Recht (Subst.).
1. Alles, was das Recht erlaubt, thut man mit Recht. – Graf, 285, 6.
Mhd..: Allez daz das reht irloubt, daz tut man wol mit rehte. (Daniels, 334, 43.)
2. Alt Recht und frischer Braten ist wohl zu rathen.
Böhm.: Stará práva, čerstvá potrava – nejlepší. (Čelakovský, 339.)
Poln.: Stare ustawy, świeže potrawy, są najlepsze. (Čelakovský, 339.)
3. Alten Rechten soll man folgen, aber neue Speisen essen.
4. Altes Recht und alter Wein sind die besten.
Ueber »Deutsches Recht im Volksmunde« hielt Dr. jur. Georg Cohn zu Breslau am 21. Jan. 1872 einen Sonntagsvortrag. In der Einleitung wurde an den Unterschied in der Verbreitung der Rechtskunde zwischen sonst und jetzt erinnert. Während die Kenntniss des Rechts dem Volke schon seit langer Zeit abhanden gekommen ist und in unsern Tagen meist nur bei Juristen von Fach angetroffen wird, war die Rechtskunde bis tief in das Mittelalter hinein etwas im Volke Lebendes. Nach echt deutscher Sitte pflegte das Volk seine Rechtsregeln in Sprichwörtern, Parömien genannt, auszudrücken, und gegen viertausend derselben leben heute noch im Volksmunde, ohne dass man sich derselben als Rechtsregeln bewusst ist. Ein Bericht über den Vortrag findet sich in der Schlesischen Zeitung, 1872, Nr. 56.
Böhm.: Čím dávnĕj í, tím právnĕ pevnĕjší. – Z vĕcí nikomu nenáležejících. co vzato, to svato. (Čelakovský, 343.)
5. Alzeit wie Recht ist. – Graubünden, 48.
6. Aus dem Recht wird nichts. – Luther's Werke, IV, 160b.
7. Auss recht ist Schinderey, auss gerechtigkeit Klag worden. – Henisch, 1509, 33.
8. Bat dem enen Recht es, es dem annern billig. – Woeste, 74, 265.
9. Bedingt Recht bricht Landrecht. (S. ⇒ Reichsrecht und ⇒ Willkür.) – Simrock, 8243; Körte, 4968; Graf, 25, 268; Körte2, 6219.
Wenn ein Geschäft nach einem bestimmten Recht vereinbart ist, so kommt auch dies Recht gegenüber dem gemeinen zur Anwendung. Was ist aber Recht? Nach Graf (6): »Die Ordnung alles Bestehenden als Wahrheit in den Verhältnissen oder, mit den Rechtsbüchern zu reden, Gott selbst.« Im eigentlichen und [1517] strengern Sinne aber (Graf. 7) bezeichnet Recht die Ordnung jener äusserlichen Verhältnisse und Handlungen freier Menschen, welche zum Bestande aller, sowol innerhalb eines bestimmten Gemeinwesens als der Menschheit überhaupt nothwendig sind.
10. Brück din Recht, man sanner Bocht. (Nordfries.) – Firmenich, III, 6, 77; Johansen, 72.
Brauche dein Recht, aber ohne Bucht, d.h. ohne Umwege, gehe gerade durch.
11. Da hat das Recht keine Gewalt, wo die Gewalt Recht hat.
12. Das äusserste Recht ist selten recht. – Graf, 4, 78.
13. Das eng recht ist ein weit vnrecht. – Lehmann, 631, 51; Petri, II, 240; Hillebrand, 5, 5; Simrock, 8204; Sailer, 250; Graf, 4, 77.
Diese Behauptung ist zu allgemein. »Eng Recht« ist entweder das zu buchstäbliche oder ein allgemeines Recht, zu beschränkt auf einen besondern Fall angewandt.
14. Das Göttliche Recht bricht alle andere Rechte. – Lehmann, 626, 5.
Es sollen nur leider die Merkmale noch entdeckt werden, an denen man das »göttliche Recht« erkennt; und daher kommt es, dass menschlicher Blödsinn gar nicht selten die Anmassung hat, sich für »göttliches Recht« auszugeben und als solches Anerkennung zu fordern.
15. Das grössere Recht hebt das mindere auf. – Graf, 25, 273.
Vom Widerstreite der Rechte. Wenn innerhalb desselben Rechtskreises verschiedene Gesetze auftreten, so geht, weil nur, was gilt, Recht ist, das jüngste allen vor; unter gleich alten kommt das enger begrenzte und darum für den einzelnen Gegenstand mit reicherm Inhalte vor dem allgemeinern, das stärkere vor dem schwächern zur Anwendung.
Mhd.: Dat gröter Recht heuet dat minste op. (Thorsen, II, 17, 4.) – The merae logh takaer e the minnae. (Thorsen, I, 60, 103.)
16. Das grössest Recht ist, von seinem Recht weichen. – Petri, II, 63.
17. Das grösste Recht ist das grösste Unrecht. – Dove, 655.
Eine witzige Anwendung des lateinischen Sprichworts machte Montmaur, als er einst beim Kanzler Seguier zum Mittagsessen war und mit Brühe begossen wurde. »Summum jus (Brühe), summa injuria«, sagte er, auf den Kanzler hinblickend, dem er die Absichtlichkeit dieses Scherzes zumuthete. (Witzfunken, IIb, 174.)
Böhm.: Holé přísné právo holé bezpraví. – Vrch práva, vrch křivdy. (Čelakovský, 339.)
Holl.: Het hoogste regt is het hoogste onregt. – Het uiterste regt gaat slim genoeg toe. (Harrebomée, II, 214a.)
Lat.: Jus summum saepe summa malitia est. – Summum jus, summa injuria. (Cicero.) (Seybold, 268 u. 587; Chaos, 435; Frob., 581; Hauer, 160; Philippi, II, 205.) – Summum jus, summa saepe malitia est. (Eiselein, 522.)
Schwed.: Högsta rätt är ofta högsta orätt. (Grubb, 370.)
18. Das ist Recht, was der König sagt. – Graf, 17, 207.
Isl.: Thadh eru lög sem kongr segir. (Jonssyni, 376.)
19. Das ist Recht, was recht ist. – Graf, 2, 20.
Dän.: Thadh er rett, sem rett er. (Jonssyni, 371.)
20. Das neue Recht beginnt, wo es das alte gelassen. – Graf, 18, 218.
Obgleich jedes Gesetz für immer gegeben wird, so müssen doch um neuer Sachen willen neue Rechte gesetzt werden, um jedem neuen Verhältniss gerecht zu werden. »Die Rechte ändern sich bei (all) gemeiner Aenderung und erneuern sich bei gemeiner Neuerung. Den Frieden, den das alte Gesetz nicht ausgerichtet hat, soll das neue ausrichten.« (Graf, 20.)
Altfries.: Dat nye riucht al deer thoe bygynnen deert ald iethen had. (Richthofen, 512, 25.)
21. Das papistische Recht ist eim Bild gleich, das am Haupt ein Jungfraw, am Leib ein Löw, am Schwantz ein Schlang ist.
»Der anfang ist schön vnnd lieblig anzusehen«, sagt Luther, »es handelt aber dann mit gewalt vnd ist zuletzt eitel betrug vnd falschheit.« (Zinkgref, IV, 56.)
22. Das Recht ändert sich mit dem Himmelsstrich.
23. Das recht bedarff offt (guter) hilff. – Franck, II, 188a; Gruter, I, 12; Petri, II, 68; Simrock, 8225.
It.: La buona ragione hà sovente mestier di buon aiuto. (Pazzaglia, 317, 5.)
24. Das Recht beschirmt die Unschuld. – Graf, 6, 105.
Altfries.: Dat riucht beschirmet da onschield. (Hettema, LXIII, 18; Fries. Wetten, II, 145; Richthofen, 423, 2.)
25. Das Recht bringt nur kleine Diebe an den Galgen.
Lat.: Irretit muscas, transmittit aranea vespas. (Sutor, 370.)
[1518] 26. Das Recht der Ehe steht im vierten Knie. (S. ⇒ Grad 1.) – Graf, 550, 112.
Altfries.: Dat riucht dis aefftis steet in da fyaerda kne. (Hettema, XLIX, 8, 100.)
27. Das Recht dünkt selten gut, wenn es uns Schaden thut. – Graf, 446, 119.
Mhd.: Vnd duncket selden gut, Recht wo das schaden thut. (Thüngen, 7, 119.)
28. Das Recht entschuldigt das Weib in der Unwissenheit. – Graf, 22, 252.
Nach dem römischen Recht nicht blos das Weib, sondern auch Bauern und Ritter. (S. ⇒ Unwissenheit.)
29. Das Recht frommt keinem ohne seinen Dank. – Graf, 425, 207.
Der Richter kann über den Antrag des Klägers nicht hinausgehen.
Mhd.: Daz recht fromet keime ân sinem dangk. (Daniels, Weichbildglossen, 239, 6.)
30. Das Recht gebrauchen ist eine grössere Kunst, als das Recht erlernen.
»Rechte lernen oder wissen, ist nicht grosse Kunst; aber das rechte Recht brauchen und in ihrem Ziel und Rinck behalten, dass sie nicht zu weit fahren, das ist Kunst.« (Luther's Werke, V, 259a.)
31. Das Recht gehört ins Gericht. – Graf, 425, 200.
Mhd.: Dat reicht gehoret in dat reicht. (Grimm, Wb., II, 490.)
32. Das recht geht offt auff steltzen der vngerechtigkeit. – Lehmann, 627, 11.
33. Das Recht geht seinen Gang, du kommst oder nicht. (S. ⇒ Kommen 28.) – Graf, 444, 383.
Mhd.: Du komest eder nicht, dennoch geit dat recht sinen gank. (Kindlinger, III, 693.)
34. Das Recht gibt das Pfand ohne des Herrn Willen. – Graf, 1161, 293.
Dem Vermiether gilt die ganze Habe des Miethers als Pfand. Das Recht verleiht ihm das Pfandrecht auch ohne des Herrn, d.h. des Eigenthümers Willen. Das Sprichwort gehört dem hamburger Recht an, wo es heisst: Dat recht ghyfft dat pand ane der heren willen. (Lappenberg, Alterthümer des hamb. Rechts, 248, 6.)
35. Das Recht hängt am Galgen.
36. Das Recht hat ain wächsin nasen. – Agricola II, 122; Petri, II, 68; Egenolff, 34a; Latendorf II, 9; Eiselein, 522; Hillebrand, 10; Körte, 4958; Steiger, 281; Simrock, 8217; Graf, 446, 421; Lohrengel, I, 115; Braun, I, 3478; Zarncke, Brant's Narrenschiff, S. 412; für Nürnberg: Frommann, VI, 416, 23.
Auch wol mit dem Zusatz: man mag es drehen, wie man will. Vgl. Jo. G. Fichtner Diss. de cereo jur. naso, seu vulg. dicterio: jus habere cereum nasum, das Recht habe u.s.w. R. Jo. Fried. Puchelbergero, Neo stadiensi ad Oyssum. Altdorf 1724. »Wo denn noch woll geschicht, dat Recht ene wassern Näse gehabt vnd als en Spinnwebe gehanget.« (Neocorus, I, 324.) »Dem recht ein wächssen nasen biegen.« (Waldis, IV, 75, 158.) Von einem Volksbrauch entlehnt, nach welchem man Fratzenbildern und auch wol Personen, welche alte Göttergestalten darstellten, wirkliche grosse Wachsnasen, auch Bärte von Flachs oder Stroh ( s. ⇒ Bart 92 u. ⇒ Gott 837) andrehte, um seinen Spott damit zu treiben. (S. ⇒ Nase 210.) Die Russen behaupten z.B.: Wenn der Knecht klagt, ist das Recht immer des Edelmanns (Altmann V, 105), was wol auch in Deutschland öfter als es geboten war, zur Zeit, als noch die Patrimonialgerichte bestanden, stattfand. In ähnlichem Sinne sagen sie auch: Das Recht ist ein Stück Gold, das sich in dünnen Plättchen zerhämmern lässt. Das Recht hat gläserne Augen, wächserne Ohren und eine thönerne Zunge. (Altmann VI, 386 u. 414.)
Mhd.: Das recht hât gar ain waxe nas, es lât sich piegen als der has. (Wolkenstein, XXVI, 122.) – Sie zichent daz reht umb bi der nasen. (Renner.)
Böhm.: Právo má tenký nos. (Čelakovský, 339.)
Frz.: Les lois ont le nez de cire. (Masson, 139.)
37. Das Recht hilft dem, der sich selbst nicht helfen kann. – Graf, 5, 104.
Altfries.: Dat riucht helpet dam, deer him selm naet helpa mei. (Richthofen, 423, 15.)
38. Das Recht hilft oft gar schlecht.
Böhm.: Právo nepomůže, když levo přemůže. (Čelakovský, 350.)
Holl.: Dat rechte hevet dicwijl hulpe noot.
Lat.: Quod confortetur ius sepe necesse videtur. (Fallersleben, 180.)
39. Das Recht ist alles recht, das nicht gegen die Wahrheit fecht. – Graf, 2, 23.
Fries.: Dat riucht is alle riucht, daer to einst da wird ne flucht. (Richthofen, 435, 18.)
[1519] 40. Das Recht ist allzeit ein fromm Mann, aber der Richter ist oft ein Schalck. – Petri, II, 68.
Man spricht auf deutsch: »Das Recht ist allzeit ein fromm Mann, aber der Richter ist oft ein Schalck; und ich gedenke, da Hertzog Friedrich einmahl einen Klagezettel kriegt von einer armen Frau, darinnen sie bat, er wolle ihr schaffen zu dem rechten Recht, dass der gute Fürst sehr guter Dinge darüber war, dass die Frau zweyerley Recht anzeiget, so er doch nichts wusste von einem unrechten Recht, verstands aber bald, dass es war gered so viel, der Richter wär ein Schalck.« (Luther's Werke, VII, 440.)
41. Das Recht ist alt und hergekommen manchen Tag. – Graf, 10, 115.
Die Gewohnheit (s. 2, 7 u.a.) ist die älteste Rechtsquelle.
Mhd.: Daz reht ist alt und ist herkomen manigen tac.
42. Das Recht ist an beide Füsse gerecht, wie ein polnischer Stiefel. – Simrock, 8120.
43. Das Recht ist dem Antworter (Beklagten) viel günstiger als dem Kläger. – Graf, 432, 258.
Es gilt zwar als Grundsatz, dass das Recht für beide Parteien gleich sei. (S. ⇒ Einwohner 1, ⇒ Gericht 23, ⇒ Kläger 18, ⇒ Mann 736 und ⇒ Partei 2.) Das obige Sprichwort hebt aber hervor, dass in der Wirklichkeit die Wage sich zu Gunsten des Beklagten neige. Schon das ist ein Vorzug, dass er nur an seinem Wohnsitz verklagt werden kann, was für den Kläger mit manchen Schwierigkeiten verbunden ist.
Mhd.: Das recht ist vil gunstiger dem antwerter wenne dem clegere. (Daniels, Weichbildglossen, 339, 32.)
44. Das Recht ist der Lebenden.
Der Abgeordnete von Thadden-Trieglaff in seinem bekannten Antrage vom 25. April 1847 gegen die Anonymität der Presse sagt: »Wer fällt, der bleibet liegen, wer steht, der kann noch siegen; wer übrigbleibt, hat Recht, und wer entflieht, ist schlecht.« (A. Th. Woeniger, Preussens erster Reichstag, Berlin 1847, X, 176.)
45. Das recht ist der wachenden. – Franck, I, 64a; II, 155b; Gruter, I, 10; Eyering, I, 335.
46. Das Recht ist der wachenden, das glück der Schlaffenden. – Petri, II, 68; Henisch, 1660, 68; Lehmann, 627, 15; Lehmann, II, 59, 43; Eiselein, 624; Körte, 4954; Simrock, 3790; Braun, I, 3475.
Böhm.: Bdícím práva pomáhají. – Práva bdícím, ne spícím slouží. (Čelakovský, 341.)
Holl.: Het regt is voor den wakende geschreven. (Harrebomée, II, 214a.)
Lat.: Vigilantibus jura, non dormientibus scripta sunt. (Seybold, 267.)
47. Das recht ist der wachenden vnd nahrung der arbeiter. – Lehmann, 38, 39; Eiselein, 521.
48. Das Recht ist des Stärksten. – Simrock, 8224; Körte, 4963; Körte2, 6213; Braun, I, 3486.
»Die Götter sind immer auf Seite des Stärksten.« Napoleon I. drückte den Gedanken durch den Satz aus: »Die Vorsehung commandire stets das stärkste Bataillon.«
Frz.: Contre fort et contre faux ne valent ne lettres ne sceaux. – Le bâton est le roi du monde. – Le plus fort chasse le plus faible. (Masson, 140.)
Lat.: Jus est in armis (opprimit leges timor). (Seneca.) (Seybold, 267; Philippi, I, 217.)
Span.: Do fuerza viene, el derecho se pierde. (Masson, 140.)
49. Das Recht ist ein dünnes, breites Netz; die Mücken bleiben darin hängen, die Hummeln brechen durch. – Sailer, 249.
50. Das Recht ist eine grosse Glocke, wenn nur der Schwengel nicht so leicht herunterfiele. – Sailer, 249.
51. Das Recht ist eine Nase von Wachs, man kann sie drehen wie man will.
Rabelais verglich das von den Gelehrten commentirte Recht mit einem Goldgewande, unten mit Koth verbrämt.
52. Das Recht ist eine schöne Braut, wenn sie in ihrem Bette bleibt. – Henisch, 343, 5; Petri, II, 69.
53. Das Recht ist für jedermann. – Graf, 3, 44.
54. Das Recht ist gut, aber der Juristen Practica (die Rechtspractica) taugt nichts. – Petri, II, 69; Körte, 4957; Körte2, 8212.
55. Das Recht ist heiliger und barmherziger als wir. – Graf, 398, 619.
Niederd.: Dat reht is heylig ende barmharthiger dan wy syn. (Holl. Sachsenspiegel, 36, 27.)
56. Das Recht ist krummer hand, wird leichtlich vmgewand. – Petri, II, 69.
[1520] 57. Das recht ist selten seiner Mutter gerechtigkeit ehnlich. – Lehmann, 627, 12.
58. Das Recht ist Simpel, vngewiss vnd vntrew. – Petri, II, 69.
59. Das Recht ist so heilig, das es mit kauffen niemand vnehren soll. (S. ⇒ Mann 1230.) – Klingen, 32b, 1; Graf, 410, 76.
60. Das Recht ist so heilig, dass man es um kein Geld kaufen kann. – Graf, 410, 75.
Niederd.: Dat recht is also heylich, dat men om gheen ghelt copen noch vten en sal. (Holl. Sachsenspiegel, 46, 25.)
61. Das Recht ist viel gelinder als die Richter. – Graf, 4, 99.
Mhd.: Daz recht ist vil barmherziger wenn der richter. (Daniels, 260.)
62. Das Recht ist wol ein guter Mann, aber nicht immer der Richter. – Simrock, 8211; Körte, 4955; Braun, I, 3479; Masson, 139.
63. Das Recht kann niemand zu mehr zwingen als er hat. – Graf, 480, 687.
Die Pfändung kann nicht mehr nehmen als vorhanden ist.
Altfries.: Dat riucht mey neen menscha fora twinga dan hij haet. (Hettema, XLIII, 8 [38].)
64. Das Recht kann niemand zwingen ohne den Richter. – Graf, 403, 10; Klingen, 212b, 2.
Es würde wenig nützen, zu wissen was Recht ist, wenn es keinen Richter gäbe, welcher befugt wäre, es auszusprechen, und Macht besässe, sein Urtheil zu vollziehen.
65. Das Recht lehrt Zucht. – Graf, 5, 100.
Mhd.: Daz recht leret zucht. (Daniels, 296, 40.)
66. Das Recht liegt in der Mitte.
It.: La diritta ragione non istà mai negli estremi.
67. Das Recht liegt vnder der Banck, das Vnrecht gehet im Schwanck.
»Sagt man im Sprichwort.« (Dietrich, 671.)
68. Das Recht macht manchen Herrn zum Knecht. – Lehmann, 630, 42.
69. Das Recht muss der Gewalt weichen.
It.: Dalla forza viene vinta la ragione. (Pazzaglia, 317, 6.)
70. Das Recht muss die Wahrheit niederschlagen. – Graf, 477, 630.
Was unter Beobachtung der gesetzlichen Formen endgültig als Recht erkannt worden ist, gilt forthin als solches, wenn sich auch später herausstellen sollte, dass es den wahren Verhältnissen nicht entspricht. (S. ⇒ Friedbann und ⇒ Richten.)
Fries.: Dat riucht moet da wird neder slaen. (Richthofen, 433, 30.)
71. Das Recht muss ehrlich sein. – Graf, 3, 34.
Fries.: Dat Recht schal syn Ehrlich, Hillich vnde Lydtlick, na des Landes Sede. (Thorsen, Vorr. 3.)
Dän.: Loghen skal waerae aerlik.
72. Das Recht muss oben schwimmen.
73. Das Recht muss seinen Gang haben, mag die Welt darüber zu Grunde gehen. – Eiselein, 521; Graf, 5, 88.
Es ist dies der Sinn des alten lateinischen Rechtsspruchs: Fiat justitia, et pereat mundus. (Egeria, 77; Faselius, 89; Seybold, 181.) D.h. nach Kant: »Es herrsche Gerechtigkeit, die Schelme in der Welt mögen immer darüber zu Grunde gehen.« (Jahn, Volksthum, 59.) Leider richtet aber unser Recht eher zehn rechtschaffene Leute, welche die Kosten bezahlen müssen, zu Grunde, ehe es einen einzigen Schelm berührt. Wer die Thorheit begeht, etwa für vier Groschen Recht gegen einen Schelm zu beanspruchen, hat hundert Thaler Kosten zu bezahlen. Die in Sprichwörtern niedergelegte Volkserfahrung warnt daher jeden, dem Ruhe und Vermögen lieb sind, vor solchem Beginnen. (S. ⇒ Process 35-49 u.a.) Der obige lateinische Spruch wil auch wol nur dahin verstanden werden, dass ein vom Richter gefällter, rechtskräftig gewordener Spruch, trotz alles Widerstandes, den der Verurtheilte erheben dürfte, zum Vollzug gebracht werden müsse, weil davon, dass es geschehe, das Ansehen des Gesetzes und des Richters abhänge.
74. Das Recht scheidet wol, awerst freundet nich. – Eichwald, 1576; Petri, II, 69; Haltaus, II, 1711.
75. Das Recht schiert haarscharf. – Pistor., VII, 69; Simrock, 8201.
Das Recht darf schon scharf scheren, aber es soll nicht, wie man in Bergamo von der catalonischen Gerechtigkeit sagt: »das Schaf sammt der Wolle auffressen.« (Reinsberg V, 39.) »Verdammt den Richter nicht, er darf nicht billig sein, für ihn ist das Gesetz [1521] von Eisen, und seine Pflichten sind von Stein, ihn taub und kalt nur auf das Recht zu weisen.« – »Nur die Parteien können und sollen billig sein; bei billigen Richtern wäre es um die Gerechtigkeit geschehen.« (Seume.) – Das Recht schiert nicht nur, es schiert, wie die Slawen sagen, schärfer als das Schwert.
Böhm.: Horší právo neźli meč. (Čelakovský, 339.)
Holl.: Stipt regt, of de wereld vergaat. (Harrebomée II, 214b.)
Poln.: Prawo gorsze niž miecz. (Čelakovský, 339.)
76. Das Recht sieht nicht auf die Person.
Holl.: Het regt ziet geen' persoon aan; de eerst komt, gaat voor. (Harrebomée, II, 214a.)
77. Das Recht sol man mit Erbarmung mischen. – Petri, II, 69.
78. Das Recht soll man gleichen, dem Armen als dem Reichen.
79. Das Recht soll man nicht biegen, ausgenommen die Herren thun (wollen) es.
Frz.: On ne doibt le droict violer, si non a cause de dominer.
Lat.: Si violandum est ius, imperii gratia violandum. (Bovill, II, 90.)
80. Das Recht soll vor der Theologie das Baret abziehen. – Petri, II, 69.
Besser wäre es schon, die Theologie zöge das Baret vor dem Recht ab; aber sie lebt einmal in der bescheidenen Einbildung, ihre Butter müsse überall oben schwimmen. Auch Luther (Tischr., 464a) war von dieser Ansicht sehr stark beherrscht. »Die Juristen«, sagt er, »müssen lassen die Theologiam obenan sitzen, oder müssen herunter aufs tiefste, anders wird nichts daraus.« Und an einer andern Stelle: »Die Theologen sind der Kiel, die Juristen aber der Strumpff von der Schreibfeder.« – »Ein Jurist ist in geistlichen Sachen nicht mehr denn ein Schneider und Schuster.« – »Das Jus ist eine schöne Braut, wenn sie in ihrem Bette bleibt; wenn sie aber herübersteigt in ein anderes Bett und will in der Kirche die Theologiam regieren, da ist sie eine grosse Hure. Darum soll das Jus vor der Theologie das Baret abziehen.« (Luther's, Tischr., 11b, 464b u. 576b). Andern Facultäten gegenüber nimmt die Theologie dieselbe Haltung ein. Bei Luther (Tischr., 359b) lesen wir: »Die Theologia soll Kaiserin seyn, die Philosophia und andere Künste Dienerin.«
81. Das Recht spricht: jedem das Seine; die Liebe: jedem das deine.
82. Das recht stehet auff der faust. – Petri, III, 3; Henisch, 1024, 41.
Es ist das Recht des Stärkern, das Faustrecht gemeint. »Das Recht stehet ietzt auff der faust; dasselbige gilt ietzt; und ist das lateinische Wort Jus umgekehrt siv, Gewalt oder Faustrecht. Wer den andern vermag, der stecket jhn in Sack.« (Luther's Tischr., 515a.)
Holl.: Men voert er het regt in de vuist en in de scheede. (Harrebomée, II, 214b.)
83. Das Recht thut Gnade der Thorheit. – Graf, 398, 620.
Mhd.: Dat recht dut gnade der dorheit. (Homeyer, Richtsteig, 36.)
84. Das Recht überwindet alle Gewohnheit. – Graf, 14, 195.
»Auch eine im guten Glauben anfänglich für Recht genommene Gewohnheit fällt, sobald deren Inhalt als widerrechtlich erkannt wird, und selbst alter und gerechter Brauch kann von einer neuen und vom gesetzten Rechte niedergelegt werden, nicht nur, wenn die Aufhebung ausdrücklich ausgesprochen vorliegt, sondern auch dann schon, wenn der Brauch mit dem Neugeschaffenen in offenem Widerspruch steht.«
Altfries.: Dat riucht wriunt alle pliga. (Richthofen, 435, 16.)
85. Das Recht und der Palmesel kommen jährlich nur einmal an das Licht.
86. Das recht wehret darumb lang, dass mans wie ein Kleinod in ehren helt vnd selten braucht. – Lehmann, 630, 44.
87. Das Recht were wol gut, wann mans nicht krum machte. – Gruter, III, 14; Sailer, 167; Lehmann, II, 76, 28; Simrock, 8213; Körte, 4956; Braun, I, 3477.
88. Das recht wird so hoch (so weit vnd breit) gespannt, dass daran kein end zu sehen. – Lehmann, 640, 110.
89. Das Recht wird weder enger noch weiter. – Simrock, 8202; Graf, 388, 525.
90. Das Recht wissen vnnd das recht thun ist zweyerlei. – Lehmann, 627, 17.
[1522] 91. Das Recht zu betteln ist niemand gewehrt.
In einem guten Staatswesen ist für das Betteln kein Raum.
92. Das scharff Recht wil einen gelinden Meister haben. – Petri, II, 69.
93. Das schärffste (strengste) Recht, das grössest vnrecht. – Petri, II, 69; Luther, 44; Sutor, 232.
Vgl. Rom. Teller's Predigt über das Sprichwort: Das schärfste Recht u.s.w. (Leipzig 1745). – Luther a.a.O. sagt bei Behandlung der Frage: »Ob Kriegsleute auch in seligem Stande sein können«, über das obige Sprichwort: »Billigkeit muss das Recht meistern, denn es kann geschehen, dass Zween ein gleich Werk thun, aber mit ungleichem Herzen.«
Dän.: For streng lov er stundum ulov. – Høyeste og største ret, høyeste uret. (Prov. dan., 390.)
Frz.: Extrême justice, extrême injustice.
It.: Chi troppo in alto va, cade sovente precipitevolis-simevolmente.
Schwed.: Högsta rätt är ofta högsta orätt. (Marin, 16; Törning, 24.)
94. Dat Recht is for jedermann. – Goldschmidt, 86.
Verlangt, dass das Recht auf alle ohne Ansehen der Person gleichmässig angewandt werde.
95. Dem Recht ist keiner gewachsen. – Petri, II, 75.
96. Dem Recht thut öfters Hülfe noth. – Körte, 4964; Simrock, 8226.
97. Dem Recht will nachgeholfen sein. – Soltau, Reineke Fuchs, II, 9c; Eiselein, 521; Simrock, 8227.
98. Der beim Recht steht, behält seine Sache. – Graf, 476, 619.
Er sollte sie wenigstens behalten.
Isl.: Hinn have sittmal, er a logomstendr. (Jarnsida, 41, 20.)
99. Der darf vom Recht nichts Gutes hoffen, der sich selber klaget an.
Lat.: Qui genus jactat suum, aliena laudat. (Seneca.) (Philippi, I, 132.)
100. Der ist dem Recht am nächsten, der den besten Beweis hat. – Graf, 453, 430.
Altfries.: Ellick menscha is nyaer riuchtes, der noeglicker bywisinghe haet. (Hettema, XIII, 43 [90].)
101. Des Rechtes Grundstein, dem Unrecht ein Eckstein, der Deutschen Edelstein.
Die Unterschrift auf das Bild des Freiherrn von Stein.
102. Det Rêcht huot en Nuos ous Wuos; em drêt se, wâ em wäl. (Siebenbürg.-sächs.) – Schuster, 784.
Das Recht hat eine Nase aus Wachs; man dreht sie, wie man will.
103. Die Recht sind aussm lincken gemacht. – Lehmann, 625, 1.
»Wer lincks kan rechtthun, so ist's eben soviel, als thet er's rechts.«
104. Die recht sind lincks vnnd rechts, wie man sie drehen will. – Lehmann, 628, 20; Eiselein, 521; Simrock, 8219.
»Wer kann uns Recht vereiteln?« »Ein Kaiserwort (einst Konrad sprach), soll man nicht drehn und deuteln.« (Bürger.)
105. Die Rechte sind geneigter zu entlassen als zu verdammen. – Graf, 433, 262.
Sie sind dem Beklagten günstiger als dem Kläger; der Richter wird, wenn seine Ueberzeugung nur etwas schwankt, eher freisprechen als verurtheilen. (S. ⇒ Recht 42.) Voltaire: »Wenn gegen hunderttausend Wahrscheinlichkeiten, dass der Angeklagte schuldig ist, eine einzige für seine Unschuld da ist, so muss diese einzige alle andern aufwiegen.«
Mhd.: Die recht sien vil bereiter, eynen zu entlosen, denne zu verdampnen. (Daniels, Weichbildglossen, 328, 17.)
106. Die wider das Recht treten, werden vom Recht zertreten.
It.: Chi litiga senza ragione, patisce poi con ragione. (Pazzaglia, 200, 10.)
107. Dingt Recht bricht Landrecht.
Lat.: Conventio est lex. (Seybold, 89.)
108. Drü Recht: Recht ist Recht; us Unrecht macht me Recht; wie me's macht, so isch's Recht. – Schweiz, II, 216, 6.
109. Du hast Recht, du sast (sollst) hangen. – Schütze, II, 99.
»Ein feiner Stich auf die Justiz. Wer recht hat, verliert (oft wenigstens) und muss an den Galgen von (Un-)rechtswegen.«
110. Du musst recht finden vnd nit recht bringen. – Franck, II, 51b; Tappius, 49b; Gruter, I, 23; Petri, II, 155; [1523] Lehmann, II, 403, 40; Simrock, 8182; Graf, 25, 278.
Man muss sich nach den Gesetzen des Landes, in dem man sich aufhält, beurtheilen lassen und kann nicht verlangen, nach denen seiner Heimat behandelt zu werden. (S. ⇒ Nachbar 122.)
Lat.: Lex et regio. (Tappius, 49a; Seybold, 278.)
111. Durch das Recht sind alle Rechte gefunden. – Graf, 2, 14; Klingen, 4b, 1.
112. Eben Recht ist weder eng noch weit. – Simrock, 8203; Graf, 4, 76; Braun, I, 3494.
113. Ehe man von seinem Recht einen Heller hergibt, soll man einen Gaul zu todt reiten. (Franken.)
Die Chinesen sagen: Scharf entscheidet man sein Recht und männlich verficht man es. (Hlawatsch, 199.)
114. Ein besser Recht ist Leibesnoth als Herrengebot. – Graf, 389, 545.
Ist der Nothstand nachgewiesen, so treten die sonst gewöhnlichen Rechtsfolgen einer Handlung nicht ein; Selbsterhaltung ist dann das natürliche und erste Recht, dem Hungertode gegenüber tritt die Eigenthumsfrage zurück. »Ein beter Recht ys, lyffs noit off Herrengebot.« (Lünig, II, 1042.)
115. Ein erstanden Recht muss man in Jahr und Tag einbringen. – Graf, 95, 179.
Mhd.: Ein derstünden reht sal man in jar und tag einbrengen. (Rössler, I, 91.)
116. Ein ieglicher sol sein recht wissen. – Klingen, 109b, 1; Graf, 22, 247.
Wenn jemand geistig gesund ist, so dürfte es schwer einen rechtlichen Grund geben, welcher jemand entschuldigen könnte, der sein Recht nicht kennt.
117. Ein neu Recht legt ein elters abe (nieder). – Klingen, 196a, 2; Graf, 18, 232.
118. Ein Recht muss dem andern helfen. – Graf, 486, 12.
Hier in Bezug auf kirchliches und weltliches Recht. (S. ⇒ Papst 51 und ⇒ Petrus 12.)
Frz.: Enfin la bonne cause triomphe. (Kritzinger, 112b.)
120. Erhalten recht bringt kaum die vnkosten wider. – Petri, II, 241.
121. Es gibt dreierlei Recht: Recht, Unrecht, un wie mer's macht1 is aach Recht. – Tendlau, 686; Eiselein, 521; Simrock, 8215.
1) D.h. wie die höchste Instanz urtheilt, entscheidet. Steffen vor Gericht: »Wisset, Herr Oberrichter, bei uns zu Haus sagt man halt, es gebe dreierlei Recht, amol a Recht, a Unrecht und a Recht, wie man's macht.« (Anekdotenjäger, Nordhausen 1861, Hft. 67, S. 284.) Auch in der Schweiz: 'S git dreierlei Rächt: Rächt, Unrächt und wie me's macht, ist au e Rächt. (Sutermeister, 123.)
122. Es ist allerorten Recht, dass der Richter richtet mit Urtheil. – Graf, 425, 197.
Nicht jeder einzelne soll sich selbst Recht schaffen; jeder soll bei den vom Staate angeordneten Behörden Recht suchen.
Mhd.: In allen steten ist daz Recht, daz die richter richtet mit Urteile. (Tzschoppe, 359, 63.)
123. Es ist besser kämpfen (sich schlagen) für das Recht als spielen den faulen Knecht.
Böhm.: Lépe jest tři léta se souditi a snĕmovati, než jeden rok váleti. (Čelakovský, 365.)
124. Es ist kein besser Recht, denn ein Mägdlein und ein Knecht. – Simrock, 8242; Körte, 4959; Petri, II, 265.
125. Es ist kein Recht so klar, dass man keinen Widerspruch erheben könnte. – Graf, 446, 420.
Altfries.: Neen riucht so claer ne se, dar ma neen toseggen to habbe ne moge. (Hettema, I, 50 [16].)
126. Es ist kein Recht so scharf als das burgsche.
Dies Sprichwort hat folgenden Ursprung: Als Hans Fuchs, ein Tuchknappe aus Burg, den Tuchmachern daselbst einiges Geld sammt der Zechlade entwendet hatte und entflohen war, hatten nach einiger Zeit die Meister in Erfahrung gebracht, dass der Verbrecher in Frankenstein in Arbeit stehen solle. Sogleich machten sich mehrere Meister in Begleitung eines Scharfrichters auf den Weg nach Frankenstein, kommen dort den 19. Juli 1551 an, bemächtigten sich des Flüchtlings, und liessen ihn noch an demselben Tage köpfen. (Vgl. Schles. Blätter, Breslau 1828, S. 338, nach M. Koblitzii Annales.)
127. Es ist nicht alls recht, was dem Esel wolgefelt. – Petri, II, 273.
[1524] 128. Es ist Recht, dass das Kleine dem Grossen folge. – Graf, 415, 128.
Dass sich die Minderheit den Beschlüssen der Mehrheit unterwerfe. ( S. ⇒ Folge 2, ⇒ Hand 399; ⇒ Mehr 2, ⇒ Mehrheit und ⇒ Stimmen.)
Altfries.: Het is riucht, thet thet little tha grata foigie. (Richthofen, 208, 35; Schauberg, I, 55, 26.)
129. Es kann niemand einem andern besser Recht lassen, als er selber hat. – Graf, 221, 255.
Der Erbe hat dasselbe Recht, das der Erblasser besass, weder mehr noch weniger, weder ein besseres noch schlechteres.
Mhd.: Is mag nymant dem andern besser recht an einem dinge erben wenne als er selber doran hatte. (Glosse zum sächs. Weichbilde, 23.)
Dän.: Ingen kand give en anden meere rettighed, end han selv haver. (Prov. dan., 474.)
Holl.: Men geeft geen meerder regt, dan men zelf verkregen heeft. (Harrebomée, II, 214a.)
130. Es sind viererlei Rechte: Kriegs- oder Faustrecht ist Gewalt, Kopffrecht ist Weisheit, Buchrecht ist das geschriebene Recht, Fürsten- vnd Herrn Recht ist ihr Wille. – Lehmann, 626, 3.
»Sagt, was ihr wollt, so thu ich, was mir gefällt«, sagte Landgraf Philipp. Sic volo, sic jubeo.
131. Falsche Rechte und Juristen ehren Gott in ihren Kisten.
Die englischen Neger in Surinam sagen: Für Recht und Wahrheit sprechen, ist keine Schande. – Für Recht reden (die Wahrheit sagen), ist noch keine Unverschämtheit (Beleidigung).
132. Für sein Recht muss man mit Wärme kämpfen, aber die Hand zum Frieden reichen.
Böhm.: K soudu jako vrahové, a od soudu jako bratři. (Čelakovský, 351.)
133. Gegen das Recht gibt es kein Recht.
134. Gemein Recht ist eines jeden Recht, gemein Fried eines jeden Fried. – Dietrich, 237.
135. Geschieht einem sein Recht nicht, so geschieht ihm Unrecht. – Graf, 314, 211.
Fries.: Schuett em dit recht nicht so schuett en unrecht. (Richthofen, 567, 1, 23.)
136. Geschriebenes Recht ist ein breites, dünnes Netz, die Mücken bleiben darin hängen, die Hummeln brechen hindurch. – Simrock, 8238.
137. Geschriebenes Recht ist eine grosse Glocke, wenn nur der Schwengel nicht so leicht herunterfiele. – Simrock, 8239.
138. Gesetzt Recht kann natürlich Recht nicht widerlegen. – Graf, 2, 16.
Im Klevischen: Gesat Recht en mach dat natuerlik Recht nyet wederlegen. (Kamptz, III, 38; Kleve, 82, 1.)
139. Gestrenge recht ist das grössest vnrecht. – Henisch, 1579, 48.
140. Gleiche Rechte, gleiche Pflichten.
141. Gleiches Recht wehret am lengsten. – Mathesius, Sarepta, XXb.
142. Gross Recht, kein Recht. – Aventin, XXIIb.
»Ein gemeines Sprichwort.«
143. Gut recht darff guter hülff. – Lehmann, 627, 9; Moscherosch, 313; Eiselein, 521; Sailer, 249; Simrock, 8225; Körte, 4964; Körte2, 6215; Graf, 418, 143; Braun, I, 3491.
Guter Anwalte. Es genügt nicht, gut Recht haben, man muss es auch vertheidigen. (S. ⇒ Advocat , ⇒ Freund und ⇒ Fürsprech.)
Mnd.: Dat recht heft vaken hulpe not. (Groote, Kirchenrecht, 4178.)
Dän.: God ret behøver hjelp. (Prov. dan., 390.)
Frz.: Bon droit a besoin d'aide. (Lendroy, 17.) – Bon droit a souvent besoin de bonne aide. (Kritzinger, 250b.)
Holl.: Goed regt behoeft dikwijls goede hulp. (Harrebomée, II, 214a.) – Recht heeft dicwijl hulpe noot. (Tunn., 22, 17.)
Lat.: Jura humana sunt tricae, plicae, rixae. – Jus patronis eget. (Eiselein, 521.) – Quod confortetur jus, sepe necesse videtur. (Fallersleben, 604.) – Ut confortetur jus saepe necesse videtur. (Sutor, 332.)
144. Gut Recht ist gute Gewohnheit. – Graf, 12, 148.
Mhd.: Also ist auch gut recht gute gewonheyt. (Senckenberg, 269, 10.)
145. Hast du ein Recht zu nehmen, so darfst du dich des Behaltens nicht schämen.
146. Im Recht, im Thron und in der Arbeit liegt des Volkes Macht.
Wahlspruch eines politischen Vereins.
[1525] 147. In keinem Recht wird gefunden, dass man die Bürgen tödtet. – Graf, 300, 120; Klingen, 153a, 1.
Die Bürgschaft erstreckt sich blos aufs Gut und nicht aufs Blut. Entzieht sich der Angeklagte der Strafe durch die Flucht, so kann der Bürge zwar im Umfange seiner Bürgschaft mit seinem Vermögen herangezogen werden, aber weiter geht die Bürgschaft nicht, wenn auch der Flüchtige zum Tode verurtheilt worden wäre.
148. In welchem Recht die Mutter ist, in dem sind auch die Kinder. (S. Kind ⇒ 57 u. ⇒ 65 und ⇒ Mutter 45.) – Graf, 58, 226.
Mhd.: In welchem rechte diu muter ist, in dem sint ouch dy kint. (Gengler, 57, 1; Ficker, 67, 71; Maurer, I, 47.)
149. Ist das Recht zu streng, so suche Erleichterung beim Könige. (S. ⇒ Gnade 51.) – Graf, 397, 613.
Angelsächs.: Gif thaet rihte to heftig sy, sece sidd han tha lychting tho thaen cyng. (Schmid, Angels., I, 100, 2.)
150. Je mehr Recht, je weniger Recht.
»Aufhören müssen die unendlichen mancherlei Satzungen, die das Recht ungewiss und die Rechtspflege weitläufig machen. Deutschland hat (nach Seume) wegen Gerechtigkeiten keine Gerechtigkeit und wegen Rechte keine Rechte.« (Jahn, Volksthum, 38 u. 99.)
151. Je schöner unser Recht ist, je weniger soll man darauf pochen. – Luther's Werke, VI, 139b.
152. Jeder kann zu seinem Recht kommen, ausser wer im Diebesbrief ist. – Graf, 363, 436.
Der Diebstahl war bei unsern Vorfahren im hohen Grade entehrend; die schwersten Verbrechen konnten gesühnt werden, ohne dass der Missethäter Leib und Leben daranzusetzen brauchte, während einem Diebe, was der Sinn des Sprichworts ist, eine solche Rücksicht nicht zutheil ward. Und nicht blos auf den Dieb selbst, sondern auch auf seine ganze Hausgenossenschaft, die Kenntniss vom Diebstahl hatte, liess man die Folgen des Verbrechens sich erstrecken. Ja, man ging wol in der Verfolgung des Diebstahls so weit, das Kind in der Wiege als mitschuldig zu behandeln.
Niederd.: Elc man mach komen tot synem rechte sonder die in dief brief is. (Mieris, I, 518, 85.)
153. Jeder muss dem Recht geruhen. – Graf, 5, 84.
Mhd.: Dem rechte sol ein yderman rowen. (Homeyer, 344, III.)
154. Jeder muss sein Recht fordern (suchen, wahrnehmen).
Holl.: Elk, dien eene zaak aangaat, moet men voor het regt eischen. (Harrebomée, II, 214a.)
155. Jeder soll sich mit dem Recht begnügen. – Graf, 424, 187.
D.h. mit der gerichtlichen Entscheidung und nicht (oder nicht auch) den Weg der Selbsthülfe (Fehde, Rache) einschlagen. (S. ⇒ Recht 307.) »Islik schal sik nogenluten an Rechte.« (Lappenberg, 322, 1.)
156. Jeder will sein Recht haben, ausgenommen Hur' und Dieb; jene will kein Kind und dieser nicht an den Galgen.
Dän.: Aldting vil have sin ret uden skjøgen og tyven; hijn vil ei have barn, denne vil ei hänge. (Prov. dan., 24.)
157. Kein besser Recht, denn das Gegenrecht. – Simrock, 8241; Körte, 4960; Graf, 337, 316.
Im Sinne des Wiedervergeltungsrechts (Jus talionis). Aug' um Auge, Beul' um Beule u.s.w. (S. ⇒ Auge 12, ⇒ Blut 3, ⇒ Fliess, ⇒ Glied 18, Haupt ⇒ 20 u. ⇒ 25, ⇒ Lähmung, Leib ⇒ 72 u. ⇒ 73, ⇒ Leiche 2, ⇒ Mann 1648, Mass ⇒ 58 u. ⇒ 60, ⇒ Mensch 646 und ⇒ Menschheit.)
158. Kein besser recht ist, ohn das der Schalck leyde, was er andern leids gethan. – Petri, II, 415.
159. Kein gesetzt Recht verdruckt ein natürlich Recht. – Graf, 2, 17; Klingen, 16a, 1.
160. Kein Recht gestattet Enterbung ohne Schuld. – Graf, 205, 171.
Holl.: Onterving zonder schuld lijdt geen regt. (Harrebomée, II, 139.)
161. Kein Recht ist verloren, dem die Bitte nachkommt.
162. Keinem Recht ist so gut zu folgen als der Wahrheit. – Graf, 2, 24.
Dän.: Aengi logh aer aemgoth at fylghae sum sannaend. (Thorsen, Vorr., 2.)
163. Keiner der Unsern soll ein Recht vor andern ziehen. (S. ⇒ Land 13.) – Graf, 436, 283.
Mhd.: ... Sa sal keyner der unser kayn recht far andre nicht ziehen. (Grimm, Wb., III, 899.)
164. Keiner soll mehr Recht haben als der andere. – Graf, 123, 327.
Im allgemeinen wol gegen Vorrechte, dann aber wol besonders von der Gleichmässigkeit, mit welcher der Zehent erhoben werden solle. »Das keiner mer rechts darzu hat, dann der andere.« (Schauberg, I, 169, 4.)
[1526] 165. Keinerlei Recht hat keiner auf niemands Gut. – Graf, 94, 170.
Niemand hat ein Recht, von fremdem Gut widerrechtlichen Gebrauch zu machen, was durch die mehrfache Verneinung gesagt werden soll.
Mhd.: Keinerlei recht hat kein man uf nimanzgote. (Kl. Kaiserrecht, II, 118.)
166. Lübisch Recht, glüpisch Recht. – Pistor., I, 58; Deecke, 10; Körte, 3954; Simrock, 6619.
Glüpisch, besser klüpisch, von Klüppe, welches eine Falle, ein Netz zum Vögelfangen bedeutet. Man will damit sagen: das Recht von Lübeck sei ein betrügerisches, verfängliches Recht. Wahrscheinlich hat der Neid oder die Rache dazu Veranlassung gegeben, da nach dem Zeugniss von Rechtsgelehrten das lübecker Recht keineswegs ein unbilliges ist. Man schreibt oft etwas auf die Gesetze, was der Unbilligkeit der Parteien zur Last fällt, welche die besten Gesetze zu verdrehen wissen. Man hat das lübische Recht auch mit einem Rollwagen verglichen, den man schieben könne, wie man wolle.
167. Lüübsch Recht – büübsch Recht, lüübsch Geld – hübsch Geld. (Strelitz.) – Firmenich, III, 76, 2.
168. Man deutet ein Recht mit dem andern. – Graf, 5, 97; Klingen, 5b, 1.
Vergangenes Recht dient zur Erklärung des lebenden, wie ein bestehendes zum Verständniss des andern.
169. Man kann das Recht wohl drücken, aber nicht erdrücken.
170. Man muss dem Rechte sein Lauff lassen. – Petri, II, 459.
»Ja, wenn's nur allezeit recht wäre.«
171. Man muss einem jeden sein Recht thun, sonst wird nichts guts drauss. – Petri, II, 460.
172. Man soll den alten rechten folgen, aber newe speisen essen. – Lehmann, 631, 56.
173. Man soll sich zu Recht sprechen, nicht sich selbst Recht nehmen. (S. ⇒ Recht 156.) – Graf, 424, 188.
Jüt.: Man skulac delae sic til raet oc gorae sik sialf raet. (Thorsen, Jüt. Lov., I, 98 [160].)
174. Man theilet das Recht selten recht auss. – Petri, II, 469.
175. Man to, wat Recht is, kummt Recht wedder. – Goldschmidt, 83.
Wird häufig beim Spiel gebraucht, wenn noch einmal geworfen wird.
176. Mit gutem Recht geht man hinein (zum Richter), mit blauem Mal kommt man heraus.
Böhm.: Přijdeš-li práv, nevyjdeš zdráv; přijdeš-li křiv, nevyjdeš živ. (Čelakovský, 348.)
177. Mit Recht die weisen Leute sagen, dass Gimpel ungern Wette wagen.
178. Mit Recht verfolgen, das ist fest. – Graf, 425, 201.
Jeder soll das erlittene Unrecht beim Gericht verfolgen oder durch den öffentlichen Ankläger (Staatsanwalt) verfolgen lassen, aber nicht durch ⇒ Rache (s.d.) sich selbst helfen.
Mhd.: Med rechte volgen, dat ist veste. (Grimm, Wb., III, 161.)
179. Mit Rechte vnde Gerichte erholt men Landt vnde Lüde. – Hettema, Vorr., 3; Graf, 3, 48.
180. Nach dem nürnberger Recht hängt man den Dieb nicht eher als man ihn hat. – Eiselein, 496; Körte, 4606.
181. Nach dem nürnberger Recht muss der die Prügel behalten, der sie bekommen hat. – Eiselein, 496; Simrock, 7604; Körte, 4607; Körte2, 5787; Braun, I, 3093.
182. Nach dem preusch-markischen Recht muss man behalten, was man bekommen hat. – Frischbier2, 3076.
Diesem Sprichwort soll folgender Vorfall zu Grunde liegen. Einige Einwohner zu Preuschmark geriethen in Streit, der mit einer Schlägerei endigte. Der eine Theil klagte beim preusch- markischen Gerichte, als sei ihm zu viel geschehen. Eine genaue Untersuchung ergab aber, dass die Austheilung der Schläge von beiden Seiten ziemlich gleich erfolgt sei, weshalb die Parteien von dem Gericht das Urtheil empfingen, es solle jeder behalten, was er bekommen. Dies gab in der Folge Veranlassung, von Leuten, die besonders bei Injurienklagen ihre Unschuld nicht genug erweisen können, zu sagen: es wird wol nach dem preusch-markischen Recht ablaufen. Andere wollen, und zwar angeblich mit grösserer Richtigkeit, den Ursprung des Sprichworts von einem ehemaligen preusch-markischen Amtshauptmann herleiten, der bei allen über Schlägereien und Injurien vorgetragenen [1527] Klagesachen jedesmal den Bescheid in plattdeutscher Sprache ertheilt habe: »Een jeder mâg behole, wat he hefft. Von Rechts wegen.« (J.G. Bock, Idiot. pruss.; Hennig, 208.)
Frz.: La coutume de Lorris, où le batu paye l'amende. (Leroux, I, 234.)
183. Nach einem Loth Recht mag man das beste Pferd aus dem Stalle zu Schanden reiten.
184. Natürlich Recht heisst man Gottes Recht. – Graf, 1, 10.
Mhd.: Natuerlich recht heet man goods recht. (Holl. Sachsenspiegel, 2.)
185. Neues Recht verderbt das alte.
Moscherosch (Viertes Gesicht vom Todtenheer) sagt über das Jus: »Vor Zeiten war nur ein Corpus juris, ein einiges Rechtsbuch, vermittels dessen die Gerechtigkeit einem jeden gegönnt worden. Aber jetzt da viele tausende Rechtsbücher, Codices, Digesta, Pandectae, Parakitlae, Institutiones, Consilia, Responsa vorhanden, da stecken die Juristen Archipodi aliter et reflexive so voll Distinctionen, Conciliationen, Extravagantien, raisons d'état, Seditionen, Processen, rixarum immortalium Listen und Ränken, Aufzügen und Umtrieben, Auslegungen und Deutelungen, dass Gott drein schlagen möchte. Seither 30 Jahren sind mehr Rechtsbücher geschrieben worden als vorhin in tausend Jahren und ist doch noch keines recht, denn ein jeder will es noch rechter machen. Alle Tage kommt ein neuer Doctor, ein neues Buch, grösser als das Corpus selbst, welches sie Glossen (Possen!), Commentaria (commenta varia), Interpretationes (Inter fectiones) nennen. Sind also die mehrern Juristen Rabulae, die Rasende, Schriftenschmiede, Federspitzer, Fretter, Anhetzer, Aufwickler u.s.w.«
Böhm.: Novým právem staré se kazí. (Čelakovský, 339.)
186. Niemand ist ohne Recht geboren.
Holl.: Niemand is buiten regt geboren. (Harrebomée, II, 214b.)
187. Niemand kann sich anderes Recht erwerben, als ihm angeboren ist. – Graf, 57, 202.
Ueber den Stand des einzelnen entschied im Mittelalter die Geburt aus rechter Ehe; sein Recht wurde mit ihm geboren.
Mhd.: Nieman mac et im selben anderz reht erwerben, dan in angeboren ist. (Wackernagel, 16, 12.)
188. Niemand steht über dem Recht.
Holl.: Niemand is boven regt gewassen (het regt ontwassen). (Harrebomée, II, 214b.)
189. Ohne Recht mag der Richter niemand zwingen. – Graf, 286, 8; Klingen, 212b, 2.
Ursprünglich entschied das Rechtsgefühl der Richter, später der Wortlaut des Gesetzes. Mochte eine Handlung noch so unehrenhaft und unsittlich in aller Augen erscheinen, so konnte der Richter sie nicht bestrafen, wenn er sich dabei nicht auf ein Gesetz stützen konnte.
190. Rächt gelt wing, G'wâlt hôt Rächt. (Oesterr.-Schles.) – Peter, 451.
191. Recht bleibt allzeit und ewig Recht. – Graf, 5, 92; Petri, II, 512.
Holl.: Het regt drijft boven. (Harrebomée, II, 214a.)
192. Recht bleibt Recht, aber man verdreht's gern. – Simrock, 8223.
193. Recht bleibt Recht, bis man's verdreht. – Eiselein, 521.
194. Recht bleibt Recht, wenn man's nicht verdreht. – Eiselein, 521; Graf, 5, 91; Braun, I, 3493.
195. Recht blieb wol recht, wenns armen Leuten werden möcht. – Petri, II, 512.
196. Recht darf man nicht verkaufen. – Graf, 410, 78.
197. Recht darf nirgends wenden. – Graf, 5, 94.
198. Recht, das sich stützt auf Gewalt, wird nicht alt.
199. Recht find allzeit sein Knecht. – Gruter, III, 76; Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 404; Lehmann, II, 534, 11; Simrock, 8187; Körte, 4961; Graf, 5, 90; Braun, I, 3484.
200. Recht findet sich. – Agricola I, 65; Gruter, I, 63; Egenolff, 33b; Schottel, 1129a; Körte, 4962; Heuseler, 274; Simrock, 8183; Schulbl., XXVI, 649.
Wer Recht hat, dem wird Recht; nur oft sehr spät.
201. Recht geht über (vor) Verwandt( Vetter-, Freund-)schaft.
Holl.: Regt gaat boven maagschap. (Harrebomée, II, 214b.)
Lat.: Jus superat vires. (Anonius.) (Binder II, 1604.)
203. Recht geht vor Macht. – Büchmann (6. Aufl.), 248.
Wahlspruch der den Rechtsstaat anstrebenden politischen Partei. (Vgl. J. Fröbel, Theorie der Politik, Wien 1864; Illustrirte Zeitung, Nr. 1124, S. 21.) Mit [1528] diesen Worten legte der Graf Schwerin-Putzar in der Sitzung des preussischen Abgeordnetenhauses vom 27. Januar 1863, während der Zeit des grossen Verfassungsstreits, Verwahrung gegen eine Rede des Ministerpräsidenten von Bismarck ein, die in dem Satze zu gipfeln schien: »Macht geht vor Recht.« (S. ⇒ Macht 18 und die Ergänzung im Nachtrag.) Schwerin erklärte unter der Zustimmung des Hauses den umgekehrten Satz: »Recht geht vor Macht«, für die Grundlage der vergangenen wie der künftigen Grösse des preussischen Staats. Der jetzige Reichskanzler hat gleichwol damals und später zu wiederholten malen jenen Satz von sich abgelehnt. In der That hatte er auch von der Volksvertretung nur ein Entgegenkommen verlangt, weil Conflicte zu Machtfragen würden, in denen als Sieger hervorgehe, wer die grössere Macht besitze. Es waren zwei verschiedene Weltanschauungen, die sich in abweichender Auffassung der Lage des Augenblicks begegneten, eine ethisch-ideale, sich allein auf ihr inneres Rechtsbewusstsein stützend, aber thatlos, und eine politische-realistische, von dem Gefühl der eigenen Kraft getragen und zum Handeln fortgetrieben. In die Bücher allgemeiner Bewunderung wird freilich allemal »Macht vor Recht« eingetragen, aber hinter der goldrothen Schrift der Machthaber steht mit bürgerlich schwarzen Buchstaben der Satz: »Recht geht vor Macht« und die Namen ihrer Träger. (Vgl. A. Dove, Im neuen Reich, 1872, S. 790.)
205. Recht hast du, aber schweigen musst du.
206. Recht hat kein gewaldt, Gewaldt hat recht. – Lehmann, 635, 88.
207. Recht hat manchmal Hülfe nöthig. – Graf, 418, 144.
208. Recht hat, wer so lange zahlt, bis er's hat.
209. Recht hört man gern. – Graf, 6, 107.
Mhd.: Recht hort man gern. (Grimm, Wb., II, 470.)
210. Recht ist der Lande Widerhalt. – Graf, 3, 49.
Dän.: Løg eru landanna vidhhald. (Jonssyni, 209.)
211. Recht ist ein gelähmter (geschlagener) Knecht.
Lat.: Terris astraea recessit fasque relegatum sub pedibusque jacet. (Seybold, 167.)
212. Recht ist ein gemeiner Name, aber Ehe ist ein Unterschied des Rechts. – Graf, 2, 13; Klingen, 4b, 2.
»Unter allen Verhältnissen«, sagt Graf a.a.O., »gibt es etwas Höheres, als die gegebenen und gesetzten Begriffe; und dies führt den allgemeinern Namen Recht. Natürliches und gesetztes Recht (Ehe) bilden Unterscheidungen innerhalb dieses Begriffs, die indess nicht friedliche Gegensätze, sondern nur verschiedene Erscheinungsformen sind.«
213. Recht ist ein Igel, daran man Händ vnd maul verletzt. – Lehmann, 630, 41.
»Man muss es daher mit geharnischter Hand erwischen.«
214. Recht ist Friedensstifter unter Brüdern. – Graf, 1, 12.
Dän.: Løg eru brædhra sættir. (Jonssyni, 209.)
215. Recht ist für Wachende, Glück für Schlafende, Liebe für Träumende, Gnade für Sterbende: so wird jedem das Seine.
216. Recht ist gerade. – Estor, I, 19, 44; Graf, 3, 35.
217. Recht ist gesetzt, damit es kein Machtwort breche. – Graf, 3, 54.
Man sagt aber auch, oder denkt wenigstens: Wozu wären die falschen ⇒ Eide (s.d. 42), wenn sie nicht geschworen werden sollen, und wozu die Gesetze, wenn man sie nicht übertreten wollte. Die Gesetze sind Spinnweben, die ein Hinderniss für Mücken, aber nicht für den Ochsenknecht bilden.
Isl.: Lög eru thar fyrir lögd, adh bodhordh skuli eibrjota. (Jonssyni, 209.)
218. Recht ist kein Unrecht, Wille kein Landrecht. – D. Pomeranus, Vom Ehebruch vnd Weglauffen.
219. Recht ist Recht. – Sailer, 140; Schambach, II, 337.
220. Recht ist Recht und bleibt Recht. – Eiselein, 521.
221. Recht ist Steuer und Grundfeste alles Guten. – Graf, 1, 11.
Mhd.: Reht ist eine sture und eine grundfest aller guten dinge. (Endemann, I, 1, 3.)
222. Recht ist wahr. – Graf, 2, 25.
Dän.: Rèt er sat. (Jonssyni, 275.)
223. Recht ist Wahrheit, Wahrheit ist Recht. – Graf, 2, 26.
224. Recht ist, was de Herren wollen, sagt Reisemann. (Stargard.)
Reisemann, ein unternehmender jüdischer Geschäftsmann, gebrauchte das Wort in einem Process und zog sich dadurch noch einen andern zu. – Der Maire von Coulanges schrieb bei Gelegenheit der Wahlen an seinen [1529] Polizeicommissar: »Die Hühner des Herrn Gérard, der sich in feindseligen Aeusserungen gegen das Gouvernement gefällt, spazieren auf der öffentlichen Strasse herum. Stellen Sie ihn sofort unter Anklage. Verwechseln Sie aber die Hühner der Freunde der Regierung nicht mit den Hühnern der Gegner derselben.« (Schles. Zeitung, 1861, Nr. 579.)
Mhd.: Dat recht brengt man zuo hove vort, dat der here gerne hort. (Lewe, 3.)
225. Recht ist, was gilt. – Graf, 5, 99.
226. Recht kommt von Gott. – Graf, I, 7.
Die Franzosen sagen: Le droit dérive de la capacité. (Magazin für die Lit. des Auslandes, 1866, Nr. 45.)
Mhd.: Reht komt von got. (Endemann, I, 1.)
227. Recht lest sich nicht verdrucken. – Petri, II, 512.
Schwed.: Rätt blijr fulle rätt, fast paddor wrångia. (Grubb, 703.)
228. Recht mag den Leuten allen kaum wohlgefallen. – Graf, 6, 108.
Mhd.: Daz recht mag den laevten allen chavm wol gevallen. (Ficker, Vorw., 32.)
229. Recht mag (kann) nicht vnrecht werden. – Klingen, 85a, 1; Graf, 5, 89.
230. Recht mot Recht bliwen. – Goldschmidt, 80.
231. Recht mot sin Gang hebben. – Goldschmidt, 81; Bueren, 985.
Es hat seinen Gang, wenn sich ein Process vom Vater bis zum Enkel durch mehrere Geschlechter fortschleppt.
232. Recht muss man finden, nicht bringen. – Eiselein, 531.
Nämlich in der Tasche oder in der krummen Hand.
233. Recht muss (doch) Recht bleiben. – Ps. 94, 15; Mathesy, I, 67a; Petri, II, 513; Hillebrand, 41; Simrock, 8222; Gaal, 1290; Graf, 3, 37; Sailer, 240; Büchmann, 153; Dove, 725; Schulze, 37; für Waldeck: Curtze, 350, 453; für Hannover: Schambach, II, 338; für Siebenbürgen: Schuster, 1107.
In Ostfriesland: Recht mot Recht blîwen. (Goldschmidt, 80.) – Lord Coke hat den Ausspruch gethan: »Das gemeine Recht ist so stark, dass es zuletzt noch jedem Verächter den Hals gebrochen hat.« (L. Bucher, Der Parlamentarismus, Berlin 1855, S. 66.) Im Jahre 1773 erschien', ohne Druckort, eine 60 Octavseiten starke Schrift: Weissagung von der gewiss zu erwartenden Erfüllung des alten Sprichworts: Tandem bona causa triumphat. (Vgl. Nopitsch, 234.)
It.: Quello ch' è da esser de' lupi, non sarà mai de' cani.
Lat.: Res quocunque cadant, semper stat linea recta. (Gaal, 1290.) – Tandem bona causa triumphat. (Philippi, II, 111.)
234. Recht muss Recht bleiben, sagte das Schaf, da ward es vom Wolfe gefressen.
235. Recht muss Recht bleiben und sollten Kopf und Arsch sich reiben.
Holl.: Regt moet regt zijn, al zou men malkander in riemen snijden (met stokken slaan). (Harrebomée, II, 214b.)
236. Recht muss Recht finden. – Sailer, 141; Simrock, 8185; Graf, 5, 87.
237. Recht nicht genügt, wo es links überwiegt.
Lat.: Ubi praevalet vis, fas, ratio, jus et lex silet.
Poln.: Prawo nie pomoże gdzie lewo przemoże. (Wurzbach I, 276, 254.)
238. Recht ohne Gnade ist Unrecht (Tyrannei). – Graf, 397, 600; Petri, II, 513.
»Kein Volk der Erde«, sagt Graf, »hat Recht und Billigkeit so zu vereinigen gewusst, wie das deutsche, das seine Rechtsbücher auf den Grundsatz gebaut hat: Mit der Gerechtigkeit gehe allzeit die Barmherzigkeit (vgl. Lichner, 126, 220); die Gerechtigkeit ist grausam ohne Milde.« Beim Einzug des Richters verlangen die Weisthümer tiefsinnig und schön die Sinnbilder der mit Milde vereinigten Gerechtigkeit: der Gerichtsherr soll einen einäugigen Büttel schicken, der ein einäugiges Pferd hat, Steigleder von Lindenbast, hölzerne Steigreife und Sporen von Hagedorn. (Vgl. Grimm, Weisth., I, 465.) Wie die Gnade gelinder ist als das Recht, soll das Reitzeug von weicherm als sonst üblichem Stoff gefertigt sein.
Mhd.: Recht sunder genaden ist unrecht. (Grimm, Weisth., III, 171.)
239. Recht reden bricht keinen Augenstern. (Surinam.)
Für Recht und Wahrheit sprechen ist keine Schande.
240. Recht sagt ein Mann dem andern. – Kaltenbeck, I, 171, 87 u. 174, 210; Graf, 11, 122.
241. Recht scheidet, der Vergleich sühnt. – Graf, 423, 176; Klingen, III, 525.
242. Recht scheidet wol, aber es freundet nicht. – Henisch, 1220, 13; Simrock, 8232; Körte, 4969; Graf, 423, 174; Braun, I, 3496.
[1530] 243. Recht schimmert doch den Leuten in die Augen, wenn mans gleich verdunkeln möcht. – Petri, II, 513.
244. Recht siegt1, Unrecht erliegt.
1) Nach meinen Wahrnehmungen würde die Schreibung »siecht« die richtigere sein.
245. Recht und Bill lassen sich drehen, wie man will.
246. Recht und Bräuche scheiden die Lande. – Graf, 13, 167.
247. Recht und Redlichkeit währt am längsten – 's macht, man braucht's am allerwenigsten. – Aarg. Taschenbuch.
Am Becher der aarauer Schützeninnung aus dem 16. Jahrhundert.
248. Recht und Unrecht beissen einander in den Schwanz. – Binder II, 3243.
»Darum muss man nicht die verfluchen, die vor dem Recht das Weite suchen; denn in dem Recht ist's oft sehr enge, da ist das Weitere die Länge.« (Glassbrenner, Reineke, 251.)
249. Recht und Unrecht sind Nachbarn.
»Eine Messerscheide breit, ist das Recht vom Unrecht weit. Wer aber sitzt auf der Schneide, kommt sicherlich zu Leide; drum sei du auch kein Firlefanz und habe eins von beiden ganz.« (Schücking, 49, 194.)
250. Recht vnd gerechtigkeit sitzt zu Haupt der Fürsten vnd nicht vnter jhren füssen. – Lehmann, 635, 82.
Und beide lassen sich nicht trennen; die Italiener sagen: Morta la ragione langue la giustizia. (Pazzaglia, 317, 7.)
251. Recht wäre wol recht, wann man es nur lies sein recht, das dann sich beklaget mancher knecht. – Zinkgref, IV, 129.
252. Recht wird weder enger noch weiter. – Schottel, 1119a.
253. Recht zerreisst Gedinge. – Graf, 228, 34.
Verträge, welche gegen die Gesetze verstossen, sind nichtig.
254. 'S luter Rächt brûcht kei Awalt. – Sutermeister, 123.
255. 'S Rächt het kei Egge. – Sutermeister, 123.
256. Scharf Recht will einen gelinden Meister haben.
Poln.: Dobrodjetel podobna sołney ne smotrja na mrak, prodołżajet swoje teczenyje i sowerszajet swoje djeło. (Wurzbach I, 298, 316.)
257. Schnell Recht, gut Recht.
Holl.: Kort regt is goed regt. (Harrebomée, II, 214a.)
258. Streng recht ist oft das grösste vnrecht. – Petri, II, 336; Lehmann, 631, 52; Hillebrand, 5; Simrock, 8205; Gaal, 1291; Graf, 4, 74; Teller, 861; Dove, 479.
Strenges Recht ist in jedem Falle besser, als eine unverdiente, demüthigende, erbettelte Gnade. (Vgl. Maltitz, Pfefferkörner, Hft. 1.)
Lat.: Summum jus, summa injuria. (Cicero.) (Binder II, 3243; Egeria, 268a; Faselius, 245; Frob., 581; Seybold, 587; Hauer, Liiij, 2; Philippi, II, 205; Schonh., S, 32; Wiegand, 81.) – Summum jus, summa saepe malitia est. (Gaal, 1291.)
259. Strenges Recht, gewiss Unrecht. – Simrock, 8206; Hillebrand, 54; Graf, 4, 75.
Enthält eine Uebertreibung.
260. Strenges Recht ist nicht freundlich. – Haltaus, 491, 1512; Graf, 4, 70; Estor, III, 1366, 4952.
261. Strenges Recht verlangt viel Milde. – Graf, 4, 71.
Isl.: Strangr rétt er heimtar stilling gòdha. (Jonssyni, 323.)
262. So geht das Recht, wie es den Zug hat. – Graf, 11, 121.
Das Gewohnheitsrecht wird von einem Geschlecht dem andern überliefert. (S. ⇒ Finden 49, ⇒ Kommen 119, ⇒ Schöffe und ⇒ Weisen.)
Dän.: Svo ganga løg sem hafa tog. (Jonssyni, 329.)
263. Tewr Recht, schnöde Geld ist in der Welt. – Petri, II, 545.
264. Thue Recht und scheue niemand.
Frz.: Fais ton devoir et va tête levée.
265. To väl Recht is Unrecht. – Köster, 254.
266. Unser Recht verbitten wir mit dem Schwerte. – Graf, 42, 133.
Mhd.: Unse recht vorbidde wy mit dem Schwerde. (Westphalen, III, 45.)
267. Von Recht zu Unrecht ist nur ein Schritt (eine Spanne).
Lat.: Vicina saepe sunt virtutibus vitia. (Sallust.) (Philippi, II, 248.)
[1531] 268. Wäre kein Recht im Lande, so hätte das Meiste, wer das Meiste nehmen könnte. – Graf, 3, 85.
In Jütland: Waerae aei logh a landae, tha hafnae hin mest thaer mest mattae gripae. (Thorsen, Vorr., 2.)
269. Wäre kein Recht im Lande, so hätte jeder, was er erwischt. – Graf, 3, 55.
Isl.: Vaern ei lög i landi, hef dhi hvör thadh feingi (maedhi). (Jonssyni, 357.)
270. Was das Recht sagt, hat statt. – Graf, 3, 50.
271. Was das Recht sagt, mag (d.i. soll) jeder wissen und verstehen. – Graf, 22, 248.
Dän.: Allæ mæn mughæ witæ oi vndærstandæ hwat logh seghær. (Thorsen, Vorr., 3.)
272. Was dem einen Recht ist, ist dem andern billig. – Gaal, 1292; Graf, 3, 42; Braun, I, 3487.
Engl.: Sauce for the goose, is sauce for the gander. (Gaal, 1292.)
273. Was einem das Recht gibt, das kann ihm niemand nehmen. – Graf, 479, 665.
Altfries.: Haet so een man dat riucht to jowt, dat mey hem nymmen bynima. (Hettema, I, 16 [8].)
274. Was einem Recht ist, ist allen Recht. – Simrock, 8200; Graf, 3, 40; Braun, I, 3488.
275. Was einer Recht und Freiheit hat, das haben die andern auch. – Graf, 496, 68.
Mhd.: Was einer gerechtigkait vnnd freyheit hat, das habendt die andern auch. (Grimm, III, 807.)
276. Was ist Recht? Gewalt kann's sagen. – Törning, 100.
277. Was mir Recht ist, das ist einem jeden Recht. – Büttner, Q 6.
278. Was mit Rechte nicht vbereintregt, das ist jmmer vnrecht. – Klingen, 16b, 1; Graf, 3, 36.
279. Wat ê'n Recht is, is de ander gên Unrecht, sagte der Bauer, da gab er dem Stockmeister die Hiebe wieder, die er von ihm bekommen.
280. Wat enen Recht is, is'n annern kên Unrecht. – Goldschmidt, 86; Hauskalender, I; hochdeutsch bei Graf, 3, 41.
281. Wat Recht is, môt Recht blîfen. – Bueren, 1226.
282. Weltlich Recht folge nach Gottes Recht. – Graf, 1, 9.
Mhd.: Daz wertliche recht volge noch gotes rechte. (Ortloff, I, 1, 8.)
283. Wem das Recht nicht genügt, den soll der Kaiser nicht lassen. – Graf, 424, 194.
Erst als die Staatsgewalt stark genug war, konnte sie der längst untersagten Selbsthülfe wirksam entgegentreten. Schon vor 1495 galt der Grundsatz: Man soll Recht (beim Gericht) suchen, aber nicht nehmen; aber ohne eine starke Vollzugsgewalt nützen die besten Gesetze sehr wenig. Nachdem diese vorhanden, untersagte sie die Selbsthülfe bei Strafe. (S. ⇒ Recht 350.)
Mhd.: Weme mit deme rechten nich begnüget den ensoll der Kayser nicht laassen. (Senckenberg, II, 119.)
284. Wenig mit Recht ist besser als viel mit Unrecht. – Simrock, 8216.
285. Wenn das Recht das Gewissen verwirren will, so soll man durchreissen wie ein Mühlstein durch ein Spinnwebe.
»Darum, wo du findest, dass sich ein Verwirren im Gewissen will erheben, über dem Recht, da reisse getrost durchs Recht, wie ein Mühlstein durch ein Spinnweb.« (Luther's Werke, V, 259.)
286. Wenn das römische Recht wie ein Schweinsbraten hinunter ist, wird das preussische wie ein Schnaps darauf gesetzt. – Jahn's Volksthum.
Ein sprichwörtlich gewordener Professorenwizt. Jahn in seinem Volksthum (S. 82) sagt, dass in den Vorlesungen vieler Professoren die Witze hergelesen und Jahr aus Jahr ein wiederkommen, wie die Namen der Kalenderheiligen. Er bemerkt dann, ein junger Gelehrter habe diese Witze von sämmtlichen Hochschulen Deutschlands gesammelt und sie unter dem Titel Schulwitz, gesammelt am Ende des 18. Jahrhunderts, herausgeben wollen. Die Witzmacher waren nach Namen, Ort und Zeit angeführt. Der Sammler ist aber vor der Herausgabe gestorben, einzelne solcher Sätze sind aber, wie der obige, im Volksmunde erhalten worden.
287. Wenn ein Recht angeht, findet sich auch Frau Fraus. – Petri, II, 653.
»Es ist eine Untugend in uns Menschen, die heisset fraus, d.i. List oder Tücke. Wenn dieselbige höret, dz billigkeit über Recht gehet, so ist sie dem Rechten ganz fremd und suchet, wie sie unter dem Schein der [1532] Billigkeit sich verkaufen und das Recht zunichte werde. Daher ein Sprichwort gehet: Inventa lege, inventa est fraus legis. Wenn ein Recht angehet, sobald findet sich Jungfrau Fraus auch.« (Luther's Werke, III, 347.)
Lat.: Inventa lege, inventa est fraus legis.
288. Wenn man das Recht nicht kann mit Glimpff finden, so sucht mans mit der Scherffe. – Petri, II, 662.
289. Wenn man sein eygen recht mit einem spielt vnd thut, wie er gethan, so geschicht jhme nicht vnrecht. – Lehmann, 636, 93.
»Kein besser Recht kann man bescheiden, ohn das der Schalk muss selber leiden, was er eim andern hat gethan, das gleiche Erbeit hat gleichen Lohn.« (Froschm., CcV.)
290. Wenn Recht für Recht ginge, so were mancher nicht Abt. – Petri, II, 671.
291. Wenn wir unser Recht zerreissen, zerreissen wir auch den Frieden. – Graf, 18, 229.
292. Wenn zu sehr wird gescherrfft das Recht, so geschicht Gewalt manchem armen Knecht. – Petri, II, 677.
293. Wer andern nicht Recht gönnen will, soll kein Recht geniessen. – Graf, 529, 354.
Isl.: Sá ei vill ädhrun laga unna, skal ei laga njóta. (Jonssyni, 279.)
294. Wer das Recht auf die Finger hat, der nimmt gern auch die Hand.
Die Russen: Wer das Recht hat, Krug zu sagen, dem füllt man auch das Bier hinein. (Altmann VI, 426.)
295. Wer das Recht auf seiner Seite hat, muss derb auftreten.
Poln.: Mając Boga, rzeknę śmiele, niedbam nic o przyjaciele. (Lompa, 20.)
296. Wer das Recht in der Tasche hat, der darf keine krummen Wege gehen.
Man kann noch so viel Recht in der Tasche haben, im Gerichtssaal wird nicht selten ein Loch in der Tasche; und wenn man herauskommt, ist kein Recht mehr darin.
297. Wer das Recht nicht will leiden, darf über Gewalt (Unrecht) nicht klagen. – Körte, 4952; Simrock, 8237; Venedey, 136; Graf, 314, 206 u. 337, 208; Braun, I, 3485.
298. Wer das Recht nicht will leiden, wird Gewalt nicht vermeiden.
299. Wer das Recht verdirbt, wird vom Recht verdorben.
It.: Chi la giustizia impedisce di giustizia perisce. (Pazzaglia, 142, 2.)
300. Wer das Recht vollführt, hat keine Rache. – Graf, 424, 186.
Neben dem ⇒ Vergleiche (s.d.) hatten die alten Deutschen noch einen Ausweg, langen Streit zu meiden, die Selbsthülfe. Eigentliche Rechtsstreitigkeiten (Eigenthum, Schulden u. dgl. betreffend) wurden stets nur auf gerichtlichem Wege oder im geordneten Zweikampf beigelegt. Widerrechtliche Verletzungen dagegen an Ehre, Gut und Blut, sowie das Ausbleiben bei Gericht hatten für den Schuldigen eine Fehde zur Folge, wenn man es nicht vorzog, einen Vergleich zu suchen und die entsprechende Busse oder das vereinbarte Wergeld zu bezahlen, in welchem Falle von beiden Theilen ewiger Friede getrunken wurde. Wer aber den Rechtsweg beschritt, verzichtete, was der Sinn des obigen Sprichworts ist, auf die Fehde. Es kam daher oft vor, dass die Frauen klagten, um ihren Männern die Rache zu wahren.
301. Wer das Recht weiss vnd verhelt das, der ist seiner eygen Seelen hass (feind). – Gruter, III, 104; Lehmann, II, 871, 152.
302. Wer die Rechte des Reichs nicht achtet, soll ohne die Rechte des Reichs sterben. – Graf, 318.
Der Tod trifft so unfehlbar den, der den Frieden des Reichs bricht, dass es nach den Worten des Kaiserrechts gar nicht erst einer Verurtheilung durch den Richter bedarf, er wird vogelfrei, d.i. aus dem Reiche geworfen, ausserhalb der Gesetze erklärt.
303. Wer einen Wollsack voll Recht hat, verliert oft einen Beutel voll Geld.
304. Wer füglich mit Recht zu erreichen ist, den gibt man zu Bürgen. – Graf, 244, 140.
305. Wer gut recht hat, der bedarff noch mehr recht, biss er Kuh vnnd Kalb aussm Stall hat verrechtet. – Lehmann, 631, 57.
[1533] 306. Wer immer (nur) Recht haben will, der hat am meisten Unrecht.
307. Wer jetzt Recht will haben, der schmiere und gebe Gift und Gaben.
308. Wer kein Recht hat zu nehmen, der hat auch nicht Recht zu behalten. – Lehmann, 629, 28.
309. Wer mit Recht seine gerecht Sach in der vnrecht Welt erhalten wil, der muss frühe auffstehen vnd die Hand immer im Beutel haben. – Petri, II, 737.
310. Wer mit Recht seine Gerechtigkeit in der vngerechten Welt will erhalten, der bedarff gross Glück. – Lehmann, 633, 72.
311. Wer mit Recht verurtheilt1 ist, bleibt verurtheilt. – Graf, 479, 663.
1) D.h. hier unter Beobachtung der vorgeschriebenen Rechtsformen, wäre er auch unschuldig. – »Wer verfeymt sey als recht ist, der sey vnd bleibe verfeimt.« (Lochner, Femordnung, I, 254.)
312. Wer nicht kennt sein Recht, verdient kein Recht.
313. Wer Recht fordert, muss auch Recht pflegen. – Simrock, 8186; Körte, 4953; Venedey, 136; Braun, I, 3480.
314. Wer recht gantz säck voll hat vnnd mangelt gewalt, so bleibt er vnter der Bank. – Lehmann, 632, 66.
315. Wer Recht hat, behält den Sieg. – Eiselein, 521; Simrock, 8208; Graf, 467, 569.
Ein schöner Glaube, auf den sich die mittelalterlichen Gottesurtheile gründeten, der sich aber bis in die neueste Zeit nicht als Regel bewährt hat. Die Mehrzahl der bezüglichen Sprichwörter glaubt die Sache richtiger zu treffen, wenn sie den Satz umkehrt und sagt: Wer den ⇒ Sieg (s.d.) behält, der hat Recht.
Mhd.: De recht heft, schal wol richtig bliven. (Groote, Köln. Reimchronik, 6100.)
316. Wer Recht hat, der habe Recht. – Eiselein, 521.
317. Wer Recht hat, hat niemand zu fürchten. – Simrock, 8210.
318. Wer recht hat, muss den rechten Weg gehen. – Lehmann, 627, 13.
319. Wer recht hat, soll sein recht rechtmässig verfolgen. – Lehmann, 914, 3.
320. Wer Recht hat, wird doch endlich siegen. – Graf, 418, 151.
Böhm.: Co právo chce míti, to musí jíti. (Čelakovský, 339.)
321. Wer Recht hat zu nemen, der hat auch Recht zu behalten. – Lehmann, 629, 28.
Dän.: Hvo som har ret at tage, har og at beholde. (Prov. dan., 473.)
Lat.: Ne sit major equi ratio, quam juris et aequi. (Chaos, 439.)
322. Wer Recht im Reich sucht, muss die Todten darum fragen.
Die alten Rechtsbücher, Urkunden, Ueberlieferungen u.s.w.
323. Wer Recht nicht will leiden, dem geschicht durch gewalt nicht vnrecht. – Lehmann, 305, 24.
324. Wer Recht sprechen soll, muss nicht die Brille der Leidenschaft auf der Nase haben.
It.: Voi che giudicate, ogni passion lasciate. (Pazzaglia, 151, 11.)
325. Wer Recht sucht, muss nicht mit leerem Beutel gehen.
Die Chinesen: Die Pforten des Mandarinenhofs sind weit geöffnet; wer Recht hat, aber kein Geld, trete nicht ein.
326. Wer Recht sucht, wird Recht finden. – Dove, 209.
327. Wer Recht thun will, dem darf der Kaiser nicht Unrecht thun. – Graf, 426, 223.
Das Gericht soll den, welcher Rechtshülfe bei ihm sucht, nicht zurückweisen. Verweigerung des Gehörs oder des Bescheids, gab den Richter frei; man konnte ihn erschlagen und wie einen unehrlichen Verbrecher bei den Füssen unter der Thürschwelle durchziehen.
Mhd.: Wer recht wel dun dem ensal der keyser nicht vnrecht thun. (Senckenberg, II, 108.)
328. Wer recht thut, der wirt es finden. – Agricola II, 96; Gruter, I, 82; Simrock, 8184; Braun, I, 3481.
329. Wer Recht thut, wird es finden, wer Unrecht thut, wird's auch finden. – Graf, 409, 48.
[1534] 330. Wer Rechts darbt, soll Lehnrechts darben.
Durch unehrenhafte Handlungen geht der Lehnsmann des Anspruchs auf Lehnrecht verlustig. (S. ⇒ Lehnrecht 4.)
331. Wer sein Recht gebraucht, beleidigt niemand.
»Wer das Falsche vertheidigen will, hat alle Ursache leise aufzutreten und sich zu einer feinen Lebensart zu bekennen. Wer aber das Recht auf seiner Seite fühlt, muss derb auftreten; ein höfliches Recht will gar nichts heissen.« (Loeper, Goethe's Sprüche, 1012.)
Holl.: Die van zijn regt gebruik maakt, beleedigt niemand. (Harrebomée, II, 213b.)
Lat.: Quisquis suo jure utitur, injuriam nulli facit. (Binder II, 2856; Schamelius, 59, 6.)
332. Wer sein Recht kaufen soll, der stehet damit nicht wol. – Petri, II, 754.
333. Wer sein Recht nicht braucht, verliert es.
Böhm.: Kdo právo zle neb neužívá, snadno o nĕ přichá zívá. (Čelakovský, 341.)
334. Wer sich seines Rechts bald erholen sol gegen einen Mächtigen, dazu gehört ein starck Beweisung, schwerer Beutel, gnedige Richter vnd eine gute Stunde. – Petri, II, 762.
335. Wer sich seines Rechts bedient, thut niemand Unrecht. – Schamelius, 59, 6; Petri, II, 762.
Gutachten des Criminalsenats des berliner Kammergerichts in der Müller Arnold'schen Sache vom 26. Dec. 1779.
336. Wer sich vor dem Recht verbirgt, der lässt sich finden. – Graf, 425, 217.
Unbekannte Verbrecher werden entdeckt, flüchtige ergriffen. (S. ⇒ Finden 11 und ⇒ Kommen 85.)
Mhd.: Wer sich birget vor dem rechten, der leszt sich finden. (Endemann, I, 30 [31].)
337. Wer über das Recht greift, thut wider den Kaiser. – Graf, 424, 195.
Aus der Zeit, in der bereits die Selbsthülfe verboten war. (S. ⇒ Recht 292.) In Westfalen: Wie oever dat Recht gripet, de dot widder den Keyser. (Steinen, I, 1744.)
338. Wer will Recht behalten beim Haufen, darf vorm letzten Wort nicht laufen.
Er muss das letzte Wort zu behalten suchen.
339. Wer will vnd muss zu rechte gahn, der soll drey grosse beutel han, den einen voll gerechtigkeit, den andern voll langmütigkeit, den dritten golds vnd geltes voll, das er kan jmmer geben wol. – Henisch, 357, 16; Petri, II, 781.
340. Wer zuerst Recht begehrt, soll zuerst sprechen. – Graf, 432, 253.
Wenn nicht Gründe oder Bestimmungen für eine andere Aufeinanderfolge sprechen, so soll die Sache zuerst behandelt werden, die zuerst beantragt ist. (S. ⇒ Kaiser 43.)
Altfries.: Deer arst riucht byjareth, dij schel aerst sprecka. (Hettema, I, 30, 10.)
341. Wer zweierlei Recht hat, ist besser als wer nur einerlei hat. – Graf, 201, 140.
Wer von seiten des Vaters und der Mutter gleichberechtigt zum Erbe ist (Vollgeschwister), hat grösseres Recht zum Erbe, als wer nur vom Vater oder der Mutter berechtigt ist (Halb- und Stiefgeschwister).
Mhd.: Wer zweierleie reht zu einem ding hat, der is nehir wen der nur eynerley reht hat.
342. Wer zweierlei Recht hat, ist der unsere. – Graf, 201, 141.
Im Klevischen: Wie (tot eynen ding) twyerley Recht heaet di is der naere. (Kamptz, III, 38; Kleve, 82, 1.)
343. Wider gut recht geschihet alles vnrecht. – Henisch, 1535, 36; Petri, II, 786.
344. Wie das Recht wird in die Mühl' gebracht, so wird es auch gemahlen.
»Oberkeit hat ein sprichwort gemacht, sie sagen, wie es (das recht) wirt in die mül gebracht, also wirt's auch gemalen.« (Schade, I, 161, 262.)
345. Wie einer recht hat zu nemen, so hat er auch glück zu behalten. – Lehmann, 548, 34; Grubb, 380.
346. Wir haben gleiche Rechte, sagte der Zwerg zum Riesen, und langte nach seinen Schuhen.
347. Wo das Recht endet, da mag vnser wille nicht stadt haben. – Klingen, 50a, 2; Graf, 3, 45.
348. Wo das Recht hält Hut, da steht's mit Land und Leuten gut.
Schwed.: Hvar rätt och lag trifz land och stad. (Grubb, 848.)
349. Wo das Recht nur einen Finger zeigt, da hat das Unrecht leichtes Spiel.
[1535] 350. Wo das Recht redlich ist, da weicht die Gewohnheit. – Graf, 14, 194.
Altfries.: Al deer dat riucht redelyc is, deer wyct dy pligo. (Richthofen, 435, 16.)
351. Wo das Recht wird verkehrt, da werden Land vnd Leut verstört. – Petri, II, 800.
352. Wo das recht zweiffelhaftig ist, da sol man nach der gewonheit richten. – Klingen, 218b, 1; Graf, 12, 157.
353. Wo ein Recht über das andere gegeben wird, muss das ältere weichen. – Graf, 18, 234.
Mhd.: Wo denne eyn recht ober eyn ander gegebin wird, do muz daz eldiste wichen. (Daniels, 182, 7.)
354. Wo einer Recht fordert, da soll er Recht pflegen. – Eisenhart, 516; Eiselein, 528; Hassl., 18; Hillebrand, 219.
Dies Sprichwort handelt von der Gegenklage und zeigt an, dass der Kläger mit wenig Ausnahmen vor demselben Gericht, bei dem er seine Klage angebracht hat, auch auf die Gegenklage sich einlassen müsse.
355. Wo man das lichte Recht haben kann, da soll man das finster Recht meiden.
Unter dem »finstern Recht« scheint das peinliche Rechtsverfahren mittels Torturen gemeint zu sein. Luther (Werke, VII, 360) nannte es auch das Nothrecht und sagt: »Man muss solch Nothrecht haben, wo man mit dem lichten Recht nicht kann hinkommen.«
356. Wo man das Recht einging, da soll man das Unrecht suchen. – Graf, 437, 314.
Verbindlichkeiten aus eingegangenen Verträgen sollen da eingeklagt werden, wo der entsprechende Vertrag zu Stande gekommen ist.
Mhd.: Do man das recht ingit, do sol man daz unrecht suochen. (Grimm, I, 416.)
357. Wo man das Recht nicht vernimpt (versteht), da sol man es deuten nach der gewonheit. – Klingen, 5b, 1; Graf, 12, 158.
Dän.: Eth er ret, og et andet er seth. (Prov. dan., 147.)
358. Wo Recht ist, da wohnen keine Leute. (Westf.)
359. Wo Recht keine Gewalt hat, da hat (wird) Gewalt Recht.
Kroat.: Ako pravda nepomože krivda neče pomoči.
360. Wo Recht und Sitten wenden, da wendet auch ein Herr mit Land und Leuten. – Graf, 13, 168.
361. Wo recht vnnd Gerechtigkeit mangelt, da liegt der Fried kranck. – Lehmann, 635, 87.
362. Wo recht vnnd gerechtigkeit vor nichts wird gehalten, do gildt Weissheit nichts. – Lehmann, 885, 62.
Holl.: Waar het regt te gronde gaat, onstaat niet dan onraad. (Harrebomée, II, 214b.)
Lat.: Vbi nil valet iustitia, ibi imbecillis est prudentia. (Lehmann, 885, 62.)
363. Wo sie das Recht nach Ellen schneiden, muss man Unrecht geduldig leiden.
364. Zu einer Tasche voll Recht gehört eine Tasche voll Geld.
Böhm.: Mĕj ty i právo a vždy v kapsę zasvrbí. (Čelakovský, 348.)
365. Zu scharff recht verleurt gnad. – Petri, II, 827.
366. Zu viel Recht hat manchen Herrn gemacht zum Knecht. – Simrock, 8214; Körte, 4967.
367. Zu viel Recht schadet nicht.
Man kann nicht ein zu wohlbegründetes Recht haben.
Frz.: Trop abondance de droit ne nuit pas.
368. Zu vil recht ist vnrecht. – Franck, II, 82a u. 187b; Egenolff, 268a; Eyering, I, 159; Petri, II, 828; Lehmann, II, 902, 21; Latendorf II, 33; Luther, 263; Sutor, 349; Eisenhart, 19; Hillebrand, 4, 2; Pistor., VII, 4; Mayer I, 170; Sailer, 240; Körte, 4966; Körte2, 6216; Venedey, 136; Braun, I, 3492; für Bremen: Köster, 254; für Oldenburg: Goldschmidt, 81.
Dies Sprichwort will keineswegs den Richter durch Erregung eines sträflichen Mitleids zu einer schädlichen Billigkeit verführen; es will nur sagen, dass in vielen Fällen die buchstäbliche Auslegung der Gesetze, welche auf die Absichten des Gesetzgebers keine Rücksicht nimmt, eine Ungerechtigkeit ist. Der Richter soll die Vernunft, die ja die Quelle der Gesetze ist, bei der Anwendung derselben zu Hülfe nehmen.
Lat.: Summum jus, summa crux. (Columbus.) (Binder I, 3243; Seybold, 587.)
[1536] 369. Zweierlei Recht ist stärker Recht. – Graf, 201, 142.
Vollsippe steht der Erbfolge besser als Halbsippe. (S. ⇒ Halbgeburt.) In Hamburg: Twyerley recht ysz sterker recht. (Lappenberg, 257, 8.)
370. Chrump recht als des teufels nas. – Suchenwirth's Werke aus dem 14. Jahrhundert von A. Primisser (Wien 1827), S. 121a.
*371. Da ist kein Recht zu finden.
Lat.: Bardaicus judex datur haec punire volenti calceus. (Juvenal.) (Philippi, I, 55.)
*372. Das ist wandsbecker Recht.
Eine Redensart, die bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts angewandt wurde, um arge Schwindeleien, unbestrafte Betrügereien und ähnliche Verbrechen zu bezeichnen. Die Familie Berens, in deren Besitz Wandsbeck von 1645 bis 1679 war, hatte sich am 30. Aug. 1664 von dem König Friedrich III. ein Privileg erwirkt, »dass alle ausgetretenen (landesflüchtigen) Kaufleute, Bankerottirer und leichtsinnige Schuldner, welche nicht gerade boshafter Weise ihre Creditoren betrügen gewollt, in Wandsbeck ein geruhsam Asyl, sichere Freystätt und Befugniss zu neuem Gewerbe finden sollten«. Das Gefährliche, leicht und nothwendig zum schlimmsten Betrug Führende dieses Privilegs springt in die Augen. Wandsbeck wurde auch bald die neue Heimat aller bösen Falliten. König Friedrich V. schickte endlich im Jahre 1752 ein eigenes Untersuchungsgericht nach Wandsbeck, welches die zunächst vorliegenden schreiendsten Fälle untersuchte, bestrafte, dann den Ort überhaupt von den berüchtigtsten Subjecten dieser Art säuberte und eine ordentliche Polizei- und Justizverfassung ins Leben rief, worauf der König jenes verderbliche Privileg vom 25. Aug. 1671 in Betreff der gestohlenen Güter unter dem 28. Oct. 1754 aufhob, ebenso dem Misbrauche des Privilegs vom 30. Aug. 1664 vorbeugte. (Vgl. Otto Beneke, in der Zeitschrift des Vereins für hamb. Gesch., III, 382 u. 389; Illustrirte Zeitung, 1860, 402b.) Die Holländer hatten für Zahlungsunfähige eine ähnliche Freistatt – Vianen. Darauf beziehen sich die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten: Die ligt borg wordt, moet voor Vianen zorgen. – Mijnheer woont heden te Vianen. (Harrebomée, I, 81 u. 293.)
*373. Das Recht beugen (krümmen).
Den Schuldigen begünstigen und den Unschuldigen unterdrücken.
*374. Das Recht des Stärkern handhaben.
D.i. Gewalt gebrauchen.
*375. Das rechte recht. – Agricola I, 64; Eyering, I, 335; Egenolff, 33a; Gruter, I, 12; Eiselein, 521.
»Das rechte Recht«, sagt Agricola, »siehet weder Gunst, Gaben, Freundschaft noch Eigennutz an. Das unrechte Recht richtet nach Gunst und Gaben.« Wenn ein Geschäft nach einem bestimmten Rechte vereinbart ist, so kommt auch dies Recht gegenüber dem gemeinen zur Anwendung.
Holl.: Het regte regt ziet gunst noch gaven, vriendschap nog eigen nut aan. (Harrebomée, II, 214a.)
*376. Dem Recht den Rüggen gewen. – Dähnert, 388b.
Nicht vor Gericht erscheinen wollen.
*377. Dem Recht ein Ohr umbtreiben.
Lat.: Aequum stultitiae ferre. (Chaos, 442.)
*378. Dem Recht eine wächserne Nasen drehen. – Fischer, Psalter, 374d.
*379. Er dreht das Recht wie der Wind die Wetterfahne.
*380. Er hat das Recht auf seiner Seite.
Holl.: Hij heeft het regt aan zijne zijde. (Harrebomée, II, 214.)
*381. Er versteht vom Recht so viel, als wenn ein Blinder schiesst zum Ziel. – Murner, Nb., 28, in Kloster, IV, 709.
*382. Es ist das Recht des Wolfs über das Schaf.
Holl.: Het regt van den langsten degen. (Harrebomée, II, 214a.)
*383. Es ist ein weiches Recht. (Lit.)
Von einem ungerechten Urtheil oder um eine schlechte Rechtsverwaltung zu bezeichnen, da weichliche Kraftlosigkeit zum Rechtsprechen nicht geeignet ist.
*384. Hier gilt Recht, nicht Gewalt.
Lat.: Partitio, non provocatio. (Philippi, II, 83.)
*385. Ick will jo nicks as min Recht. – Goldschmidt, 81.
*386. Män hot ihm gethün sein Recht. (Jüd.-deutsch. Warschau.)
Man thut dort jemand sein Recht, wenn man die letzten Pflichten an seinem Grabe erfüllt.
*387. Mit bestem Schein Rechts unrecht haben. – Schottel, 1119a.
*388. Nach dem kanonischen Recht. (Ulm.)
Scherzhaft: nach dem Recht des Stärkern, dem Recht der Kanonen.
[1537] *389. Nach preuschmarkischem Recht behalten, was man bekommen hat. – Hennig, 208.
*390. Recht verkehren thut mich nähren.
Wahlspruch schlechter Advocaten.
Lat.: Bonorum extortor, legum contortor. (Terenz.) (Binder I, 137.)
*391. Wenn ik min Recht man êrst up'r Gaffel hebbe. – Eichwald, 1577.
392. Das Recht heischt einen schweren Beutel. – Fischer, Psalter, 96, 1.
393. Das Recht klein dieben an galgen bringt, manch grosser aber durchhin tringt. – Loci comm., 95.
Lat.: Irretit muscas, transmittit aranea uespas.
394. Das Recht und das Wasser darf man nicht aufstauen, sonst entsteht dem Lande grosser Schaden. – Harssdörffer, 1613.
395. Der kann nicht Recht sprechen, der mit Geld erkauft ist.
Bei Tunnicius (188): He en doet nein recht, de mit gelde is ummekoft. (Nullus obaeratus diiudicat omnia recte.)
396. Ich verlasse mich auf mein gutes Recht – Lügen und Schwindeln. (Breslau.)
397. Jedes Recht hat sein Gegenrecht, denn jedes Ding hat zwei Seiten.
It.: Ogni cosa ha il suo dritto e il suo rovescio. (Giani, 423.)
398. Ob einer schon das Recht im Säckel hat, so stehlen einem doch die Juristen den Band. – Wirth, I, 488.
399. Recht hat nicht immer Erfolg, aber Erfolg hat immer Recht.
400. Recht hin, Recht her, ein jeder thu', was ich begehr. – Theatr. Diabolorum, 383a.
Lat.: Sic volo, sic jubeo, sit pro ratione voluntas.
401. Reit (Recht) schwemmt båve. – Rötscher, 93.
402. 'T will all sîn Rech hebb'n, hett ol Stak seggt, Kinner ehr Släg un ol Mann sîn warm Beer. – Schlesw.-Holst. Schulzeitung, 1878, Nr. 8.
403. Um Recht zu sprechen, muss man recht hören.
It.: Per ben giudicare, convien ben ascoltare. (Giani, 781.)
404. Viel Recht, wenig gute Werk. – Lehmann, Chronik, 92.
405. Wer hat recht vnd darzu macht, des recht wirt groiss geacht; wer der macht aber nit enhat, moiss liden, das er wirt geiagt. – Weinsberg, 106.
Der Spruch steht unter einer Federzeichnung: ein Hirsch vom Hunde verfolgt.
406. Wer Recht hat und dem Besiegten Recht lässt, siegt zweimal.
Lat.: Si cesseris, dum viceris, bis viceris. (Sailer, Sprüche, 195.)
407. Wir haben recht und macht allein, was wir setzen, das gilt gemein; wer ist, der uns sol meistern? – Monatsblätter, VI, 188, 1.
Sprache der grossen und kleinen Machthaber.
Adelung-1793: Recht, das · Recht · Majestäts-Recht, das
Brockhaus-1809: Das Pferch-Recht · Das Repräsentations-Recht · Mosaisches Recht · Das Canonische Recht · Das canonische Recht · Das Stapel-Recht · Das Wechsel-Recht
Brockhaus-1837: Recht · Römisches Recht · Deutsches Recht · Kanonisches Recht
Brockhaus-1911: Polnisches Recht · Prätorisches Recht · Lübisches Recht · Öffentliches Recht · Recht · Russisches Recht · Sächsisches Recht · Recht auf Arbeit · Römisches Recht · Deutsches Recht · Englisches Recht · Antejustinianeisches Recht · Bürgerliches Recht · Fränkisches Recht · Internationales Recht · Lateinisches Recht · Französisches Recht · Gemeines Recht
Eisler-1904: Recht · Recht · Natürliches Recht
Herder-1854: Lübisches Recht · Kanonisches Recht · Mosaisches Recht · Römisches Recht · Recht · Germanisches Recht · Canonisches Recht · Antejustinianeisches Recht · Deutsches Recht · Gemeines Recht · Französisches Recht
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