bis an den Isly vor. Inzwischen erhielt Prinz Joinville den Befehl, mit einer Kriegsflotte vor Tauger unter Segel zu gehen. Da die Unterhandlungen Anfangs August zu keinem Ziele geführt hatte, begann am 6. Aug. die Beschießung von Tanger, brachte nach fünfstündigem Bombardement sämmtliche Batterien des Platzes zum Schweigen u. setzte die drei Küstenbatterien u. alle Werke der Festung außer Vertheidigung. Darauf richtete er seinen Lauf gegen Mogador, welches er am 15. August zu bombardiren begann; die vor dem Hafen liegende Insel wurde bis zum Abend genommen; am 16. wurden 500 Mann gelandet, welche Alles in der Festung vernichteten, was zu einem weiteren Angriff Härte dienen können; die Stadt selbst wurde von den Kabylen in Brand gesteckt. Inzwischen ging Bugeaud am 14. August über den Isly u. schlug an diesem Flusse den weit überlegenen Feind, dessen Lager mit sämmtlicher Artillerie, allen Vorräthen, den Zelten des Prinzen, welcher die Marokkaner commandirte, erobert ward. Da die Marokkaner nach der Schlacht am Isly die Verfolgungen gegen die Christen fortsetzten u. am 24. August die Insel vor Mogador wieder zu erobern suchten, eröffneten die französischen Schiffe wieder ein Feuer gegen die Stadt. Auf Veranlassung Englands, gegen dessen Interesse die Besetzung M-s durch Frankreich war, bot endlich der Kaiser von M. den Frieden an, welcher unter Vermittlung des englischen Gesandten Bulwer am 10. September in Tanger unter folgenden Bedingungen geschlossen wurde: der Kaiser von M. zieht seine Truppen von der Grenze zurück u. hält daselbst, künftig nicht mehr als 2000 Mann. Abdel Kader wird außer dem Gesetz erklärt u. an Frankreich ausgeliefert, wenn er in die Hände der marokkanischen Regierung fällt, wogegen Frankreich versprach, Mogador u. Uschda zu räumen. Die Ratification wurde so lange vorbehalten, von die Grenze genau bestimmt sein wurde, wozu Commissäre ernannt wurden. Gleichzeitig war auch durch Englands Vermittlung Friede mit Spanien, mit welchem Lande der Krieg inzwischen wieder ausgebrochen war, der sich aber auf die Blockade der Hafen beschränkt hatte, geschlossen worden, welcher am 4. September in Madrid ratificirt wurde; der Sultan hatte alle von Spannien gestellten Bedingungen angenommen, die Bestrafung des Gouverneurs von Massagran, eine Entschädigung für die Familie des Hingerichteten Darmon u. endlich die Einräumung eines bisher streitigen Gebietes in der Nähe von Ceuta. Kurz darauf endlich wurde der Sultan durch englische u. französische Vermittlung auch dahin gebracht, auf den Tribut, welchen Schweden u. Dänemark früher an den Sultan entrichteten u. welche jetzt die Bedrängniß desselben benutzt u. Kriegsschiffe an die marokkanische Küste gesendet hatten, gänzlich zu verzichten, worauf die Consuln beider Staaten am 14. Febr. 1845 nach Tanger zurückkehrten; unterzeichnet wurde die Übereinkunft am 5. April. Nach langen Streitigkeiten wegen der Regulirung der marokkanisch-französischen Grenze in Algier wurde dieser Handel m französischem Sinne beendigt u. der Friede am 10. Sept. 1844 ratificirt.
Als Abdel Kader nun 1845 die algierischen Stämme nach M. übersiedeln u. durch sie daselbst von Neuem zu dem heiligen Kriege auffordern wollte, die Franzosen aber erklärten, daß sie den Emir auch auf marokkanischem Gebiete verfolgen würden, sah sich der Kaiser genöthigt, die bereits gegen Abdel Kader aufgebotenen Truppen noch zu verstärken. Aber die Stämme an der französischen Grenze blieben Anhänger des Emirs u. in beständiger Unruhe, u. der Kaiser war völlig außer Stande, dieselben im Gehorsam zu. erhalten. Abdel Kader lehrte sich 1846 sogar feindlich gegen M. selbst, indem er auf, die Stadt Uschda einen Angriff versuchte; dieser wurde zwar von dem Kaid zurückgeschlagen, aber als Prinz Mulei Soliman der Stadt zu Hülse eilen wollte, weigerten sich seine Truppen gegen Abdel Kader zu marschiren. Überhaupt wurde der Einfluß des Emirs in M. so besorgnißerregend für den Kaiser, daß dieser nun auch Frankreichs Unterstützung, gegen jenen anrief. Im Jahre 1847 machten alle Grenzprovinzen vom Riff bis an die Wüste auf Geheiß Abdel Kaders gegen den Kaiser Aufruhr; das gegen sie ausgesendete kaiserliche Heer unter Kaid El Hamar ward am 14. u. 15 Juni wiederholt geschlagen, dann das marokkanische Lager überfallen u. verbrannt, der Kaid aber enthauptet. Nachdem der Kaiser ein neues Truppencorps gegen den Emir ausgeboten hatte, traf im September auch Frankreich ernstliche Anstalten zu einer nachdrücklichen Intervention in M. Die mächtigen Stämme der Beni-Amer u. der Haschem wurden von Sidi-Mohammed bei Fez überfallen u. ihre waffenfähige Mannschaft niedergemacht, Abdel Kaders Deira im Riff angegriffen u. er selbst bis nach Ain Zohra zurückgedrängt, so daß er die Provinz, Riff, in welcher er sich 2 Jahre gehalten hatte, räumen mußte. Der Kaiser selbst unterwarf inzwischen alle aufrührerischen Grenzstämme, u. gegen Ende des Jahres 1847 war Abdel Kader von den, französischen Truppen u. dem Heere des Kaisers so eng eingeschlossen, daß er sich den Franzosen ergab, s. Algier (Gesch.) IV. Erst mit diesem Ereigniß war M. auf einige Zeit die Ruhe nach Außen, wenigstens wiedergegeben.
Eine neue Differenz mit Frankreichs erhob sich im Jahre 1849 wieder, zunächst wegen mehrer dem französischen Geschäftsträger Roche zugefügten u. Beleidigungen u. dann wegen Gefangennehmung u. Mißhandlung eines französischen Couriers. Im [⇐912] [913⇒] October war die Spannung bereits so bedeutend geworden, daß der französische Geschäftsträger alle Verhandlungen mit der marokkanischen Regierung abbrach u. der Consul das Land verließ, worauf, als nach einigen fruchtlosen Verhandlungen Frankreich Ernst zeigte, M. nachgab u. Genugthuung gewährte, so daß gegen Ende des Jahres die Streitigkeiten völlig beigelegt waren. Zu Anfang des Jahres 1850 war in Folge einer ungewöhnlichen Dürre eine Hungersnoth eingetreten, welche von einem gänzlichen Stocken des Handels begleitet war. Später gab ein den monopolisirten Handel mit Häuten betreffendes Decret des Kaisers Veranlassung zu einem weitverbreiteten Aufstand im Innern. Auch machte ein Neffe des Kaisers einen Aufstand, um die Herrschaft an sich zu reißen. Als der Kaiser bei diesen mißlichen Umständen keine Steuern aus dem Lande beitreiben konnte, entschädigte er sich durch die Confiscation der Güter der Reichen, wie er es denn mit den Gütern des verstorbenen Gouverneurs von Tanger u. mit denen des, ohne allen Grund verhafteten Pascha von Tetuan, damals Gesandten in Paris, machte. Kaum waren diese Unruhe unterdrückt, als neue Mißhelligkeiten mit Frankreich ausbrachen. Es hatte sich seit längerer Zeit Stoff dazu angesammelt, bes. in Folge der seit 1844 getroffenen Einrichtung, daß die diplomatischen Agenten europäischer Mächtenicht in Fez, der Residenz des Sultans, sondern nur in Tanger wohnen dürfen u. nur mittelbar durch den Pascha von Tanger mit dem Sultan u. seiner Regierung verkehren können. Die Engländer haben auch hierdas meiste Hadelsinteresse u. sind daher die natürlichen Verbündeten der Regierung von M., in soweit es daraus ankommt, den Einfluß der übrigen Europäer zu beschränken. Ein französischer Gesandtschaftsbote war verhaftet u. trotz des Einspruchs von Seiten der französischen Gesandtschaft im Gefängnisse ermordet worden; dazu kamenandere Fälle von Mißhandlung, Beraubung u. Ermordung von Christen, welche Frankreich zu beschützen hatte. Die Regierung von M. kieß einen dabei betheiligten Juden bestrafen, erklärte aber für unzulässig, daß ein Maure wegen eines Christen in Strafe genommen werde. Zu Anfang April 1851 war noch eine französische Brigg im Hafen von Sale (Slah) unter den Augen der Behörden ausgeplündert worden, ohne daß sich der Kaiser zu irgend einer Genugthuung verstehen wollte. Die französische Regierung sandte, um ihn nachgiebiger zu machen, ein Linienschiff u. zwei Fregatten, welche am 25. Nov. 1851 vor Sale anlangten u. am 26. Nov. Sale großentheils in Trümmer schossen, worauf der französische Gesandte am Bord eines Linienschiffes nach Tanger reiste u. dort von dem Pascha Befriedigung der französischen Forderungen erlangte. Der Sultan bestätigte die Zugeständnisse seines Paschas u. räumte schließlich dem französischen Gesandten zu Tanger das Recht, ein, unmittelbar mit dem marokkanischen Hofe zu Fez zu verkehren. Im Ganzen wurde aber dadurch in den Verhältnissen zu den Europäern nichts gebessert. An Verträgen aller Art mit den europäischen Mächten fehlte es keineswegs, aber sie wurden nicht gehalten, u. Engländer u. Spanier hatten fortwährend Veranlassung, eine Entscheidung durch die Waffen zu wünschen, wenn die dadurch zu erzielenden Vortheile im richtigen Verhältnisse zu den damit verbundenen Opfern standen. Auch wußte man, daß die Regierung, selbst wenn sie besseren Willen gehabt hätte, oftmals nicht die Macht hatte, Abhülfe zu gewähren. Die Bevölkerung besteht aus mehr od. weniger unabhängigen Stämmen, u. die Regierungstruppen sind fortwährend in Bewegung, um Steuern u. Abgaben einzutreiben. Der Handel mit dem Auslande wird durch Monopole u. Zölle erschwert u. verhindert, derjenige im Innern siecht aus Mangel an öffentlicher Sicherheit. Der Werth der Ausfuhr betrug z.B. 1850 nur 8,384,000 Franken, der der Einfuhr 9,114,000 Franken, wobei England allein mit fast 3/4 betheiligt war. Die Nachbarschaft Frankreichs vermittelst des Algiergebietes hat an der Grenze etwas geordnetere Zustände zur Folge gehabt. Am 24. Juni 1852 schlugen u. zerstreuten die Franzosen unter Anführung des Generals Montauban den Stamm der Beni-Suassen, welche von M aus oft die französische Provinz Oran beunruhigt hatten. Im Aug. 1853 wurde auch eine Zolllinie zwischen M. u. Algier errichtet, welche, von Truppen bewacht, zugleich die Grenzstämme in Achtung erhält u. den Verkehr, welcher bis dahin nur zur See erlaubt war, zu Lande erleichtert. Die europäische Diplomatie bemühte sich, die Regierung zu Maßregeln zur Beförderung des Handels zu vermögen, allein der einzige Erfolg bestand in einer geringen Herabsetzung der Zollsätze auf Öl, Wolle u. Häute in Mogador, wo noch der meiste Handel mit Europäern getrieben wurde. Auch versprach der Kaiser bes. auf Englands Antrag, Sorge für das gute Benehmen der Riffbewohner.
Das Riff, d. h. Küstengürtel, ist eine zum Marokkanischen Reiche gehörige Küstenstrecke am Mittelmeere, etwa 57 Meilen lang u. 8 Meilen breit, der Küste von Andalusien gegenüber u. von Spanien nur durch einen schmalen Meeresarm getrennt. Die Bewohner dieses gebirgigen, im Innern noch nicht erforschten Landessind mit den Berbern od. Kabylen im Algiergebiet, den Tuaregs in der großen Wüste u. den Schellöchen im übrigen M. stammverwandt u. gehören zu den Amazirghen, welche die Oberherrschaft des Sultans von M. immer nur scheinbar anerkannt haben. Innerhalb dieses Riffs hat Spanien seit Jahrhunderten die sogenannten Presidios, d. h. einige kleine Festungen theils auf Inseln, theil auf dem Festlande behauptet, nämlich Ceuta, Peñon di Velez de Gomera, Alhucemas u. Melila, welche fortwährend von den seeräuberischen Riffbewohnern eng eingeschlossen wurden. Im Aug. 1856 wolltedie Bemannung der preußischen Corvette Danzig unter Befehl des Prinzen Adalbert an der Riffküste ans Land steigen, wurde aber aus einem Hinterhalte mit Flintenschüssen empfangen u. mußte, nachdem von 65 Mann 7 geblieben u. 18 verwundet worden waren, der Übermacht der Seeräuber weichen. Durch diesen Erfolg ermuthigt, griffen die Riffbewohner am 9. September 1856 die spanische Feste Melila an, wurden jedoch zurückgeschlagen. Um dieselbe Zeit hatte die Regierung von M. an die französische 35,000 franz. Francs Entschädigung für ein französisches Schiff ausgezahlt, welches die Riffbewohner im Jahre 1855 beraubt hatten. Die fortwährenden Schwankungen in der Zoll- u. Handelsgesetzgebung veranlaßten die Engländer auf den Abschluß eines neuen Vertrages zu Gunsten des englischen Handels zu drängen, welcher am 9. December 1856 abgeschlossen wurde u. am 10. April 1857 in Kraft trat. Danach sind Handel u. Verkehr zwischen beiden Ländern gegenseitig erlaubt u. [⇐913][914⇒] 10 Procent des Werthes der eingeführten Waaren als höchster Zollsatz festgestellt. In Mogador u. Mazagan war der Handel fast ganz in englischen Händen; der französische hatte sich daneben etwas gehoben, der mit Spanien, Belgien, Holland, Österreich u. Deutschland war ohne Bedeutung. Im Jahre 1857 ließ der alte Kaiser bekannt machen, daß er zum Nachfolger seinen ältesten Sohn Sidy Mohammed, Statthalter von Tafilelt, bestimmt habe. Im folgenden Jahre kostete ihn die Unterdrückung einer bedeutenden Empörung große Opfer. Im August 1859 starb Sultan Abderahman.
Sidy Mohammed wurde in allen Theilen des Reiches als Nachfolger ausgerufen u. behauptete sich anch, jedoch nicht ohne blutige Kämpfe, gegen seine zahlreichen Nebenbuhler. Die Riffbewohner benutzten die Zeit der Unruhen zu Anfang Septembers zu einem Raubzuge ins Algiergebiet hinein, wo sie aber von den Franzosen, u. zu einem Angriff auf die spanischen Besitzungen in Nordafrika, wo sie von Ceuta aus zurückgeworfen wurden. Während die französische Regierung sich mit der Züchtigung der angreifenden Stämme begnügte u. im November zwei Festungsthürme am Tetuanflusse, von wo aus auf Franzosen gefeuert worden war, zusammenschoß, aber dessen ungeachtet die freundschaftlichen Beziehungen zur Regierung von M. nicht unterbrach; verlangte dagegen Spanien von der marokkanischen Regierung Genugthuung u. Entschädigung für eine Reihe von Unbilden, namentlich die Abtretung eines Gebietes zur Sicherstellung seiner afrikanischen Besitzungen, u. erklärte am 22. Oct. nach fruchtlosen Verhandlungen den Krieg (Rundschreiben der spanischen Regierung vom 29. Oct. 1859), nachdem die Bedenken, welche in England wegen der Sicherheit Gibraltars auftauchten, mit der Zusicherung beschwichtigt worden waren, daß Spanien die bestehenden Rechte u. Interessen aller Völker achten u. keinen Punkt auf der afrikanischen Küste dauernd besetzen werde, dessen Besitz den Spaniern eine gefährliche Überlegenheit für die freie Beschiffung des Mittelmeeres geben würde. General O'Donell erhielt den Oberbefehl über die spanische Heeresmacht, welche zu Anfang Decembers den Krieg begann, anfänglich von den Mauren heftig angegriffen, bald aber siegreich ins Innere vordringend. Das ganze Heer der Spanier bestand aus 3540,000 Mann zu Fuß, 2000 Pferden u. 150 Geschützen. Auf Seite der Marokkaner eilten die Kabylen u. Mauren der Ebene, ungefähr 60,000 Reiter, herbei u. fochten mit dem größten religiösen Fanatismus. Nach einer fast ununterbrochenen Reihe kleiner, höchst blutiger Gefechte wurde die Stadt Tetuan in Folge einer am 4. Febr. 1860 gewonnenen Schlacht von den Spaniern besetzt, u. nach einer letzten am 23. März westlich von Tetuan geschlagenen Schlacht, baten die Marokkaner um einen Waffenstillstand, welcher schnell zum Frieden führte, da Sidy Mohammed wegen der Unruhe im Innern denselben dringend wünschte. Als Friedensbedingungen wurden festgesetzt: M. überläßt an Spanien das ganze Gebiet vom Meere bis zur Schlucht von Unghera, sowie das, welches zu Santa Cruz am Ocean nöthig sein wird; es bezahlt an Spanien eine Entschädigung von 20 Mill. Piastern (ungefähr 100 Mill. franz. Franken) u. die Stadt Tetuan bleibt bis zur vollständigen Bezahlung dieser Summe in den Händen der Spanier. Ein Handelsvertrag stellt die Spanier der begünstigsten Nation gleich; die Regierung von M. erlaubt den Aufenthalt eines spanischen Repräsentanten u. die Errichtung eines Missionshauses in Fez. Der Werth des abgetretenen Gebietes wurde auf 300 Mill. Realen geschätzt. Auf dieser Grundlage wurde der Friede am 26. April endgiltig abgefaßt u. von den beiderseitigen Bevollmächtigten unterzeichnet. Die Spanier hatten 18,000 Mann verloren, davon 12,000 durch die Cholera.
Vgl. S. Ockley, Account of South. West-Barbary, the territories of the king of Fez and Marocco, Lond, 1713 (deutsch Hamb. 1717); W. Braithwaite, History of the revolutions in the empire of Marocco upon the death of the last emperour Muley Ismael, Lond. 1729 (deutsch Hamb. 1730); Boulet, Histoire de l'empire de Cherifs en Afrique etc., Par. 1733; G. Hoest, Efterretninger om Marokos og Fes, Kopenh. 1779 (deutsch von Süßmilch, ebd. 1781); Höst, Nachrichten von M. u. Fes, im Lande selbst gesammelt, 17601768, aus dem Dänischen, Kopenh. 1781; Grey Jackson, An account of the empire of Marocco, 3. Ausg., Lond. 1814; L. Chenier, Recherches historiques sur les Maures et histoire de l'empire de Maroc, Par. 1787, 3 Bde. (deutsch im Auszuge, Leipz. 1788); F. v. Dombay, Geschichte der Sherifen od. der Könige des jetzt regierenden Hauses von M., Wien 1801; Beauclerk, Journey to Marocco, Lond. 1828: I. Gråberg von Hemsö, Das Sultanat Mogh' rib ul Aksa od. Kaiserreich M., deutsch von A. Reumont, Stuttg. 1893; Calderon, Quadro geografico estadistico, historico, politico del imperio de Marrueccos, Madrid 1844; Augustin, M. in seinen geographischen, historischen, religiösen, politischen, militärischen u. gesellschaftlichen Zuständen, Pesth 1845; Renou, Description géographique de l'empire de Maroc, Par. 1848; Xav. Durrieu, The present state of M. (von 1843), Lond. 1854; Kiepert, Karte vom nördlichen Theile des Sultanats M., 1860; James Richardson, Travels in M., Lond. 1859, Berl. 1860, 2 Bde. [⇐914]
[108⇒] Marokko (Mogrib ul Aksa d.h. der äußerste Westen), Sultanat in Nordafrika zwischen dem Mittelmeer, dem atlant. Ocean, Biledulgerid u. Sahara, Algier. 1014000 QM. großes Gebiet, von dem Atlas in mehren Zweigen durchzogen, an den Küsten fast überall sandig, fruchtbar im Innern, wenn die Bewässerung nicht fehlt. Die Einwohner, auf 81/2 Mill. geschätzt, sind Berbern, Araber, vermischt u. rein, Tuariks, in den Städten Mauren, Neger u. sehr bedrückte Juden. M. führt Getreide aus, Oel, Datteln, Gummi, Straußfedern u. treibt einen lebhaften Karawanenhandel in den Sudan, wo es europ. Fabrikate gegen Gold und Elfenbein austauscht. Die Industrie liefert Mützen. Seidegewebe, Corduan u. Saffian. Der Sultan, seit 1822 Mulei Abderrahman, führt als einer der Nachkommen des Propheten den Titel Sheriff (Heiliger) u. noch viele prächtig tönende dazu. Seine Regierung ist despotisch, indessen gehorchen ihm nur die Städte und die ackerbauenden Bezirke, die Nomaden in der Wüste sowie die Kabylen im Gebirge zahlen keinen Tribut. Das Land ist durch den Atlas in 2 Hälften getheilt; die nordwestl. begreift Fez und M. im engern Sinne mit der Provinz Sus, die südwestl. die Provinzen Tafilet, Sedschelmesa und Darah. Politisch ist Fez und M. in 28 Bezirke eingetheilt, die von Paschas und Kaids verwaltet werden, die meistens sultanischer Abkunft sind. Die Staatseinkünfte sollen 2600000 Piaster betragen, die Aus gaben nur 990000, die fast ganz auf das stehende Heer von 800010000 Mann, meistens geworbene od. gekaufte Neger, kommen. Der Sultan residirt gewöhnlich zu Mequinez (Meknäs); andere bedeutende Städte sind: Fez. M. Tetuan, Tanger, Teza, Elarisch, Saleh, Mogador, Tarudant. Die Spanier besitzen an der Nordküste: Ceuta, Melilla, Penon, Alhucenas. Die Stadt M., eigentlich Marakesch d.h. die Geschmückte, liegt in einer außerordentlich fruchtbaren Ebene am Fuße des Atlas, hat 100000 E. u. sehr umfangreichen Handel. M. hatte seit dem Zerfalle des Khalifats verschiedene Dynastien u. verschiedenen Umfang, griff unter den Morabeten und Almohaden auf die pyrenäische Halbinsel hinüber u. war bis zum Anfang des vorigen Jahrh. häufig im Kriege mit Portugal u. Spanien, auch mit andern christlichen Staaten, wenn diese die Verschonung mit marokkanischer Seeräuberei nicht durch Tribut abkauften. Revolutionen, wie sie im Oriente gewöhnlich sind, brachten mehre Dynastienwechsel, einer Revolution [⇐108][109⇒] im 17. Jahrh. verdankt die jetzige Dynastie der Aliden den Thron. Der gegenwärtig regierende Sultan, Mulei Abderrahman, sonst ein friedliebender Mann, wurde gegen seinen Willen durch Abdel-Kader, der sich auf das marokkan. Gebiet warf u. bei den arab. u. kabyl. Stämmen Unterstützung fand, sowie durch den Fanatismus seiner Unterthanen zum Kriege mit Frankreich genöthigt (1835). General Bugeaud schlug aber mit 7000 Franzosen 20000 Marokkaner. Prinz Joinville bombardirte mit der Flotte Tanger und Mogador, und der Sultan war froh, daß ihm England einen Frieden vermittelte, der ihn kein weiteres Opfer kostete, als daß er einigen Bezirken, die er an der algierischen Gränze ansprach, entsagen u. eine mathematisch genau gezogene Gränzlinie anerkennen mußte. (Die neueste Darstellung des fast unbekannten, den Europäern schwer zugänglichen Reichs hat Augustin, Pesth 1845, gegeben.) [⇐109]
[65⇒] Marokko (das Kaiserthum), nach seinen beiden Hauptbestandtheilen auch Fez und Marokko oder das Sultanat Mogh'rib-ul-Aksa genannt, d.h. der äußerste Westen, bildet die nordwestl. Ecke von Afrika, wird östl. von Algier und Biledulgerid, nördl. 67 M. weit vom mittelländ. Meere, westl. auf einer Strecke von 140 M. vom atlant. Meere, südl. von der Wüste Sahara begrenzt und hat auf 13,725 ! M. ungefähr 81/2 Mill. Einw. Die frühere Geschichte dieses Landes ist die der ganzen Berberei (s. Barbaresken), doch erhielt es sich stets unabhängig von der Pforte und wird seit 1547 von der Familie des Mehemed, genannt Sherif, eines angeblichen Nachkommen Mohammed's, beherrscht. Der Thron ist unter den männlichen Nachkommen des Herrschers erblich, allein nicht nach dem Rechte der Erstgeburt, daher jeder Regentenwechsel einen Krieg zwischen Brüdern und Verwandten erregt. Die meisten Regenten waren grausam und tyrannisch und namentlich ist Mulei Ismael, gest. 1727, als einer der größten Wüthriche berüchtigt. Von seinen 8000 Frauen hatte er 825 Söhne und 342 Töchter und es kann sonach nicht auffallen, daß die Zahl der Sherifs in M. sich jetzt auf 40,000 belaufen soll. Der regierende Sultan Mulei-Abd-errahman besitzt den Thron seit dem 28. Nov. 1822, herrscht unumschränkt und bedient sich blos einer kleinen Anzahl beliebig dazu ausersehener Personen zu Rathgebern. Viermal wöchentlich hält der Sultan öffentliche Audienz und spricht Recht, allein ohne Geschenke darf dann Niemand kommen und der Koran ist das allein gültige Gesetzbuch. Die Staatseinkünfte aus dem Zehnten, der Judensteuer, den Zöllen und andern Abgaben werden auf 3 Mill. Thlr. geschätzt und werfen einen bedeutenden Überschuß ab, welcher in den Schatz des Sultans fließt. Für gewöhnlich besteht das Heer aus 15,000 M., davon die Hälfte Neger sind, im Kriege aber wird die Miliz aufgeboten und die Armee wächst dann auf 100,000 M.; die Seemacht zählt nur noch einige Briggs und Kanonierschaluppen.
Das Land wird von Nordost nach Südwest vom hohen Atlasgebirge durchzogen, dessen Gipfel sich zum Theil über 13,000 F. erheben und ewigen Schnee tragen, allein das auch den glühenden Wind der Wüste von den westl. davon liegenden Provinzen abwehrt und die Quellen zahlreicher Flüsse enthält, von denen der Muluja oder Mulvia und Nakkor, welche ins mittelländ. Meer münden, der Mesclarai-Aschef, Sehhel, El-Coß oder Luccos, Sebu, Ommer-Begh, Tensift, Sus und Nun, die ins atlant. Meer sich ergießen, die wichtigsten sind. Das Klima ist gesund und mild, die Jahreszeiten unterscheiden sich blos durch Trockenheit und Regen und der Boden erzeugt bei guter Bewässerung alle Arten Getreide und Feldfrüchte, Obst und vielerlei Südfrüchte, Baumwolle, Kapern u.s.w. in außerordentlicher Fülle, doch verderben zuweilen Heuschrecken einen Theil der Ernten; es gibt ferner viele Arten von Gummibäumen und auf den Abhängen der Gebirge große Waldungen von Stein-und Korkeichen. Herrliche Weideplätze begünstigen die ausgedehnt betriebene Viehzucht und man hält unter Anderm auch viele Schafe mit sehr guter Wolle, und Ziegen, deren Felle zu Saffian- und Maroquinleder, ihr Haar zu Zeltdecken und groben Stoffen verarbeitet wird; ausgezeichnet sind auch die Pferde, die Ausfuhr derselben aber streng verboten. Wild ist ebenfalls reichlich vorhanden, allein auch die reißenden Thiere Afrikas sind in den abgelegenern Gegenden heimisch. Zu den fast gar nicht benutzten Producten [⇐65][66⇒] des Mineralreichs gehören Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Blei, Steinsalz, Salpeter und auch an Mineralquellen gebricht es nicht. Die Bevölkerung bekennt sich fast ganz zur mohammedanischen Religion und besteht etwa zum dritten Theil aus Amazirghen (Berbern und Tuariks, die ältesten Landesbewohner und zum Theil fast unabhängige Hirten und Jägerstämme), aus Ackerbau treibenden Schellöchen, 31/2 Mill. Arabern und Mauren, 600,000 sehr gedrückten Juden, 120,000 Negern (theils Sklaven theils Soldaten) und einigen hundert Europäern. Gewerbe und Fabriken werden meist sehr unvollkommen betrieben, doch haben die nördl. Städte ausgezeichnete Gerbereien und mehre Provinzen sind wegen der dort verfertigten Teppiche, rothen Mützen, wollenen Mäntel und vortrefflichen Töpferarbeiten berühmt; auch wird ein sehr einträglicher Handel durch Karavanen mit dem innern Afrika und zur See mit der Levante und Europa betrieben, wohin besonders Wolle, Wachs, Getreide, Häute, Gummi, bittere Mandeln, Elfenbein, Strausfedern u.s.w. ausgeführt werden.
Gewöhnlich wird das marok. Reich in das nördl. Gebiet von Fez, das südl. von M., Tafilelt und die östl. vom Atlas gelegenen Provinzen, Sudschelmesa nebst Daraa, Guzzula und Sus-ul-Aksa eingetheilt. In M. liegt in einer großen, getreidereichen Ebene, 31/2 M. vom Atlas, die 1052 gegründete Hauptstadt Marokko, eigentlich Marakasch, im 12. Jahrh. mit 700,000 und jetzt kaum 30,000 Einw., hat drei Stunden im Umfange, eine Mauer mit Thürmen, schöne Wasserleitungen aber schmuzige Straßen und viel öde Plätze. Der große Bazar heißt die Caissaria, östl. vor der Stadt aber liegt der von Quadern prächtig erbaute, von einer besondern Mauer umgebene kais. Palast mit großen Gärten, wird aber nur im Sommer zuweilen bewohnt. Wichtige Seestädte sind: Saffi oder Asaffi mit 12,000 Einw. und einer vortrefflichen Rhede; das 1760 gegründete Mogador mit 17,000 Einw., einer Citadelle und andern Festungswerken, aber wenig tiefem Hafen, wo mehre christliche Viceconsuln residiren und wohin auf kais. Befehl der Handel von dem auf einer befestigten Anhöhe gelegenen Santa-Cruz, bei den Arabern Apadir, verlegt wurde, das einen bessern Hafen hat. In Fez liegen: die befestigte kais. Residenzstadt Meknäs oder Mekines mit 55,000 Einw. in einer trefflich bewässerten Gegend, wo vorzüglich viel Oliven gebaut werden; Alcassar am Luccos mit 5000 Einw., in dessen Nähe 1578 König Sebastian von Portugal in der Schlacht fiel; Tanger oder Tandscher mit 9500 Einw., darunter 100 Christen, der Sitz sämmtlicher europ. Consuln, auf einer Höhe an einem geräumigen Meerbusen im engsten Theil der Straße von Gibraltar, mit einem Franziskanerkloster und der einzigen christlichen Kirche in M.; Tetuan mit 16,000 Einw. am Martil, dessen eine M. entfernte Mündung zum Hafen dient; Fez oder Fas mit 90,000 Einw., in einem herrlichen Thale, besteht aus der alten und der neuen Stadt, hat mehre zahlreich besuchte Schulen, einen großen Bazar für ausländische Waaren und ist ein Hauptsitz des Handels und der Gewerbthätigkeit; Salé mit 23,000 Einw., einem großen Hafen, kais. Schiffswerften und Seemagazinen, war sonst Hauptsitz der marok. Seeräuberei; gegenüber liegt an der Mündung des Buregreb die betriebsame Stadt Rabatt mit 28,000 Einw. In den Gebieten östl. vom Atlas sind namentlich die Plätze Tafilelt und Suschelmesa wegen ihres Handels nach dem Innern wichtig. – Im Gebiet von Fez liegen auch an der nördl. Küste die span. Presidios, der Überrest der früher von den Spaniern gemachten Eroberungen, mit den befestigten Ortschaften Ceuta, Peñon de Velez, Melilla, Alhucemas, die einigen Handel treiben und wohin span Verbannte und Verbrecher gebracht werden. Die erstern dürfen in den Orten frei umhergehen, die andern werden zwei und zwei zusammengeschlossen zu schweren Arbeiten gebraucht. [⇐66]
[119⇒] Marokko und Fez, das Kaiserthum, einer der nordafrikanischen Raubstaaten, bespült vom mittelländ. und atlantischen Meere, im Südosten durchzogen von dem schneebedeckten Atlas, erfreut sich, obgleich im heißen Erdstriche gelegen, eines milden Klima's, denn die Seewinde kühlen die glühende Hitze. Die Vegetation ist üppig, der Boden fruchtbar, zahllose Gebirgswässer durchrauschen die Ebenen, wo Cocosbäume, Datteln, Oliven, Orangen, Gummibäume, Cactusstauden etc. gedeihen und blühen. Zahlreich sind die Zucker-, Kaffe- und Baumwollenplantagen, die Reis- und Maisfelder; selbst unsere Getreidearten liefern dort einen 50fältigen Ertrag. Und dieß gesegnete Land, im Umfange von 14,000 Quadrat M., mit 15 Mill. Ew., so nahe der europäischen Kultur, wird von Halbbarbaren bewohnt, deren starrer Muhamedanismus keine Verschmelzung mit europ. Bildung zuläßt. Der Kern derselben gehört eigentlich zum kaukasischen Stamme, doch wohnen hier auch zahlreiche Neger, Söhne Afrikas, die von den Nachkommen der Araber unterjocht worden sind. Die Vorfahren der heutigen Marokkaner waren zum Theil jene Mauren, welche Spanien eroberten und dort Jahrhunderte lang herrichten, bis christlicher Fanatismus sie vertrieb und vertilgte. Die marokkanischen Frauen gehören zu den feurigsten unter den Bekennern des Islams; abhängig wie alle Muhamedanerinnen, genießen sie doch einer größern Freiheit, [⇐119][120⇒] als in der Türkei und Aegypten. Sie sind schön und schlank von Gestalt, ihre Haltung ist stolz und gebieterisch, ihr Teint etwas dunkel, das Auge leuchtend, das Haar bläulich-schwarz, Wangen und Lippen sind zart geröthet und geschwellt. Sie gehören zu den reizendsten Geschöpfen der Erde, denen man nur die Jüdinnen jener Gegend an die Seite stellen kann. Gesang und Spiel, Tanz und Bäder machen überall die Hauptunterhaltung aus. Die Beschäftigung der Vornehmen ist ein eleganter Müßiggang; sie lieben Süßigkeiten, Kasse, Opium und rauchen Tabak, ergötzen sich an dem Spiele der Goldfischchen in ihren Behältern und lassen sich von den Sclavinnen arabische Mährchen erzählen. Die übrige Bevölkerung ist wie in Algier gemischt. Zu den reichsten Einwohnern des Landes gehören die Juden. Die Hauptstadt Marokko liegt in einer palmenreichen Gegend, hat 45,000 Ew. und ist sehr schlecht gebaut. Das kaiserliche Schloß, welches eine kleine Stadt für sich bildet, ist befestigt. Fes oder Fez ist regelmäßiger gebaut, hat Festungswerke, über 200 Karawanserai's, prächtige Bäder und zahlreiche Moscheen. Die polizeiliche Ordnung in der Stadt ist musterhaft, der Bazar überaus reich. Man gibt die Zahl der Bewohner bis auf 70,000 an. Die Festung Ceuta im Gebiet von Marokko gehört den Spaniern.
V. [⇐120]
[21⇒] Feß und Marokko, auf der nordwestlichen Küste von Afrika, in der so genannten Barbarei (Berberei). Beide Staaten sind unter einem Sultan oder Kaiser vereinigt, der mit unumschränkter Gewalt regiert. Der Flächeninhalt beträgt gegen 8000 Quadratmeilen. Das Clima ist wegen der verschiedenen Arme des Atlasgebirges, die das Land durchstreichen, und wegen der Nähe des Meeres gemäßigt. Der überaus fruchtbare Boden bringt Getreide im Ueberfluß, Wein, Baumwolle und Südfrüchte hervor; und die Viehzucht, hauptsächlich die Pferdezucht, ist vortrefflich. Die Einwohner bestehen aus Mauren (Arabern), Berbern und Juden. Der Monarch allein treibt Seeräuberei, und dafür müssen ihm die Europäischen seefahrenden Nationen einen jährlichen Tribut entrichten, wiewohl seine Flotte nur aus 20 Fahrzeugen besteht. Feß ist die wichtigste Stadt des Reichs, mit 70,000 Einwohnern und einem beträchtlichen Handel. Marokko, die eigentliche Haupt- und Residenzstadt, ist ziemlich verfallen. In den neuesten Zeiten sind hier wegen der Thronfolge große Unruhen entstanden, die immer noch fortdauern. [⇐21]
[83⇒] Marokko, s. den Artikel Feß u. M. zu welchem hinzu zu setzen ist, daß in dem vorigen Jahre dieses Reich durch innere Kriege zwischen den Prinzen, die sich um die Oberherrschaft stritten, zerrüttet wurde, worin endlich Muley Soliman die Oberhand behalten hat. [⇐83]
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