Französische Literatur

[4] Französische Literatur. Die s. L. hat zu zwei verschiedenen Zeiten ihren Einfluß über das ganze gebildete Abendland ausgedehnt. Zuerst geschah es im 12. und einem Teil des 13. Jahrh., als sie die europäischen Literaturen mit Stoffen der Erzählung versorgte, und als selbst Griechenland die Geschichte des Trojanischen Krieges auf Grund französischer Quellen darstellte, und zum zweitenmal im 17. und 18. Jahrh., als das regelmäßige Drama der Franzosen derart bewundert wurde, daß auch wesentlich anders geartete Völker, wie Engländer und Spanier, es in den heimischen Sprachen nachzuahmen versuchten. Die mittelalterliche Literatur findet ihren Abschluß in der Zeit Franz' I. Die moderne Literatur wird mit der Plejade (1550) eröffnet. – Wir schließen hier die provenzalische Literatur in Südfrankreich aus (s. Provenzalische Literatur) und behandeln die s. L. Belgiens und der Schweiz als gesonderte Gruppen (S. 24f.).

9.–11. Jahrhundert.

Die Anfänge des Volksepos. Man nimmt mit Recht an, daß die historischen Lieder, aus denen sich das Volksepos entwickelt hat, in Frankreich durch den Einfluß der germanischen Völker, der Burgunder, der Westgoten und hauptsächlich der Franken, ins Leben gerufen worden sind. Die ältesten Epen besingen Ereignisse aus der Zeit der Merowingerkönige, doch braucht bei weitem nicht alles, was Rajna, G. Paris und Kurth diesem Sagenkreise zuschreiben wollen, in poetischer Form existiert zu haben. Ein Epos des Merowingerkreises ist sicher der »Floovent«, d. h. Chlodowing, Abkömmling Chlodwigs; doch liegt uns die Dichtung nur in einer spätern Überarbeitung (des 13. Jahrh.) vor. Zu demselben Kreise gehörte auch das Lied von Chlothars Sachsenkrieg, das im Leben des heiligen Faro von Hildegarius von Meaux (855 bis 874 oder 875) erwähnt wird. Die Sarazenenkämpfe Karl Martells brachten in das Epos ein neues Element hinein, das sehr bald in den Vordergrund des Interesses trat und derart populär wurde, daß auch die heidnischen Sachsen ganz und gar wie die spanischen Araber geschildert wurden. Den bedeutendsten Stoff aber führte dem Epos Karl d. Gr. mit seinem ausgedehnten Reich, mit seinen Kriegstaten, mit der Erneuerung der römischen Kaiserwürde zu, so daß die ältern Sagen mehr und mehr verblaßten und meist der Vergessenheit anheimfielen, wenn sie nicht durch Verschiebung der Namen und Zeiten auf den großen Kaiser übertragen oder mit dessen Helden in Verbindung gebracht wurden. Von den erhaltenen Volksepen werden nur drei, und auch diese nicht mit[4] voller Sicherheit vor das Jahr 1100 gesetzt: das »Rolandslied« von Turoldus, die stark humoristisch gefärbte »Reise Karls des Großen nach Jerusalem und Konstantinopel« und das Lied von »Gormund und Isembart« (auf die Schlacht bei Saucourt 881, auf die sich auch das deutsche Ludwigslied bezieht).

Das älteste Denkmal der französischen Sprache und der romanischen Sprachen überhaupt sind die »Straßburger Eide« vom Jahre 842; das älteste erhaltene Gedicht ist die Sequenz auf die »Heilige Eulalia«, im Kloster St. Amand wahrscheinlich 878 ausgezeichnet. Aus demselben Kloster stammt das Bruchstück einer z. T. stenographierten Predigt über den Propheten Jonas, das man um 900 geschrieben glaubt. Dem 10. Jahrh. gehören an zwei Gedichte einer Handschrift von Clermont-Ferrand, die »Passion Christi« und das »Leben Leodegars«, beide in einer aus Französisch und Provenzalisch gemischten Sprache, die im »Leodegar« sicher, wahrscheinlich auch in der »Passion« an die Stelle eines ursprünglich reinen Französisch getreten ist. Der »Leodegar« gehört dem hohen Norden, die »Passion« dem Westen der langue d'oïl an. Beide sind in paarweis assonierenden Achtsilblern geschrieben, die in der »Passion« vier-, im »Leodegar« sechszeilige Strophen bilden. Diese Stücke sind oft herausgegeben, z. B. von Koschwitz (»Les plus anciens monuments de la langue française«, 6. Aufl., Leipz. 1902) und im Faksimile im »Album de la Société des anciens textes français« (1875). Auch das 11. Jahrh. ist noch arm an Literatur; wenn vom Volksepos abgesehen wird, ist fast nur zu nennen: das »Leben des heiligen Alexius«, in fünfzeiligen Laissen aus assonierenden Zehnsilblern, wahrscheinlich von Thibaut de Vernon um 1040 in Rouen verfaßt und voll lyrischer Wärme, sowie ein Gedicht über Motive aus dem Hohen Lied.

12. und 16. Jahrhundert.

Die Hauptbedeutung der altfranzösischen Literatur liegt auf dem Gebiete der Erzählung. Keine Literatur der Welt ist so reich an erzählenden Stoffen jeder Art. Es hat denn auch das gesamte Abendland aus dieser überreichen Fundgrube geschöpft, und zahlreiche Dichtungen Frankreichs haben ihre Runde fast durch ganz Europa gemacht. Ein altfranzösischer Dichter teilt die Stoffe in drei Gruppen ein: die matière de France, de Bretagne, de Rome. Unter der matière de France ist die nationale Heldensage mit Karl d. Gr. als Mittelpunkt zu verstehen; unter matière de Bretagne die Artursage; unter matière de Rome die Sagen aus dem klassischen Altertum. Damit ist zwar noch nicht alles erschöpft; es gibt z. B. orientalische und germanische Sagen, die keiner dieser drei Gruppen zugehören, aber bei weitem das meiste läßt sich doch mit Hilfe dieser Einteilung unterbringen. Aus der ersten Gruppe, dem Volksepos, sind uns gegen 80 Chansons de geste erhalten, von denen die meisten sich an die drei großen Gestes, die »Geste Pepin«, d. h. Familie Pippins, die »Geste Garin de Monglane« und die »Geste Doon de Maience« anreihen lassen. In der Mitte der ersten Geste steht Karl, neben ihm Roland; die zweite umfaßt, mit Guillaume von Orange (Sankt Wilhelm, gest. 812) als Mittelpunkt, die treuen, die dritte die aufrührerischen Vasallen. In der zweiten Geste ist das Hauptgedicht »Die Schlacht von Aliscans«, von Wolfram von Eschenbach in seinem »Willehalm« deutsch bearbeitet; zur dritten gehören »Ogier«, »Renaut de Montauban« (mit den »Haimonskindern«), »Girart de Roussillon«. Von kleinern Gestes sind die wichtigsten: die »Geste des Loherens«, die Familie der Lothringer, Hervis, Garin, Girbert, die in der Zeit Pippins gegen die Herren von Bordeaux, Fromont Vater und Sohn, eine blutige Fehde bestehen, die sich von einer Generation auf die andre vererbt; »Raol de Cambrai«, von einem Dichter Bertolai de Laon, einem Zeitgenossen der Begebenheiten, aber freilich uns nur in einer Bearbeitung des 12. Jahrh. erhalten; »Aiol«, z. T. in altertümlicher Versbildung (Zehnsilbler aus sechs und vier Silben, die sonst nur in »Girart de Roussillon« vorliegen). Die ältern Chansons haben fast sämtlich einen historischen Hintergrund. Indessen zeigen schon Karls Reise und die (ursprünglich selbständige) Baligantepisode des Rolandsliedes, daß der historische Boden früh verlassen wurde. Am meisten fällt auf, daß für die Fehden der Lothringer, die unter Karl Martell und Pippin spielen und sehr altertümliche Züge aufweisen, bis jetzt keine historische Grundlage nachgewiesen ist. Ihren Abschluß findet die Chanson de geste-Dichtung in der Geschichte des ersten Kreuzzugs, die teils im Anschluß an lateinische ChronikenChanson d'Antioche«), teils auf Grund sagenhafter BerichteChanson de Jerusalem«, Quelle des Torquato Tasso) dargestellt wurde. Die meisten Chansons sind anonym. Außer Turoldus und Bertolai sind von Bearbeitern Bertrant de Bar-sur-Aube (Verfasser des »Girart de Vienne« und des »Aimeri de Narbonne«), Jean Bodel und Adenet (gest. nach 1297) zu nennen. »Fouque de Candie« ist von Herbert le Duc aus Dammartin-en-Goële um 1195 so frei erfunden worden, daß das Werk mehr zu den Romanen als zu den Chansons de geste zu rechnen ist. Die Grenze zwischen beiden Gattungen verschwimmt oft genug. Die ältesten Chansons de geste verwenden die Assonanz, d. h. den bloß vokalischen Reim, bei dem die Konsonanten freigegeben sind. Im 12. und 13. Jahrh. wurde der Vollreim beliebt, der die Diktion ins Phrasen- und Formelhafte ausarten ließ und eine Bevorzugung des Alexandriners herbeiführte. Eine ermüdende Weitschweifigkeit vollendete den Verfall des Epos. Sammlungen von Chansons de geste sind die von Paulin Paris geleitete: »Romans des douze pairs« (1832–48, 12 Bde.), und die von Guessard redigierte: »Anciens poétes de la France« (1859–70, 10 Bde.). Vgl. Gaston Paris, Histoire poétique de Charlemagne (Par. 1866); Léon Gautier, Les épopées françaises (2. Aufl., das. 1878–97, 5 Bde.); Nyrop, Oldfranske heltedigtning (Kopenh. 1883; italienische Übersetzung von Gorra, Flor. 1886); Pigeonneau, Le cycle de la croisade (St.-Cloud 1877); Rajna, Le origini dell' epopea francese (Flor. 1884).

Die Artursage (s. Artur), obwohl schon früher in Erzählungen verbreitet und auch literarisch behandelt, wurde doch erst durch Christian von Troyes (um 1160–75, s. Bd. 4, S. 110) in den Mittelpunkt des Interesses des seiner gebildeten Publikums gerückt. Neben Christian waren besonders Raol von Houdan (s.d.) und Robert de Borron als Erzähler berühmt. Der letztere verfaßte noch vor Christians »Graal«, wie Robert selbst sagt, eine Graalgeschichte, die an Christi Leiden und an Joseph von Arimathia anknüpft. Später fügte er als Fortsetzung einen »Merlin« hinzu, von dem nur der Anfang erhalten ist. Ein, wie es scheint, im wesentlichen selbständiger Prosaroman ist der »Lancelot«, der das Leben des Helden von der Jugend bis zum Grabe einschließt und von Walter Map verfaßt sein soll; hier spielt eine Hauptrolle die Liebe zur Guenièvre, wie in Christians »Lancelot«,[5] der auch benutzt ist. Fernere Prosaromane sind der »Perlesvaus«, der »Grand saint Graal«, de r »Tristan« (von Luce du Gast, einem Anglonormannen). Den Abschluß bildet der als Einleitung zu dem Ganzen dienende, vor 1240 (angeblich von Elie de Borron) verfaßte »Palamedes«. Vgl. Paulin Paris, Les romans de la Table ronde (Par. 1868–77, 5 Bde.).

Unter den antiken Sagen nimmt die Alexandersage (s.d.) den größten Raum und die hervorragendste Stellung ein. Bereits um die Mitte des 12. Jahrh. wurde der Inhalt von Statius' »Thebaïs« im »Roman de Thèbes«, und der Inhalt der Äneïde im »Eneas« (der Vorlage Heinrichs von Veldeke) zu einem französischen Roman verarbeitet. Diese Romane, die Christians Anfängen vorausliegen, zeigen schon eine bedeutende Gestaltungskraft und kleiden das antike Leben ganz in die Gewandung des 12. Jahrh. ein. Der bedeutendste Roman dieser ganzen Gruppe ist sodann der hauptsächlich auf Dares beruhende »Trojaroman« des Benoît von Sainte-More (in der Touraine), um 1172–76.

Eine vierte Gruppe umfaßt Romane verschiedener Herkunft, die sich keiner der genannten drei Gruppen einordnen lassen. Dahin gehören die in England entstandenen, mit germanischen Elementen durchsetzten Erzählungen von Havelok, von Horn und von Waldev. Auch der »Tristan« (s.d.) muß hierher gerechnet werden, der ursprünglich mit der Artursage nichts zu tun hat. Andres weist nach Byzanz, wie die Geschichte von »Floire et Blancheflor«, »Florimont« (von Aimon de Varennes, 1188, an die Alexandersage angeknüpft), »Athis und Porphyrias« (von Alexander, vielleicht A. v. Bernai), »Parthenopeus« (auf »Amor und Psyche« beruhend), »Heraclius« (von Gautier von Arras, 1164–67), wahrscheinlich auch der »Veilchenroman« (die Quelle der Oper »Euryanthe«), von Gerbert v. Montreuil um 1225 verfaßt. Nach Indien weisen der »Roman von den sieben Weisen«, der in Prosa und Versen und nach einer abweichenden lateinischen Darstellung auch in dem Versroman »Dolopathos« von Herbert bearbeitet worden ist, die mehrfach behandelte Legende von »Barlaam und Josaphat«, die auf dem Leben Buddhas beruht, etc.

Mehr durch realistische Lebendigkeit und durch zynische Ausgelassenheit als durch poetischen Wert zeichnen sich die zahlreichen Fabliaux (s.d.) aus, deren etwa 100 auf uns gekommen sind. Die Fabelsammlungen, die sich »Ysopet«, d. h. kleiner Äsop, zu nennen pflegen, sind nur Bearbeitungen lateinischer Vorlagen, so schon die älteste von Marie de France. Dagegen gehört zu den hervorragendsten Erzeugnissen der französischen Literatur der sogen. »Roman de Renart«, der aus 22 von verschiedenen Schriftstellern verfaßten Branchen besteht und den beliebten Erzählungen von Reineke Fuchs (s.d.) den Ursprung gegeben hat. Noch unübersehbar ist die Zahl der altfranzösischen Legenden. Hier sei nur der hervorragendsten Sammlung des Sprachvirtuosen Gautier v. Coincy (gest. 1236) gedacht, die auf dem lateinischen »Miracula« von Hugo Farsit und von Hermann v. Laon beruht. Die historischen Werke, von denen die meisten in kurzen Reimpaaren abgefaßt sind, zerfallen in solche, die lateinische Quellen bearbeiteten, und solche, in denen Zeitgenossen der Ereignisse Originalberichte geben. Zu jener Gruppe gehören die beiden Chroniken des Wace (gest. nach 1174, s.d.) und die Normannenchronik des Benoît (s.d. 1), die zahlreichen Übersetzungen des Pseudo-Turpin und eine Geschichte der Römer bis an Cäsars Tod. Einer englischen Quelle (der sogen. Sachsenchronik) folgte die »Geschichte der Angelsachsen« von Gefrei Gaimar (um 1148). Zur andern Gruppe gehört das »Leben des Thomas Becket«, 1173, also bald nach der Ermordung des Heiligen, von Garnier von Pont-Sainte-Maxence geschrieben, ein Werk, das eine seltene Meisterschaft der Sprache und des Gedankens zeigt, die »Geschichte des dritten Kreuzzugs« von Ambroise, der im Gefolge des Richard Löwenherz mit in Palästina war, »Das Leben des Wilhelm Mareschal, des Regenten von England während der Minderjährigkeit Heinrichs III.«, die »Geschichte des vierten Kreuzzugs« von Robert v. Clari (bei Amiens) und von dem berühmten Villehardouin (gest. vor 1213, s.d.), die »Geschichte des sechsten Kreuzzugs« von Joinville (gest. 1317, s.d.).

Der Lai, eine Art musikalischen Märchens, beruht auf keltischen Erzählungen, welche die Entstehung eines auf der Harfe oder Rotta vorgetragenen Konzertstückes angeben, das ursprünglich von einem lyrischen Gesang in keltischen Worten begleitet war. Die besten (zwölf) sind von Marie de France in der Umgebung Heinrichs II. von England verfaßt. Die Allegorie war schon von Raol von Houdan (im »Roman des alles de la prouesse«) u. a. verwendet worden. Sie gelangte zu einer alles andre überschattenden Beliebtheit durch den berühmten »Rosenroman« von Guillaume de Lorris (um 1237), der vor der Vollendung des Werkes starb. Dieses von träumerischer Zartheit und lieblichem Duft erfüllte Werk fand 50 Jahre später einen Fortsetzer in dem Dominikaner Jean de Meung in Paris (gest. vor 1305), der freilich in ganz anderm, philosophisch gelehrtem, zynisch ausgelassenem Sinne daran weiterschrieb. Dieses Werk beherrschte die Literatur der Folgezeit und war fast das einzige Werk des französischen Mittelalters, das den Geschmacksumschwung der Renaissancezeit überdauerte. Von Novellen in Versen und Prosa seien genannt die zarte Liebesgeschichte der »Kastellanin von Vergi«, die dem Veilchenroman verwandte Erzählung von »Roi Floire et Jeanne« und die Perle der gesamten altfranzösischen Erzählungskunst: »Aucassin und Nicolete« (s.d.).

Auf dem Gebiete der Lyrik steht die Volkspoesie obenan. Was von dieser Art auf uns gekommen ist, hat BartschAltfranzösische Romanzen und Pastourellen«, Leipz. 1870) gesammelt. Am altertümlichsten sind die Chansons d'histoire (s. Chanson), welche die Geschichte jugendlicher Liebespaare erzählen, die sich trotz mancher Fährnisse schließlich zusammenfinden. Nur ein Kunstdichter (Audefroi le Bâtard) hat sich in dieser Gattung versucht, die in ihrer Form noch den Chansons de geste sehr nahesteht. Die schönsten hat Paul Heyse meisterhaft übertragen. Am Maifest wurde die sogen. Raverdie gesungen, welche die Freude über das Erscheinen des Frühlings ausdrückt. Und da durch das Maifest jede Ausgelassenheit gerechtfertigt schien, wurde auch der Son d'amour (oder Chanson de mal mariée) von den Mädchen und Frauen zum Tanz gesungen, worin die Sehnsucht des Mädchens nach dem Geliebten, die Klage der Frau über den alten oder lieblosen Gatten unverhohlenen Ausdruck findet. Die Pastourellen endlich, ursprünglich rein ländliche Tanzlieder, lassen später gewöhnlich einen Ritter auftreten, welcher der Hirtin eine Liebeserklärung macht, bald mit, bald ohne den gewünschten Erfolg. Die Kunstlyrik lehnt sich teils an das Volkslied, teils an die Dichtung der Troubadoure an, die hauptsächlich durch Eleonore von Aquitanien, die [6] Gattin Ludwigs VII., dem Norden vermittelt wurde. Dem Norden eigentümliche Dichtungsarten sind die Rotrouenge, das Serventois, die Ballette, das Rondel. Zu den ältesten Lyrikern gehören Christian von Troyes und Moriz von Craon. Für die hervorragendsten gelten Conon von Béthune (gest. 1219 oder 1220), der Kastellan von Coucy, König Thibaut von Navarra und Champagne (gest. 1253), Gace Brulé, Perrin von Angecort. Vgl. P. Paris, Romancéro français (Par. 1833); Wackernagel, Altfranzösische Lieder und Leiche (Basel 1846); Mätzner, Altfranzösische Lieder (Berl. 1853); Scheler, Trouvères belges (Brüssel u. Löwen 1876–79, 2 Bde.); Brakelmann, Les plus anciens chansonniers français (Par. 1891 und Fortsetzung dazu, Marb. 1896); Raynaud, Bibliographie des chansonniers (Par. 1884, 2 Bde.); Gaston Paris, Les origines de la poésie lyriqueen France (im »Journal des Savants«, 1892).

Wenn von dem noch halblateinischen Spiel von den klugen und törichten Jungfrauen (aus Angoumois) abgesehen wird, ist das älteste französische Drama das in England im 12. Jahrh. verfaßte »Adamsspiel«, das vor der Tür der Kirche gespielt wurde, in welche die abgehenden Personen eintraten. Es zeigt bereits eine gewisse Kunst der Komposition und der Charakteristik. Nicht viel jünger ist das stark realistisch gehaltene »Spiel vom heil. Nikolaus«, dem Schutzpatron der Schüler, von Jean Bodel aus Arras. Außer einem Mirakel von Theophilus, dem Faust des Mittelalters, das Rustebuef zum Verfasser hat, u. einer kurzen PosseDu garçon et de l'aveugle«, Tournai, um 1277) sind nur die Werke Adams de la Halle (gest. 1286 oder 1287) zu nennen, die ersten rein weltlichen Stücke.

Das 14. und 15. Jahrhundert.

Im 14. und 15. Jahrh. werden viele Gedichte in Prosa übersetzt und zwar im Geist eines frivolen, spottsüchtigen Bürgertums, wodurch sie an Ähnlichkeit mit den alten Heldengedichten einbüßen. Mit dieser Umwandlung endet die epische Poesie des Mittelalters, und nur Reste haben sich durch die »Bibliothèque bleue« in die Volksbücher unsrer Zeit hinübergerettet. Auch Originalerzeugnisse dieser Zeit sind vielfach zu Volksbüchern geworden. So die Geschichte von »Melusine« (von Jean d'Arras, 1387), von »Paris und Vienne« (von Pierre de la Sippade, Marseille 1432), von »Peter von Provence« (1457) u. a. Die »Belle Hélène de Constantinople« dürfte in der poetischen Fassung noch dem 13. Jahrh. angehören. Freie Bearbeitung eines Versromans von Beaumanoir ist der Roman »Johann von Paris« (die Quelle der Oper). Von den Originalromanen, die das 14. Jahrh. hervorgebracht hat, ist als einer der berühmtesten der »Perceforest« zu nennen, eine Nachahmung der Prosaromane des Arturkreises. Noch charakteristischer für die Zeit ist der satirische Roman »Fauvel«, 1310–14 verfaßt, der das Roß Fauvel zum Mittelpunkt hat. In die Klasse des allegorischen Romans können die drei »Pèlerinages« des Wilhelm von Digulleville gerechnet werden. Eine mit Humor und Satire gewürzte Chanson de geste ist »Baudouin de Sébourg«, in deren Helden Sybel Baudouin du Bourg, eine Person aus dem ersten Kreuzzug, wiedererkennen wollte.

Das Fabliau findet seine letzten Vertreter in den Dichtern Jean de Condé und Watriquet de Couvin, die, wie auch Jeans Vater Baudouin de Condé, der noch dem Ende des 13. Jahrh. angehört, besonders gern moralische oder satirische Dits verfaßt haben, in denen die Allegorie reiche Verwendung findet. Der geistvollste Prosa schriftsteller des 15. Jahrh. ist Antoine de La Sale (s.d.), wohl auch der Verfasser des »Petit Jehan de Saintré«, der »Cent nouvelles nouvelles« und der »Quinze joies de mariage«. Von den Zeitgenossen wurde freilich Alain Chartier (s.d.) wegen seines gelehrtern und anspruchsvollern Stils in höherm Grade bewundert. Auf dem Gebiete der Geschichte, das auch noch manche Verschronik. aufweist, sind die hervorragendsten Prosawerke die des Lüttichers Jehan Le Bel, welche die Zeit von 1326–1361 umfaßten, und die zunächst als Fortsetzung zu dieser begonnene glanz- u. farbenreiche des Froissart (gest. 1419, s.d.). Aus dem 15. Jahrh. ist außer der viel zu übel beleumundeten »Chronique scandaleuse« (von Jean de Roye, um 1483) das hochbedeutende Memoirenwerk Philipps von Comines (gest. 1509) zu nennen. Einen großen Reichtum weist die Literatur des 14. und 15. Jahrh. an Übersetzungen auf, die z. T. der Anregung des gelehrten Königs Karl V. ihr Dasein verdanken. Oresme (gest. 1382) übersetzte den Aristoteles, Bersuire (gest. 1362) den Livius, Corbichon die bekannte Enzyklopädie des Bartholomäus Anglicus »De proprietatibus rerum« (1372), Laurent de Premierfait (gest. 1418) den »Decamerone« (1414) etc.

In der Lyrik werden neue Formen eingeführt von dem fruchtbaren, auch als Musiker hervorragenden Guillaume de Machaut (gest. um 1377). Diese Formen, die Jahrhunderte hindurch in Übung blieben und z. T. schon vor Machaut angewendet, aber erst durch ihn in die Mode gebracht wurden, sind die Ballade, der Chant royal, das Rondeau, der zwölfstrophige Lai, der Virelai, mit z. T. kompliziertem rhythmischen Bau. Diese Formen wurden auch von den literarischen Gesellschaften (Puys, im Norden auch Chambres de rhétorique genannt) gepflegt. Als Balladendichter ist besonders Eustache Deschamps (gest. nach 1415) sehr fruchtbar gewesen, daneben Froissart, Christine von Pisan und weiter im 15. Jahrh. Alain Chartier (gest. vor 1441), die sämtlich eine vielseitige und umfangreiche literarische Tätigkeit entfalteten. Die schrecklichen Leiden, die der 100jährige Krieg mit England über Frankreich brachte, begeisterten das patriotische Gefühl zu Kriegs- und Vaterlandsliedern, zu denen außer den obengenannten auch Karl von Orléans, Martial d'Auvergne, Villon, vielleicht auch Olivier Basselin (s.d.) beitrugen. Das 15. Jahrh. weist zwei Lyriker von hervorragender Bedeutung auf: Karl von Orléans (gest. 1465) und Fr. Villon (gest. nach 1463); der erste ein fürstlicher Sänger, sein, elegant, der Vertreter der höfischen Poesie; der andre ein Volksdichter, kühn, genial, oft zynisch und frech, das Muster eines verbummelten Studenten und Landstreichers. Einen neuen Mittelpunkt fand die Poesie in Flandern, am Hof des mächtig aufblühenden burgundischen Reiches; dort sammelte sich eine Dichterschule, die sogen. Ecole pédantesque oder bourguignonne, die durch rhetorischen Schwulst und pedantische Gelehrsamkeit zu glänzen suchte, und deren Hauptvertreter Martin Lefranc, Georges Chastelain, Olivier de la Marche, Jean Molinet (genannt »les grands rhétoriqueurs«) sind. Doch erfreute sich in Frankreich die Manier, seine und leichte, lustige und bissige Gedichte zu fabrizieren, worin z. B. Martial d'Auvergne (der Verfasser der »Arrests d'amour«), Henri Bande und Jean Marot sich auszeichneten, trotzdem einer größern Beliebtheit. Auch vom Volkslied jener Zeit sind anmutige Proben auf uns gekommen; vgl. die »Chants populaires du XV. siècle« von G. Paris (Par. 1875) und »Französische Volkslieder«,[7] zusammengestellt von M. Haupt (hrsg. von A. Tobler, Leipz. 1877). – In dieser Zeit des Niederganges der Poesie ist die didaktische Dichtung schwer von der lyrischen zu trennen; am meisten sagte der scholastisch-dialektischen Gelehrsamkeit die Allegorie zu. Ein großer Teil der hierher gehörigen Schriften ist noch ungedruckt.

Den volksmäßigen Charakter trug am meisten in dieser Periode die dramatische Poesie. Die Mysterien und Mirakel nehmen nach und nach mehr weltliches Element in sich auf, schwellen übermäßig an und werden prächtiger inszeniert. Während diese Darstellungen ihre Stoffe aus der Bibel und Heiligenlegende entlehnten, behandelten die Farces, Soties und Moralités weltliche Stoffe. Die Farcen sind im Grunde dramatisierte Schwänke. Wenn die Theateraufführungen sonst noch ganz in den Händen von Dilettanten liegen, wagt sich in den Soties, in der Rolle des Sot (gleich unserm Clown), zum erstenmal ein berufsmäßiger Schauspieler hervor; doch kommen die Soties erst um 1450 vor. Die Moralités sind ernsterer Natur und haben eine moralisierende Tendenz; sie machen den ausgiebigsten Gebrauch von der Allegorie. Unter den literarischen Gesellschaften, die sich überall zusammenfanden, interessieren uns am meisten die in Paris entstandenen. Die Confrérie de la Passion (s.d.) hatte die Ausführung der Mysterien in die Hand genommen. Die Mitglieder der Basoche (s.d.) führten hauptsächlich Moralitäten und Farcen auf, und die Enfants sans souci, problematische Existenzen, die sich um 1380 zu dieser Gesellschaft vereinigten, ergänzten die Basochiens, teils auch die Passionsbrüder bei ihren Aufführungen. Die wichtigsten Dramen des 14. Jahrh. sind die »Miracles de Nostre Dame par personnages«, die fast sämtlich Dramatisierungen älterer Romane sind. Die bedeutendsten Mysteriendichter des 15. Jahrh. sind die Brüder Arnoul und Simon Greban, besonders jener als Verfasser des »Mystère de la Passion« (vor 1452). Der berühmteste Verfasser von Moralités und Soties war Pierre Gringore (s.d.). Die beste Farce ist der noch jetzt gespielte Patelin (s.d.). Die Renaissance versetzte dem mittelalterlichen Drama den Todesstoß. Die Geschichte des altfranzösischen Theaters behandelt Petit de Julleville in den Werken: »Histoire du théâtreen France. Les Mystères« (1880, 2 Bde.), »Les comédiensen France an moyenâge« (1885), »Répertoire du théâtre comiqueen France an moyen-âge« (1886) und »La comédie et les mœursen France an moyen-âge« (1886). Sammlungen von Farcen, Moralitäten und Sotien finden sich bei Leroux de Lincy und Michel, Recueil des farces (Par. 1837, 4 Bde.), Viollet le Duc, Ancien théâtre français (das. 1854–57, 10 Bde.), und Lacroix (Bibliophile Jacob), Recueil de farces, soties et moralités (2. Aufl. 1876); Sammlungen von Mysterien bei Jubinal, Mystères inédits du XV. siécle (das. 1837, 2 Bde.) und bei G. Paris und U. Robert, Miracles de Nostre-Dame par personnages (das. 1876–93, 8 Bde.). Eine Auswahl von 49 Stücken gibt E. Fournier, Le théâtre français avant la Renaissance (2. Aufl., Par. 1880).

Das 16. Jahrhundert.

Die Bekanntschaft mit der glänzenden Bildung und der seinen Geselligkeit der Italiener, welche die Franzosen aus den Kriegen Karls VIII., Ludwigs XII. und Franz' I. mit heimbrachten, und das Studium der Werke des Altertums, die durch berühmte Gelehrte (Budäus, Scaliger, Casaubonus, die beiden Stephanus u. a.) und durch treffliche Übersetzer (besonders Amyot) dem großen Publikum zugänglich gemacht wurden, übten eine mächtige Wirkung auf das geistige Leben der Nation aus. Überall zeigte sich Interesse für Kunst und Wissenschaft, zunächst in Lyon, wo sich der italienische Einfluß noch früher als in Paris geltend machte (dahin gehören die Gedichte von Moriz Scève, Louise Labé, Oliver de Magny); dann besonders an den glänzenden Höfen des lebensfrohen, genußsüchtigen Franz I. und seiner Schwester Margarete von Navarra, der Verfasserin einer vielbewunderten Novellensammlung in Boccaccios Geschmack, des »Heptaméron«. An Jean Lemaire (gest. um 1525), der bereits die Italiener auf sich wirken läßt und Sprache und Vers neu zu gestalten wußte, lehnt sich Clément Marot an (gest. 1544), der Lieblingsdichter der königlichen Geschwister, dessen unverwüstliche Laune, Naivität und Frische trotz seiner Derbheiten noch jetzt ansprechen; nächst ihm Mellin (oder Merlin) de Saint-Gelais (gest. 1558), der Nachahmer Petrarcas; der unglückliche des Périers (gest. 1543), der mit Margarete den Ruhm teilt, die elegantesten und pikantesten Erzählungen verfaßt zu haben. Ein Meister der Prosa war Amyot, der Plutarchs Parallelen in eine schlicht elegante, treuherzig natürliche Sprache übertrug. Ebenso originell wie Marot, aber ungleich bedeutender ist Fr. Rabelais (1495–1553), der in seinem »Gargantua et Pantagruel« ein geniales Gemälde der Verderbnis und der Torheiten seiner Zeit entwirft. Schonungslos greift er die Mächtigen der Erde, besonders die Kirche, an und entwickelt dabei in seiner Ausdrucksweise einen Reichtum und eine schöpferische Kraft, wie sie nie wieder ein französischer Schriftsteller besessen hat. Dies waren die Hauptvertreter der nationalen, volkstümlichen Richtung, die von einem selbstbewußten, freisinnigen Bürgertum gepflegt wurde. Gegen die verrotteten Institutionen der mittelalterlichen Kirche zogen die berühmten Prosaiker der Reformation, Calvin (gest. 1564), Beza, der milde de L'Hospital u. a., zu Felde; die Existenz des Papsttums war ernstlich gefährdet. Da raffte die Kirche noch einmal alle ihre Macht zusammen, und in einem der schrecklichsten Bürgerkriege, die je ein Land verwüstet, wurden der Widerstand und die Kraft des Bürgertums gebrochen: Kirche und Königtum standen unumschränkter da als je. Hiermit war auch der Sieg des italienischen und altklassischen Einflusses über die nationale Strömung in der Literatur endgültig entschieden; am Hofe, wo eine Katharina von Medici herrschte, waren diese fremden Elemente schon seit Rabelais' Tode (1553) die herrschenden gewesen. Damals hatte sich nämlich eine Vereinigung von sieben Dichtern, die sogen. Plejade, zusammengefunden, die den ausgesprochenen Zweck verfolgte, durch die Verschmelzung der antiken mit der modern-italienischen eine nationale Bildung zu schaffen und die französische Sprache zur Höhe der klassischen zu erheben. Man ließ Ballade, Rondeau und Virelai fallen und kultivierte die neuen Gattungen der Ode, der Elegie, der Ekloge, des Idylls und die schon früher aus Italien eingeführten Formen des Sonetts und der Terzine. Der Herold der neuen Schule, Joachim Du Bellay (gest. 1560), verkündete diesen Zweck in seinem berühmten Manifest »Deffence et illvstration de la langue françoyse« (1549); ihr Haupt Ronsard (gest. 1585) hat ein halbes Jahrhundert hindurch unbestritten den französischen Parnaß beherrscht. Jodelle (gest. 1573) schrieb Dramen nach klassischen Mustern (»Cléopâtre captive«, 1552; »Didon se sa- [8] crifiant«); andre strebten nach dem Ruhm Petrarcas und suchten die poetische Sprache Ronsards noch künstlicher zu gestalten. Aber hierin gerade lag der Fehler der Plejade: diese Sucht nach neuen Worten und Wendungen, dieser Abscheu vor dem Gewöhnlichen, Hergebrachten mußten zur Unnatur und Geschmacklosigkeit führen. Am natürlichsten sind noch die Gedichte von Phil. Desportes (gest. 1606) und Jean Bertaut (gest. 1611), den Typen der galanten Abbés dieser Zeit; doch auch sie entgehen nicht dem scharfen Spott Malherbes. Auch im Drama hat die Plejade nichts Bleibendes geschaffen: Jodelles Stücke hatten keine Ahnung von dramatischer Verknüpfung, und von seinen Nachfolgern kann nur Robert Garnier (gest. 1590) auf Erwähnung Anspruch machen. Er hat zuerst im Drama die Form des Alexandriners mit Abwechselung männlicher und weiblicher Reimpaare durchgeführt. Das Lustspiel stand gänzlich unter dem Einfluß der »Commedia dell' arte«, die wiederholt von italienischen Gesellschaften über die Alpen gebracht worden war. Jean dela Taille (gest. um 1608) und Larivey (gest. um 1612), die sich schon der Prosa bedienten, sind die originellsten und glücklichsten Dichter dieser Gattung. Einen eignen Platz nimmt Du Bartas (gest. 1590) ein, ein strenger Calvinist und Gegner der heidnischen Weltanschauung Ronsards; in seinem großartigen, in alle europäischen Sprachen übersetzten Werk »La Semaine, ou création du mondeen sept jours« (1579) häuft er das ganze Wissen seiner Zeit an, treibt aber die Fehler der Zeitrichtung auf die Spitze. Ein leidenschaftlicher Gegner Ronsards war der Hugenotte Agrippa d'Aübigné (gest. 1630); seine Gedichte und satirischen Schriften sind von wildester Parteileidenschaft und tiefster Trauer über die Not des Vaterlandes erfüllt. Daß aber der Quell echt gallischen Humors nicht völlig versiegt war, zeigt die »Satire Ménippée« (1593), das Produkt eines Freundeskreises von Pariser Bürgern, unter denen Charles Leroy, Jean Passerat, N. Rapin und Pithou die begabtesten waren. Aus dem tiefen Bedürfnis des Volkes nach Frieden entstanden, geißelt sie mit derbem Spotte die Ehrgeizigen, die den allgemeinen Wirrwarr erhalten wollten, um im trüben zu fischen. Im Roman brach sich in Spanien und Italien eine veränderte Geschmacksrichtung Bahn: die »Diana« des Montemayor (1560) eröffnete die Ära des Idylls und des Schäferromans. In Frankreich fand diese erst im 17. Jahrh. mit der »Astrée« von Honoré d'Urfé Eingang, und zwar erst, nachdem der »Don Quijote« (1605) den Ritterromanen den Todesstoß versetzt hatte.

Das 17. Jahrhundert.

Man hat lange das Verdienst Malherbes (gest. 1628) überschätzt. Als Dichter hat er nicht einmal seine unmittelbaren Vorgänger, Desportes und Bertaut, erreicht. Seine Bedeutung liegt wesentlich auf dem Gebiet der Kritik, besonders in der bewußten Regelung des französischen Versbaues, der, allen Änderungen der Sprache zum Trotz, bis heute auf dem Standpunkt verblieben ist, auf den ihn Malherbe geführt hat. Unnachsichtlich ging er gegen die Übertreibungen der Plejade vor; Ronsards Ruhm hat er vollständig zerpflückt. Er hatte auch viele Gegner, besonders den Satiriker Mathurin Regnier (gest. 1613), der ihn an warmer Begeisterung und echt poetischem Gefühl weit überragt; aber seine Hauptstärke lag darin, daß seine Bestrebungen mit der Geschmacksrichtung seiner Zeit zusammentrafen. In der Politik fand dieses Streben nach Ordnung und Regelmäßigkeit seine festeste Stütze in dem straffen Regiment Richelieus, der ebenfalls nur dem Antrieb der Zeit folgte, als er 1635 die französische Akademie eröffnete. Doch hat diese keinen oder nur geringen Einfluß auf das geistige Leben Frankreichs ausgeübt; die Neubildung der Gesellschaft vollzog sich anderswo, im Hotel Rambouillet. Hier hatte man zuerst den Einfluß zu schätzen gewußt, den die in Italien und Spanien in Blüte stehende Idyllen- und Schäferpoesie auf Sitten und Geselligkeit ausübte. Spanische Sitte und Sprache waren bald keinem Gebildeten mehr fremd, und überall galten die Damen als Königinnen der Gesellschaft. So sammelten sich um die Herrin des Hotel Rambouillet, die geistreiche Catherine de Vivonne, bis in die Mitte des Jahrhunderts die bedeutendsten Männer Frankreichs, Staatsmänner und Gelehrte, Künstler und Dichter. Die gefeierten Helden dieser Zirkel waren außer Malherbe: Balzac (gest. 1654) und Voiture (gest. 1648), der vollendete Stilist und der elegante Gelegenheitsdichter, beide die Orakel in literarischen Streitfragen.

Noch nachhaltiger war die Wirkung der blühenden spanischen Dramatik auf das französische Theater. Seitdem nämlich die Truppe des Hôtel de Bourgogne in Alex. Hardy (gest. 1632) einen geschickten und fruchtbaren Dichter gewonnen hatte, ergriff die Teilnahme für die Bühne immer weitere Kreise, und Jean Rotrou (gest. 1650), der in Hardys Fußstapfen trat, fesselte sein Publikum noch zu Corneilles Zeit. Nun wurde auch die Sprache reiner, die Darstellung geschmackvoller, Handlung und Charaktere fügten sich den Geboten des guten Tones, und die vornehme Gesellschaft, die bis jetzt nur an den Übersetzungen klassischer Stücke Gefallen gefunden, konnte bald bei ihren Festen solcher dramatischer Aufführungen nicht mehr entbehren. Die berühmtesten Stücke dieser Zeit waren: »Pyrame et Thisbe« von Théophile de Vian (1617), die »Bergeries« von Racan (1618), die »Sylvie« von Mairet (1621) und die »Amaranthe« von Gombauld (1625); auch hier führte die Affektation und übertriebene Sentimentalität zur Geschmacklosigkeit und Albernheit. Je beliebter diese Stücke wurden, um so mehr suchte man auch bei ihnen Ordnung und Regelmäßigkeit einzuführen. Richelieu, der sich mit einem Stab von fünf Dichtern umgab und gelegentlich wohl selbst eine Szene oder einen Akt schrieb, war ein eifriger Förderer dieser Bestrebungen; Mairet, Chapelain, G. Scudéry brachten die Regeln in ein System. So entstand das regelmäßige Drama, dessen Gesetzen sich von nun an selbst das Genie fügen mußte. Mairets Pastorale »Silvanire« (1630) und seine Tragödie »Sophonisbe« (1634) beginnen die Ära des klassischen Theaters. Im Dezember 1636 erschien der »Cid« von P. Corneille (1606–84), binnen fünf Jahren seine andern Meisterwerke: »Horace«, »Cinna«, »Polyeucte«, »Pompée«. Hier fand sich zuerst eine edle, pathetische Sprache, kraftvoller Stil, echt dramatische Konflikte, und wenn der »Cid« noch die Gesetze der sogen. drei Einheiten häufiger verletzt, so macht sich Corneille später selbst zum Anwalt einer strikten Befolgung derselben. Auch für das Lustspiel, das sich langsamer entwickelt hatte, schrieb Corneille den »Menteur«, die erste höhere Charakterkomödie; doch schließt sie sich, ebenso wie der »Cid«, noch fast zu genau an ihr spanisches Vorbild an.

Die strenge Etikette, die unter Ludwigs XIV. unumschränkter Herrschaft das gesamte Leben regelte, drückte wie den Formen, so auch den Geistern ihren Stempel auf. Streng und unerbittlich beseitigte Boileau- [9] Despréaux (gest. 1711), der Le Nôtre der Poesie, jeden Auswuchs; in seinem »Art poétique« waren die Regeln angegeben, nach denen sich die Dichtkunst unweigerlich zu richten hatte. Solche Luft war der lyrischen Poesie nicht förderlich, man fand immer noch am meisten Gefallen an eleganten Episteln, witzigen Epigrammen, zierlichen Madrigalen etc.; Frische und Schwung fehlten gänzlich; in frivolen Gedichten zeichneten sich Chapelle (gest. 1686), Chaulieu (gest. 1720), La Fare (gest. 1712), in sentimentalen Idyllen Antoinette Deshoulières (gest. 1694) und Segrais (gest. 1701) aus. Erst ganz am Ende des Jahrhunderts schlug Jean Baptiste Rousseau (gest. 1741) in seinen Oden, Kantaten und Psalmen einen erhabenen Ton an, der freilich zuweilen ins Schwülstige ausartete. Das Epos gelang noch weniger. Nur das komische Epos Boileaus: »Le Lutrin«, macht eine Ausnahme. Auch in der Satire und poetischen Epistel zeichnete sich Boileau fast allein aus. Die Fabel erreichte ihre Vollendung durch Lafontaine (gest. 1695); hier steht die elegante und energische Sprache mit der anmutigen, wahrhaft klassischen Darstellung in glücklichster Harmonie. Seine schlüpferigen »Contes« können als Fortsetzung der Fabliaux gelten. Die reichste Blüte jedoch entfaltete die dramatische Poesie und zwar in den Schöpfungen Racines und Molières. Jean Racine (1639–1699), für den die strengen Regeln kein Hindernis mehr waren, wußte in seinen formvollendeten, allem realen Beiwerk abholden Tragödien den Ton der wahren Leidenschaft und des innigsten Gefühls mit bewunderungswürdiger Feinheit zu treffen; Molière (1622–73), ein ebenso vorzüglicher Komiker wie Dichter, gehört durch die Wahrheit und Tiefe seiner Beobachtung, durch seinen sittlichen Ernst und seine geistvolle Darstellung zu den größten Dichtern aller Zeiten. Auffallend blieb der Roman in seiner Entwickelung zurück. Die Schäferromane, für die trotz der Parodie Ch. Sorels (im realistischen Roman. »Francion«, 1622, und im »Berger extravagant«) die vornehme Welt und die »Preziösen« des Hôtel Rambouillet lange geschwärmt hatten, waren mit der Mitte des Jahrhunderts aus der Mode gekommen; doch war der Geschmack an den süßlich-sentimentalen Geschichten geblieben, nur daß man sie in antikes Gewand steckte. Großartigen Erfolg mit ihren faden Produkten hatten Gomberville (gest. 1674), La Calprenède (gest. 1663) und Madeleine de Scudéry (gest. 1701). Viel besser waren die Romane der geistreichen Gräfin de Lafayette (gest. 1693), der »Roman comique« von Scarron (gest. 1660) und der »Roman bourgeois« von Furetière (gest. 1688), zwei interessante satirische Zeitbilder, und die nicht immer exakte, aber stets stark pikante »Histoire amoureuse des Gaules« vom Grafen Bussy-Rabutin (gest. 1693). Eine große Vorliebe zeigte das Publikum für die Feenmärchen, von denen Ch. Perrault (gest. 1703) die erste Sammlung u. d. T. »Contes á la mère l'Oye« (1697) herausgab; eine gewandte und geistreiche Nachfolgerin war die Gräfin d'Aulnoy (gest. 1705). Auch Fénelon (gest. 1715), der in seinem »Télémaque« den klassischen didaktischen Roman dieser Periode schuf, schrieb Märchen für die Erziehung des Herzogs von Bourgogne. Zu Anfang des 18. Jahrh. machte eine Übersetzung Antoine Gallands von »Tausendundeine Nacht« mit den orientalischen Märchen bekannt, worin sich mit Glück auch Antoine Hamilton und der bekannte Archäolog Graf Caylus versuchten. Eine besondere Erwähnung verdienen die »Maximes« von La Rochefoucauld (gest. 1680) und die »Caractères« von La Bruyère (gest. 1696), zwei dem Inhalt und der Form nach vortreffliche Werke; durch glänzende Klarheit sind die »Provinciales« 1657, durch blendende Tiefe die »Pensées« Blaise Pascals (gest. 1662) ausgezeichnet. Zu einer großen Vollkommenheit brachte man es in der Kunst, elegante Briefe zu schreiben; schon Balzac und Voiture sind mit Recht darin hochberühmt; ihnen weit voran steht jedoch die Marquise de Sévigné (gest. 1696), deren Briefe wegen der Zartheit und Natürlichkeit der Empfindung, der frischen und geistvollen Darstellung und des interessanten Inhalts zu den Meisterwerken des Jahrhunderts gehören. Der Kritiker von Profession in dieser Periode war Saint-Evremond (gest. 1703); seine satirischen Schriften und geistreichen Briefe wurden eifrig in der guten Gesellschaft kolportiert, und seine feinsinnigen Urteile (z. B. in dem Streit über die »Alten und Modernen« zwischen Boileau und Ch. Perrault) galten als Orakel.

Das 18. Jahrhundert.

Mit der Zeit der Regentschaft traten in der geistigen Entwickelung Frankreichs immer mehr ein überwiegendes Streben nach dem unmittelbar Nützlichen, eine oft selbstsüchtige Unzufriedenheit mit dem Bestehenden und eine alles verhöhnende Frivolität hervor. Das Beispiel des Regenten ward gefährlich für die Sitten des französischen Hofes, und die Sittenverderbnis des Hofes wirkte nachteilig auf die Nation. Die festgewurzelten Kunstansichten unterstützten treulich diese sittlichen Zustände, um auf den Verfall der Literatur hinzuwirken. Das Vorurteil der Nation, daß sie die höchste Stufe der Poesie erreicht und alle übrigen Leistungen der ältern und neuern Zeit weit hinter sich gelassen habe, konnte nur schädlich wirken. Ludwig XV. fürchtete talentvolle Schriftsteller und behauptete, sie würden die Monarchie zugrunde richten. Vom Hofe vertrieben, suchte nun das literarische Leben ein Asyl in den Salons und geriet so abermals in eine der Poesie nicht günstige Sphäre. Die wichtigsten waren die der Mad. Geoffrin, der Marquise Du Deffand, des Fräuleins Lespinasse, des Barons Holbach u. a. Die Literatur ist in keinem Zeitalter mehr bestrebt gewesen, politische und philosophische Tendenzen zum Ausdruck zu bringen. Durch englische Einflüsse war ein deïstisch-materialistischer Standpunkt herrschend geworden und in der das gesamte Wissen der Zeit umfassenden, von Diderot und d'Alembert begründeten »Encyclopédie« (1751ff., 28 Bde.) halbverhüllt, aber mit Konsequenz auf allen Gebieten durchgeführt. Die zunehmende Sittenverderbnis bei stets festgehaltenem Schein des Anstandes, die oberflächlichsten, durch die Enzyklopädisten verbreiteten Ansichten über Philosophie, die sich zum vollendeten Materialismus und Atheismus herausbildete, über Moral, Religion und Politik äußerten ihren zerstörenden Einfluß auch auf die Poesie; es trat die Herrschaft des Skeptizismus ein, der sich in der Literatur zunächst in den Angriffen gegen die Alten äußerte.

Der vollkommenste Repräsentant dieser Zeit ist Voltaire (1694–1778), dessen universaler Geist sich in den verschiedensten Zweigen der Literatur, wenn auch nicht überall mit gleichem Glück, versuchte. Seine Tragödien, Epen und geschichtlichen Werke, seine zahlreichen philosophischen Schriften, Romane, Satiren, Briefe etc. haben auf die s. L. einen ungeheuern Einfluß ausgeübt. Hat Voltaire auch den Unglauben und die Verachtung jeder positiven Religion[10] verbreiten helfen, so darf doch nicht vergessen werden, daß er stets der Vorkämpfer religiöser Duldung, der mutige Verteidiger der Gerechtigkeit und Menschlichkeit gegen ihre Feinde war, und daß sein alles durchdringender Verstand in Verbindung mit dem feinsten, geläutertsten Geschmack selbst da, wo sein eignes Kunstvermögen nicht ausreichte, um mustergültig zu sein, der Literatur ihre Wege und Ziele wies. Sein geistiger Antipode, der tief fühlende I. I. Rousseau (1712–78), wurde zwar von den Zeitgenossen als ein geistiger Sonderling betrachtet; doch wirkte die von ihm ausgegangene Proklamation der Menschenrechte nicht wenig zu dem gewaltigen Umsturz der sozialen und literarischen Zustände in Frankreich und Europa mit; den Grundgedanken aller seiner Werke finden wir in der Verherrlichung der ursprünglichen Menschennatur (s. unten Philosophie). An diese beiden Pole schließt sich Montesquieu (1689–1755), durch dessen unsterbliches Werk »Esprit des lois« die Staatswissenschaft zur Lieblingsbeschäftigung des Publikums erhoben wurde. – Die epische Dichtung weist auch in dieser Periode wenig Gelungenes auf: Voltaires »Henriade« ist ein frostiges, langweiliges Gedicht und seine »Pucelle d'Orléans« eine schamlose Parodie; Anspruch auf Beachtung hat allein die komische Versnovelle »Vert-Vert« von Gresset (gest. 1777). Die mutwillige poetische Erzählung wurde während dieses Zeitraums mit besonderer Vorliebe kultiviert; Vortreffliches leisteten vor andern Voltaire, Alexis Piron (gest. 1773), Parny und sein Freund Bertin (gest. 1790), namentlich aber der galante Abbé Grécourt (1684–1743). Vorzügliche Romanzen dichteten de Moncrif (gest. 1770) und der Herzog de la Vallière (gest. 1780). In dem Idyll, für das der Deutsche Geßner Vorbild ward, waren am glücklichsten Léonard (gest. 1793) und Berquin (gest. 1791), der in seinem »Ami des enfants« zugleich eine der vorzüglichsten französischen Jugendschriften lieferte. – Die Lyrik blieb in ihrem gewohnten Gleise. Le Franc de Pompignan (gest. 1784) möchte neben Ecouchard Lebrun, genannt »Lebrun-Pindare« (gest. 1807), der einzige sein, der sich in seinen religiösen Oden durch edles Gefühl und bilderreiche Sprache über das Gewöhnliche erhob. Von den eigentlichen Liederdichtern (chansonniers) waren die vorzüglichsten: Panard (gest. 1765), Charles Collé (gest. 1783) und Boufflers (gest. 1815), der sich durch die Anmut und Laune seiner Lieder den Namen Chansonnier de la France verdiente. Im eigentlichen Lehrgedicht erreichte Voltaire durch »La loi naturelle« das Vorbild der französischen Didaktiker. Andre didaktische Dichter sind: Roucher (gest. 1794), Bernard (gest. 1776), der Ovids »Ars amandi« nicht ungeschickt nachahmte, Lemierre (gest. 1793), Watelet (gest. 1786, »Art de peindre«) und der Kardinal Bernis (gest. 1794, »Les quatre saisons«), der sich auch in der sogen. beschreibenden Poesie einen Namen erwarb. Ausgezeichnet sind z. T. auch Saint-Lamberts (gest. 1803) deskriptive Gedichte, besonders seine Thomson nachgedichteten »Saisons« sowie die von Rousseau angeregten Naturschilderungen Delilles (gest. 1813). In der poetischen Epistel fanden Beifall: Voltaire, Dorat, G. Bernard, Thomas, Bernis, Piron, Gresset, Chamfort, Sedaine, de Moustier, Laharpe und Colardeau (gest. 1776), der auch die »Heroiden« in Mode brachte. In der Satire erlangte N. I. Gilbert (gest. 1780) Ruhm; mit Epigrammen bereicherten Voltaire, Bernard, Piron, Lebrun die s. L.

Die dramatische Poesie wurde im philosophischen Jahrhundert mit ebensoviel Vorliebe wie geringem Kunstverständnis gepflegt. Man blieb im Trau erf viel noch immer dem bestehenden System treu; den Ausbrüchen der Roheit war der Eingang verschlossen, aber auch den Lauten der Natur und des Herzens und somit der eigentlichen Poesie. Den ersten Rang unter den Tragikern dieses Zeitraums behauptet VoltaireMérope«, »Zaïre«, »Alzire«, »Tancrède«). Sein über Gebühr begünstigter Nebenbuhler ist der ältere Crébillon (gest. 1762), der den Beinamen »le Terrible« führt; wertvoller sind jedenfalls die Tragödien von Lemierre (gest. 1793) und die einzige Tragödie von Guimond dela Touche (gest. 1761, »Iphigénieen Tauride«). Châteaubrun (gest. 1775) ging auf die griechischen Tragiker zurück, und de Belloy (gest. 1775) wagte sich trotz seines ungeschichtlichen Sinnes an nationale Stoffe aus dem Mittelalter. Den größten Beifall erntete Ducis (gest. 1816) mit seinen Bearbeitungen Shakespearescher Stücke, die allerdings, weil er sie dem französischen Geschmack anpaßte, das Original nur in sehr unvollkommener Weise wiedergaben. Gern gesehen wurde damals auch das bürgerliche Schauspiel, eine Art Mittelding zwischen Trauerspiel und Lustspiel, wegen seiner rührseligen Art »Comédie larmoyante«, auch schlechtweg »drame« genannt, von La ChausséeLe préjugé à la mode«, 1735), DiderotLe fils naturel«, 1757; »Le père de famille«, 1758) und SedaineLe philosophe sans le savoir«, 1765). Das Lustspiel brachte nur Stücke zweiten Ranges zutage; Molière am nächsten steht noch Le Sage mit seinem »Turcaret« (1708), worin er das gewissenlose Treiben der Finanzpächter schildert. Voltaire fiel fast ganz durch; von Destouches (gest. 1754) hielten sich nur zwei Komödien auf der Bühne: »Le philosophe marié« (1727) und »Le Glorieux« (1732). Für die besten Lustspiele dieser ganzen Zeit halten die Franzosen die »Métromanie« (1738) von Al. Piron und »Le Méchant« (1747) von Gresset, setzen aber Marivaux (gest. 1763) zu sehr herab, dessen seine Komödien erst neuerdings nach Gebühr gewürdigt worden sind. Den größten Beifall fanden die berühmten Komödien: »Barbier de Séville« und »Le mariage de Figaro« von Beaumarchais (gest. 1799), zwei Meisterstücke blendenden Esprits und scharfer Satire.

Der Roman war auch in diesem Zeitraum der treueste Spiegel seiner Zeit, denn während er einerseits der frivolen Richtung des Jahrhunderts folgte, hüllte er sich anderseits in die Schleier der Prüderie und Sentimentalität und bewies so auch negativ die Verderbnis des Bodens, dem er entsprossen. Die treffendsten und zugleich anziehendsten Sittenschilderungen sind Lesage (gest. 1747) in seinen Romanen »Le Diable boiteux« (1707, nach dem Spanischen des Guevara) und »Gil Blas« (1715–35) gelungen. Der sogen. philosophische Roman kam durch VoltaireMemnon«, »Zadig, ou la destinée«, »Micromégas«, »Candide, ou l'optimisme«, »L'Ingénu« u. a.), der seinem originellen Mutwillen einen ernsten Anstrich zu geben wußte, in Aufnahme und fand eine Menge Bearbeiter, unter denen Diderot (1713–84, »Jacques le fataliste«, »La Religieuse«) glänzt, während die Namen der übrigen der Vergessenheit anheimgefallen sind. Jean Jacques Rousseau (1712 bis 1778) schuf in seiner »Julie, ou la nouvelle Héloïse« (1761) das Meisterwerk des sentimentalen Romans, obschon die didaktische Tendenz das ästhetische Interesse etwas stark in den Hintergrund drängt. Der[11] Familienroman wurde durch Marivaux in die s. L. eingeführt und durch Ch. Duclos (gest. 1772) und A. Prévost d'Exiles (gest. 1763) weiter ausgebildet, der eine ungewöhnliche Beobachtungsgabe und eine unerschöpfliche, freilich mitunter seltsam springende Phantasie besaß. Noch jetzt wird in Frankreich sein Roman »Manon Lescaut« (1733) als ein Meisterwerk bewundert. Eine Art historischen Romans ward durch Marmontel (1723–99, »Bélisaire«, »Incas«) und Florian (1755–94, »Numa Pompilius«, »Guillaume Tell«) nicht ohne Erfolg angebaut, während Madame Graffigny (gest. 1758) den sentimentalen Ton anschlug. Hoch über ihr steht aber Bernardin de Saint-Pierre (1737–1814), der mit seinem Meisterwerk: »Paul et Virginie« (1787) in ergreifender Einfalt der Darstellung und anziehender, elegischer Sprache unübertroffen dasteht. Schon vor ihm hatte sich als Meister in der Naturschilderung Buffon (gest. 1788) bewährt. Montesquieus (gest. 1755) »Lettres persanes« weckten eine Schar von Nachahmern, die jetzt meist vergessen sind. Aus dem Familienroman, in dem man die Sitten der Zeit im Detail zu schildern suchte, gingen die lasziven und Schmutzromane hervor, welches Genre seinen Kulminationspunkt in den über alle Maßen unsittlichen Arbeiten des Marquis de Sade (gest. 1814) erreichte.

Das 19. Jahrhundert.

I. Die Revolutions- und Restaurationszeit. Eins hatten die destruktiven Tendenzen der Aufklärungsliteratur des 18. Jahrh. unangetastet gelassen: die literarischen Formen, und auch die Revolution hatte weder Zeit noch Geist genug, sich an neue Schöpfungen zu wagen. Der wüste Lärm der Gasse und der Terrorismus der Klubs verscheuchten die Poeten; alles Leben flüchtete sich in die Journale und Pamphlete, und nur die parlamentarische Beredsamkeit entfaltete sich zu reicher Blüte. Wo die Poesie ihre Stimme zu erheben wagte, stand sie vollständig im Dienste der Republik und feierte deren Idole in Oden und Dithyramben; die »Marseillaise« (von Rouget de Lisle) und M. I. Chéniers »Hymne à l'Être suprême« sind die charakteristischen Erzeugnisse dieser Lyrik. Auch auf der Bühne machten die Gefühle und Sitten der Zeit ihren Einfluß geltend: in wilden, blutigen Dramen und in weinerlichen Lustspielen wurden die Feinde der Republik gehöhnt und gerichtet. Nur wenige Dichter, wie M. I. Chénier (1764–1811) und L. Laya (1761–1833), hatten den Mut, freiere Ansichten zu bekennen. Einige tiefer angelegte Naturen fühlten die Notwendigkeit einer Reform, vor allen André Chénier (1762–94), bei dem Glut und Kraft der Phantasie, Frische und Fülle des Ausdrucks durch anmutige Sinnlichkeit verschönt und durch den reinsten Geschmack geadelt wurden; aber ein frühes Verhängnis hatte diesen Dichter jäh verstummen lassen. Auch Chateaubriand (1768 bis 1848) und Frau v. Staël (1766–1817) zerbrachen die Fesseln, in die der Klassizismus den nationalen Geist geschlagen hatte, erweckten wieder das Gefühl für Religion und Natur, brachten das Recht der Individualität, das die Revolution geschaffen, poetisch zur Geltung und lenkten den Blick ihrer Landsleute auf die herrlich erblühte englische und deutsche Literatur.

Heftigen Widerstand fand dieser Aufschwung in dem neugeschaffenen Kaiserreich. Der despotischen Natur Napoleons, der über die Geister herrschen wollte wie über seine Höflinge und Soldaten, war jede freiere Ansicht verhaßt; nur den »sciences exactes« ließ er Unterstützung zuteil werden. Chateaubriand unternahm damals seine Reise nach Jerusalem und blieb dann grollend dem Hofe fern; Frau v. Staël wurde mit strenger Verbannung bestraft, ihr Buch über Deutschland eingestampft. Dagegen hielten alle, die sich in den ausgetretenen Gleisen der klassischen Dichtung bewegten, ihr Haupt hoch. Naturgemäß beschränkte sich diese handwerksmäßige Kunst nicht auf die beschreibende Dichtung; Epos, Lyrik und Drama erstarrten bei dem Mangel an Inhalt und wahrem Gefühl. Die Personen des Dramas waren leere Abstraktionen, denen nur das Spiel des großen Talma einiges Leben einzuhauchen vermochte. Die Lyrik hatte unter der Ungunst der Verhältnisse am meisten zu leiden; neben den schon früher erwähnten Parny und Lebrun-Pindare zeichnete sich Charles H. Millevoye (gest. 1816) aus, der in einigen Elegien schon moderne Töne anschlägt; am selbständigsten ist Désaugiers (gest. 1827), der geistreiche Präsident des »Caveau«, dessen lustige Lieder von alt und jung gesungen wurden.

Mit dem Sturz des Kaiserreichs nahm die Literatur einen mächtigen Aufschwung: überall sproßte neues Leben. Die reinen und idealen Gedichte A. de Vignys (gest. 1863), die ihre Begeisterung aus der Bibel und dem tiefen Gefühl des eignen Herzens schöpften (besonders »Eloa«), gelten als Vorläufer der neuen Schule; ebenso die »Méditations« (1820) von Lamartine (1790–1869), in denen die aufgeregte Zeit ihre eignen Gedanken wiederfand. Diese Poesie bedurfte keines mythologischen Lexikons, keiner künstlichen Anregung; sie gehorchte der innern Stimme und verabscheute heidnische Gefühle und Bilder. Neben der biblischen Begeisterung ist es der Patriotismus, der die Herzen durchglüht: die elegischen »Messéniennes« von Delavigne (gest. 1843) und die politischen »Chansons« Bérangers (1780–1857), von denen einzelne den Schwung antiker Oden haben, waren in aller Munde. Die »Odes et ballades« von Victor Hugo (1802–85), die trotz ihres romantischen Inhalts noch in streng klassischer Form geschrieben sind, verschafften dem Verfasser durch ihre christliche und monarchische Tendenz eine glänzende Stellung. Zuletzt machte man sich von Athen und Rom ganz los und wendete sich der Geschichte des eignen Landes und der hoch entwickelten Literatur der germanischen Nachbarn zu. Sainte-Beuve (gest. 1869) bewies in seinem »Tableau historique de la poésie française an XVI. siécle« (1828), daß die Literatur früherer Epochen an echt dichterischem Gehalt der des Zeitalters Ludwigs XIV. nicht nachstände. Der Mittelpunkt dieser literarischen Bewegung war Ch. Nodier, ihr anerkanntes Haupt Victor Hugo; um sie sammelte sich eine Schar begeisterter Anhänger (das sogen. Cénacle). Sainte-Beuve, Théophile Gautier, Petrus Borel, Emile und Antony Deschamps, Alfred de Musset u. a. Aber alle ihre Reformbestrebungen waren noch unsicherer und schüchterner Art. Erst als der Meister in der Vorrede zum »Cromwell« (1827) sein Programm veröffentlichte, gab es eine romantische Schule; erst da merkten die Anhänger des Klassizismus, daß es sich um einen Kampf auf Leben und Tod handle. Die Grundforderung V. Hugos war absolute Freiheit der Kunst; nur aus der wirklichen Welt sollte der Künstler und Dichter schöpfen. Und wie sich hier Edles neben Gemeinem, Schönes neben Häßlichem findet, so sollte es auch der Poesie erlaubt sein, diese Gegensätze zur Anschauung zu bringen. Die strenge Scheidung der poetischen Gattungen[12] wurde aufgehoben, die magere Rhetorik der Klassiker verpönt: kurz, gegen alles, was nach Regeln schmeckte, empörte man sich. Als das letzte Bollwerk der klassischen Poesie, das Théâtre-Français, dem »Henri III« von A. Dumas (1829) und dem »Hernani« von V. Hugo (1830) den Zutritt verstatten mußte, war der Sieg der Romantik entschieden. Ruhiger ging es auf der komischen Bühne zu: hier glänzten neben den in der vorigen Periode genannten Dichtern vornehmlich Eugene Scribe (gest. 1861), der von 1820–30 das Gymnasetheater mit einer Fülle von leichten, lustigen Stücken versorgte, und C. Delavigne (gest. 1843), der Verfasser der »Ecole des vieillards« (1823), eins der besten Lustspiele dieser Zeit.

Auch auf dem Gebiete des Romans hatte sich eine rege Tätigkeit entfaltet. Frau v. Staël (mit »Delphine« und »Corinne«) und Chateaubriand (mit »Atala«, »René«, »Les Natchez«) wirkten für die neuen Ideen bahnbrechend. Namentlich ist »René«, in dem sich das überschwengliche Gefühl des Werthertums mit Byronschem Weltschmerz zum »mal du siècle« verquickt findet, der Typus einer Reihe von Romanhelden geworden, die von G. Sand und A. de Musset am poetischsten dargestellt sind. Trotz ihrer fieberhaften Tätigkeit fand die eigentliche romantische Schule keine Zeit, Romane zu schreiben, obwohl ihr Herr und Meister schon in seinen Erstlingswerken: »Han d'Islande« (1822) und »Bug Jargal« (1825), gezeigt hatte, wie er mit der klassischen Tradition zu brechen gedachte, um dann in »Notre Dame de Paris« (1831) die auf das Charakteristische und das Groteske gerichteten Bestrebungen der Romantiker in einer hochpoetischen, aber allzu grellen und nur halbwahren Färbung zum Ausdruck zu bringen. V. Hugo hatte offenbar eifrig Walther Scott gelesen, der seit seinem »Quentin Durward« (1823) in Frankreich in hohem Ansehen stand. An ihm bildete sich auch der historische Roman, dessen vorzüglichste Erzeugnisse in dieser Epoche d'Arlincourts »Solitaire« (1821), A. de Vignys »Cinq-Mars« (1826) und die beiden Romane Mérimées: »La Jacquerie« (1828) und »Chronique du règne du Char les IX« (1829), waren, und dessen Blüte mit der glänzenden Entwickelung der historischen Studien Hand in Hand ging.

II. Die Regierung Ludwig Philipps. Die Julirevolution, welche die romantische Schule zur Herrschaft brachte, war auch zugleich das Signal zu ihrer Auflösung. Ein Teil ihrer Anhänger ging zur Politik über oder setzte sich in einträgliche Ämter, die andern litten unter den Konsequenzen ihrer Prinzipien und ihrer Kampfesweise und verfielen immer mehr der Übertreibung und dem Lächerlichen. In der Lyrik sind V. Hugo und Lamartine, ehe sie sich der Politik ergaben, noch immer die Koryphäen. Den geraden Gegensatz zu Lamartine bildet A. de Musset (1810 bis 1857); bei ihm handelt es sich nie um eingebildete Lust oder Schmerz; alles ist wahr und erlebt, wenn auch meist zu leidenschaftlich und wüst. Besondere Erwähnung verdienen die geistsprudelnden, beißenden Jamben A. Barbiers (gest. 1882) und E. Quinets (gest. 1875) bizarres Gedicht »Ahasvérus«. – Die dramatische Poesie hatte am meisten unter den Übertreibungen der romantischen Prinzipien zu leiden. Zwar entfaltete sich eine reiche Tätigkeit auf diesem Gebiet, V. Hugo, A. Dumas (1803–70), das größte dramatische Talent dieser Renaissance, und A. de Vigny fanden ein begeistertes Publikum und zahlreiche Nachahmer; aber das wilde Spiel der Phantasie, das Behagen am Grotesken, Gräßlichen überstiegen nach und nach jedes Maß. Am eifrigsten predigte der Kritiker G. Planche (gest. 1857) gegen die Korruption des romantischen Dramas, und als in der Rachel Félix eine vorzügliche Darstellerin klassischer Rollen gleichsam über Nacht (aus einem Feuilleton I. Janins) erstanden war, sah man das französische Publikum sich wieder für Corneille, Raeine und die klassischen TragödienLucrèce«, »Charlotte Corday«) eines Ponsard (gest. 1867) begeistern, während V. Hugos »Burgraves« (1843) vor leeren Bänken in Szene gingen. Zu diesem Erfolg der neuklassischen Richtung, die man die »Ecole du bon sens« nannte, wirkten auch die Dramen von Delphine de Girardin (gest. 1855) und C. Delavigne (gest. 1843) mit, obwohl sich beide den romantischen Theorien in wichtigen Punkten fügten. Der geringe poetische Wert dieser Stücke und die hohle Phrasenmacherei machten jedoch einen dauernden Erfolg unmöglich; auch die Rachel gab bald ihre Exklusivität auf und fiel zuletzt dem Allerweltskünstler Scribe anheim. Das Lustspiel, das keine literarischen Streitigkeiten kannte, hat viel nachhaltigere Erfolge errungen. Hier beherrschte Scribe (gest. 1861), nachdem er 1830 das Vaudeville mit der Prosakomödie vertauscht hatte, die Bühne unumschränkt. Auch A. Dumas fand viel Beifall; höher aber als beide stehen MériméeThéâtre de Clara Gazul«) und besonders A. de Musset, dessen geistreiche Salonkomödien ihren Platz immer behaupten werden. Eine Menge jüngerer Talente erwarb sich in der dramatischen Fabrik Scribes Routine und einen Namen, hauptsächlich: Duveyrier (gest. 1865), Bayard, Saintine. – Das größte Interesse nahm der Roman in Anspruch. Die romantische Schule hatte den Boden für realistische Schilderungen und psychologische Analysen schon vorbereitet, und die nach Aufregungen und Zerstreuungen dürstende Gesellschaft tat das ihrige, um die Dichter zu immer neuen, immer pikantern Produktionen zu ermuntern. Den psychologischen und Sittenroman schuf H. de Balzac (gest. 1850), das glänzendste und vielseitigste Talent dieser Zeit, neben ihm Louis ReybaudJérôme Paturot«, 1843), L. Gozlan, Ponson du Terrail, Mérimée, I. Janin, der paradoxe, skeptische Beyle (Stendhal) und der triviale, aber lustige P. de Kock (gest. 1871). E. Sue debütierte mit dem See- und Abenteuerroman, G. Sand mit dem Tendenzroman, und als der Saint-Simonismus die Köpfe zu erhitzen begann und die Gärung in den untern Klassen größere Dimensionen annahm, entstand der soziale Roman, dessen Hauptvertreter E. Sue (gest. 1857), G. Sand (gest. 1876), A. Dumas, Soulié u. a. sind. Nur wenige, wie G. Sand und A. de Musset, schufen etwas Bleibendes. Besondern Anspruch auf Beachtung haben die Romanschreiber, die sich in der Schule Ch. Nodiers (gest. 1844) bildeten, dessen kleine Novellen Muster eleganter und liebenswürdiger Erzählungskunst sind, die nicht grundsätzlich die Moral und die Einrichtungen der bürgerlichen Gesellschaft, besonders die Ehe, angriffen, und deren Helden und Heldinnen frei sind von der Krankheit des Jahrhunderts. Dahin gehören Ch. Bernard (gest. 1850), I. Sandeau, E. Souvestre (gest. 1854), die Dorfgeschichten von G. Sand u. a.

III. Das zweite Kaiserreich. Die Romantiker, die 1848 überdauert hatten, suchten allmählich neue Wege einzuschlagen. An ihrer Spitze standen Th. Gautier (gest. 1872) und Th. de Banville (gest. 1891), die Wort- und Verskünstler, die Meister der plastischen Poesie, die man nach ihrem Organ, dem »Parnasse [13] contemporain«, als die Parnassiens bezeichnet. Um 1865 traten sie als besondere Gruppe hervor, in der bald der Kreole Leconte de Lisle eine führende Stellung einnahm. Ihm schlossen sich Sully-Prudhomme (geb. 1839), A. Silvestre, Hérédia an, und eine Reihe jüngerer Männer, welche die Form dem Inhalt, die Farbe dem Gefühl vorzogen, besonders P. de Belloy und Grammont, der geistreiche A. Houssaye, der Metromane A. Pommier, Blaze de Bury, Vacquerie, Vouilhet, Murger. Aber die gefeilte Form, Reichtum und Reinheit der Sprache, sorgfältig durchgebildete Harmonie können für den Mangel an Gedanken und echtem Gefühl nicht immer entschädigen, noch weniger den Widerwillen besiegen, den Baudelaires (gest. 1867) und Glalignys Schilderungen des Lasters und Schmutzes einflößen. Der gehaltreichste unter den Parnassiens war der gelehrte Leconte de Lisle (1818–94), die stärkste dichterische Individualität dieser Epoche; ihm folgte eine Anzahl jüngerer Talente, unter denen sich durch Begabung und selbständigere Haltung der Kreole A. Lacaussade, A. Lemoyne, Fr. Coppée (geb. 1842), A. Millien u. a. hervortaten. Doch gibt es unter den Mitarbeitern am »Parnasse« auch einige, die begeistertes Gefühl oder tiefe Philosophie in echt poetische Form gekleidet haben: I. Autran (gest. 1877), der Sänger des Meeres, Sully-Prudhomme, Mad. Ackermann, Mad. Colet (Luise Revoil, gest. 1876). Eine besondere Erwähnung verdienen die frischen Chansons von G. Nadaud (gest. 1881), die zarten Elegien und Romanzen der Frau v. Girardin, die eleganten Sonette I. Soularys, die mythologischen Allegorien A. Lefèvres.

Das romantische Drama verlor immer mehr an Interesse. Solange Rachel Félix lebte (bis 1858), bevorzugte ein Teil des gebildeten Publikums die Aufführungen der »École du bon sens«. Ponsards Tragödien, I. Autrans »Fille d'Eschyle« und Augiers »Gabrielle«, »Mlle. de la Seiglière« von I. Sandeau, »Lady Tartuffe« von Frau v. Girardin u. a. beherrschten damals das Théâtre-Français, das unter der geschickten Leitung A. Houssayes große Triumphe feierte. Aber auch dieser Stücke ward man überdrüssig, als in dem jüngern A. Dumas (Sohn, 1824–1895) ein treuer Interpret der realistischen Neigungen seiner Zeit erstand. Ihm fehlten die üppige Phantasie, die großartige Leichtigkeit des Schaffens, die seinen Vater auszeichneten; dafür war er Meister in der Darstellung des wirklichen Lebens. Seine Stücke sind sogen. Thesenstücke. Da sie jedoch ihre These oft mit sophistischer Dialektik verteidigen und trotz moralisierender Tendenz die Unmoral zu nahe streifen, wird die Heilsamkeit ihres Einflusses sehr in Frage gestellt. Nächst ihm sind die berühmtesten Vertreter dieser realistischen Richtung: der routinierte Victorien Sardou (geb. 1831); der ernste E. Augier (gest. 1889), welcher der »École du bon sens« bald untreu geworden war, mit »Les lionnes pauvres« (1858); Th. Barrière mit »Les filles de marbre« (1853), »Les faux bonshommes« (1856) u. a. Feiner und unanstößiger sind die besonders bei der Frauenwelt gut angeschriebenen Lustspiele und Vaudevilles von O. Feuillet, die lebendigen Schilderungen E. Paillerons (1834–99; »Les faux ménages«, 1868), einzelne Stücke von G. Sand, von P. Meurice, I. Sandeau, die wirksamen Possen Labiches.

Der Roman mußte ebenfalls der realistischen Zeitströmung folgen. Diese Richtung knüpfte an Balzac und Beyle an. Auch hier steht der jüngere Dumas mit an der Spitze. Treue Schilderung des wirklichen Lebens, scharfe Beobachtung des menschlichen Herzens bis in seine geheimsten Falten, unverhüllte Sinnlichkeit sind die charakteristischen Merkmale dieser Schule, als deren Führer Champfleury (gest. 1889) gilt. Aber auch hier führte die Übertreibung bald über die Grenzen des ästhetisch und sittlich Erlaubten hinaus: so in der »Dame aux camélias« (1857) des jüngern Dumas, der »Madame Bovary« (1858) von Flaubert, der »Fanny« von Feydeau und den unmoralischen Schriften von X. de Montépin, Th. Gautier und den Brüdern de Goncourt. Hier sind auch die liebenswürdigen und pikanten Darstellungen von G. Droz zu rühmen; doch wurden sie weit überflügelt von den Erfolgen des Feuilletonromans, der in dieser Epoche eine unglaubliche Ausdehnung gewann. Erfunden von L. Véron, eingeführt von E. de Girardin vermittelst seiner »Presse«, wurde er durch die geschickten Federn eines A. Dumas (Vater), Fr. Soulié, P. Féval, E. Sue, Berthet, Th. Gautier, L. Gozlan eine Macht ersten Ranges. Im idealistisch-sentimentalen Roman sind neben der hochpoetischen G. Sand deren Geistesverwandte, der aristokratische O. Feuillet, der vornehm-geschmackvolle V. Cherbuliez und der humoristische und psychologisch wahre I. Sandeau (gest. 1883) zu nennen, ferner eine Anzahl Schriftsteller, die sich um die »Revue des Deux Mondes« gruppieren, darunter H. Malot mit stark realistischer Färbung. In dem lustigen Reiche der Phantasie und des Witzes tummelt sich eine Schar glänzender Stilisten: der geistvolle, satirische E. About (gest. 1885), A. Karr, der affektierte A. Houssaye und Ch. Monselet. Moralische und religiöse Romane schrieben der im Alter bekehrte P. Féval und Mad. A. Craven; Schilderungen vom Soldatenleben P. de Molènes und A. de Gondrecourt, vom Künstlertum H. Murger. In der Wiedergabe kleinstädtischen, dörfischen Lebens zeichneten sich neben E. Souvestre, G. Sand und I. Janin besonders die Elsässer E. Erckmann und A. Chatrian aus, die in einfacher, schmuckloser, in letzter Zeit freilich stark chauvinistisch gefärbter Darstellung Land und Leute ihrer Heimat schilderten. Großartigen Beifall fanden die phantastischen Abenteuer und Reiseromane von Jules Verne.

IV. Die dritte Republik. Von den Schriftstellern des Kaiserreichs sind die meisten auch nach dessen Sturz in Tätigkeit geblieben; doch ist nach manchen Richtungen ein Abschnitt auch auf literarischem Gebiet nicht zu verkennen. Victor Hugo kehrte nach den Ereignissen von Sedan aus der Verbannung zurück und machte in »L'année terrible« (1872) seinem Haß- und Revanchegefühl gegen den Exkaiser und die deutschen Sieger Luft. Eine dominierende Stellung in der Literatur behielt er bis an seinen Tod (22. Mai 1885). Überhaupt schoß nach dem Kriege eine Revancheliteratur auf, die ihren Mittelpunkt in der »Nouvelle Revue« der Frau Adam (Juliette Lamber) hatte und viele jüngere Schriftsteller (Sully-Prudhomme, Coppée, Soulary, Achard, Lacroix, Mendes, Manuel, Lomon u. a.) zur Beteiligung reizte. An gehässigen Entstellungen sind besonders E. About (gest. 1885) und der Schweizer V. Tissot fruchtbar gewesen. Dank offizieller Verbreitung haben von den Revanchegedichten besonders die »Chants d'im soldat« (1872) von Paul Déroulède, dem Haupt der Patriotenliga, eine gewisse Popularität erlangt, obwohl sie in Ausdruck und Versbildung große Schwächen zeigen. Sonst sind unter den Lyrikern immer noch die gefeiertsten: [14] Leconte de Lisle, Coppée, Sully-Prudhomme. Genannt seien des letztern philosophische Dichtungen »Le Bonheur« (1888) und »La Justice«. Als Dichter zarter, tiefempfundener Lieder sind auch Aicard und Theuriet zu nennen, als Meister des Sonetts Hérédia, als Lyriker, der an-Baudelaire anknüpft und mit Glück das Volkslied benutzt, Richepin (geb. 1849). Ein Genie eigner Richtung war Verlaine (1844–96). An ihn lehnte sich die neueste Dichtergruppe der Symbolistes (s.d.) oder Décadents an. Neben diesen erscheinen selbständiger die Gräfin Noailles mit ihrer innigen und formklaren Lyrik, der humorvolle A. Rivoire und der tiefernste Ch. Guérin mit seinen eindrucksvollen Assonanzen.

Auch das Drama spiegelt zunächst das nationale Unglück von 1870 wider. Jules Barbiers »Jeanne d'Arc« (1873) und Borniers »Fille de Roland« (1875) wurden besonders wegen ihrer patriotischen Anspielungen auf die jüngsten Ereignisse mit Begeisterung aufgenommen. Auch A. Dumas (gest. 1895) fuhr fort, soziale Fragen, die sich um Ehebruch, Ehescheidung u. dgl. drehen, auf der Bühne zu erörtern; ja sein »Monsieur Alphonse« (1873) bringt noch bedenklichere Sachen. Pailleron (gest. 1899) ist erst durch sein seines Charakterspiel »Le monde l'on s'ennuie« (1881) in weitern Kreisen bekannt geworden. Die heitere Posse wird außer von den schon unter dem Kaiserreich bekannten Barrière (gest. 1877), Labiche (gest. 1888), Meilhac (gest. 1897) und Halévy, Ernest Blum und Toché, von Georges Feydeau, Capus, Bisson (dem Verfasser von »Madame Bonivard«) und seinem Mitarbeiter Jules Moineaux mit Glück vertreten. Als Ereignisse sind zu erwähnen die Eröffnung des Théâtre Libre an der Porte St.-Martin 1887, das anderswo zurückgewiesenen Stücken eine Zuflucht gewährt, und die des Théâtre Antoine 1897 mit ähnlichen Tendenzen. In die durch den Tod gerissenen Lücken sind z. T. neue Kräfte eingetreten: für Augier de Curel, für Dumas Brieux und besonders Hervieu, für d'Ennery, den Vertreter des auf dem Ambigu gepflegten Volksstücks, Pierre Decourcelle. Das moderne Sittendrama behandeln auch Lavedan, Hermant und Mirbeau. Eine lyrische Note, die bei Donnay, dem Nachahmer des Aristophanes, auch in den rein französischen Stücken hervortritt, klingt nicht minder bei Rostand durch, der mit dem bunten, lebensvollen Versdrama »Cyrano de Bergerac« (1897) alle andern in Schatten stellte.

Auf dem Gebiete des Romans hat der von den Goncourt angebahnte, von Zola (1840–1902) bis zur äußersten Konsequenz gesteigerte Naturalismus eine Zeitlang vorgeherrscht. Zola hat seinen Romanzyklus »Les Rougon-Macquart« in 19 Bänden mit »La fortune de Rougon« begonnen (1871), mit »Docteur Pascal« abgeschlossen (1893). Es folgten »Les trois villes« (»Lourdes«, »Rome«, »Paris«, 1894–98) mit antiklerikaler Tendenz, und »Les quatre évangiles« (nur 1–3, 1899–1902). Seine Kunst liegt in der seinen Beobachtung des äußerlichen, wirklichen Lebens, in der die einzelnen Züge mit photographischer Treue wiedergebenden Detailmalerei, in der sichern Kenntnis aller Vorgänge und Werkzeuge, sobald irgend ein technischer Berufszweig geschildert wird. In den »Rougon-Macquart« will er zeigen, wie das Prinzip der Vererbung auf die einzelnen Glieder einer Familie seinen Schatten wirft, und wie jedes dieser Individuen dann durch die Umgebung in seinen Eigenschaften weiter bestimmt wird. Er selbst hat in der Schrift »Le roman expérimental« (1880) dieses theoretisch erörtert und in Guy de Maupassant, Huysmans, Céard, Hennique, Alexis einen Schülerkreis gefunden, mit dem er sich zur Herausgabe einer Sammlung von Novellen, die sämtlich im letzten deutsch-französischen Kriege spielen, den »Soirées de Médan« (1880), vereinigte. Auch die Vast-Ricouard, Rod, Margueritte u. a. hatten sich angeschlossen, bis Zola, der besonders gern bei der Schilderung des Häßlichen und Widerwärtigen verweilt, in »La Terre« 1887 derartig im Schmutze wühlte, daß sich die Mehrzahl seiner Anhänger von ihm abwandte, nicht nur die Unterzeichner des bekannten Manifeste des Cinq (im »Figaro«). Vast und Ricouard sind gestorben, ebenso der bedeutendste Novellendichter dieser Gruppe, Guy de Maupassant, der an Bedeutung Zola nicht nachstand. Die meisten sind, wie schon der zuletzt genannte, zu der Schule der psychischen Analyse übergetreten, als deren Meister Henri Beyle (gest. 1842) und unter den Lebenden Paul Bourget (geb. 1851) angesehen wird. Dazu gehört der Genfer Edouard Rod, der seine Methode als die »intuitive« charakterisiert, und die beiden Margueritte, die den Krieg von 1870 zum Ausgangspunkt eines ausführlichen Romans genommen haben. Joris Karl Huysmans (geb. 1848, jetzt Trappist) hat mit seiner Schilderung des Satanskultus in »Là-bas« 1892 einen phantastischen Seitenweg betreten und auf Zolas »Lourdes« mit »La Cathédrale« (1897) geantwortet. Sonst sind als die beliebtesten Erzähler zu nennen: Alphonse Daudet (1840–97), der mit köstlichem Humor, doch auch mit gemütvoller Wärme seine provenzalischen Landsleute (»Tartarin de Tarascon«, 3 Bde.) geschildert hat; Rabusson, genannt Sous-Feuillet, weil er, wie Feuillet, das Leben der aristokratischen Kreise vorzuführen pflegt; Ohnet (geb. 1848), der Verfasser der »Batailles de la vie« (1881–91, 10 Bde.), in denen der kernige, arbeitende Bürgerstand das Feld behauptet; Marcel Prévost, der neben seinen »Lettres de femmes« (1892–97, 3 Bde.) besonders durch die unsittlichen »Demi-vierges« (1894) bekannt ist; Maurice Barrès, der gern das politische Leben hineinspielen läßt, und der in der Schilderung des äußern und innern Lebens gleich meisterhafte Paul AdamLa Force du mal«, 1896). Zu den Vertretern des idealistischen Romans gehören auch Quesnay de Beaurepaire (unter dem Pseudonym Jules de Glouvet) und Anatole France (eigentlich Thibaud). Dieser, ein Verehrer Renans, hat zuletzt einen Professor der Philologie, Bergeret, zum Helden dreier Romane gemacht, in denen er, wie auch sonst, es liebt, Tagesfragen zu streifen. Claretie läßt in seinen Romanen die Personen und Ereignisse der Revolutionszeit wieder aufleben. Das Leben der katholischen Geistlichen in seiner cevennischen Heimat hat Ferdinand Fabre (1830–98) mit psychologischer Tiefe geschildert; das Leben der Seeleute und ferne Welten Pierre Loti (eigentlich Viaud); in seiner lothringischen Heimat (zuletzt auch in Savoyen) läßt André Theuriet (geb. 1833) seine anmutigen Erzählungen spielen. Das Leben der Pfahlbauern haben I. und H. Rosny, eigentlich Boex (»Vamireh, roman des temps primitifs«), wiederzuerwecken gesucht, sich dann aber Problemen des modernen Lebens zugewandt, mit denen sich auch Bazin (Leben der Arbeiter und Bauern), Vandérem (Leben der Kaufleute und Gelehrten in Paris) und Hervieu (Leben der vornehmen Kreise, mit bitterer Satire) beschäftigen. Schilderungen aus der russischen Gesellschaft[15] geben die Romane von Henry Gréville (Frau Alice Durand, geb. 1842). – Die Novelle fand eifrige Pflege vornehmlich in Coppée, Daudet, Bourget, Lemaître, Gyp und Guy de Maupassant. Auch die kurzen Skizzen aus dem Pariser Leben von Pierre Véron (geb. 1833) verdienen Erwähnung. Wichtige Schilderungen aus der modernen Schriftstellerwelt bietet das »Journal des Goncourt« über die Zeit von 1851–95.

Wissenschaftliche Literatur

Philosophie.

Wie anderwärts hat es auch in Frankreich schon im Mittelalter an philosophischen Bestrebungen nicht gefehlt, eine eigentlich französische Philosophie gehört aber erst den neuern Zeiten an. Die erste Spur der Bestrebungen, zu philosophieren, findet sich im 9. Jahrh., als Karl der Kahle den neuplatonisierenden Theologen Joh. Scotus Erigena (s.d.) aus England an die Hofschule zu Paris berief, wo er jedoch bald orthodoxer Verfolgung weichen mußte. Beide Erscheinungen. sowohl die Verpflanzung liberaler Denkweise von der Nachbarinsel her als kirchengläubige Reaktion gegen Freidenkende, haben sich seitdem in Frankreich mehrmals wiederholt. Dennoch blieb von da an die hohe Schule von Paris (seit 1206 Universität) der vornehmste, lange Zeit neben der noch ältern Schwester Bologna der einzige Sitz der scholastischen Philosophie in Europa, die sich von dort auf die andern nach dem Muster jener beiden allmählich entstehenden Universitäten ausbreitete. Bis zum Ausgang des 14. Jahrh., d. h. bis zur Gründung der Universitäten zu Prag (1348) und Wien (1365), gibt es fast keinen namhaften Philosophen, der nicht entweder an der Pariser Universität gelehrt oder doch daselbst seine Bildung empfangen hätte. Der Gegensatz der beiden Richtungen des Realismus und Nominalismus, deren Hauptträger Wilhelm v. Champeaux und Johannes Roscellin, beide geborne Franzosen, wie der spätere der Thomisten und Scotisten, deren Vertreter, der Italiener Thomas von Aquino und der Brite Duns Scotus, beide Doktoren und Lehrer der Pariser Hochschule, waren, ist von Paris ausgegangen. Das skeptische, dem französischen Nationalcharakter besonders entsprechende Element trat in Abälard (gest. 1142) hervor, dessen Konzeptualismus ebenso die herrschenden logischen wie seine berühmte Schrift »Sie et non« die herrschenden kirchlichen Gegensätze unentschieden ließ. Wie wenig die Neigung des französischen Geistes dem Dogma zugewandt war, beweist der Bericht des Marinus Mersennus in seinem Kommentar zur Genesis, daß es im Anfang des 15. Jahrh. zu Paris nicht weniger als 50,000 »Atheisten«, d. h. Bestreiter des Kirchenglaubens, gegeben habe. Auch waren die philosophischen Grundlagen der Albigenserhäresie hauptsächlich von Franzosen, wie Amalrich von Bena und David von Dinant, gelegt worden, Als mit dem Anbruch der Renaissance die französische Sprache auch in die wissenschaftliche Literatur eindrang, gehörten die ersten Versuche eines Philosophierens in der Nationalsprache: die Schriften eines Montaigne (gest. 1592), Charron, Boëtie, Bodin, dem Skeptizismus an, während die lateinisch schreibenden Humanisten, wie Ramus (de la Ramée), mit ihren Geistesverwandten in England, Italien und Deutschland zugleich das Ansehen des scholastischen Aristoteles bekämpften. Während aber für jene der theoretische ZweifelQue-sais-je?« sagte Montaigne) der Endpunkt war, bildete er für den größten wissenschaftlichen Philosophen, den Frankreich hervorgebracht hat, Descartes oder Cartesius (1596–1650), nur den Ausgangspunkt des Philosophierens; die Überwindung des Zweifels durch rationale, weder empirische noch historische Gründe war nach ihm die Aufgabe der Philosophie, durch deren Lösungsversuch er nicht bloß für die französische, sondern für die Philosophie überhaupt epochemachend geworden ist. Der Kern dieses Versuchs lag in der Folgerung von der nicht abzuleugnenden Tatsache des eignen Denkens auf die Notwendigkeit des eignen Seins und von der unüberwindlichen Klarheit und Deutlichkeit gewisser in unserm Bewußtsein vorfindlicher Begriffe auf deren Wahrheit und Realität, womit er dem Rationalismus den Weg vorzeichnete. So unterschied sich der Cartesianismus von dem auf Beobachtung mittels des äußern Sinnes sich stützenden Sensualismus, sowie von dem statt aus Begriffen, aus Erfahrungstatsachen folgernden Empirismus. Für Descartes' Philosophie wurden teils Mystiker und Theologen, teils Mathematiker und Metaphysiker gewonnen. Unter den erstern nahmen die Gelehrten vom Port-Royal, die Jansenisten Antoine Arnauld (gest. 1694), Nicole (gest. 1695), Pascal (gest. 1662), unter diesen (außer dem Niederländer Geulincx) der Arzt und spätere Anhänger Spinozas Louis de La Forge (von Saumur) und der Oratorianer Malebranche (1638–1715) die ersten Stellen ein. Als Gegner des Cartesianismus traten nicht nur die Feinde der Philosophie überhaupt, insbes. die Jesuiten, sondern unter den Philosophen selbst sowohl die Skeptiker als die Sensualisten und Empiristen auf. Unter den Skeptikern machten sich berühmt: der Bischof P. D. Huet (1630–1721), der aus einem Freunde der Cartesianischen Philosophie deren Gegner wurde und aus Verzweiflung an der Möglichkeit des Wissens die Notwendigkeit des Glaubens empfahl; der witzige Satiriker François Lamothe le Vayer (1588–1672) und vor allen Pierre Bayle (1647–1706), dessen Hauptwerk, das »Dictionnaire historique-critique«, das Vorbild der spätern Enzyklopädie geworden ist. Den Sensualismus nebst dem Materialismus vertrat Cartesius gegenüber vornehmlich Pierre Gassendi (1592–4655); er stellte, als ausgezeichneter Physiker, der Cartesianischen Naturphilosophie die Atomistik des Epikur entgegen, die nachher durch den Atomismus der Newtonschen »Principia philosophiae naturalis mathematica« bestärkt, von den wesentlich auf diesen fortbauenden Philosophen der Enzyklopädie wieder aufgenommen und gegenwärtig inner- und außerhalb Frankreichs bei den Naturlehrern die herrschende geworden ist. Auch der Eudämonismus Epikurs ist von Gassendi eingeführt und als konsequente Folgerung einer Lehre, die als Erkenntnisquelle nur den äußern Sinn und keinen andern ethischen Wertmesser als sinnliche Lust oder Unlust besitzt, auf seine Nachahmer und Nachfolger, die französischen Materialisten des 18. Jahrh., vererbt worden. Der vermittelnde Ausgleich, den der gelehrte Minorit Marin Mersenne (gest. 1648), der, wie Gassendi, mit dem materialistisch denkenden Hobbes in persönlich freundschaftlichem Verhältnis stand, zwischen jenem und Descartes besonders in bezug auf den ontologischen Beweis für das Dasein Gottes herzustellen versuchte, blieb ohne nachhaltigen Erfolg, ebenso wie der Ausbau des Cartesianischen Idealismus auf dem von Malebranche eingeschlagenen Wege, den der französische Leibniz, de Fontenelle (1657 bis 1757) ausführte.

Der dem aus apriorischen Ideen und Begriffen folgernden Rationalismus feindliche Empirismus[16] trat in Frankreich zuerst und in origineller Weise auf dem Gebiete der Moral und Politik, dagegen erst infolge des Bekanntwerdens Lockes auf psychologischem und pädagogischem Feld auf. Die sogen. Moralisten, zu denen Saint-Evremond (1613–1703), Larochefoucauld (1613–80), der berühmte Verfasser der »Maximes«, und La Bruyère (1645–95), der Verfasser der »Caractères«, gehören, verwandelten die Moralphilosophie aus einer Sittenlehre, wie der Mensch sein sollte, in eine bloße Sittenkunde, wie er wirklich sei, und legten ihr die sehr naturgetreue, aber wenig nachahmungswürdige Schilderung ihrer der Mehrzahl nach sittlich verwahrlosten Zeitgenossen zugrunde. Montesquieu (1689–1755), der in seinen »Lettres persanes« zuerst gleichfalls als (ironischer) Sittenschilderer aufgetreten war, verpflanzte in seinem Hauptwerk: »Esprit des lois«, den Empirismus auf den Boden der Staatswissenschaft und legte den Grund zu einer Philosophie der Geschichte als natürlicher Entwickelungsgeschichte (Physiologie) des Staates und der bürgerlichen Gesellschaft, auf welchem Weg ihm Turgot (1727–81), der zuerst ein Gesetz derselben entdeckte, Condorcet (1743–93) und A. Comte (1798 bis 1857) in Frankreich (Buckle in England) nachgefolgt sind. Lockes Empirismus wurde zugleich mit dem englischen Deïsmus und Liberalismus in kirchlichen und politischen Dingen durch Voltaire (1694 bis 1778) seinen Landsleuten empfohlen und durch Condillac (1715–80) auf die Psychologie, durch I. I. Rousseau (1712–78) auf die Erziehungslehre angewendet. Durch den Sieg der Genannten ward der Cartesianismus aus allen Positionen verdrängt, und statt der Gegensätze einer apriorischen (aus Ideen) und einer aposteriorischen (aus Tatsachen) folgernden Philosophie standen einander in Frankreich im Laufe des 18. Jahrh. nur eine auf Tatsachen des innern und eine auf solche des äußern Sinnes sich stützende Erfahrungsphilosophie (psychologischer und physikalischer Empirismus) gegenüber. Jene, die den Geist und dessen Vorgänge als Gegenstände der Selbstbeobachtung gelten ließ, behielt dadurch immer noch einen idealistischen, diese, indem sie nur Gegenstände der äußern Wahrnehmung für reell erklärte, nahm entschieden materialistischen Charakter an. Der physikalische Empirismus, dessen Organ die Enzyklopädie und dessen glänzendste Vertreter Diderot (1713 bis 1784), d'Alembert (1717–83), v. Holbach (1723–89), der deutsche Verfasser des »Système de la nature«, und der von Friedrich d. Gr. an seinen Hof gezogene Arzt La Mettrie (1709–51), der Verfasser des Buches »L'homme-machine«, waren, fiel mit dem Sensualismus zusammen und nahm die Gassendische Erbschaft Epikurs, durch das Ansehen der Newtonschen Physik unterstützt, in theoretischer Hinsicht als atomistischen Materialismus und in praktischer als eudämonistischen Egoismus wieder auf. Gegenüber dieser »Moral des Eigennutzes«, hauptsächlich vertreten durch Helvetius, appellierte Rousseau von der durch die Zivilisation angeblich verdorbenen an die ursprüngliche Güte der reinen Menschennatur (l'homme naturellement bon) als Tatsache des Selbstbewußtseins. Die natürliche Vernunft sollte instinktiv das Rechte treffen, und ihr als unfehlbarer Erkenntnisquelle sollten sich die bestehenden Vorurteile in religiösen, politischen und sozialen Dingen unterwerfen. Hierin traf Rousseau mit den englischen und schottischen Moralphilosophen, insbes. mit Shaftesbury und Hutcheson, zusammen, und mit dieser Betonung der natürlichen Vernunft ist er der eigentliche Vater der Aufklärung und der Urheber des allgewaltigen Dranges zur Umgestaltung des bestehenden Vernunftwidrigen geworden, der zunächst in Frankreich zur gewaltsamen Umwälzung und zum Versuch der Neubegründung des gesamten religiösen, politischen und sozialen Lebens nach Vernunftgrundsätzen führte. Trotz dieser scheinbaren Allmacht der Vernunft, die für eine Weile die Philosophie an die Spitze der weltbewegenden Mächte stellte, hat die wissenschaftliche Strenge der Philosophie in Frankreich durch jenen Erfolg nicht gewonnen, da die bloß empirische Psychologie kein Mittel an die Hand gibt, Aussprüche der wahren von jenen einer nur scheinbaren Vernunft zu unterscheiden. Die französische Philosophie befand sich daher nach der Revolution bei völlig veränderter äußerer Lage wissenschaftlich in demselben Fahrwasser wie vorher, da das neubegründete Kaiserreich wie das restaurierte Königtum ihr um der Auswüchse willen, die sich mit ihrem Namen geschmückt hatten, mißtrauten, die wieder zur Macht gelangte Kirche aber ihr mit Ausnahme einer Sekte theologisierender Philosophen wie immer feindlich war. Der psychologische Empirismus Condillacs wurde unter dem Namen der »Ideologie«, dessen sich Napoleon zur Bezeichnung der ganzen ihm verhaßten Philosophie bedient hatte, von dem Grafen Destutt de Tracy (1754–1836), in gemäßigter Form von Laromiguière (1756–1837), der physikalische Empirismus (Sensualismus) unter dem Namen einer »Physiologie des Geistes« von Cabanis (1757–1808), dessen Werk »Les rapports du physique et du moral« durchaus das Gepräge des Materialismus trägt, Volney (1757–1820), dem Arzte de Broussais (1772–1838) u. a. vertreten.

Die Reaktion gegen beide ging teils vom Standpunkte des Supranaturalismus, teils von dem des Rationalismus aus. Erstere Schule, die unter dem Namen der theologischen zusammengefaßt werden kann, hatte ihren Vorgänger in dem I. Böhme verwandten Mystiker Saint-Martin (1743–1803). Ihr gemeinsames Merkmal ist die Verwerfung der Vernunft; es lassen sich aber drei untereinander abweichende Richtungen in ihr unterscheiden. Die erste, der Traditionalismus, dessen Urheber de Bonald (1754–1840) war, erklärte die Offenbarung für das Prinzip aller Erkenntnis und die göttliche Schöpfung der Sprache für das Grunddogma seines Systems. Die zweite, der theologische Skeptizismus des Abbé de Lamennais (1782–1854), der nach der Julirevolution zum Liberalismus überging, spricht der vereinzelten Vernunft, wie Pascal, die Erkenntnisfähigkeit ab, während er der Gesamtvernunft (d. h. der allgemeinen Übereinstimmung) Unfehlbarkeit beilegt. Ihren Ausdruck erblickt er in der katholischen Kirche. Da dieses Kriterium der Wahrheit im Grunde kein andres als das des natürlichen Vernunftinstinkts ist, der sich in der Übereinstimmung aller (consentement universel) offenbart, so war es ihm möglich, in den letzten Jahren seines Lebens vom theologischen zum demokratischen Standpunkt überzugehen und »Gottes Stimme«, statt mit der Stimme der Kirche, mit der »Stimme des Volkes« zu identifizieren. Die dritte Richtung, der Ultramontanismus des Grafen Joseph de Maistre (1753–1821), stimmt mit den beiden früher genannten darin überein, daß die (durch die Erbsünde verderbte) Vernunft unzulänglich ist, weicht aber von beiden durch die Behauptung ab, daß der unfehlbare Erkenntnisquell weder in der Offenbarung noch in der Kirche, sondern allein in deren persönlicher Verkörperung, im Papste, dem[17] übernatürlich-natürlichen Statthalter Christi, zu suchen sei. Dasselbe haben nachher die Saint-Simonisten von der Theokratie ihres unfehlbaren Saint-Simonistischen und die Anhänger A. Comtes, die Positivisten, von jener des positivistischen Papstes und der Hierarchie ihrer Gesellschaften verkündigt. Der theologischen Richtung mehr oder weniger verwandt zeigten sich Frayssinous (gest. 1841), der Vicomte Walsh (gest. 1860), der deutsch-jüdische Konvertit Baron Eckstein (gest. 1861), E. de Genoude (gest. 1849), Ballanche (gest. 1847) u. a. Die rationalistische Reaktion gegen den Empirismus, die als psychologische Schule bezeichnet werden darf, weil sie im Gegensatz gegen die theologische das Prinzip aller Philosophie in der Psychologie findet, die sich selbst aber bald die spiritualistische, bald die eklektische nennt, ging von den sogen. Doktrinären Royer-Collard (1763–1845) und Maine de Biran (1766 bis 1824), dem durch beide Vorgenannte gebildeten Vietor Cousin (1792–1867) und dessen Schülern, den sogen. Eklektikern, aus, unter denen Jouffroy (1796–1842) der bedeutendste war. Der Erstgenannte führte die schottische Philosophie des sogen. »con;mon sense« nach dem Muster von Reid und Dugald Stewart in Frankreich ein. Der zweite, von Cousin als der erste französische Metaphysiker des 19. Jahrh. gerühmt, ursprünglich Anhänger der Ideologie de Tracys, gründete durch sein Hauptwerk : »Essai sur les fondements de la psychologie«, worin er teilweise mit Kant (insbes. in bezug auf die Faktoren der Erkenntnis) zusammentrifft, einen Idealismus, der, gleichweit entfernt von den abstrakten Metaphysikern und den reinen Empirikern, das im Selbstbewußtsein erkannte und von seinem Phänomen unterschiedene und sich von diesem unterscheidende individuelle Subjekt zum Ausgangspunkt nimmt. Der dritte, Cousin, wurde durch das bekannte Buch der Frau v. Stael und die in Deutschland lebenden Emigranten Villers (gest. 1815) und Benjamin Constant de Rebecque (gest. 1830), von denen der erstere Kant, der letztere diesen und Jacobi studierte, auf die deutsche Philosophie aufmerksam gemacht, lernte diese während längern wiederholten Aufenthalts in Deutschland genauer kennen und suchte zwischen der schottischen Philosophie und der deutschen einen Mittelweg einzuschlagen. Er tat es, indem er, wie seine Vorgänger und Lehrer, die Philosophie auf Psychologie stützte, den empiristischen Skeptizismus durch Kants subjektiven Apriorismus, aber auch dessen kritischen Subjektivismus durch die Einführung der théorie de la raison impersonnelle bekämpfte, wodurch er sich dem absoluten Idealismus Schellings und Hegels näherte. Später ging er auf den Cartesianismus zurück, den er mit Platonischen Elementen versetzte und zu einem eignen System umgoß, das er wegen der Vereinigung dessen, was ihm verschiedene Standpunkte Wahres zu bieten schienen, Eklektizismus nannte. Durch den Wert, den er infolgedessen auf Kenntnis der verschiedensten philosophischen Systeme legte, ist er nebst Degérando (1772–1842) der eigentliche Begründer des Studiums der Geschichte der Philosophie in Frankreich geworden, um die er und seine Schüler Bouillier, Ravaisson, Hauréau, Rémusat, Damiron, Janet, Bartholméß u. a. sich namhafte Verdienste erworben haben. Die Schule wurde verdrängt teils durch den Einfluß der Hegelschen Philosophie, die sich in wissenschaftlicher Strenge bei E. Renan, H. Taine, E. Vacherot u. a., mit radikalen Elementen vermischt bei Pierre Leroux (der zuerst als Gegner Cousins in seiner »Réfutation de l'éclecticisme« auftrat), Lerminier, Carnot und selbst bei Proudhon findet, teils durch die Lehre und Schule Auguste Comtes (1798–1857), den sogen. Positivismus, der, aus einer Verschmelzung des Sensualismus und der exakten Wissenschaft mit der praktischen Gesellschaftsreform des Saint-Simonismus entstanden, die Metaphysik als Wissenschaft aufzuheben und zu einem unvollkommenen Durchgangsstadium alles Wissens herabzusetzen, dagegen die Philosophie der Geschichte als »Soziologie« zu einer exakten Wissenschaft zu erheben versucht. Seine hervorragendsten Jünger waren Littré (1801–83), Fouillée u. a. in Frankreich, Stuart Mill, Lewes, Taylor, Buckle u. a. in England. Der Einfluß Kants ist sichtbar bei Renouvier, Zachelier, Boutroux, bei denen sich auch z. T. eine metaphysische Richtung zeigt, wie auch bei Ravaisson, RauhEssai sur le fondement métaphysipue de la morale«, 1890) u. a. Zur Kenntnis der deutschen Philosophie haben außer Cousin, Villers und der Frau v. Stael vorzüglich Elsässer beigetragen, wie Willm, L'histoire de la philosophie allemande depuis Kant jusqu'á Hegel (1846–49, 4 Bde.) und Essai sur la philosophie de Hegel (1836), und A. Ott, Hegel et la philosophie allemande (1844), ferner Barchou de Penhoën, L'histoire de la philosophie allemande depuis Leibniz jusqu'à Hegel (1836, 2 Bde.); A. Saintes, Histoire de la vie et des ouvrages de Spinoza (1842) und Histoire de in vie et de la philosophie de Kant (1843). Vgl. über die französische Philosophie Damiron, Essai sur l'histoire de la philosophieen France an XIX. siècle (3. Aufl. 1834, 2 Bde.); H. Taine, Les philosophes français du XIX. siècle (7. Aufl. 1895); Ravaisson, La philosophieen France an XIX. siècle (4. Aufl. 1395; deutsch von König, Eisenach 1889); Lerminier, De l'influence de la philosophie du XVIII. siècle sur la législation et la sociabilité du XIX. siècle (1833).

Theologie.

Es konnte nicht fehlen, daß die Theologie der Franzosen von der materialistischen Richtung ihrer Philosophie scharf berührt wurde; die Reformation und der Jansenismus (s.d.) fanden wohl zahlreiche Anhänger und Bekenner in Frankreich, aber die orthodoxen Theologen der Sorbonne nahmen die weltliche Macht zu Hilfe, um gegenteilige Überzeugungen gewaltsam zu unterdrücken. Die Jesuiten, welche die theologische Literatur fast ausschließend in Händen hatten, trugen wenig dazu bei, die alten Vorurteile auf wissenschaftlichem Wege zu beseitigen. Aus dem 16. Jahrh. sind Calvin (1509–64) und sein geistreicher Nachfolger Theodor Beza (1519–1605) zu nennen; aus dem 17. Jahrh. der Jesuit I. Sirmond (1559–4651), bedeutend besonders auf dem Gebiete der Konziliengeschichte, der Dogmatiker D. Pétau (Petavius, 1583 bis 1652) und die Kirchenhistoriker P. Labbé (gest. 1667), Tillemont (gest. 1698) und Fleury (gest. 1723). Neben ihnen bewegen sich Pascal (gest. 1662), Ant. Arnauld (gest. 1694), Nicole (gest. 1695) u. a. meist in apologetischen und polemischen Räsonnements. Dann kam die theologisch-philosophische Aufklärung als Vorläuferin der Revolution. Ein Einlenken auf konservativere Bahnen machte sich nach dem großen Sturm, der Kirche und Christentum weggefegt hatte, in der Emigrantenliteratur bemerkbar; so zuerst in Chateaubriands »Génie du Christianisme«. Auch Benj. Constant (gest. 1830) versuchte eine Art von Religionsphilosophie aufzustellen. Kaum mehr Erfolg hatten die Bemühungen des geistreichen Lamennais[18] (gest. 1854), der aus einem entschiedenen Verteidiger ultramontaner Interessen deren radikalster Gegner wurde. Die Sache der katholischen Kirche vertraten um die Mitte des 19. Jahrh. unter anderm der Graf Montalembert (gest. 1870), Bischof Gerbet (gest. 1864), der Philosoph Ozanam (gest. 1854). In der Presse und im Roman vertrat die ultramontane Richtung vor allem Louis Veuillot (gest. 1883), während Edgar Quinet (gest. 1875) und Michelet (gest. 1874) sie befehdeten. Auf protestantischer Seite ragte als Vertreter der konservativen Richtung E. de Pressensé (gest. 1891) hervor, während Coquerel, Vater und Sohn (gest. 1868 und 1875), Colani (gest. 1888) u. a. freies theologisches Urteil mit wissenschaftlicher Methode verbanden. Der ehemalige katholische Theolog E. Renan hat durch seine »Vie de Jésus« und die sechs folgenden Bände »Origines du Christianisme« eine ähnliche Bedeutung gewonnen wie D. F. Strauß in Deutschland.

Innerhalb des Protestantismus ist in neuester Zeit die Führerrolle in der Theologie der jungen Fakultät von Paris zugefallen, deren theologischer Standpunkt als Symbolofideismus (s.d.) oder auch Fideismus bezeichnet worden ist. Ihr bedeutendster Vertreter war A. Sabatier (gest. 1901), neben dem E. Ménégoz Erwähnung verdient. Die wissenschaftliche Theologie in Frankreich zeichnet sich durch stete Bezugnahme auf das praktisch religiöse und kirchliche Leben sowie durch ausgesprochene Neigung zu religionsgeschichtlichen Forschungen aus, die in Frankreich schon seit Jahrzehnten durch Männer wie I. Réville u. a. gerade auch für die Erforschung der Geschichte des Christentums fruchtbar gemacht werden. Viele jüngere reformierte Geistliche sind bestrebt, das Evangelium ganz unter den sozialen Gesichtspunkt zu stellen und möglichst zur apostolischen Einfachheit und Lehrweise Christi zurückzukehren. In dem niedern katholischen Klerus hat sich, durch protestantische und Kantische Beeinflussungen und im Zusammenhang mit der radikalen Strömung in der dritten Republik neuerdings eine fortschrittliche, vom Ultramontanismus der Bischöfe bekämpfte (Kongreß von Bourges 1900) Entwickelung angebahnt. Gegen die von einzelnen Lehrern geltend gemachte gesundere biblische Exegese wendete sich Leo XIII. in der Enzyklika: »Providentissimus deus« vom 18. Nov. 1893. Aufsehen erregt in neuester Zeit Abbé A. Loisy (s.d.), dessen letzte Schriften, darunter die auch in deutscher Übersetzung (Mainz 1903) erschienene: »L'Évangile et l'Eglise«, durch Dekret vom 24. Dez. 1903 auf den Index gekommen sind. Die ultramontane Sache hat in dem Literaten Ferd. Brunetière einen findigen und geistreichen Anwalt erhalten.

Glänzende Namen hat die Kanzelberedsamkeit aufzuweisen. Außer Claude de Lingendes des (gest. 1660) und I. François Sénault (gest. 1672) nennen wir vor allen Bossuet (1627–1704), der vorzüglich in seinen Leichenreden durch Schwung der Gedanken und klassische Würde der Darstellung zu erschüttern wußte. Ihm schließt sich als jüngerer Zeitgenosse Fénelon (gest. 1715) an, der durch Einfachheit und Natürlichkeit zum Herzen sprach. Bourdaloue (gest. 1704) wirkte mehr auf den Verstand und war gründlich in Disposition und Ausführung, während der geschmackvolle und elegante Massillon (gest. 1742) als ein vollendetes Muster französischer Kanzelberedsamkeit auch von Protestanten neben Demosthenes gestellt wurde. Fléchier (gest. 1710) vereinigte rhetorische Kunst mit sorgsamer Korrektheit und glänzte besonders in seinen Trauerreden. I. Saurin (gest. 1730) war, was Kraft des Gedankens betrifft, der Bossuet der Protestanten. Unter den neuern geistlichen Rednern machten I. B. Lacordaire (gest. 1861), Abbé Ravignan (gest. 1858) und ganz besonders Loyson (Père Hyacinthe), aber auch sein Gegner, Bischof Dupanloup, Aufsehen. Protestantischerseits verdienen Erwähnung Monods und Bersiers Reden, außerdem auf liberaler Seite Fontanès und der geistestiefe, originale Elsässer Ch. Wagner.

Für die Pädagogik hat die s. L. in diesem Jahrhundert von weiblichen Händen in den »Lettres sur l'éducation« der Mad. Guizot, in der Schrift »De l'éducation des femmes« der Mad. Rémusat, desgleichen in dem Werk »De l'éducation progressive« der Mad. Necker de Saussure, außerdem auch in. Theodor Fritz' »Esquisse d'un système complet d'instruction et d'éducation et de leur histoire« (1841–43) und in Dupanloups »L'Education« (1855–62, 3 Bde.) wertvolle Beiträge geliefert. Unter den Pädagogen der dritten Republik ragen hervor P. Bert, F. Pécaut und F. Buisson, der Herausgeber des »Dictionnaire de Pédagogie« (1882–84).

Geschichtschreibung.

Die Geschichtschreibung begann in Frankreich erst im 12. Jahrh. sich freier herauszubilden. Vorher waren die geschichtlichen Arbeiten der französischen Mönche von geringer Bedeutung und mit denen der deutschen Annalisten nicht zu vergleichen. Nur Hugo v. Fleury wäre zu nennen. Dagegen sind treffliche Geschichtsbücher in lateinischer Sprache die Geschichte Philipp Augusts von Rigord, die Chronik des Wilhelm von Nangis (13. Jahrh.) und das »Speculum« des Vincent von Beauvais. Als das erste wahre Geschichtswerk in französischer Sprache gilt des Marschalls Geoffroy de Villehardouin (gest. 1213) Geschichte der Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer, der er selbst beigewohnt. Aus dem 13. Jahrh. stammt auch Jean de Joinvilles (1224–1318) treuherzig und unparteiisch gehaltene »Histoire de saint Louis«. Indem sowohl Villehardouin als Joinville bei ihren Darstellungen von persönlichen Erlebnissen ausgingen, bieten sie das erste Beispiel von der Form der Memoiren oder Denkwürdigkeiten, welche Gattung in Frankreich seitdem besonders geblüht hat. Ihnen schlossen sich im 15. Jahrh. die Denkwürdigkeiten Oliviers dela Marche und Philipps de Comines an. Die Werke dagegen, die, auch in der Volkssprache, die Weltbegebenheiten ihrer Zeit darstellten, nannte man Chroniken. Unter den Chronisten des 15. Jahrh. zeichnen sich Froissart (1337–1410) in seinen den Geist der Zeit treu wiedergebenden »Chroniques de France, d'Angleterre, etc.«, der freimütige u. naive, wenn auch dogmatisch befangene Juvenal des Ursins (gest. 1473) in seiner Geschichte Karls VII. und Enguerrand de Monstrelet (gest. 1453), der Fortsetzer von Froissarts Werk, besonders aus. Claude de Seyssel (gest. 1520) trug durch seine »Histoire de Louis XII« und seine »Grande monarchie de France« zur Gestaltung einer einfachen, natürlichen historischen Darstellung bei. Überhaupt gewann mit dem Studium der klassischen Literatur die historische Kunst an Gediegenheit und Korrektheit, verlor aber auch die alte treuherzige Naivität des von Joinville angegebenen Memoirentons. In der (anonymen) »Histoire du chevalier Bayard et de plusieurs choses advenues sous les règnes de Charles VIII, Louis XII et François I« zeigt sich zum letztenmal die naive Einfalt der ältern Geschichtschreiber. Eigentliche [19] Memoiren schrieben Moutluc (gest. 1577), Sully (gest. 1641), Duplessis-Mornay (gest. 1623) u. v. a.; der bekannte Hugenotte d'Aubigné (gest. 1630) verfaßte eine »Histoire universelle«, ein gedankenreiches Werk. Der wichtigste französische Geschichtschreiber des 16. Jahrh. ist Jacq. Aug. de Thou (1553–1617), gewöhnlich Thuanus genannt, der die Begebenheiten seiner Zeit mit Verstand, Forschungsgeist und Wahrheitsliebe in lateinischer Sprache zusammenstellte. Im 17. Jahrh. wurde die gelehrte Geschichtsforschung gepflegt, sowohl die Kritik der Geschichte von Tillemont (gest. 1698), Pagi (gest. 1669) und Beaufort (gest. 1795) als die Sammlung von Quellenmaterial von Duchesne (gest. 1640), Baluze (gest. 1718), Bouquet (gest. 1754), die Chronologie durch Pétau (gest. 1652) und die Urkundenlehre oder Diplomatik durch Mabillon (gest. 1707) und andre Benediktiner und das Glossar von Ducange (gest. 1688). Auch erschienen einige Geschichtswerke und viele wertvolle Memoiren (s.d.). Als einziges nationales Geschichtswerk des 17. Jahrh. ist aber nur die Geschichte Frankreichs von Mézeray (gest. 1683) zu nennen, das gründlich und freimütig das Leben und die Zustände der Nation schilderte. Alle diese Historiker überragt jedoch Bossuet (gest. 1704), der in seinem »Discours sur l'histoire universelle« die moderne philosophische Behandlung der Geschichte, allerdings in streng kirchlichem Sinne, begründete. Er war der Vorläufer einer neuen, mit Voltaire (1694–1778) und Montesquieu (1689–1755) beginnenden Epoche der Geschichtschreibung, des philosophischen Pragmatismus. Die Werke dieser Richtung, meist durch formvollendete Sprache und geistvolle Darstellung ausgezeichnet, verfolgten das Ziel, durch Kritik des Bestehenden und Vergleich mit dem Altertum oder durch den Maßstab der Vernunft und Erfahrung bessernd zu wirken. Diese philosophische Richtung überdauerte auch die Stürme der Revolution und fand im 19. Jahrh. ihren Hauptvertreter in Guizot (gest. 1874), dem sich Michelet (gest. 1874), Sismondi (gest. 1842), Jules Simon, Laboulaye, Taine u. a. anschlossen. Besonders aber kam der politische Standpunkt bei den Geschichtswerken zum Ausdruck, und mehrere ihrer Verfasser hatten weniger die Erforschung und Darstellung der Wahrheit als die Verteidigung und Verherrlichung ihrer politischen Grundsätze im Auge. In diesem Sinne wirkten die durch fesselnde Darstellung und Sachkenntnis ausgezeichneten Werke von MignetHistoire de la Révolution française«) und ThiersHistoire de la Révolution« und »Histoire du Consulat et de l'Empire«) für die konstitutionellen Ideen und die nationale Größe. Gewissenhafter und objektiver sind Tocquevilles (gest. 1859) tiefdurchdachte Schriften. Vom republikanischen Standpunkt aus schilderte H. Martin die Geschichte Frankreichs; Louis Blancs Geschichtswerke sind entschieden radikal. Gegen den Napoleonkultus traten Lanfrey und Jung auf, legitimistisch sind Saint-Priest und Michaud. Daneben ward die Geschichtschreibung nicht vernachlässigt, die ohne Tendenz die Ereignisse, Charaktere und Zustände anschaulich schildern will. Glänzende Vertreter dieser Richtung sind die Brüder Augustin Thierry (gest. 1856) und Amédée Thierry (gest. 1873), ferner Barante (gest. 1866), Capefigue (gest. 1872), Lacretelle, Salvandy u. a. Hatten einige dieser Historiker es mehr auf anmutige Unterhaltung als auf gründliche Belehrung abgesehen und die zuverlässige Forschung über der schönen Form vernachlässigt, so brach sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. unter dem Einfluß der deutschen Historiographie auch in Frankreich das Streben nach sorgfältiger Sammlung und eindringlicher Kritik des Materials und wahrheitsgetreuer Darstellung Bahn. Es wurden alle Perioden der französischen Geschichte gründlich durchforscht, viele Urkundensammlungen, Chroniken und Memoiren herausgegeben und eine Reihe von Werken geschaffen, die, was Gründlichkeit der Forschung, geistvolle Auffassung und schöne Darstellung anbelangt, den höchsten Ansprüchen genügen können. In der neuesten Zeit wird auch der Geschichte der außerfranzösischen Völker, zumal Deutschlands, große Aufmerksamkeit geschenkt. Ebenso wurden die Institutionen des Mittelalters sorgfältig durchforscht. Vertreter dieser Schule sind besonders Duruy, Geffroy, Sainte-Aulaire, Bazin, Duvergier de Hauranne, Broglie, Fustel de Coulanges, Lavisse, Gabriel Monod, Sorel, Rousset, Funck-Brentano, Rich. Waddington u. a. Die Memoiren, zumal aus der Zeit der Revolution und der Napoleonischen Zeit, sind außerordentlich zahlreich, aber nur teilweise von geschichtlichem, wenige von künstlerischem Werte, teilweise auch Bearbeitungen oder gar Fälschungen; ihnen schließen sich die Biographien an, die ebenfalls verschiedenen Wert haben.

Übrige Wissenschaften.

Die Staatswissenschaft bildete sich seit dem 16. Jahrh. nicht ohne Übertreibungen und Verirrungen aus. Die philosophische Idee vom Staat wurde durch das Studium der Alten entwickelt, und die kirchlichen und politischen Revolutionen des 16. und 17. Jahrh. erweckten eine Menge neuer Ideen. Den ersten Versuch einer wissenschaftlichen Darstellung der idealen Staatslehre machte Jean Bodin (gest. 1596), der in seiner Schrift »De la république« die Monarchie weit über alle andern Regierungsformen stellte. Etienne dela Boëtie (gest. 1561) bekannte sich zu kühnen Grundsätzen altertümlicher Freiheit, und in demselben Geist verfaßte Hubert Languet (gest. 1581) seine berühmte Schrift »Vindiciae contra tyrannos«. Unter der Regierung Ludwigs XV. trat der Widerspruch gegen die mangelhaften Staatsformen nicht mehr in Ergüssen bittern Unmutes oder witzigen Spottes zutage, wie unter den frühern Königen, sondern in ernster wissenschaftlicher Gestalt. Britische Ideen gewannen überwiegenden Einfluß und lenkten den Willen auf ein festes Ziel. Voltaire, Rousseau, Montesquieu, Mably, Raynal und die Enzyklopädisten überhaupt gaben dem Geiste der Nation eine durchaus neue und bestimmte Richtung, und ihr Einfluß ist bis auf die neueste Zeit wirksam geblieben. Aus der großen Zahl politischer Schriftsteller, welche die Revolution hervorbrachte, mögen hier nur Sieyès, Condorcet, Cabanis, Mirabeau, Valuny, Degérando, Benj. Constant, Madame de Staël, Talleyrand, Chateaubriand, Courier, aus neuerer Zeit Guizot, Kératry, Villèle, Casimir-Perier, Dupin, Odilon Barrot, Thiers etc. genannt sein. – Die Nationalökonomie fand bereits zur Zeit der Physiokraten oder der von dem Leibarzt Ludwigs XV., François Quesnay (s.d.) begründeten ökonomischen Schule, die den Ackerbau als die einzige Quelle des Volkswohlstandes betrachtete, eine sehr rege wissenschaftliche Behandlung. Später verschafften sich A. Smiths Lehren, wie in andern Ländern, so auch in Frankreich raschen Eingang. Insbesondere hat I. B. Say (gest. 1832) dieselben in seinem Hauptwerk: »Traité de l'économie politique« (1803) in übersichtlicher und klarer Weise entwickelt.[20] Vorzüglich hat man in Frankreich, dem klassischen Lande des Sozialismus, schon frühzeitig der Arbeiterfrage eine eingehende und lohnende Aufmerksamkeit zugewandt, so Villermé in seiner Schrift über die physische und moralische Lage der Arbeiter (1834), ebenso Dupin, ferner Dunoyer (gest. 1862) in seinem gediegenen Werk »De la liberté du travail« (1845). Wohl der bekannteste französische Volkswirt ist Fr. Bastiat (gest. 1850), der in einer zwar durch glänzende Diktion ausgezeichneten, aber allzu optimistischen Weise die Freihandelsdoktrin verfochten und die sozialistischen Bestrebungen bekämpft hat. Der frühere Saint-Simonist M. Chevalier lieferte tüchtige Arbeiten aus dem Gebiete des Verkehrswesens, L. Wolowski über die von ihm verteidigte Doppelwährung, E. de Parien und Leroy-Beaulieu über die Besteuerung, H. Baudrillart über die Geschichte des Luxus und insbes. über die Ackerbaubevölkerung Frankreichs. – Die ersten bedeutenden Namen in der Geschichte der Rechtswissenschaft gehören dem 16. Jahrh. an, wie Budé (Budäus), Cujas (Cujacius), Brisson u. a., die sich bemühten, das römische und kanonische Recht von den abgeschmackten Glossen der frühern Jahrhunderte zu reinigen. Von der Zeit Ludwigs XIV. bis zur Revolution fand dann die Rechtswissenschaft keine sonderliche Pflege; man beschränkte sich fast ausschließlich auf das Praktische und sorgte durch sogen. Repertorien für die Bequemlichkeit der Juristen, die philosophische Behandlung des Faches andern überlassend. Unter den Systematikern dieser Periode ist nur Pothier (gest. 1772) hervorzuheben. Endlich durch die Gesetzbücher Napoleons I. erhielt die Rechtswissenschaft auch einen wissenschaftlichen Schwung, indem man anfing, sowohl die historische als die politische Seite des Rechtes mit Gründlichkeit zu behandeln. Die historische Richtung fand ihren Mittelpunkt in der »Revue historique de droit« (1855ff.), die auch die Verbindung mit der ausländischen Rechtswissenschaft zu fördern bestrebt war. Von deutschen Ideen angeregt, entstand eine eklektische rechtsphilosophische Schule, die durch Lerminier (gest. 1857) am eigentümlichsten vertreten ward.

Die Anfänge der gerichtlichen und parlamentarischen Beredsamkeit entwickelten sich im 16. Jahrh. einerseits unter dem Einfluß der Parteileidenschaften, anderseits unter dem einer unselbständigen Nachahmung der Alten, die sich des gesamten geistigen Lebens der Zeit bemächtigt hatte. Als bedeutendste Redner jener Epoche sind P. Duchâtel (gest. 1552) und Guillaume du Vair (gest. 1621) zu nennen. Im philosophischen Zeitalter zeichneten sich die Reden von Lenormand und Cochin (gest. 1747) durch Klarheit der Beweisführung aus, namentlich aber lieferte H. Fr. d'Aguesseau (gest. 1751) Musterstücke von bleibendem Wert. Nachdem endlich die Revolution von 1789 die eigentliche Tribüne geschaffen und die Gerichtssäle auch dem Volk geöffnet hatte, entwickelte sich die Beredsamkeit, durch die Leidenschaften und Bedürfnisse des Augenblicks beherrscht, zu einer Macht, die tätig und oft entscheidend in die Geschicke Frankreichs eingriff. Unter den Rednern jener Epoche glänzen neben Mirabeau (gest. 1791), dem König der Rednerbühne, besonders Sieyès, der Girondist Vergniaud, der gewaltige Danton, Robespierre und Saint-Iust. Unter dem Druck der Napoleonischen Herrschaft verstummten die oratorischen Talente oder sanken zu knechtischen Schmeichlern herab; erst nach der Restauration blühte die Staatsberedsamkeit wieder in verjüngter Kraft auf, und besonders war es die liberale Partei, die sich des Wortes als einer scharfen Waffe bediente. Zu den bedeutendsten Rednern der Restauration gehören Benj. Constant, der General Foy, Lafitte, de Serre und Royer-Collard, während sich Guizot, Thiers, Odilon Barrot, Victor Hugo und Lamartine besonders nach der Julirevolution hervortaten. Aus der spätern Zeit sind neben Thiers namentlich Jules Favre, Dufaure, Rouher, Ollivier und Gambetta zu nennen, während die gerichtliche Beredsamkeit an den Brüdern Dupin, Marie, Crémieux, Hennequin, dem jüngern Berryer, Mérilhou, I. Favre, Lachaud u. a. treffliche Pfleger fand.

Die lange vernachlässigte allgemeine Geographie ward zuerst von Maltebrun (gest. 1826), dann von Lapparent gründlicher bearbeitet; doch leiden noch jetzt die französisch-geographischen Lehrbücher und Reisebeschreibungen z. T. an beispielloser Ungenauigkeit und Oberflächlichkeit. Eine rühmliche Ausnahme machen das »Dictionnaire géographique universelle« (1825), woran auch Deutsche, wie A. v. Humboldt und Klaproth, gearbeitet haben, und die gediegenen Arbeiten von Vivien de Saint-MartinHistoire de la géographie«, 1873; »Dictionnaire de géographie universelle«, 1875ff.) und in geringerm Maß E. ReclusNouvelle Géographie universelle«, 1876–94; »La Terre«, 1867).

Das in der ersten Hälfte des 16. Jahrh. namentlich von Budé begründete Studium der klassischen Philologie nahm bald bedeutenden Aufschwung, besonders auf dem Gebiete des Griechischen durch Männer wie Turnèbe, die beiden Etienne (Stephanus), Lambin, Cujas, Muret, Pithou, vornehmlich Scaliger, an die sich im 17. Jahrh. Casaubon, Saumaise, Petan, Valois, du Cange anschließen. Seit Mitte des 17. Jahrh. fand es vorzugsweise unter den geistlichen Orden Vertreter, wie in dem Jesuiten Hardouin und namentlich den Benediktinern Mabillon, dem Begründer der Paläographie, und Montfaucon, dem Begründer der antiquarischen Disziplinen. Neben und nach diesen waren auf diesem Gebiet im 18. Jahrh. besonders Pellerin, Caylus, d'Anville tätig, während sich Larcher, Villoison und die Elsässer Brunck und Schweighäuser als Hellenisten verdient machten. Aus dem 19. Jahrh., wo anfangs die französische Philologie im literarischen Teil hinter den Nachbarländern zurückstand, sind als Vertreter dieses Teiles außer den Deutschen Hase, Dübner. und Weil zu nennen. Boissonade, Quichérat, Littré, Renier, Miller, Egger, Desjardins, Bréal, Graux; ganz besonders Großes aber haben Franzosen auch im 19. Jahrh. in der Archäologie geleistet, wie de Quincy, de Clarac, Letronne, Raoul-Rochette, de Longpérier, de Luynes, die beiden Lenormant, Texier, Le Bas, Waddington, die beiden Reinach, die Numismatiker Mionnet, Cohen, de Saulcy. Auch auf dem Gebiete der Sprachen und Literaturen des Orients wurde Bahnbrechendes geschaffen. Anquetil-Duperron, der sich von 1755–62 in Indien aufhielt, brachte den Zendavesta nach Europa und begründete die Zendphilologie, die im 19. Jahrh. von Burnouf, Darmesteter u. a. bedeutend gefördert wurde. Als Entzifferer der Hieroglyphen trat Champollion auf; als bedeutende Arabisten sind aus neuerer Zeit Quatremère, de Sacy, als Assyriologen Lenormant, Ménant, als Sinologen Saint-Julien, Rosny, als Sanskritisten Burnouf, Regnier, Bergaigne, Barthélemy de Saint-Hilaire u. a. zu nennen. Auch manche deutsche und elsässische Orientalisten, wie Mohl, Oppert, Schefer, Barth, wirken[21] oder wirkten in Paris. Ein ganz neues und ergiebiges Gebiet eroberte sich die Philologie in Frankreich noch dadurch, daß sich die Gelehrten dem Studium ihrer reichen mittelalterlichen Literatur und der Antiquitäten des Landes zuwandten, ein Gebiet, auf dem sich besonders Fr. Michel, Leroux de Lincy, A. Jubinal, Paulin Paris und sein Sohn Gaston Paris, Paul Meyer, Chabaneau, Léon Gautier, A. Thomas, E. Picot, Raynaud, Littré u. a. ausgezeichnet haben.

Besondere Beachtung verdienen noch die französischen Schriften über deutsche Literatur, die, anfangs zumeist dilettantisch und unzulänglich, in den letzten zwei Jahrzehnten an Wert immer mehr gewonnen haben. Um die Einführung der germanischen Philologie haben sich V. Henry, Henri LichtenbergerLe poème et la légende des Nibelungen«, 1891), Ch. Andler, der wichtige Probleme der Heldensage und Mythologie beleuchtete (1897), F. PiquetEtude sur Hartmann d'Aue«, 1898) u. a. verdient gemacht. Die beste Arbeit über Hans Sachs schrieb der Franzose Charles Schweitzer (1889); über Fischart handelte P. Besson (1890), über Gryphius L. G. Wysocki (1893), über Lessing E. Grucker (im 2. Band seiner wertvollen »Histoire des doctrines littéraires et esthétiquesen Allemagne«, 1896), über Goethe Ernst LichtenbergerEtudes sur les poésies lyriques de Goethe«, 1877 u. 1892), Paul Stapfer, Th. CartGoetheen Italie«, 1881), Rod (»Etude sur Goethe«, 1898), Fernand BaldenspergerGoetheen France«, 1904) u. a., über Schiller A. KontzLes drames de la jeunesse de Schiller«, 1899), über Jean Paul I. Firmery (1886), über Heine Jules LegrasHenri Heine poète«, 1897, vortrefflich), über Grillparzer Auguste Ehrhard (1900, sehr gut), über Lenau L. Roustand (1898), über Gottfried Keller der genannte Baldensperger (1899), über Novalis E. Spenlé (1904). Eine Geschichte der deutschen Literatur verfaßte A. Bossert (1901), »Etudes de littérature allemande« A. Chuquet (1900–02, 2 Tle.) und eine Geschichte des nationalen Gedankens in Deutschland Lévy-Bruhl in »L'Allemagne depuis Leibniz« (1890).

Die naturwissenschaftliche Literatur Frankreichs beginnt wie in andern Ländern mit scholastischen EnzyklopädienSpeculum naturale« des Vincent von Beauvais, 13. Jahrh.). Die Botanik empfing eine frühzeitige Anregung durch Reisende, wie P. Belon (gest. 1564) und I. P. de Tournefort (gest. 1708), durch die Anlage botanischer Gärten zu Paris und Montpellier gegen Anfang des 17. Jahrh. und durch Begründung des sogen. natürlichen Systems von B. de Jussieu (gest. 1777) und dessen Neffen L. de Jussieu (gest. 1836) die hauptsächlichste Förderung. Des letztern hervorragendster Nachfolger war der ältere De Candolle (gest. 1841). Die Anatomie, Physiologie, Geographie und Paläontologie der Pflanzen wurde durch Brisseau Mirbel (gest. 1854), Alphonse De Candolle (gest. 1893), Ad. Bronquiart (gest. 1876) lebhaft gefördert. In der Zoologie war namentlich der Einfluß, den Buffon (gest. 1788) durch die glänzenden Schilderungen seiner »Allgemeinen Naturgeschichte« (1749–88) ausübte, bedeutend, obschon der wissenschaftlich wertvollere Teil des Buches seinem Mitarbeiter Daubenton (gest. 1800), dem Begründer der vergleichenden Anatomie, zugeschrieben werden muß. Auf Grund der Vorarbeiten Daubentons und andrer Forscher half dann Cuvier (1769–1832) der vergleichenden Methode zu ihrer Würdigung und wurde so der Begründer der neuern Zoologie. Seinem Ansehen als Hauptvertreter der Konstanzlehre mußten die Anläufe der naturphilosophischen Schule, an deren Spitze Lamarck (gest. 1829) und später Isidor Geoffroy Saint-Hilaire (gest. 1861) standen, für lange Zeit unterliegen, und selbst heute noch zählt die Entwickelungslehre unter allen Kulturstaaten in Frankreich die wenigsten Anhänger. Die Naturgeschichte der Säugetiere bearbeiteten, um nur einige Namen zu nennen, Audebert (gest. 1800), Et. Geoffroy Saint-Hilaire (gest. 1844); die der Vögel Lesson, Vieillot, d'Orbigny. Das vollständigste Werk über die Reptilien gab Duméril (gest. 1860); über die Fische schrieb Lacepède (gest. 1825), Cuviers Fischwerk wurde von Valenciennes fortgesetzt. Die wirbellosen Tiere, namentlich die Mollusken, bearbeiteten Lamarck, Deshayes, d'Orbigny, Dujardin, Sartigny; um die Kenntnis der Insekten machten sich vor allen Latreille, Lacordaire, Olivier, um diejenige der niedern Tiere Blainville, die beiden Milne-Edwards und de Quatrefages verdient. Die vergleichende Anatomie wurde nächst Blainville besonders durch Lacaze-Duthiers, die Anthropologie durch A. de Quatrefages, Topinard, Broca u. a., die Prähistorie durch Boucher de Perthes, Nadaillac, G. de Mortillet u. a. gefördert. In der populären Literatur hatte nach Buffon kein Unternehmen einen ähnlichen Erfolg aufzuweisen; I. Fabres »Souvenirs d'Entomologiques« (bisher 8 Bde.) erfreuen sich allgemeiner Wertschätzung; die zahlreichen zoologischen Werke L. Figuiers können dagegen nur mäßige Ansprüche befriedigen. – In der Geologie wurde ein vielversprechender Anfang durch Descartes (gest. 1650) gewonnen, der zuerst die Theorie von dem feuerflüssigen Ursprung der Erde begründete, worauf Buffon in seiner »Cosmogénie« (1749) den ersten Versuch machte, die Weltbildungslehre in abgerundeter Form und ohne Rücksicht auf religiöse Ansichten abzuhandeln. Die Neubearbeitung u. d. T.: »Les époques de la nature« (1778) wies Einschränkungen auf. Er war auch Begründer der später durch Cuvier berühmt gewordenen Katastrophentheorie, indem er an die Stelle der ehemals angenommenen einmaligen Revolution (Sintflut), deren fünf setzte. An der Begründung der neuern Geologie beteiligten sich besonders wirksam Dolomieu (gest. 1801) und Elie de Beaumont (gest. 1874), während G. A. Daubrée (geb. 1814) in neuerer Zeit mit besonderm Erfolg das Gebiet der experimentellen Geologie betrat. Vor allem aber waren die Arbeiten französischer Forscher auf dem Felde der Paläontologie und Petrefaktenkunde von Wichtigkeit. Hier ragen die Arbeiten von Cuvier, d'Orbigny, Barrande, Alex., Adolphe und Charles Brongniart, Filhol, Lemoine, Graf Saporta und Gaudry hervor. Unter den übersichtlichen Darstellungen sind für die ältere Epoche die von Elie de Beaumont und d'Orbigny, aus neuerer Zeit die von Daubrée, Renault, Graf Saporta und Gaudry hervorzuheben. – Die Experimentalphysik wurde durch Mariotte (gest. 1684), der die Versuche Galileis und Torricellis erweiterte und namentlich die Mechanik und Statik sowie die Lehre vom Druck der Gase begründete, für Frankreich begonnen, durch die auf Pascals Anregung begonnene Anwendung des Barometers zu Höhenmessungen erheblich gefördert und durch die Expeditionen der französischen Akademie, um durch Gradmessungen und Pendelversuche die Physik der Erde zu erforschen, erweitert, wobei Maupertuis (gest. 1759) und Bouguer (gest. 1758) die ersten Anläufe machten, Dichtigkeit und Anziehung der Erde direkt zu messen. Später verwendeten d'Alembert (gest.[22] 1783), Lagrange (gest. 1813) und Laplace (gest. 1827) die Gesetze der Mechanik zum Ausbau der Himmelsmechanik, und des letztern »Mécanique célaste« (1799ff.) gehört zu den epochemachenden Werken auf diesem Gebiet. Einen neuen Anstoß für die Theorie der Himmelsmechanik gab Leverriers Entdeckung des Neptun. Die Optik bereicherten vor andern Fresnel (gest. 1827), Biot (gest. 1862) und Fr. Arago (gest. 1853), indem sie die Undulationstheorie durch das Studium der Brechungs-, Beugungs- und Interferenzerscheinungen erweiterten. Für die Elektrizitätslehre wurden Ampères (gest. 1836) Untersuchungen bahnbrechend. Planté lieferte zahlreiche Arbeiten über Ströme von hoher Spannung, während Edmond Becquerel (gest. 1891) namentlich auf elektrochemischem Gebiete tätig war und, wie auch das Ehepaar Curie, die Phosphoreszenzerscheinungen studierte. Eine populäre Naturlehre schrieb Ant. César Becquerel (gest. 1878); vielgelesene physikalische Vorträge von musterhafter Klarheit veröffentlichten Fr. Arago, Gast. Tissandier, W. S. Fonvielle u. a.- Um die Astronomie machten sich außer Laplace und den andern oben Genannten namentlich Biot und Arago (durch seine »Populäre Astronomie«) verdient. Die am meisten gelesene astronomische Schrift des 18. Jahrh. war Fontenelles »Pluralité des mondes« (1686), in neuerer Zeit insbes. Camille Flammarions und Guillemins Schriften. – Die Chemie kam zuerst durch die Forschungen Lémerys (gest. 1715) von ihren frühern alchimistischen Torheiten zurück. Ihre völlige Umgestaltung und daraus entspringende Verbindung mit der Physik verdankte sie aber erst Lavoisier (gest. 1794), der dem phlogistischen System das antiphlogistische entgegensetzte. Nächst ihm ist vor allen Gay-Lussac (gest. 1850) für den Ausbau der physikalischen Chemie und Äquivalentenlehre tätig gewesen; er erschloß auch der organischen und gewerblichen Chemie neue Wege, worauf für die Ausbildung der theoretischen Chemie namentlich Dumas', Laurents und Gerhardts Arbeiten zu erwähnen sind. Boussingault und Schlösing bereicherten die Kenntnis der Agrikulturchemie, und in neuerer Zeit lieferten Berthelot und Moissau zahlreiche wertvolle Arbeiten. Als bedeutendster französischer Mineralog muß R. I. Hauy (gest. 1822), der Begründer der modernen Kristallographie, genannt werden.

Literatur.

Das für gewisse Partien (freilich nicht durchaus) gründlichste, jedenfalls aber das ausführlichste Werk über die Geschichte der französischen Literatur ist die »Histoire littéraire de la France«, 1733 von den Benediktinern von Saint-Maur begonnen, dann von der Académie des Inscriptions (Daunou, Le Clerc, Fauriel, P. Paris, Littré u. a.) fortgesetzt. Erschienen sind bis 1902: 32 Quartbände, die bis ins 14. Jahrh. reichen (vgl. U. Robert, Documents inédits concernant l'histoire littéraire de la France, Par. 1875). Eine ausführliche Darstellung gibt auch das Sammelwerk von Petit de Julleville: »Histoire de la langue et de la littérature française« (Par. 1896–99, 8 Bde.). Die üblichen Handbücher sind erst vom 16. Jahrh. an einigermaßen zuverlässig, so der streng-klassische Nisard (1844, 10. Aufl. 1883), Demogeot (1851, 26. Aufl. 1899), Doumic (1888, 16. Aufl. 1900), Lintilhac (1891–94, 2 Bde.), Gidel (1875–1898, 4 Bde.), Lanson (1895, 7. Aufl. 1902), Brunetiere (1898), Faguet (1900, 2 Bde.). Für das Mittelalter (bis 1327) gibt eine treffliche Übersicht Gaston Paris, La littérature française an moyen-âge (2. Aufl. 1890). Das 16. Jahrh. ist eingehend behandelt von Darmesteter und Hatzfeld, »Le seizième siècleen France« (6. Aufl. 1895). Für das 15. und 16. Jahrh. sind wichtige Nachschlagewerke die »Bibliothèques« von La Croix du Maine (eigentlich Grudé) und Du Verdier (beste Ausgabe beider von Rigoley de Juvigny, 1772–73, 6 Bde.), auch die »Bibliothèque française« des Abbé Goujet (1741–56, 18 Bde.). Die Literatur vom 16.- 19. Jahrh. ist in einzelnen Werken von Albert und gründlicher von Faguet dargestellt worden. Einzelne Abschnitte behandeln Demogeot, »Tableau de la littérature française an XVII. siècle« (1859), Dupuy, »Histoire de la littérature française an XVII. siècle« (1892), Barante, »Tableau de la littérature française an XVIII. siècle« (1809, 8. Aufl. 1857), Vinet, »Histoire de la littérature française an XVIII. siècle« (2. Aufl. 1876, 2 Bde.), Géruzez, »Histoire de la littérature française pendant la Révolution« (1859, 6. Aufl. 1877), Jullien, »Histoire de la poésie française á l'époque impériale« (1844, 2 Bde.), Jeanroy-Félix, »Nouvelle histoire de la littérature française pendant la Révolution et le premier Empire« (1886, 2. Aufl. 1898), Louis Bertrand, »La fin du classicisme« (1897), Charpentier, »La littérature française an XIX. siècle« (1875; deutsch von Otto, Stuttg. 1876), Perrens, »La littérature française an XIX. siècle« (1899), Lenient, »La comédieen France an XIX. siècle« (1898, 2 Bde.) und »La poésie patriotiqueen France« (1891–94, 3 Bde.), Laporte, »Histoire littéraire du XIX. siècle, manuel critique et raisonné« (1884–90, 7 Bde., unvollendet), Nettement, »Histoire de la littérature française sous la Restauration (1852, 2 Bde.; 3. Aufl. 1874) und sous le gouvernement de juillet« (1853–55, 4 Bde.; 3. Aufl. 1870, 2 Bde.), Latreille, »La fin du théâtre romantique« (1899), Lareau, »Histoire de la littérature canadienne« (Montréal 1874), Rossel, »Histoire de la littérature française hors de France« (1894). Für die Gegenwart ist von Wert Vapereau, »Dictionnaire universel des contemporains« (6. Aufl. 1893) und Mendès, »Le mouvement poétique français de 1867 à 1900« (1903). Eine kurze Geschichte des französischen Theaters gibt Petit de Julleville, »Le théâtreen France« (1889). Ein nützliches Unternehmen (freilich nicht immer zuverlässig) ist auch der »Atlas littéraire de la France« von Diancourt (1878). – Deutschland hat von Gesamtdarstellungen einige Kompendien aufzuweisen: von Engel (5. Aufl., Leipz. 1901), Bornhak (Berl. 1886), Kreyßig (6. Aufl. von Kreßner u. Sarrazin, das. 1889), Junker (4. Aufl., Münst. 1902). Eingehender und zuverlässiger ist Suchier und Birch-Hirschfeld, Geschichte der französischen Literatur (Leipz. 1900). Für das 16. Jahrh. ist von Wert Birch-Hirschfeld, Geschichte der französischen Literatur seit Anfang des 16. Jahrhunderts (Bd. 1, Stuttg. 1889) sowie Morf, Geschichte det neuern französischen Literatur (Straßb. 1898, Bd. 1); für das 17. Jahrh. Lotheissen, Geschichte der französischen Literatur im 17. Jahrhundert (2. Aufl., Wien 1897, 2 Bde.); für das 18. Jahrh. Hettner, Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts, Bd. 2 (5. Aufl., bearbeitet von Morf, Braunschw. 1894); für die Revolutionszeit Lotheissen, Literatur und Gesellschaft in Frankreich zur Zeit der Revolution (Wien 1872); für das 18.- 19. Jahrh. Julian Schmidt, Geschichte der französischen Literatur seit Ludwig XVI., 1774 (2. Aufl., Leipz. 1874, 2 Bde.); für das 19. Jahrh. G. Brandes, Die Hauptströmungen der Literatur[23] des 19. Jahrhunderts, Bd. 3 und 5; endlich Koschwitz, Die französische Novellistik und Romanliteratur über den Krieg 1870/71 (Berl. 1893). Für die französische Bibliographie sind die Hauptwerke im Artikel »Bibliographie« (S. 820) angeführt; dazu: H. P. Thieme, La littérature française an XIX. siècle. Bibliographie (1899); Ginisty, L'année littéraire (1885–94); Noël u. Stoullig, Annales du théâtre et de la musique (1875–94, 20 Bde.; fortgesetzt von Stoullig). Vgl. auch H. Avenel, Histoire de la Presse française depuis 1789 (1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 4-24.
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